Lassen Sie mich diese Aussage noch durch ein paar Zahlen untermauern: Die Mehrheit der Bevölkerung ist nämlich gegen höhere Regelsätze. Ich kann darauf verweisen, 56 Prozent der Deutschen lehnen eine Regelsatzerhöhung ab. 14 Prozent sind sogar für eine Kürzung, drei von vier Befragten sind für die Streichung von Ausgaben für Alkohol und Tabak.
Was nun die Regelleistungen für Kinder betrifft, sollen diese nun ergänzend durch ein Bildungspaket hinzukommen. Der Vermittlungsausschuss diskutiert derzeit darüber. Herr Dr. Schubert hat in seinem Bericht, für den ich mich bedanke, bereits darauf hingewiesen. Ziel muss es sein, sicherlich mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand und geringer Bürokratie, dass das Geld direkt den Betroffenen zukommt. Ich denke, darin sind wir uns alle einig. Im Hinblick auf die derzeitig laufenden Verhandlungen und die Tatsache, dass die Landesre
gierung selbst nicht direkt im Vermittlungsausschuss vertreten ist, erspare ich mir, auf die jeweiligen Anstriche gerade Ihres Antrags nochmals einzugehen. Herr Bärwolff hat eben gerade, ich sage, den Antrag noch um vieles erweitert, Punkte, die selbst im schriftlichen Antrag ja gar nicht vorliegen. Eines möchte ich nur sagen zu einem der Anstriche: Wir stehen zu branchenbezogenen Mindestlöhnen.
Erlauben Sie mir am Schluss noch ein paar Gedanken über die Zukunftsfähigkeit unseres Sozialsystems. Da sollten wir unseren Blick erweitern und eine konsequentere Form des Sozialversicherungssystems in Betracht ziehen, auch um auf die Herausforderungen des demographischen Wandels und der Globalisierung besser reagieren zu können. Eine Mehrheit von 67 Prozent der Bevölkerung ist nach Forsa-Umfrage ebenfalls der Meinung, dass das heutige Sozialversicherungssystem verändert werden muss. Einen solchen Reformansatz bildet das solidarische Bürgergeld. Mit unserem Grundeinkommen wäre ebenso wie jetzt mit der Grundsicherungsleistung das soziokulturelle Existenzminimum abgedeckt. Allerdings sieht das Konzept die Verbindung von Steuer- und Sozialsystem vor. Das solidarische Bürgergeld garantiert hier bei jedem Bürger einen Anspruch
der eben nicht nur auf Erwerbsarbeit, sondern auch auf ehrenamtliche Arbeit sowie Arbeit in der Familie eingeht. Es gibt zahlreiche Vorteile, meine Damen und Herren.
Da haben Sie noch gesagt, dass das mit der Rente total schwierig ist, wenn man dort Steuertatbestände, also Einkommen und Produktivität, bei der Berechnung der Rente und bei der Finanzierung der Rente mit einbeziehen würde. Jetzt werben Sie wiederum genau dafür. Wie kann ich denn das verstehen?
Das Thema heißt, wir sollten nicht vermischen, hier geht es um eine grundsätzliche Änderung und die ist hier gegeben.
(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Wer sind „wir“, Herr Gumprecht oder die CDU oder das ganze Land?)
Ich sage Ihnen, ich vertrete erst einmal hier eine persönliche Meinung. Das Zweite ist, es gibt sehr viele in unserer CDU-Fraktion, die diese Meinung auch teilen, dass das Bürgergeld eine sehr zukunftsweisende Einrichtung wäre. Ich weiß, wie schwierig das ist, gerade da auch Mehrheiten zu sichern. Dazu gibt es zahlreiche Literatur, auch jetzt vor Kurzem erst noch einmal eine ergänzende Literatur dazu. Es wäre sicherlich mal interessant, darauf einzugehen. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, darauf einzugehen und heute nochmals dafür zu werben, dass wir grundsätzlich hier in Deutschland auch umdenken können und dass wir in der Lage sind, dies auch zu tun.
Ja, vielen Dank. Das ist die Meinung der CDU Thüringen. Die hat dies beschlossen. Vielen Dank noch einmal für die Ergänzung. Wir haben dies auf dem Parteitag beschlossen.
Nein, ich meine, das ist eine Anregung, darüber nachzudenken. Wir bringen diese Anregung noch auf Bundesebene ein, da können Sie sicher sein.
