Danke, Herr Matschie. Zuerst bin ich interessiert, was passiert, wenn Ihre Kannregelung greift und Sie zentralistisch entscheiden. Ich rede jetzt zur Berufsschulnetzplanung. Warum hat dann Ihr Staatssekretär unsere Lösung so gelobt? Warum hat der gesamte Landtag unsere Lösung in den Bildungsausschuss geschoben? Die zweite Frage, wenn ich sie bitte gleich stellen darf: Wie bezeichnen Sie dann den Städte- und Gemeindebund, die IHKs und die Handwerkskammer, wenn Sie auch die Lösung, die wir für die Berufsschulnetzplanung vorgeschlagen haben, durchaus als sehr sinnvoll bezeichnen?
Also, Frau Hennig, wir haben bei der Berufsschulnetzplanung zu beachten, dass es eine kommunale Selbstverwaltung gibt.
Das ist auch gut so, dass es die gibt. Wir werden dort tätig, wo man sich vor Ort nicht verständigen
kann, das gibt diese Gesetzesregelung her. Aber zunächst einmal muss ich doch die Verantwortung vor Ort auch ernst nehmen. Ich kann doch nicht immer sofort danach rufen, dass alles von oben geregelt wird. Vor Ort ist eine Kenntnis der Situation da, die muss zunächst einmal eingesetzt werden. Und nur wenn dort keine Lösung gefunden wird, dann braucht man jemanden, der eine Lösung herbeiführt, damit wir ein vernünftiges Berufsschulnetz haben, was auf Dauer tragfähig und auch finanzierbar ist. Genau das tun wir mit der vorgeschlagenen Gesetzesregelung.
Frau Präsidentin, ich darf? Also ich will nicht so unhöflich sein und immer reinreden. Deswegen stelle ich jetzt die Frage. Leider waren Sie gestern nicht im Haushalts- und Finanzausschuss, als wir genau diese Frage erörtert haben. Es war auch kein kompetenter Vertreter des Kultusministeriums da, der eine Aussage dazu treffen konnte, welche Fördermittel ausgereicht werden für Berufsschulen. Das Prinzip ist ja so, dass Herr Carius die Mittel freigibt für die Berufsschulen und das Kultusministerium offensichtlich gar nicht weiß, wo das stattfindet. Wir wollten einfach damit erreichen, dass letzten Endes jemand den Blick von oben darauf hat und nicht das eine Ministerium gegen das andere handelt. Das hat mit Zentralismus nichts zu tun, sondern mit Absprachen. Das war einfach peinlich gestern im Haushalts- und Finanzausschuss. Deswegen haben wir unsere Lösung so vorgeschlagen.
Das war die Frage, ja, das ist schade, dass Sie nicht dort waren und ob Sie das wissen, dass Ihr Ministerium keine Aussage treffen konnte, was 2011 an Fördermitteln für Berufsschulen herausgegeben wird. Wird das mit dieser jetzigen Berufsschulnetzplanung, die Sie als kommunale Sache so hoch schätzen, obwohl der Gemeinde- und Städtebund eine ganz andere Stellungnahme zugeschrieben hatte, wirklich erreicht? Ja, das ist eine lange Frage. Ich meine, das war der Hintergrund.
Sie sehen, Frau Sojka, Ihre Frage sorgt durchaus für eine gewisse Aufregung. Die Länge der Frage zeigt, dass Sie eigentlich nicht genau wussten, was Sie fragen wollten.
Sie können davon ausgehen, dass mir nicht verborgen geblieben ist, was im Haushaltsausschuss verhandelt wird. Ich sage trotzdem noch einmal: Zunächst sind Schulträger gefragt in der Schulnetzpla
nung, das ist kommunale Selbstverwaltung. Und dort, wo es Konflikte gibt, wo es keine Lösung gibt untereinander, dort schaffen wir eine Eingriffsmöglichkeit. Ich denke, das ist angemessen und wird dazu beitragen, dass wir in Zukunft eine gute Schulnetzplanung gemeinsam mit den kommunalen Trägern auf den Weg bringen können.
