Protokoll der Sitzung vom 10.12.2010

(Beifall FDP)

Herr Koppe war im Ausschuss anwesend, hatte die Frage auch noch einmal dezidiert gestellt und hat uns dann auch die Klarstellung gebracht. Natürlich, auch ich habe noch einmal die Träger nachgefragt, beide haben mir bestätigt,

(Beifall FDP)

dass sie niemals diese Kritik zurückgenommen haben. Sie dürfen uns hier nicht für dumm verkaufen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Weitere ist der Fakt, der auch schon vorgetragen wurde. Hier werden immer wieder Zahlen in den Raum geworfen, vorhin kamen dann Berechnungen mit 40.000, es sind jeden Tag neue Zahlen, die wir hören. Auf allen Demonstrationen, die wir hier erlebt haben, ist immer wieder vorgerechnet worden, dass sich gar nichts verschlechtern würde, oder wenn, dann wären es nur 40.000, oder wenn, dann wäre es gar nicht so viel, natürlich es gebe mehr Schülerinnen und Schüler, aber das könnte man nicht so sehen, dass das kostenintensiver würde. Warum? - das frage ich hier. Warum haben die Abgeordneten des Fachausschusses bis heute keine Zahlen vom Ministerium bekommen? Das haben uns die Träger überhaupt nicht geglaubt. Die saßen fassungslos in der Anhörung, als wir gesagt haben, wir haben die Zahlen nicht vorliegen, weil uns das Ministerium diese nicht ausreicht.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unverschämtheit.)

Ich habe immer wieder in den Ausschuss-Sitzungen darum gebeten, auch in der öffentlichen Anhörung darum gebeten, uns die Zahlen auszuhändigen. Bis heute ist das nicht passiert. Heute sollen wir hier über ein Gesetz entscheiden, das ganz eng und ganz maßgeblich natürlich auch mit der dazugehörigen Verordnung verkoppelt ist. Diese Verordnung liegt bis heute nicht vor. Zu dieser Verordnung soll es eine Sonderausschuss-Sitzung am 16. Dezember geben. Wir sollen also heute ein Gesetz beschließen, in dem gerade mal die gekürzten Vomhundertanteile erkennbar sind, aber die sonstige Finanzierung nicht erkennbar ist, weil sie in der Verordnung genau geregelt ist. Die Verordnung kommt aber frühestens am 16. Dezember in den Ausschuss. Da war einmal groß von Einvernehmen die Rede. Das Einvernehmen ist zurückgenommen worden. Es soll jetzt nur noch im Benehmen mit dem Ausschuss geklärt werden. Ganz ehrlich, ganz offen, eine ehrliche redliche Auseinandersetzung, die transparent und nachvollziehbar ist und die alle mitnimmt, sieht anders aus.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden hier verschaukelt, und zwar von vorn bis hinten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben natürlich zunächst den Juristischen Dienst unseres Landtags beauftragt, uns Klarheit darüber zu verschaffen, ob die vorgelegte Gesetzesnovellierung so verfassungsgemäß ist oder nicht. Leider sah sich der Juristische Dienst nur dazu in der Lage, uns einige Kurzbemerkungen zusammenzustellen, aus denen für uns schon hervorgegangen war,

dass die Vomhundertregelung in jedem Fall im Gesetz aufgenommen werden muss. Das ist passiert, allerdings natürlich nicht in der Höhe, das hatte ich schon ausgeführt. Weil es leider danach nicht etwa - wie wir zunächst annahmen - noch ein längeres Gutachten gegeben hat, haben wir das als Fraktion in Auftrag gegeben. Ich kann Ihnen jetzt natürlich nicht ersparen, aus diesem Gutachten zu zitieren und das mit guten Gründen, weil ich nach wie vor an die Vernunft und die Verantwortung aller Abgeordneten, und zwar aus allen Fraktionen, plädiere, dieses Gesetzesvorhaben zurückzuziehen, damit wir den Eltern, den Lehrern und den Schülern keine Klage zumuten müssen, denn das wollen wir auch nicht. Wir haben es in der Hand, das jetzt hier noch zu heilen, indem wir sagen, wir nehmen das noch einmal zurück und reden darüber in Ruhe.

