Protokoll der Sitzung vom 10.11.2010

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich will nur auf ein paar Punkte kurz reflektieren, die der Herr Staatssekretär hier ausgeführt hat. Zum Thema Stadtwerke und Verlässlichkeit, Herr Staatssekretär: CDU und FDP haben, glaube ich, von Anfang an nie einen Zweifel daran gelassen, was wir von der ideologisch-motivierten Verkürzung der Laufzeiten denn darum handelt es sich beim Ausstieg in Wahrheit - gehalten haben. Wir haben, glaube ich, nie einen Zweifel daran gelassen, dass wir, wenn wir in Verantwortung kommen, diesen Ausstieg wieder rückgängig machen, wenn es einen Weg dazu gibt. Das haben wir getan. Wir sind trotzdem oder vielleicht gerade deshalb gewählt worden und erweisen uns insofern, glaube ich, schon als verlässlich. Für die Stadtwerke gilt wie für jeden anderen Ener

(Staatssekretär Staschewski)

gieversorger auch, dass es bei Nutzung von erneuerbaren Energien natürlich einen Einspeisevorrang, bei Nutzung von fossilen Energieträgern diesen eben nicht gibt. Das wussten auch die Stadtwerke, auch das gehört zur Frage der Verlässlichkeit.

Ach, und weil Sie bei der Grundlastgeschichte noch gewesen sind - natürlich, Sie wissen mindestens so gut wie ich, das unterstelle ich einfach mal, dass wir zum Beispiel bei der Windenergie einen Anteil an der installierten Leistung in Deutschland von fast 20 Prozent haben, die Windenergie aber gerade einmal etwas über 5 Prozent am tatsächlichen Energieaufkommen liefert. Das zeigt das Problem, wie groß die Spanne zwischen installierter Leistung und tatsächlich abrufbarer Leistung ist, deswegen brauchen wir auch grundlastfähige Kraftwerke, zu denen im Moment die Kernenergie - zu der man unterschiedlich stehen kann, das gebe ich alles zu gehört.

(Zwischenruf Staschewski, Staatssekretär: Investitionen ins Netz.)

Kollege Weber, weil Sie hier dargelegt haben, wer alles beteiligt worden ist 2001 bei dem Ausstieg, auch mit Blick auf die Ausführungen des Herrn Minister Schöning von eben, Sie haben einen nicht erwähnt, nämlich die Länder. Das haben Sie deshalb nicht getan, weil Sie so gut wissen wie fast alle anderen hier im Raum, dass Rot-Grün damals auch davon Abstand genommen hat, den Bundesrat zu beteiligen. Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP)

Vielen Dank. Wir haben Redezeit, Herr Abgeordneter Gentzel.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schöning, ich musste jetzt einfach vorkommen, weil die Frage Bundesratsbeteiligung ist natürlich ein Thema, was uns interessiert und was auch sehr kontrovers diskutiert worden ist. Ich finde, bei Ihren Ausführungen hat einfach was gefehlt. Mir ist schon klar, dass es hier auf das Gutachten von Rupert Scholz zurückzielt, aber die Landesregierung hat doch einen hervorragenden Verfassungsrechtler in den eigenen Reihen.

(Zwischenruf Abgeordneter Barth, FDP: Noch!)

Das werden wir zum anderen Zeitpunkt sehen. Ich sage, wenn wir hier in Thüringen sind und die eigene Thüringer Position beschreiben, hielte ich es für angebracht, dass die Position des Verfassungsrechtlers im Kabinett auch mal zur Kenntnis gegeben wird, dann wäre Ihr Diskussionsbeitrag vollständig gewesen. Danke.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, gibt es weitere Wortmeldungen? Ich sehe, das ist nicht der Fall, dann schließe ich die Aussprache zur ersten Aktuellen Stunde und rufe den zweiten Teil

b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: "Voraussichtliche Erhöhungen der Grund- und Gewerbesteuer aufgrund der vom Land angenommenen fiktiven Steuerhebesätze" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/1756