Aber zurück zum Schulgesetz in seinen Kernpunkten, die wir heute diskutieren. Wir etablieren mit dem neuen Schulgesetz die Thüringer Gemeinschaftsschule als gleichberechtigte Schulart.
Ich würde jetzt erst gern diesen Punkt zu Ende führen, dann später können wir noch einmal auf die Frage zurückkommen.
Wir etablieren die Gemeinschaftsschule nicht als Schulversuch oder Modell, sondern als gleichberechtigte Schulart im Schulgesetz und sie kommt so, wie die SPD sie im Wahlkampf und in ihrem Wahlprogramm vertreten hat,
nämlich als Schule, für die man sich vor Ort entscheiden muss. Das ist auch pädagogisch richtig. Der Anspruch an diese Schulentwicklung ist groß. Er erfordert wirklich hohen pädagogischen Einsatz. Deshalb macht es wenig Sinn, das von oben anzuordnen, und sehr viel Sinn zu sagen, die Lehrer müssen diese Entwicklung mittragen, die Eltern müssen diese Entwicklung mittragen. So kommt sie jetzt auf den Weg.
Wenn Sie da so kleinmütig sind, was das Engagement vor Ort angeht, dann kann ich nur einmal verweisen auf die Debatte, die gerade in meiner Heimatstadt geführt wird.
Dort gibt es im Stadtrat eine Koalition aus SPD, CDU und den GRÜNEN. Dort wird im Moment in der Schulnetzplanung die Einrichtung von fünf Gemeinschaftsschulen diskutiert, zwei sind schon auf dem Weg als Pilotschulen, drei weitere haben Interesse dazuzukommen. Eine vierte diskutiert noch darüber, ob sie diesen Weg einschlagen will. Wenn sie sich auch dafür entscheidet, wären das sechs Schulen in Jena, die sich auf diesen Weg machen wollen. Ich denke, das ist eine gute Entwicklung. Sie zeigt auch, dass das Angebot, was wir mit dem neuen Schulgesetz machen vor Ort, durchaus ernst genommen wird. Ich kann das nur zur Nachahmung empfehlen. Denn das, was dort passiert, ist
durchaus auch in der Vergangenheit in der Bildungspolitik vorbildlich gewesen. Wir schaffen mit der Gemeinschaftsschule die Möglichkeit für die Eltern, erst in der 8. Klasse über den angestrebten Schulabschluss zu entscheiden und gerade PISA hat es uns noch einmal vor Augen geführt: Die frühe Trennung in unterschiedliche Schullaufbahnen führt dazu, dass sehr stark die soziale Herkunft auch den Bildungserfolg bestimmt. Das haben die PISA-Autoren in ihrer Zusammenfassung noch einmal deutlich gemacht. Hier müssen wir gegensteuern. Dazu ist die Gemeinschaftsschule ein wichtiger Schritt. Wir sorgen dafür, dass Kinder länger gemeinsam lernen und in der Entwicklung davon profitieren können. Die Gemeinschaftsschule bietet alle Schulabschlüsse an bis zum Abitur und ist damit auch eine Schulart, die auch bei kleineren Schulstandorten vor Ort alle Möglichkeiten für Schülerinnen und Schüler bieten kann. Die Gemeinschaftsschule stellt die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern in den Mittelpunkt. Sie bereichert den Schulalltag mit modernen pädagogischen Konzepten und ich bin sicher, dass dies Entwicklungsimpulse auch für das gesamte Schulsystem geben wird. Das pädagogische Konzept muss gemeinsam in der Schulkonferenz entwickelt werden und das garantiert uns auch, dass sich die Beteiligten hinter eine solche Schulentwicklung stellen.
Aber wir bringen auch weitere Neuerungen in die Schulentwicklung ein, zum Beispiel die flexible Schulabschlussphase.