Meine Damen und Herren, wir haben heute zahlreiche Ergänzungsanträge, heute sogar zwei Änderungsanträge auf den Tisch bekommen. Ich habe schon darauf hingewiesen, das Stabile an beiden Anträgen war die Begründung, denn die haben die beiden Antragsteller nicht verändert, den Inhalt stark. Herr Bärwolff hat jetzt noch einmal seinen Antrag grundsätzlich erweitert, meine Damen und
Herren. Ich denke, wir sollten die Verhandlungen abwarten, was im Vermittlungsausschuss herauskommt, dann, denke ich, kommt ein sinnvolles Ergebnis. Die Länder werden sich darum bemühen, da können wir sicher sein. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Gumprecht. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Leukefeld für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Gumprecht sagt, alles wird gut. Das sagen wir dann also auch den Betroffenen, die seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - ich sage es noch einmal - vom 9. Februar vergangenen Jahres auf eine Lösung warten. Da frage ich mich schon, Herr Gumprecht, welchen Stellenwert Sie dem Bundesverfassungsgericht beimessen. Offensichtlich zählen für Sie Umfragen mehr als die klare Feststellung des Bundesverfassungsgerichts. Ich könnte gern mehr zitieren, aber ich mache nur einen kleinen Satz: „Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikels 20 Abs. 1 sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.“ Es sagt ganz klar: Das soziokulturelle Existenzminimum liegt höher und es ist neu zu bestimmen und neu zu definieren. Da gibt es ja den Streit, was gegenwärtig die Regelsätze sowohl für Erwachsene als auch für Kinder ausmachen.
Ich denke, das Bundesverfassungsgericht soll und muss man hier ernst nehmen. Das Urteil, meine Damen und Herren, war eine schallende Ohrfeige für die selbsternannten Meinungsführer, die aus ihren warmen Firmensitzen, ihren Abgeordnetenbüros und Redaktionsstuben Hartz-IV-Empfänger seit Jahren in Bausch und Bogen diffamieren und ihnen mithilfe von nicht existenzsichernden Regelsätzen Feuer unter den angeblich so trägen Hintern machen wollen. Das muss man mal ganz klar sagen, das prägt natürlich auch die öffentliche Meinung in der Bevölkerung, ich glaube, nach dem Motto: Wir wollen doch Anreize schaffen, damit die betroffenen Menschen wieder arbeiten gehen, statt im Wohnzimmer mit der Pulle Bier in der Hand vor dem Fernseher zu versacken. Das ist entwürdigend.
So jedenfalls empfinden es die Menschen in Thüringen und es sind hier schon die Zahlen gesagt worden. Es sind über 232.000 Personen und darun
ter knapp 60.000 Kinder, die allein in Thüringen betroffen sind. Wenn Sie mich fragen, ich hätte eine Lösung gefunden, wenigstens dafür zu sorgen, dass ab 01.01. die 5 € gezahlt werden und die Regelsätze der Kinder um 10 € aufgestockt werden. Dann hätte ich eine Regelsatzkommission - auch diese Vorschläge liegen auf dem Tisch - berufen, die sich dann hätte Zeit nehmen können, den diffusen Streit, wie viel es denn nun wirklich ist, zu Ende zu bringen. Das wäre eine Lösung gewesen.
Grundlagen dafür gibt es genügend. Ich will nur drei verschiedene Berechnungen von sehr ernst zu nehmenden Partnern nennen. Das war beispielsweise die Parität, die gesagt hat, es müssen 35 € mehr sein, nämlich 394 € der Regelsatz für Erwachsene. Die Diakonie - und die ist ja, glaube ich, sehr ernst zu nehmen - hat nachgewiesen in ihrer umfassenden Studie, dass es 74 € mehr sein müssen, da würde der Regelsatz bei 433 € liegen. Selbst das Statistische Bundesamt - das ist ja aus meiner Sicht der Witz der Sache - hat gesagt, mindestens 33 € mehr und das nachgewiesen, da würde der bei 382 € liegen. Wie gesagt, eine unabhängige Kommission sollte letztlich entscheiden. Ich weiß nicht, ob man sich dazu noch einigen wird, im Moment sieht es nicht so aus. Aber DIE LINKE, die nun auch in der Hartz-IV-Arbeitsgruppe einen Platz bekommen hat, nachdem sie das Verfassungsgericht anrufen musste, bringt einen solchen Vorschlag und auch andere mit ein. Wir sagen ganz klar, politisch motivierte Kürzungen bei einzelnen Verbrauchsgruppen wie Nahverkehr und Dienstleistungen des täglichen Lebens sind rückgängig zu machen.
Herr Gumprecht, es versteht auch kein Mensch, warum der Staat zwar das Gas zum Heizen bezahlt, aber nicht das Gas zum Kochen. Das verstehe ich nicht und das verstehen die Betroffenen erst recht nicht.
Meine Damen und Herren, wir fordern auch ganz klar: Keine weiteren Verschlechterungen für die Betroffenen und keine Verschärfung der Sanktionen. Wir unterstützen alle Forderungen nach gerechten Mindestlöhnen - das sage ich auch noch einmal ganz klar an die Adresse der SPD -, gleiche Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen sowie mehr Schulsozialarbeiter.
Unsere Vertreterin im Vermittlungsausschuss hat allerdings auch deutlich gemacht, dass wir keinem politischen Tauschhandel zustimmen, der minimale Zugeständnisse der Regierung bei Mindestlohn und Bildungspaket mit einem Verzicht auf menschenwürdige Regelsätze erkauft. Ich glaube, das sind wir den Betroffenen auch schuldig.
