Protokoll der Sitzung vom 25.02.2011

hender auseinandersetzen sollten. Das ist für mich neu, aber ich finde es gut.

Die Tatsache, dass die Elternassistenz, also die Assistenzleistung für Eltern, die selbst von Behinderung betroffen sind, mehrere Bereiche des SGB, mehrere Leistungsträger und Ansprechpartner betreffen, ist in der Tat problematisch. Es ist deshalb problematisch, weil es für die Betroffenen schwierig ist, schnell den richtigen Ansprechpartner zu finden, der dann auch helfen kann. Schon Menschen ohne Behinderung sind durch den Dschungel aus Antragsformularen und Behörden häufig verunsichert und belastet. Wie viel schwieriger muss es für die Menschen mit einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung sein, diese teils verschiedenen Wege auf sich zu nehmen.

Es besteht sicher Einigkeit darüber, dass Eltern mit Behinderung die notwendigen Hilfen zur Unterstützung ihrer erzieherischen Leistungen erhalten sollen. Es ist unstrittig, dass alle Kinder möglichst gleiche Entwicklungschancen erhalten sollten. Wenn diese durch die Behinderung der Eltern eingeschränkt sind oder drohen, davon eingeschränkt zu werden, muss man Eltern und Kinder unterstützen. Wünschenswert ist es, Hilfen möglichst unkompliziert zu beantragen und zu erhalten.

Dies wird auch durch die Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz und die Arbeits- und Sozialministerkonferenz so eingeschätzt. Bereits im Jahr 2008 hat man nach Wegen der Harmonisierung und Vereinfachung der Leistungen gesucht. Es wurde von der Arbeits- und Sozialministerkonferenz eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe“ mit dieser Thematik befasst. Auch eine Arbeitsgruppe mit Mitgliedern von Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz und Arbeits- und Sozialministerkonferenz wurde gegründet. Leider hat man auf diesem Weg bis jetzt keine tragbaren Lösungsansätze gefunden. Aber dieses verdeutlicht die Schwierigkeiten, die sich aufgrund der verschiedenen SGB-Zuständigkeiten ergeben. Dies sollte uns aber nicht entmutigen.

Ich schlage wie meine Vorgänger vor, diesen Antrag an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Dort können wir dann den genauen Sachstand der Überlegungen auf Bundesebene erfahren und eventuelle Lösungsansätze kennenlernen, diskutieren und natürlich auch unterstützen. Danke.

(Beifall SPD)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Meyer von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich lasse mal die Teile weg, die bereits gesagt worden sind. Zwei Grundbemerkungen vorweg: Wir können feststellen, dass der Grundsatz der Selbstständigkeit und der Selbstbestimmung für Menschen mit einer Behinderung bisher nur ungenügend umgesetzt wird in Deutschland. Ich denke, wir können auch feststellen, dass die Großeinrichtungen der Sozialwirtschaft - und so nenne ich diese Träger immer gern, um klarzustellen, dass wir es mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu tun haben, wenn auch einer besonderen, nämlich einer sozialwirtschaftlichen Tätigkeit - umgebaut werden müssen, um diesen Grundsatz der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung zu erreichen, und das auch in Thüringen. Auch da haben wir noch einen ganz schönen weiten Weg vor uns, denn das ist damit verbunden, dass möglicherweise ganze Bereiche, um nicht zu sagen, vielleicht sogar ganze Träger nicht mehr da sein werden, wenn es mal erreicht ist, zum Wohle - das betone ich ausdrücklich - der Menschen mit einer Behinderung und nicht, weil wir die Träger nicht wollen, ganz im Gegenteil, die sind sehr leistungsfähig und in der Regel auch sehr gut.

Dass das Problem einer Elternassistenz evident ist, wird auch daran deutlich, vielleicht noch mal kurz ein Zitat - ich beziehe mich jetzt, um das Zitat auch perfekt zu machen, ich muss nämlich jetzt ein bisschen auf meine wissenschaftliche Ausbildung achten, auf die Drucksache 16/7748 vom 16. Januar 2008 des Deutschen Bundestages, einem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -, wenn ich darf, Herr Präsident. Dort wird ausgeführt: in einer „... geförderten Studie aus dem Jahr 2006 beträgt die durchschnittliche Kinderzahl von Frauen mit so genannter geistiger Behinderung 1,3.“ - bei Frauen, die nicht eine geistige Behinderung haben, 1,4 in Deutschland. „Die vom Bundesministerium für Frauen, Senioren, Familie und Jugend im Jahr 2000 veröffentlichte LIVE-Studie zur Situation körper- und sinnesbehinderter Frauen in Deutschland ermittelte, dass 70 Prozent der befragten Frauen eigene Kinder und davon knapp 2 Drittel zwei oder mehr Kinder hatten.“ Es ist also die Normalität, dass auch behinderte Frauen genauso viele Kinder haben wie nicht behinderte Frauen, und das unter anderem auch, wenn sie mit einer geistigen Behinderung ausgestattet sind.