Das Wort hat der Abgeordnete Bergner der FDPFraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste. Der Blick in die „Ostthüringer Zeitung“ hat dieser Tage folgenden Bericht, den ich mit Ihrer Erlaubnis zitieren möchte, gebracht: „Wie Bürgermeister Stephan Büttner, Freie Wähler, am Mittwochabend in der Einwohnerversammlung im Ortsteil Wolfersdorf informierte, sei auch Berga angesichts der Gesetzeslage zum Kommunalen Finanzausgleich gezwungen, den Hebesatz der Grundsteuer B von 300 auf 390 anzuheben und den Gewerbesteuerhebesatz von 330 auf 360 zu erhöhen. Bisher hatten Stadtrat und Verwaltung hier eindeutig Position bezogen und in jeder Haushaltsdebatte versichert, auch wenn es der Stadtkasse schlecht geht, wir wollen die Steuern nicht erhöhen. Jetzt drücken Innenminister Peter Huber und die Landesregierung bei den finanzschwachen Kommunen die Anhebung eigener Einnahmen mittels Steuererhöhung durch. Wer beim Hebesatz richtig hinlangt, bekommt keine Gelder mehr vom Freistaat, geschweige denn Überbrückungshilfen, die das klamme Berga nun mal braucht.“

Meine Damen und Herren, landauf, landab haben wir derzeit genau die gleiche Diskussion. Es ist eine Diskussion, die sehr viel Verunsicherung und sehr viel Aufgeregtheit mit sich bringt. Wir müssen uns hier vor Augen führen, was da gerade passiert. Mit der willkürlichen Festsetzung fiktiver Hebesätze wird hier sehr viel Unklarheit hereingebracht und auch sehr viel Verunsicherung aufseiten der Kommunen. Bei der Ermittlung der Höhe der angemessenen Finanzausstattung wird für die Gewerbesteuer ein Mix aus dem Durchschnitt vom Bund mit 388 Prozent und Sachsen mit 411 Prozent gebildet, um

(Abg. Barth)

so auf 400 Prozent von vorher durchschnittlich 341 Prozent zu kommen.

Ebenfalls auf der Bedarfsermittlungsseite, meine Damen und Herren, wird bei der Grundsteuer nicht mehr der Durchschnitt der Flächenländer Ost gebildet, sondern nun der Bundesdurchschnitt. Das heißt, es fließen die Hebesätze von Hamburg, München, Köln und Stuttgart in den Vergleich mit Leutenberg, Berga und Rastenberg ein.

Das, meine Damen und Herren, ist in unseren Augen ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen.

(Beifall FDP)

Und so kommt es, dass an dieser Stelle die Grundsteuer B von vorher 335 Prozent auf 400 Prozent erhöht wird, die Grundsteuer A von vorher 241 auf 296 Prozent. Bei der Verteilung der Schlüsselmasse gehen mit der Ermittlung der Steuerkraftmesszahl die Nebelbomben weiter. Jetzt - unter Verwendung der Durchschnittswerte der Flächenländer Ost - wird die Grundsteuer A von 200 auf 271 Prozent gehoben, die Grundsteuer B von 300 auf 389 Prozent und bei der Gewerbesteuer von 300 auf 357.

Dieses Tohuwabohu, meine Damen und Herren, müssen Sie mal einem normalen Bürger auf der Straße erklären.

(Beifall FDP)

Erklären müssen Sie freilich auch, wie Sie den Ansatz fiktiver Hebesätze in § 3 Abs. 2 FAG in Einklang bringen wollen, wo von tatsächlichen Steuereinnahmen gesprochen wird. Sie wären gut beraten, Hebesätze transparent, nachvollziehbar und vor allem rechtskonform zu ermitteln, anstatt schon wieder neues Potenzial für juristische Auseinandersetzungen zu legen. Abgesehen davon ist meiner Meinung nach der Durchschnitt statistisch ungeeignet, um die Situationen der Mehrzahl der Flächengemeinden zu ermitteln. Die Kuh ersoff in einem durchschnittlich 1 Meter tiefen Teich. Vielmehr ist an dieser Stelle die Ermittlung des Medians geboten, wenn wir von Statistik sprechen. Es mutet zynisch an, meine Damen und Herren, wenn die Landesregierung sagt, die Kommunen müssen die Hebesätze nicht erhöhen, wenn im selben Atemzug die fiktiven Hebesätze genutzt werden, um drastisch die Zuweisungen zu kürzen. Es handelt sich

