Protokoll der Sitzung vom 19.01.2011

Zum Punkt II Maßnahmekatalog bis zum 31.12.2010: Allein an der Stelle sieht man, dass der Antrag überholt ist und eigentlich hätte zurückgezogen oder geändert werden müssen. Deswegen dazu keine weiteren Anmerkungen von mir.

Es bleibt mir nur noch zu sagen: Wir haben aus dem Sofortbericht gehört, dass nicht nur im letzten Jahr, sondern auch in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet der Armutsbekämpfung in Thüringen viel geschehen ist, aber es wird auch in den nächsten Jahren viel geschehen und das muss es auch. Dabei wird die CDU-Fraktion mithelfen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)

Für die FDP-Fraktion erhält der Abgeordnete Koppe das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, im Gegensatz zu Frau Meißner würde ich schon noch ein paar Worte zu dem generellen Europäischen Jahr gegen Armut verlieren wollen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich glaube, es ist sich schon ein bisschen sehr einfach gemacht worden. Das öffentliche Bewusstsein für die Risiken von Armut und sozialer Ausgrenzung zu stärken und die Wahrnehmung für ihre vielfältigen Ursachen und Auswirkungen zu schärfen, das waren, wie Sie alle wissen, die Ziele des Europäischen Jahres 2010 ausgerufen von der Europäischen Kommission. Mit diesem Jahr sollte den Vorurteilen und möglichen Diskriminierungen gegenüber von Armutsrisiken und Ausgrenzungen betroffener Menschen begegnet werden. Gleichzeitig sollten Ansätze zu deren Überwindung aufgezeigt werden. Es sollten dabei vor allem drei Themenfelder sichtbar gemacht werden:

1. Jedes Kind ist wichtig, demzufolge Entwicklungschancen verbessern.

2. Wo ist der Einstieg? Mit Arbeit Hilfebedürftigkeit überwinden.

3. Integration statt Ausgrenzung, selbstbestimmte Teilhabe für alle Menschen.

Öffentlichkeit und Politik sollten mit dem Europäischen Jahr gegen Armut im Jahr 2010 auf verschiedenen Ebenen für mehr Engagement gewonnen und die Öffentlichkeit hinreichend sensibilisiert werden. Die Arbeiterwohlfahrtsverbände, die unabhängigen Betroffenenverbände und die Initiativen freier Träger sollten Anerkennung und nachhaltige Stärkung erfahren. Zusätzlich sollten noch die Unternehmen ermutigt werden, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und sich freiwillig gesellschaftlich zu engagieren. Es sollte deutlich werden, was jeder Einzelne und die Gesellschaft insgesamt gewinnen kann, wenn soziale Ausgrenzung und Armutsrisiken verringert werden.

Wenn man sich die Anforderungen an dieses Jahr rückblickend in Erinnerung ruft, muss man sich schon fragen, wer diesem ambitionierten Programm damals seine Zustimmung gegeben hat. Aus meiner Sicht ist es völlig unrealistisch, diese Ziele in Europa innerhalb eines Jahres in Gänze zum Erfolg zu führen. Dazu gehört deutlich mehr. Jeder, der behauptet, das sei kein Problem und man könne die sozialen Unterschiede in Europa binnen kürzester Zeit ausgleichen, der versündigt sich an den Zielen der europäischen Kohäsionspolitik und an den Erwartungen der tatsächlich betroffenen Menschen.

(Beifall FDP)

In Deutschland - und das will ich auch noch einmal ganz eindeutig sagen - haben wir, verglichen mit den Zuständen in weiten Teilen Europas, ich will da einmal das Land Rumänien nennen, geradezu paradiesische Zustände, auch wenn das in der Tagespolitik ganz gern aus den Augen verloren wird. Formen und Auswirkungen von Armut und Ausgrenzung sind aber in den unterschiedlichen Lebensbereichen immer noch sehr vielfältig. Die Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung sowie die Sozialberichterstattung vieler Länder und Kommunen tragen seit vielen Jahren dazu bei, die soziale Lage in Deutschland zu analysieren und die Wege aus Armut und sozialer Ausgrenzung durch zielgenaue Maßnahmen aufzuzeigen. Nicht das Gießkannenprinzip mit einer unübersichtlichen Masse an Maßnahmen ist für den Erfolg entscheidend, sondern die Auswahl der richtigen Programme für die richtigen Personen. Zielgenauigkeit und Effizienz dürfen auch im Sozialbereich keine Tabuworte oder abzulehnende Grundlagen des politischen Handelns sein.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die gegenwärtige wirtschaftliche Erholung nach der Finanzund Strukturkrise stärkt das Bewusstsein für die 60-jährige Erfolgsgeschichte der sozialen Marktwirtschaft und des Sozialstaats, den nicht zuletzt Ordoliberale wie Werner Eugen, zu verantworten haben. Dass der deutsche Sozialstaat in der Vergangenheit stets die Fähigkeit unter Beweis stellen konnte, auf soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen die angemessenen Antworten zu finden, darf man mit Fug und Recht gerade den sogenannten Neoliberalen um Ehrhard und Eugen zuschreiben,