Hier möchte ich noch einmal sagen, es ist falsch, Frau Rothe-Beinlich, wenn Sie beklagen, dass das nicht an allen Schulen eingeführt wird. Die Schulpflichtausweitung auf 10 Jahre und damit die Gestaltung einer flexiblen Schulabschlussphase gilt für alle Schulen, nicht nur für diejenigen, die das Qualitätssiegel „Oberschule“ erwerben wollen; die müssen sich ganz besonderen Anstrengungen in der flexiblen Schulausgangsphase stellen, die müssen ganz besondere Qualitätskriterien erfüllen. Damit setzen wir noch mal einen zusätzlichen Entwicklungsimpuls über das hinaus, was wir im Gesetz für alle Schulen vorgeben. Herr Emde hat doch recht, wenn er sagt, Schulentwicklung passiert nicht auf Knopfdruck. Das wissen doch alle, die sich seit Jahren damit beschäftigen, sondern man muss Incentive setzen für Schulentwicklung. Man muss Ziele vorgeben, auf die sich Schulen hinentwickeln können und man muss solche Ziele auch honorieren. Genau das tun wir mit dem Qualitätssiegel Oberschule. Damit werden Schulen angehalten, die flexible Schulausgangsphase wirklich so zu gestalten, dass kein Schüler mehr ohne Abschluss die Schule verlassen muss. Das ist unser gemeinsames Ziel.
Und wir verbessern die Möglichkeit der Ganztagsbetreuung zunächst für die Klassen 5 und 6, dass dort, wo Schulen, die es anbieten können und wollen, sie dieses Angebot auch umsetzen können.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich bin sicher, dieses neue Schulgesetz trägt zu mehr Qualität im Thüringer Bildungssystem bei. Wir schaffen damit neue Standards in der Schulentwicklung und setzen nach der Kindergartenreform den zweiten großen Baustein für die Weiterentwicklung des Thüringer Bildungssystems.
Natürlich haben wir auch weiter Probleme, die ich nicht verschweigen will. Die momentane Personalsituation an den Schulen ist nicht befriedigend. Wir haben immer noch die Situation, dass wir einerseits einen Personalüberhang haben und andererseits Lehrer haben, die gezwungenermaßen in Teilzeit sind. Wir haben hier immer noch eine gespaltene Situation in den Klassenzimmern zwischen verbeamteten Lehrerinnen und Lehrern und angestellten Lehrerinnen und Lehrern. Das ist keine Situation, die wir auf Dauer hinnehmen können.
Wir müssen hier dazu beitragen, dass sich die Situation weiter verbessert. Ich habe dazu in der Vergangenheit das Angebot eines Solidarmodells gemacht, weil wir nicht einfach mehr Stellen und einfach nicht mehr Geld zur Verfügung haben; ein Solidarmodell, bei dem diejenigen, die in Vollzeit sind, auf Teilzeitmodelle einsteigen können und wir die zusätzliche dadurch entstehende Zeit auf die verteilen können, die jetzt im Floating sind. Dieses Modell, dieses solidarische Modell ist leider von den Gewerkschaften nicht akzeptiert worden. Ich bedauere dies ausdrücklich, denn es hätte neue Impulse ermöglicht und mehr Gerechtigkeit in die Klassenzimmer gebracht.
