Protokoll der Sitzung vom 25.02.2011

Einwände wurden weggewischt in Berlin. Deswegen blicken jetzt so viele Träger und Projekte auf das Land Berlin, das Widerspruch eingelegt hatte und jetzt prüfen muss, ob auch der Klageweg beschritten wird. Die Landesregierung - ich sage bewusst die Landesregierung, vorhin hieß es an einer Stelle, das ist nur das Sozialministerium, das ist nicht richtig - hat sich klar und deutlich ausgesprochen in Thüringen. Ich möchte auf einen TAZ-Artikel verweisen vom 15.02.2011. In diesem Artikel ging es um die Frage, wie verhalten sich die Länder zur Extremismusklausel, und darin, ich zitiere den TAZ-Artikel, heißt es: „Das von CDU und SPD regierte Thüringen werde bei der Vergabe von Landesmitteln keine Erklärung verlangen,

(Beifall DIE LINKE, SPD)

heißt es im dortigen Innenministerium.“ Mit dem hat nämlich die TAZ gesprochen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weiter sagt das Innenministerium der TAZ: „Es verweist auf die Stasi-Erfahrungen vieler Ostdeutscher.“ Danke, Innenministerium, an dieser Stelle mal.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ansonsten sind Sie ja häufig in der Kritik von uns, aber da muss ich sagen, der Verweis gerade auf diese Erfahrungswelt Ostdeutscher ist genau richtig, um auch die Dimension der Extremismusklausel wirklich ganz einzuordnen.

Neben diesen politischen Erklärungen haben wir jetzt aber ein Problem. Fakt ist, dass es in Thüringen Träger gibt, wie z.B. die lokalen Aktionspläne, die direkt über Bundesmittel gefördert werden, und die dieser Tage entscheiden müssen, unterschreiben oder nicht. Die Ersten haben auch bereits mit Blick auf den möglichen Stopp der Finanzmittel eingewilligt. Das ist auch Fakt in Thüringen. Das bewegt uns zu der Aussage, das politische Signal reicht uns an dieser Stelle nicht aus. Wir brauchen Rechtssicherheit für die Träger und Projekte in Thüringen. Um diese Rechtssicherheit geht es uns bei unserem Antrag, jetzt juristisch zu prüfen und dann zu entscheiden auf Grundlage der juristischen Prüfung, ob das Land Thüringen auch Rechtsmittel einlegen wird. Es macht schon einen Unterschied, ob das Land Berlin allein den Rechtsweg beschreitet oder ob es von Thüringen unterstützt wird oder möglicherweise auch von Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ist natürlich ein politisches Signal und das wäre nicht zu unterschätzen.

Zum Alternativantrag der FDP: Im Kern ist das derselbe Geist wie die Extremismusklausel. Auch hier zählt Verdacht und Zwang statt demokratischer Kultur. Es geht um Bekenntnisse, um Eide, aber in meinem Verständnis hat das mit einer offenen demokratischen Gesellschaft nichts zu tun.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich muss mich an manchen Stellen auch wundern, wie diejenigen, die gerade unter biographischen Erfahrungen gelebt haben, wo das Bekenntnis die Überzeugung ersetzt hat, zu solchen Ideen wieder greifen können.

Weiterhin ist in Ihrem Vorschlag zu kritisieren, die Träger sollen auch bei Ihnen verpflichtet werden, den Bekenntniszwang an die beteiligten Projektpartner weiterzugeben. Sie haben sich an dieser Stelle nicht positioniert zu der Problematik, dass derartige Erklärungen erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen. Normalerweise trägt die FDP im Bund gelegentlich den Titel Bürgerrechtspartei. Ich hätte von Ihnen erwartet, dass Sie zu diesen verfassungsrechtlichen Bedenken etwas sagen. Stattdessen haben Sie hier eine - ich sage mal - Rechtsaußenposition in Ihrer Partei vertreten, die Ihnen nicht gut zu Gesicht steht.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das ist genau das, was ich meine.)

Ich habe gesagt, innerhalb Ihrer Partei gibt es durchaus auch andere, die in dieser Frage eine bürgerrechtliche Position eingenommen haben.

(Beifall DIE LINKE)

Dieser Position in Ihrer Partei wollen Sie nicht folgen und das ist eine reine Feststellung.

Frau Meißner - ist sie noch da?, ja, da hinten -, Sie haben gesagt, na ja, die Projekte haben es leicht, zu ihrer Erkenntnisgewinnung können sie bei den Landesämtern für Verfassungsschutz nachfragen, dann können die sagen, mit wem es geht und mit wem nicht. Schauen Sie mal in die Presse. Es gab in den letzten Wochen und Monaten zwei juristische Entscheidungen zu Veröffentlichungen von Landesämtern zu Pressearchiven und Zeitungen. Die Landesämter hatten diese als linksextrem eingestuft und die Landesämter haben vor Gericht verloren. Es war in Bayern, in Nordrhein-Westfalen, wo die Landesämter eben nicht mehr behaupten dürfen, dass diese Zeitungen und Archive linksextremistisch sind. Das zu dem Gehalt der Aussagen, die wir in den Broschüren des Landesamtes für Verfassungsschutz lesen können.