(Beifall FDP)

die vor allem in der Programmatik der FDP ihren Ausdruck gefunden haben.

(Unruhe SPD)

Vernunft, gesundes Wirtschaften und Rücksicht auf den, der sich nicht selbst helfen kann, bilden die Grundlagen für unseren Wohlstand. Freiheit und Verantwortung sind die Basis für das, was in vielen Teilen unserer globalisierten Welt noch immer Staunen hervorruft.

In der Finanzmarkt- und Konjunkturkrise waren besonders sozial Schwache und benachteiligte Gruppen gefährdet. Auch das gehört zur Wahrheit, so dass die Fähigkeit des Sozialstaates zur sozialen Bewältigung und Gestaltung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umbrüche besonders gefragt war. Beispielsweise konnten dank der Kurzarbeit viele Unternehmen Entlassungen vermeiden, die zu sozialen Härten bei den Beschäftigten, aber auch zum Verlust von Kompetenz in den Unternehmen geführt hätten. Mit den Erfahrungen aus der Krise der vergangenen Jahre lässt sich sagen, dass sich die soziale Marktwirtschaft trotz aller parteipolitischen Auseinandersetzungen bewährt hat. Auch dies darf man an dieser Stelle einmal sagen. Dazu beigetragen haben die begonnenen Reformen des umfangreichen Systems der Mindestsicherung zur Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung. Diese wurden mehrfach an aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen angepasst. Vorgelagerte Sicherungssysteme, wie z.B. Erhöhung des Kindergeldes, Erhöhung des Steuerfreibetrages, Ausbau der Hinzuverdienstmöglichkeiten bei Hartz IV sind ausgebaut worden, um die Abhängigkeit von SGB-IIund SGB-XII-Empfängern deutlich abzuwenden. Schließlich zielen der Ausbau der Kinderbetreuung und gezielte finanzielle Transfers zur Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität von Familien im Lebenslauf darauf ab, Chancengleichheit vor allem für die Kinder, die in Familien im Niedrigeinkommensbereich leben, herzustellen.

(Beifall FDP)

Trotz der vielfältigen politischen Maßnahmen bestehen weiterhin Ungleichheiten bei der Chancenlage

vieler Menschen, so etwa bei Geringqualifizierten, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderungen und bei Alleinerziehenden sowie Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Haushalten. In den genannten Gruppen differenzieren sich die Chancen und Risiken immer noch nach dem Geschlecht. In besonders schwieriger Lebenslage befinden sich die Personengruppen, bei denen mehrere dieser Bedingungen sich vereinen. Dazu kommen soziale Probleme, Wohnungslosigkeit oder z.B. Suchtkrankheit.

Auch das will ich an dieser Stelle deutlich sagen: Nicht der Staat oder die Gesellschaft sind allein dafür verantwortlich, dass sich Menschen aus sensiblen sozialen Lagen befreien. Ziel staatlicher Sozialpolitik muss es sein, denen, die sich befreien wollen, die Chancen zu bieten und ihnen die Mittel in die Hand zu geben.

(Beifall FDP)

Der Wille zum Erfolg muss aber von dem Betroffenen selbst ausgehen. Daher ist das Credo „das Fordern und Fördern“ nach wie vor richtig.