(Beifall FDP)

um einen erheblichen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, weil Städte und Gemeinden in benachteiligten ländlichen Räumen nicht mehr die Möglichkeit haben, eben diese Nachteile durch angemessene Hebesätze abzufedern. Das Ergebnis, meine Damen und Herren, ist Gleichmacherei statt Wettbewerb, wobei die Vorteile den benachteiligten Räumen vorenthalten bleiben.

(Beifall FDP)

Auszubaden haben das die Bürger. Die Verkäuferin, die Omas Häuschen geerbt hat und über die Runden bringen muss, ebenso wie die Mieter, deren Warmmieten deutlich steigen müssen. Und ob auf der Seite der Gewerbesteuer die Rechnung aufgeht, sei dahingestellt. Das ist eine neue Diskussion, für die heute die Zeit nicht reicht, aber Gewerbetreibende werden sich Gedanken machen, wie sie sich diesem zusätzlichen Druck entziehen können. Herr Menzel vom Bund der Selbstständigen sieht das ebenso deutlich wie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, Steuererhöhungen sind kein Ausweg und schaden der Standortqualität.

(Beifall FDP)

Ich füge hinzu, Sie werden die Abwanderung spürbar verstärken und sie sind auf einem fatalen Weg in die falsche Richtung. Wir fordern Sie auf, anstatt de facto die Kommunen zu nötigen, den Bürgern noch tiefer in die Taschen zu greifen, muss der Freistaat - ich bin am Ende - seine Hausaufgaben machen, vor der eigenen Tür kehren und seinen aufgeblähten Apparat auf das notwendige und machbare Maß reduzieren. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bergner. Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Fiedler von der CDU Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Bergner, Sie haben hier versucht, noch einmal dramatisch vorzustellen, wie schlecht es nun den Kommunen geht, dass alles zusammenbricht und dass nichts mehr geht.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das habe ich nicht so gehört.)

Ja, er hat es schon so deutlich gemacht und gesagt. Ich habe es etwas interpretiert, Herr Kollege Fraktionsvorsitzender. Ich kann das auch durchaus nachvollziehen und wer letztens beim Gemeindeund Städtebund war - und da waren ja einige Kollegen mit dort -, die haben das ja auch gehört, dass das nicht etwa bei den Kommunen auf Freude gestoßen ist, was die Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen auf den Weg bringen müssen. Und, ich glaube, da ich auch ein Bürgermeister einer kleinen Kommune bin, weiß man wohl, dass jeder Pfennig oder Cent, der fehlt, es nicht so einfach ist, das zu kompensieren, man muss sich etwas einfallen lassen. Und letztlich, denke ich, ist es auch wichtig, dass die Kommunen vor Ort nach wie vor weiter entscheiden können,

(Abg. Bergner)

müssen sie heben oder heben sie an oder heben sie nicht an. Sie haben nach wie vor die Entscheidungsfreiheit und da muss man auch mal sehen, was man an Ausgaben vielleicht einsparen kann, um bestimmte Dinge wieder zu kompensieren, die jetzt das Land beabsichtigt entsprechend vorzunehmen. Ich glaube auch, wir alle, die schon länger dabei sind und auch die neuen Kollegen, wissen, dass natürlich die Spitzenverbände, ja das sind Lobbyverbände im guten Sinne des Wortes, immer wieder einfordern, dass sie kurz vor der Pleite sind, alles zuschließen müssen. Das kennen wir nun schon seit 20 Jahren und trotzdem blüht und gedeiht Thüringen, Gott sei Dank, sehr gut. Deswegen, meine Damen und Herren, muss man auch mal hinschauen, was gerade in den letzten - Mittwoch stand es, glaube ich, im Pressespiegel -, dass die, dankenswerterweise, weil die Konjunktur so gut wieder läuft, die großen Gewinner der zusätzlichen Steuereinnahmen sehen die Experten vor allem bei den Kommunen vor Ort. Das ist auch gut so, weil es dort unmittelbar auch weitergereicht werden kann. Ich glaube, das sollte man einfach auch mit zur Kenntnis nehmen. Aber, ich denke auch, als Landespolitiker muss man noch mal deutlich machen, wir stehen mit dem Rücken zur Wand, das muss man einfach mal zur Kenntnis nehmen. Ich bin wirklich ein Verfechter der kommunalen Freiheiten und der kommunalen

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Selbstver- waltung.)