(Beifall DIE LINKE)

Das Zweite, Sie haben auch etwas Unwahres hinsichtlich einer Identität der Erklärung, die unter Mi

nisterin Schmidt und Schröder bestünden, gesagt. Das ist falsch. Der erste Teil der Extremismusklausel ist tatsächlich identisch. Der zweite Teil, um den es hier bei der Frage der juristischen Prüfung geht, fehlte bei Frau Schmidt in der Erklärung. Und - jetzt kommt das Entscheidende - die Erklärung, die unter Ministerin Schmidt bestand, musste nicht unterschrieben werden, die ist lediglich zur Kenntnisnahme an die Projekte weitergegangen. Also dieser Bekenntniszwang, um den es ja hier geht, bestand dort nicht. Deswegen ist es einfach falsch und es ist auch nicht lauter, zu behaupten, dass das schon unter Ministerin Schmidt so fortbestehen würde.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Barth - nur ganz kurz -, Sie sind dann noch ausführlich auf die Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ in Suhl eingegangen. Wir haben einen entsprechenden Antrag hier eingereicht. Das Plenum hat sich dazu entschlossen, es nicht in dieser Plenarsitzung zu behandeln. Wir haben Gelegenheit, in der nächsten Tagung dazu zu sprechen und dann werden wir die inhaltlichen Argumente noch einmal austauschen. Ich finde hier, wo wir eine juristische und politische Frage der Extremismusklausel behandeln wollten, hat das eigentlich nicht hingehört.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Das sagt dann mehr über den Redner als über das Thema.)

Über Schwarz-Weiß-Denken, was Sie uns vorwerfen, ich glaube, das fällt auf den Redner zurück, sollten Sie mal nachdenken, ob das nicht die Schemata sind, in denen Sie sich bewegen.

(Beifall DIE LINKE)

Abschließend: Was wir eigentlich mit diesem Antrag wollen, ist, die Träger und Projekte in Thüringen zu unterstützen, denn diese Träger und Projekte in Thüringen verdienen unser Vertrauen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das sollten wir an dieser Stelle auch deutlich zeigen. Wir können diese Träger auch unterstützen, indem das Land Thüringen juristische Schritte gegen Gesinnungsschnüffelei einleitet und eben auch das Land Berlin in seiner Klage unterstützt. Ich denke, dann wird die Zeit kommen, dass die Extremismuserklärung in dieser Form nicht mehr besteht. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Mir liegen jetzt keine weiteren Redemeldungen seitens der Abgeordneten vor, für die Landesregierung allerdings der Justizminister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, der Antrag der Fraktion DIE LINKE und auch der von der Fraktion der FDP vorgelegte Alternativantrag stehen nicht allein für sich, sondern sind Teil einer umfassenden politischen und rechtlichen Auseinandersetzung mit der Praxis des Bundes seit Anfang dieses Jahres im Rahmen der Zuwendungen der Bundesprogramme gegen Rechts- und Linksextremismus sowie Islamismus, eine Demokratieerklärung oder - wahlweise je nach Betrachtungsweise - auch Antiextremismuserklärung genannt, von den geförderten Projektträgern zu verlangen. Der Thüringer Landtag hat sich bereits in seiner letzten Sitzung intensiv mit dem Thema beschäftigt. Die Landtage vor allem der neuen Bundesländer und der Bundestag haben darüber kontrovers diskutiert.

Auf Anfrage des in der Sache federführenden Thüringer Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit hat mein Haus ebenfalls eine erste rechtliche Einschätzung zur Zulässigkeit der geforderten Erklärung abgegeben. Wie in der Begründung des Antrags erwähnt, liegt hierzu ein Gutachten von Prof. Dr. Battis von der Humboldt Universität Berlin vor. Mittlerweile hat sich auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages geäußert. Prof. Battis begründet in seinem Gutachten rechtliche Bedenken gegen die Anforderungen der Erklärung, die auch von meinem Haus geteilt werden. Hierzu möchte ich in aller Kürze Folgendes ausführen.

Erstens: Die Abgabe der Erklärung von den Zuwendungsempfängern und Projektträgern ist die Voraussetzung der Mittelauszahlung. Sie ist mithin eine Bedingung und rechtlich als Nebenbestimmung zu einem Verwaltungsakt zu qualifizieren. Die rechtliche Zulässigkeit ist daher vorrangig an den Anforderungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu messen. Im Vordergrund steht daher nicht so sehr eine verfassungsrechtliche Würdigung.

Zweitens: Die geforderte Erklärung steht in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Zuwendungszweck. Die mit dem Bundesprogramm angestrebte Stärkung von Demokratie und Toleranz und die Abwehr verfassungsfeindlicher Bestrebungen würden konterkariert, wenn die Mittel verfassungsfeindlichen Organisationen zugute kommen würden. Ich glaube, soweit besteht weitgehende Einigkeit.