Grundsätzlich ist es so, dass das Grundgesetz und das hat Herr Metz eben auch zitiert, aber dann nicht weiter ausgeführt - die Ersatzschulgenehmigung an Bedingungen knüpft. Weil die Möglichkeit der Selbstfinanzierung der freien Schulen durch das Sonderungsverbot, das wir alle kennen, durch den Grundgesetzartikel 7 eingeschränkt ist, haben Schulen in freier Trägerschaft einen grundgesetzlich verankerten Anspruch auf staatliche Finanzhilfe in Höhe des Existenzminimums, um den Genehmigungsvoraussetzungen des Artikel 7 im Grundgesetz tatsächlich zu genügen. Nun sagen uns die Träger ganz deutlich, das Existenzminimum ist nicht mehr gegeben mit der Kürzung, die Sie vorschlagen. Damit, sagen wir, ist selbstverständlich auch die Verfassungsgemäßheit nicht mehr gegeben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und das setzt sich fort. Der Finanzhilfeanspruch muss den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Es muss sich um einen zwingenden Anspruch handeln, der sich in der Höhe nach dem das Existenzminimum deckenden Bedarf realitäts- und zeitnah orientiert. Zeitnah ist dabei ein gutes Stichwort. Nehmen wir mal die Lehrerkostenberechnung. Die Lehrerkostenberechnung nimmt den Ansatz von vor zwei Jahren zur Grundlage, so wird das Personal berechnet. Ist das zeitnah? Ist das realistisch? Nein, mitnichten. Das ist ein weiterer Punkt, den wir sehr kritisch sehen. Was aber das Maßgebliche ist und das ist auch unser ganz zentraler Vorwurf und das hat Frau Siegesmund vorhin mit ihrer Zwischenfrage auch angedeutet, die sie dem Kollegen Metz gestellt hat: Wir haben den Eindruck und auch das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass sich der Gesetzentwurf der Landesregierung nicht an dem tatsächlichen Bedarf der freien Schulträger orientiert - und genau das wäre maßgeblich -, sondern an haushaltspolitischen Sparzwängen. Ich sage hier in aller Deutlichkeit: Wir wollen in keinem Fall die staatlichen und die freien Schulen gegeneinander ausspielen, mitnichten,

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wir haben auch keine Kürzungen bei den staatlichen Schulen gefordert. Aber es gibt keine Legitimation dafür, warum man aus haushaltspolitischen Sparzwängen angesichts eines Notstandshaushalts - so ähnlich haben Sie es eben dargestellt, nachdem uns das heute Nacht noch als solider Haushaltsbeschluss verkauft worden ist, was Sie da mehrheitlich verabschiedet haben - jetzt sagt, wir müssen aber bei den freien Schulen kürzen. Es ist auch zweifelhaft - das muss ich noch mal ganz deutlich sagen -, wieso die Kürzung auf 80 Prozent vom Vomhundertkostenanteil im Vergleich mit den staatlichen Schülerkosten das verfassungsrechtlich geforderte Existenzminimum darstellen soll. Ein weiterer Kritikpunkt von uns ist natürlich, das habe ich vorhin auch schon erwähnt, die Umstellung vom Istkostenmodell auf das Sollkostenmodell, weil damit selbstverständlich eine weitere Kürzung einhergeht, die den freien Schulen sehr teuer zu stehen kommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir tatsächlich auch weiterhin wollen, dass wir in Thüringen, als der Wiege der Reformpädagogik, wo es natürlich auch an staatlichen Schulen gute und reformpädagogische Ansätze gibt, allen Kindern gleichermaßen die Wahlfreiheit - eines der Lieblingsworte der CDU-Fraktion über viele Jahre - gewährleisten wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass alle Schulen, egal in welcher Trägerschaft, allen Kindern gleichermaßen zugänglich sind, und zwar unabhängig vom Einkommen der Eltern