Selbstverwaltung - danke. Manchmal fehlt einem halt ein Wort. Ich denke, hier muss man mal deutlich machen: Wir haben in den letzten 20 Jahren und das ist keine Übertreibung, wir hatten mal eine Kleine Koalition, Große Koalition, Alleinregierung immer unsere Kommunen sehr gut bedient. Das sieht man auch. Wenn ich nach Sachsen oder woandershin, nach Mecklenburg-Vorpommern schaue, da sieht man, dass die Kommunen wirklich nicht so gut behandelt wurden. Sie haben deutlich weniger Geld bekommen. Wir hatten immer eine starke Lobby, auch hier im Parlament, dass wir die Kommunen gut ausgestattet haben, bis zum Wunder von Gotha, was auch die Letzten jetzt verstanden haben, was das ist. Jetzt kann man sich nicht hinstellen, wo wir selber mit dem Rücken an der Wand stehen. Wir haben uns das nicht ausgesucht. Es ist geklagt worden, es gab ein Urteil und entsprechend musste reagiert werden. Es kann doch nicht sein, dass das Land nicht mehr in der Lage ist, seine eigenen Aufgaben auch nur annähernd zu erfüllen, und die Kommunen bekommen immer und immer wieder mehr. Das kann nicht zielführend sein. Jetzt sind wir gezwungen, mit maßvollen Einschnitten hier heranzugehen, und lieber jetzt die Einschnitte gemacht, als dass man noch länger wartet, bis sich das Land gar nicht mehr bewegen kann.

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, halte ich es für zulässig, dass wir hier so eingreifen, weil wir als Land nicht anders handeln können. Deswegen bitte ich auch um Verständnis aufseiten der Kommunen, dass wir hier in der Pflicht sind, weil wir das Ganze im Blick behalten müssen. Deswegen werden wir auch die Landesregierung hier unterstützen, dass das auch so durchgeführt werden kann.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächster spricht der Abgeordnete Adams von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, eigentlich dachte ich, dass wir die FAG-Debatte morgen führen, aber wenn Aktuelle Stunde jetzt bedeutet, dass wir am Vortag das schon einmal diskutieren - gerne.

Erstaunlich finde ich, dass die FDP mit ihrer Rhetorik in der Endphase der DDR angekommen ist. Damals wollte man mit immer weniger Ressourcen immer mehr, und zwar qualitativ viel besser die Menschen befriedigen. Das wird nicht klappen. In der Logik dessen, was Sie fordern und sagen, heißt das, dass unseren Bürgern immer mehr geboten wird, aber die Einnahmen sinken sollen dafür. Sie wissen ganz genau, wo das geendet hat.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Sie haben nicht zugehört, deswegen haben Sie es nicht verstanden.)

Das endet nämlich im Bankrott und in der Insolvenz; dann haben die Bürger davon gar nichts mehr. Es kann nicht sein, dass Sie immer wieder nach Steuereinsparungen schreien und die haben wollen und am Ende Geschenke verteilen wollen, und wenn es nur Zahnboxen sind, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie entsolidarisieren sich, weil Sie sich nämlich aus dem komplexen Zusammenhang, dass Starke den Staat nicht so sehr brauchen wie die Schwachen, vollkommen verabschieden. Diese Schwachen brauchen einen Staat, der ihnen fürsorglich zur Seite stehen kann.

(Unruhe FDP)

Das kann nur funktionieren, wenn dieser Staat auch etwas einnimmt und gerechterweise natürlich bei den Starken, das ist ganz vernünftig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)