Zu dem Antrag der LINKEN muss ich sagen, dass wir dies gerade im Hinblick auf die gestraffte Tagesordnung doch viel besser im Sozialausschuss behandeln sollten. Der II. Punkt scheint ja zumindest in der hier geforderten Zeitschiene für die Landesregierung nicht einhaltbar zu sein. Auch darüber sollten wir besser im Ausschuss diskutieren. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Bevor Sie vom Pult weggehen: War das ein Antrag zur Überweisung des Punkts II an den Sozialausschuss und zur Fortberatung des Berichts oder wie soll ich das verstehen?

Sie haben das richtig verstanden, Frau Präsidentin.

Gut, dann werde ich das später abstimmen lassen. Danke schön. Ich rufe für die SPD-Fraktion den Abgeordneten Eckardt auf.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, 79 Mio. Menschen in der EU leben in Armut - 79 Mio. Menschen, das sind 16 Prozent der Bevölkerung - und das nahm die EU zum Anlass, das Jahr 2010 zum Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung auszurufen, um dieses Thema in der Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Das war auch gut so.

(Abg. Koppe)

Das Jahr 2010 ist vorbei. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 24.09.2010 liegt uns heute noch vor, und dass er uns heute erst vorliegt, hat nicht zuletzt der Antragsteller mitzuverschulden.

(Unruhe DIE LINKE)

Mein Dank geht an die Sozialministerin für ihren umfangreichen Bericht, den sie über die Aktivitäten des vergangenen Jahres gegeben hat, zeigt er doch wieder einmal mehr, dass die Bekämpfung von Armut nicht erst im Jahr 2010 in Thüringen im Mittelpunkt des Interesses stand, sondern auch schon davor und auch in den kommenden Jahren noch stehen wird. Dafür, Frau Ministerin, von dieser Stelle aus meinen herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Wäre es der Fraktion DIE LINKE wirklich darum gegangen, Informationen über das Jahr 2010 über das Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung zu bekommen, hätten Sie z.B. die Möglichkeit am 1. Dezember in Leipzig bei einer Regionalkonferenz nutzen können, bei der die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Initiativen vorgestellt haben.

(Zwischenruf Abg. Jung, DIE LINKE: Eine Einladung?)

Die Blicke der Linksfraktion zeigen mir, dass sie von diesem Termin überhaupt nichts wussten, Einladung dazu ist nicht gekommen. Man hätte sich halt mal informieren müssen. Wenn einem das Thema wirklich am Herzen liegt, hätte man sich auch informiert oder man hätte auch die Fachtagung in Gera nutzen können, die ja bereits angesprochen worden ist.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Das ist einfach unverschämt, wie Sie reden.)

Herr Ramelow, wenn Sie etwas reden wollen,

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: So ein Quatsch!)

können Sie vorgehen. Jetzt bin ich hier und es wäre nett, wenn Sie Ihre wie üblich unverschämten Zwischenrufe einfach lassen würden.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Es bleibt einfach unverschämt, was Sie reden, einfach Unsinn.)

Aus Ihrer Sicht! Applaus aus anderen Fraktionen hat mir gezeigt, dass es nicht so viel Unsinn ist, sondern das, was Sie hier treiben, Unsinn ist, aber das können wir an anderer Stelle gern noch mal bereden.

Ich werde mich jetzt mal einmischen. Es geht darum, dass wir die Debatte sachlich führen, und da werden jetzt so bestimmte Worte verwandt, die an

Rügen grenzen. Der Abgeordnete Eckardt hat jetzt das Wort. Es gibt eine weitere Redeliste und ich bitte, danach zu verfahren. Jetzt können Sie weiterreden.

Selbst wenn man Google bemüht hätte, hätte man zahlreiche Informationen über Aktivitäten finden können, aber scheinbar war man dazu nicht gewillt.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Oh, oh, nun googeln wir als Parlamentarier.)

Was den Punkt II Ihres Antrags betrifft: Er verdeutlicht es ja dann endgültig, dass Ihnen nicht an Sachpolitik, sondern an Polemik gelegen ist. Wenn man einen Antrag noch nicht einmal in einer Neufassung vorlegt, der einen Initiativplan zum 31.12. des vergangenen Jahres vorsieht, der ist doch etwas weltfremd. Es wäre doch wenigstens zu erwarten gewesen, dass dieser Punkt II Ihres Antrags zurückgezogen wäre oder dass Sie eine Neufassung mit einem neuen Datum hier vorgelegt hätten.