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und auch unabhängig vom sozialen Herkunftsstand oder aber auch vom Bildungsstand der Eltern. Das, was Sie mit diesem Gesetz machen, ist aus unserer Sicht in höchstem Maße tatsächlich gefährlich. Denn Sie erheben zum einen den Vorwurf, dass es ohnehin schon so ist - vorhin hat Frau Hitzing aus der Zeitung mit den großen Buchstaben zitiert, in der Herr Matschie ausgeführt hat, dass das ein freiwilliges zusätzliches Angebot wäre, was die Eltern wählen, weshalb sie auch einen entsprechenden Beitrag zahlen müssten. Dann sage ich ganz deutlich, wenn wir es ernst meinen, dass zum öffentlichen Schulwesen sowohl die staatlichen als auch die freien Schulen gehören, und wenn wir dann auch noch wissen, dass natürlich jeder Schüler, jede Schülerin, die keine freie Schule besuchen würde, sofort den Staat kosten würde, dann sind wir verpflichtet, die Schulen gleichermaßen zu finanzieren.

(Beifall DIE LINKE)

Da bringe ich das noch einmal auf den Punkt: Die freien Schulen leisten 100 Prozent des Bildungsauf

trags und sie müssen auch 100 Prozent finanziert werden. Davon sind wir felsenfest überzeugt. Ich bin gestern …

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Also war das vorher auch schon falsch.)

Natürlich war es vorher auch schon zu wenig; das habe ich auch immer gesagt. Aber die Träger haben selbst gesagt, dass sie mit dem bisherigen Satz, den es gibt, und auch mit der bisherigen Berechnung zwar schwer, aber doch leben können, weil sie selbst einen Beitrag leisten. Aber das noch weiter zu beschneiden, das ist eben nicht möglich, Herr Höhn, und genau darum geht es.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin gestern von einer Schülerin auf der Demonstration hier vor unserem Hause gebeten worden, sie hat mir einen Brief gegeben, daraus etwas vorzulesen. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, will ich das ganz kurz tun.

Herr Höhn winkt.

Es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage, Frau Abgeordnete. Genehmigen Sie das?

Ja, natürlich, aber dann lese ich danach erst vor. Dann warte ich solange.

Herr Abgeordneter Höhn.

Vielen Dank, Frau Kollegin, ich wollte Sie nach einem Sachverhalt fragen, der bis jetzt in Ihren Ausführungen noch nicht beleuchtet worden ist. Vielleicht kommt es dann noch, aber ich nehme an, Ihre Rede neigt sich gleich dem Ende zu.

Ich habe 26 Minuten und davon noch 15.

Wie bewerten Sie denn die Rolle der Schulen in freier Trägerschaft in Bezug auf ihre Wirkungen auf kommunale Schulnetzplanungen? Das würde mich mal interessieren.

(Abg. Rothe-Beinlich)

Ich kenne sehr viele Schulen in freier Trägerschaft, die selbstverständlich das Gespräch auch und gerade bei der Schulnetzplanung suchen. Ich selbst war ja mal Vorsitzende des Schulausschusses in Erfurt, da hat es immer einen sehr guten Dialog, einen sehr konstruktiven Dialog auch und gerade mit den freien Schulen gegeben, die es in Erfurt gibt. Wir haben da sehr umfänglich beraten, ob es beispielsweise eine Waldorfschule in Erfurt geben kann, wie das abgestimmt werden kann mit den weiteren Bedarfen, die es ansonsten gibt, und auch mit der sonstigen Schulnetzplanung. Ich finde solche Absprachen auch gut und sinnvoll, auch wenn sie nicht zwingend vorgegeben sind. Das will ich nur noch einmal sagen. Laut Grundgesetz dürfen freie Schulen gegründet werden und müssen sich nicht abstimmen. Ich finde es richtig, wenn sich abgestimmt wird, weil es natürlich um ein gutes Miteinander aller Schulen geht.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das war aber nicht meine Frage, sondern die Frage war, welche Rolle sie spielen bzw. wie Sie die Wirkung einschätzen!)