Zum Berichtsersuchen noch einen Satz, Herr Staatssekretär: Wir hätten schon noch einmal ganz gern gewusst, wie auch der Stand der Vorbereitung ist, wenn eine Entscheidung getroffen ist, was die
Auszahlung in den Jobcentern angeht. Es gab Äußerungen vor einiger Zeit - also in diesem Jahr schon - von der BA, dass vor Mai gar nichts geht. Ich glaube, das wäre der nächste Eklat. Da sollten wir jetzt schon Einfluss nehmen, dass dort die Dinge so vorbereitet sind, dass da nichts passiert und schnellstens die Erhöhung auch ausgezahlt wird.
Letztendlich, meine Damen und Herren, ist das menschenwürdige Existenzminimum aus unserer Sicht nur wirksam durch die Einführung einer umfassenden sozialen Grundsicherung, die das Bedarfsdeckungsprinzip im Einzelfall berücksichtigt. Dazu gehört auch die Gestaltung der Leistungsansprüche nach dem Prinzip der Bedarfsdeckung. Das heißt, auch die Pauschalierung müsste zurückgenommen werden. Es muss zu einer Wiedereinführung von einmaligen Bedarfen und Mehrbedarfen, zum Beispiel bei Winterbekleidung, beim kaputten Kühlschrank oder ähnlichen Dingen kommen.
Zum Schluss will ich noch einmal wenige Sätze sagen zu der Forderung nach dem gesetzlichen Mindestlohn. Das ist in den Anträgen enthalten, auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben dazu gesprochen. Es ist zwingend notwendig, da reicht meines Erachtens auch ein branchenbezogener Mindestlohn für die Zeitarbeitsbranche nicht aus, dass mit dem Blick auf das Inkrafttreten der Arbeitnehmerfreizügigkeit zum 1. Mai dieses Jahres unbedingt ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn auf den Weg gebracht werden muss. Letztendlich geht es nur durch Arbeitsplätze mit tarifgerechter Bezahlung, wenigstens mit Mindestlohn, also existenzsichernden Löhnen, um eine wirkliche echte Alternative zu Hartz IV zu schaffen.
Wir bleiben dabei, Hartz IV muss weg. Herr Gumprecht, Sie haben hier noch einmal gesagt, es gibt die verschiedensten Alternativen. Ich sage einmal, das bedingungslose Grundeinkommen, über das wir diskutieren in der LINKEN, ist einer Gesellschaft, die ich demokratischen Sozialismus nennen würde, neben anderen Elementen sehr nahe. Ich staune darüber, dass Sie in eine solche Diskussion mit uns auch eintreten wollen.
Auf jeden Fall kann es nicht sein, dass die arbeitsmarktpolitische Stilllegungsprämie - so wird nämlich Hartz IV unter Arbeitsmarktpolitikern zum Teil bezeichnet - so einfach weitergeht. Ich denke, hier werden Menschen von Arbeit entfremdet, auch von ihrem Grundrecht, was sie in meinem Augen haben, von ihrem Recht auf Arbeit, einem Recht auf Teilhabe in der Gesellschaft im weitesten Sinne. Auch ein Recht, ihr Leben selbst zu gestalten und durch ihrer eigenen Hände Arbeit dafür auch die Voraussetzungen zu schaffen. Ich denke, dieser Entfremdung kann man nicht mit irgendwelchen bürokratischen Verordnungen und Überbrückungsgel
dern und Regelsatzdiskussionen entgegenwirken. Das muss anders angepackt werden. Sie dürfen nicht so gedemütigt und erzogen werden, dass sie im System funktionieren. Wir treten dafür ein, Arbeit zu finanzieren statt Arbeitsosigkeit. Deswegen bleibt es aus unserer Sicht dabei, Hartz IV muss weg! Dafür werden wir auch alles unternehmen und bitten einfach im Interesse der Betroffenen darum, gerade auch hier in Thüringen, dass Sie Ihre Möglichkeiten, verehrte Mitglieder der Landesregierung, einsetzen, um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, notfalls auch mit einer erneuten Klage beim Bundesverfassungsgericht. Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Leukefeld. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete David Eckardt für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin, mit Verlaub, mir ist sehr wohl bekannt, dass der Präsident, die Präsidentin die Reihenfolge der Redner festlegt. Bisher war es auch demokratische Gepflogenheit in diesem Haus, dass erst einmal jede Fraktion mit einem Redner die Meinung der Fraktion zum vorliegenden Tagesordnungspunkt vom Pult hier kundtun konnte. Dass von dieser Gepflogenheit nun abgewichen wird, verwundert mich etwas.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das von der schwarz-gelben Mehrheit im Bundestag beschlossene Gesetz zur Novellierung der Hartz-IVRegelsätze liegt in der Tat weit hinter den Forderungen der SPD zurück. Es ist gut, dass nun im Vermittlungsausschuss vom Bundestag und Bundesrat nachgebessert wird. Die SPD-Bundestagsfraktion wies in ihrem Antrag vom 10. November 2010 zu Recht darauf hin, dass die Regelsätze nicht transparent und methodisch schlüssig berechnet worden sind. Von daher ist es tatsächlich zweifelhaft, ob die beschlossene Gesetzesnovelle ein menschenwürdiges Existenzminimum ermöglicht.