Das, was wir tun können im Moment, das tun wir gemeinsam. Wir stocken die Möglichkeiten für den Vorbereitungsdienst auf. Wir werden im nächsten Jahr die Möglichkeit schaffen, für 600 Lehramtsanwärter in den Vorbereitungsdienst zu gehen und damit gute Ausgangsbedingungen auch für die Jahre zu schaffen, in denen dann sehr viele Lehrer gleichzeitig in den Ruhestand gehen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal deutlich machen: Bildungspolitik braucht den langen Atem. Das sehen wir auch an der Entwicklung der PISAErgebnisse. Wir sind besser geworden, aber wir haben keine gewaltigen Sprünge gemacht. Dazwischen liegen zehn Jahre zwischen dem ersten Testergebnis und dem, was wir jetzt ausgewertet haben. Das soll Ihnen auch noch einmal deutlich machen, wer jetzt meint, wir müssen schon in ein oder zwei Jahren wieder einen Strich darunter machen und abrechnen, der liegt völlig falsch. Lassen Sie uns gemeinsam auch draußen vertreten: Bil
dungspolitik, Qualitätsverbesserung braucht Anstrengung und langen Atem. Deshalb bitte ich Sie um eine gemeinsame Unterstützung der neuen Impulse, die wir heute setzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Gemeinschaftsschule, die wir einführen mit dem neuen Schulgesetz schafft neue Möglichkeiten. Ich hoffe, dass sie vor Ort die notwendige Unterstützung findet. Nach Umfragen sind mehr als 80 Prozent der Thüringer für längeres gemeinsames Lernen und, ich glaube, das wird sich auch vor Ort in der Unterstützung der Gemeinschaftsschule zeigen. Mein Ziel ist, dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass Thüringen Vorreiter in der Bildungspolitik wird. Bildungsland Nummer 1 soll Thüringen in der Zukunft sein. Das ist mein Ziel. Das Thüringer Schulgesetz ist dafür ein weiterer Meilenstein und ich bitte Sie für diese Gesetzgebung um Ihre Unterstützung. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Minister, gestatten Sie bitte die Anfrage ausgehend von Ihrem Lob der kommunalen Selbstverwaltung, ob Sie wissen, dass der Oberbürgermeister und Sozialdezernent Ihres eigenen Wahlkreises, also Jena, dringend die Forderung an die Landesregierung gerichtet haben, eine Standortplanung der Berufsschulen zu forcieren, damit wir auch die Möglichkeit haben, in die Erweiterung und Planung der Berufsschulen zu investieren, beispielsweise Göschwitz. Gestatten Sie mir die Bemerkung: Wir hätten, wenn Sie nicht das Mandat vor der Kita-Diskussion niedergelegt hätten, gern die Argumente dazu auch im Stadtrat gehört.
Werte Kollegin, man kann ganz offen mit der Situation umgehen. Natürlich rufen einzelne Kommunen danach, dass das Land die Dinge ordnet. Das ist doch gar keine Frage. Daran beteiligen sich auch Mitglieder meiner eigenen Partei. Das macht die Sache deshalb nicht weniger kompliziert. Wir haben nun einmal Schulträgerschaft und wir haben die kommunale Verantwortung in diesem Bereich. Sie ist in der Verfassung festgeschrieben. Deshalb können wir nicht einfach darüber hinweggehen und sagen, wenn es schwierig wird, nehmen wir das ein
fach so in unsere Hände an der Verfassung vorbei. Nein! Was wir mit dem neuen Schulgesetz tun, ist, dort, wo die Schulträger sich nicht verständigen können über die Einzugsbereiche, schaffen wir die Möglichkeit, die Einzugsbereiche über das Ministerium festzusetzen und damit zu einer vernünftigen Schulnetzplanung zu kommen. Hier ergänzen sich kommunale und Landesverantwortung, wie ich hoffe, in guter Art und Weise, um zu vernünftigen Entscheidungen zu kommen.
Vielen Dank, Herr Minister. Das ist gelebtes Gender Mainstreaming. Sie hatten die Situation in Jena mit Blick auf die Gemeinschaftsschulen dargestellt. Ich will die Debatten aus dem Stadtrat von Jena jetzt nicht in den Landtag verlängern und deswegen den Blick einmal über Jena, dessen Situation schwerlich als repräsentativ für das Land gelten kann in vielerlei Hinsicht, so auch zum Beispiel mit Blick auf Schülerzahlen und Entwicklungen von Schülerzahlen, hinaus lenken und Sie fragen, ob Sie mir und den Kolleginnen und Kollegen vielleicht kurz darstellen könnten, wie denn die Antragslage und auch die Lage der schon genehmigten Anträge der Gemeinschaftsschulen außerhalb von Jena sich darstellt.