Welche Rolle spielen sie denn? Ich glaube, dass die freien Schulen überall dort, wo es sie gibt, die Schullandschaft in einer sehr positiven Weise tatsächlich befruchtet haben und auch dazu beigetragen haben, dass es eine größere Auswahl gibt. Das hat auch dazu geführt, dass sich mehr Eltern dafür entschieden haben. Aber das hat ja Gründe. Dann scheinen die Schulen ein sehr attraktives Angebot gemacht zu haben. Wenn das dazu führt, dass sich auch staatliche Schulen noch mehr auf den Weg machen und sich auch bemühen, reformpädagogische Konzepte etc. anzubieten, ist das nur gut und nur gewinnbringend für die gesamte Schullandschaft.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Sie haben das Problem nicht erkannt.)

Jetzt lassen Sie mich doch bitte kurz aus dem Brief zitieren, das habe ich der Schülerin versprochen, die die Edith-Stein-Schule in Erfurt besucht. Sie ist 15 Jahre alt und ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident: „Hat die Regierung etwa etwas gegen die freien Schulen? Wieso sollten sie schlechter sein? Immerhin kosten die freien Schulen den Staat weniger Geld als staatliche. Wenn Sie denken, dass wir Elite sind und Sie die nicht haben wollen, dann ist das doch totaler Blödsinn. Immerhin ist es ein einheitliches Abitur, das wir machen, und alle anderen Abschlüsse auch. Dabei würden Sie doch Geld verlieren, allen Schülern einen Schulplatz finanzieren zu müssen. So viele Schulen haben Sie doch gar nicht. Dann müssen Sie noch mehr Schulen bauen und auch das kostet Geld.“ Sie macht dann auch sehr viele Vorschläge, wo und

wie aus ihrer Sicht gespart werden kann. Das finde ich sehr verantwortungsvoll. Sie schreibt am Ende ihres Briefes: „Wir können nichts dafür, dass wir pleite sind. Aber warum sollen wir nun die Schulden abbezahlen, wenn wir in ein paar Jahren die Steuern zahlen müssen. Bitte hinterlassen Sie uns nicht einen riesigen Schuldenberg, aber sparen Sie auch nicht zu unseren Lasten.“ Ich wollte das vortragen, weil ich glaube, wir müssen dies sehr ernst nehmen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

was uns hier Schülerinnen und Schüler auch mit auf den Weg geben. Es ist vorhin schon angesprochen worden, dass ein ganz großes Problem, natürlich insbesondere auch und gerade bei den Regelschulen existiert. Ich will es nur noch einmal ansprechen, weil das Herzstück Regelschule hier immer wieder so herausgestellt wird. Ich frage mich, wie Sie das guten Gewissens verantworten können. Bisher bekommen die freien Regelschulen 5.100 €. Nein, sie bekommen dann 5.100 €, das sind 420 € weniger als vorher.

(Zwischenruf Matschie, Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur:...)

Entschuldigung, das sind die Zahlen, die uns aus der Zeitung bekannt sind, lieber Herr Matschie. Also, ich finde es jetzt ganz schön perfide von Ihnen das muss ich sagen, wenn Sie derartige Spitzen machen,

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber im Ausschuss nicht bereit sind, die Zahlen vorzulegen. Das muss ich Ihnen jetzt auch noch sagen. Herr Matschie, Sie waren nicht einmal anwesend, als hier die Anhörung der freien Träger zum Gesetz stattgefunden hat - nicht einmal anwesend waren Sie und

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Staatssekretär ist eher gegangen, auch das möchte ich noch einmal sagen. Pressemitteilungen haben Sie allerdings jedes Mal dazu gemacht und wussten immer, was dort passiert ist und was auch am Ende vom Ausschuss empfohlen wird.

(Unruhe CDU)

Das finde ich tatsächlich einen sehr unredlichen Umgang mit uns als Abgeordneten.