Drittens: Mit der Bundesregierung besteht Einigkeit ebenfalls darüber, dass es rechtlich wenig angreifbar ist, von dem Zuwendungsempfänger selbst eine Treueerklärung abzufordern. Dieser muss erklären können - und das darf man auch im Rahmen der Ausrichtung der Programme verlangen -, für welche Werte er einsteht. Es ist aber nach Auffassung meines Hauses unverhältnismäßig, dies auch von den Kommunen oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften zu verlangen. Diese sind kraft ihres Rechtsstatus in die Verfassungsordnung eingebunden. Wie ich auch der letzten Bundestagsdebatte entnehmen konnte, hat mittlerweile auch die Bundesregierung erklärt, dass sie künftig diese Treueerklärung von den Ländern und Kommunen nicht weiter verlangen wird.

Viertens: Mein Haus trägt die Einschätzung von Prof. Battis ebenso wie die des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages mit, dass die Erklärung rechtlich zweifelhaft ist, soweit sie vom Zuwendungsempfänger nicht nur ein eigenes Bekenntnis zur Verfassungstreue verlangt, sondern darüber hinaus dessen Verpflichtung begründet, für die Grundhaltung Dritter einzustehen. Diese Bedenken begründen sich aus der Unbestimmtheit der Erklärung und der Unverhältnismäßigkeit. So bleibt es auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Hinweise des zuständigen Bundesministeriums vom Januar 2011 unklar, wie sich der Zuwendungsempfänger über die Verfassungstreue seiner Partner informieren und sachkundig machen soll. Allein die Hinweise auf die Verfassungsschutzberichte oder auf die Internetsuchmaschine Google können hier nicht weiterhelfen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will hier an dieser Stelle aber darauf hinweisen, dass sich die Landesregierung zu dieser Frage noch keine abschließende Meinung gebildet hat. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Bundesregierung diese Befürchtungen nicht teilt und sie aus ihrer Sicht gewährleistet haben will, dass durch die Förderprogramme keine Kräfte gefördert werden, denen gerade nach diesen Programmen entgegengetreten werden soll. An dieser Stelle muss dann aber auch jenseits der rechtlichen Diskussion die politische Debatte um die neue Zuwendungspraxis des Bundes ansetzen, auf die ich hier nur hinweisen will und auf die ja ein Teil der Vorredner auch sehr deutlich schon Bezug genommen hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, aus dem Alltagsleben wissen Sie, dass die Begründung rechtlicher Zweifel und die Durchsetzung zwei verschiedene Stufen sind. Zu sagen, wir haben rechtliche Bedenken, bedeutet nicht zwingend, dass man sie sogleich auch mit Rechtsmitteln durchsetzen muss. Ob und inwiefern Rechtsmittel auch in der Zukunft - denn wir werden dieses Problem ja möglicherweise längerfristig haben

einzulegen sind oder nicht, bedarf einer eigenständigen, sorgfältigen Abwägung, die auch die unmittelbaren Konsequenzen eines solchen Schrittes zu berücksichtigen hat. Hier ist es vor allem wichtig, dass die Fortführung der von uns allen gewünschten Projekte gegen Rechtsextremismus mangels finanzieller Zuweisung durch den Bund nicht gefährdet wird. Die Einlegung eines Rechtsmittels führt aber möglicherweise zu diesen Folgen.

Ich weise daher an dieser Stelle auf die Initiative meiner Kollegin Frau Ministerin Taubert hin, sich zunächst an das zuständige Bundesministerium zu wenden und auf politischer Ebene auf eine Änderung dieser Verwaltungspraxis zu drängen und hinzuwirken. Nach meinem Kenntnisstand wird diese Initiative auch von anderen Landesministerien unterstützt. Es gilt abzuwarten, inwieweit dies Erfolg haben wird.

Ich sage auch, diese Initiative steht dann im Ergebnis im Übrigen auch nahe bei der Zielrichtung des vorliegenden FDP-Antrags. Indessen sollte vermieden werden, an dieser Stelle den Gesprächen, die hier geführt werden, bereits jetzt konkrete Vorgaben zu machen. Soweit an dieser Stelle mit meinen Ausführungen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat sich der Abgeordnete Barth noch einmal zu Wort gemeldet.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will nur noch mal zwei Punkte ansprechen. Das Ziel auch unseres Landesprogramms für Toleranz und Weltoffenheit ist es, Feinde der freiheitlich demokratischen Grundordnung abzuwehren.

(Beifall FDP)

Wenn man dieses Ziel so verfolgt, muss man sich auch überlegen, was passiert, wenn diese Abwehr nicht gelingt. Deshalb ist es auch ganz interessant, mal zu schauen, da gibt es Zitate, die bedauerlicherweise zu trauriger Berühmtheit gelangten, Rede von Adolf Hitler, der die Parteien aus Deutschland hinausgefegt hat, als er die Möglichkeit dazu hatte, was mit Sicherheit nicht in unserem Sinn ist. Es gibt auch ein Zitat - und diesmal bin ich es, der Lenin zitiert -: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“