Wir fordern als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundesebene seit Jahren - und das ist gesagt worden, dass das kein Thema ist, was heute neu auf den Tisch kommt -, statt eines Nachteilsausgleichs, der daran scheitert, dass da drei oder vier verschiedene Gesetze behandelt und dann entsprechend der Situation, die gerade geschildert wurde, dass man jahrelang auf Rechtstitel wartet, ein sogenanntes Teilhabegeld. Wir würden darum drängen wol

(Abg. Künast)

len, dass die Rechtsnormen geordnet werden im Bereich des SGB IX und des SGB XII. Wir sind der Ansicht, dass der § 55 Abs. 2 im SGB IX dringend reformiert werden muss. Auch da erlaube ich mir wieder zu zitieren, Herr Präsident: „Um die besonderen Bedürfnisse von Eltern mit Behinderungen auch außerhalb des Arbeitslebens besser zu berücksichtigen, müssen die Hilfen für die Pflege und Erziehung eigener oder an Kindesstatt angenommener Kinder als zusätzlicher Bereich der ‚Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft’ aufgenommen werden. § 55 Abs. 2 SGB IX ist um eine allgemeine Regelung zu ergänzen, welche die Hilfe für behinderte Eltern bei der Erfüllung ihres Erziehungsauftrages beinhaltet.“ Ein Antrag, der übrigens Alternativanträge damals 2008 hatte von FDP und DIE LINKE und der, muss man sagen, damals abgelehnt wurde mit der damaligen Koalition, meines Wissens war da auch die SPD beteiligt. Wir haben da eine ziemlich unrühmliche Situation der Frage, wer sich bislang bei dem dicken Brett davon abgehalten hat, dieses weiter zu bohren und irgendwann mal zu durchbohren und zu einem Ergebnis zu kommen. Es sind nicht nur die FDP und die CDU, sondern unter anderem auch die SPD.

Konkret zu dem Antrag der FDP, der uns vorliegt: Wir werden auch der Ausschussüberweisung zustimmen, aber trotzdem einige Hinweise. Der erste betrifft den Punkt „1. zu prüfen inwieweit a) mit den Leistungsträgern des persönlichen Budgets eine gemeinsame Vereinbarung zur Gewährung von Elternassistenz für Menschen mit Behinderung als trägerübergreifende Komplexleistung vereinbart werden kann;“. Frau Ministerin, das können Sie sich sparen, denn Sie werden höchstwahrscheinlich nur zu dem Ergebnis kommen, zu dem auf Bundesebene nicht nur die GRÜNEN auch schon gekommen sind, nämlich darauf - ich zitiere wieder aus dem Antrag - „Hierfür sind § 55 Abs. 2 SGB IX und § 10 Abs. 4 SGB VIII entsprechend zu ändern.“ So viel als Information schon mal an die antragstellende Fraktion vorab. Nein, zurzeit geht es nicht, es ist Bundesrecht, was uns da schadet. Deshalb sind wir auch für die Überweisung.

Zusatz: Aus gegebenem Anlass erlaube ich mir, Ihnen jetzt noch vier Zitate zu nennen. Zwei sind aus dem Antrag, den ich Ihnen gerade genannt habe, und zwei sind nicht aus diesem Antrag. Ich zitiere aus dem Antrag der FDP-Fraktion: „Eltern mit einer körperlichen, seelischen und geistigen Behinderung können bei der Erfüllung ihres Erziehungsauftrages auf besondere Unterstützung des Staates angewiesen sein.“ Ich zitiere aus der Drucksache, die ich genannt habe: „Eltern mit Behinderungen können bei der Erfüllung ihres Pflege- und Erziehungsauftrags jedoch zusätzlich beeinträchtigt und auf personelle Hilfen angewiesen sein.“ Die zweite Variante heißt - wiederum aus dem FDP-Antrag: „Im Vordergrund stehen dann Hilfen zur Mobilität, Unter

stützung bei Kinderpflege und im Haushalt.“ Jetzt zitiere ich wieder aus dem Antrag der Bündnisgrünen im Bundestag: „Im Vordergrund stehen Hilfen zur Mobilität und die Unterstützung bei der Kinderpflege und im Haushalt.“

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen schon, Fußnoten und so. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt die Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit, Frau Taubert.

Vielleicht ist es doch besser, man entschuldigt sich vor einer Rede schon, wenn man eventuelle Zitate von anderen nicht erwähnt hat. Es ist vielleicht doch besser.

Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, es ist richtig, was Sie darstellen. Behinderte Eltern haben oftmals einen Unterstützungsbedarf, um ihr Kind zu versorgen und zu erziehen. Die Unterstützung behinderter Eltern dient auf der einen Seite dem Ausgleich ihrer Behinderung im Familienleben bzw. ihrer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und lässt sich somit den Leistungen der Eingliederungshilfe, d.h. dem Sozialhilfeträger zurechnen. Auf der anderen Seite dient die Unterstützung der Sicherstellung bzw. Verbesserung der Versorgung und Erziehung der Kinder und fällt somit in den Aufgabenbereich der Kinderund Jugendhilfe, also dem SGB VIII.

Behinderte Eltern haben genau wie nicht behinderte Eltern bei entsprechenden Voraussetzungen Anspruch auf Hilfen nach § 19 SGB VIII oder auf Leistungen im Rahmen der Hilfen zur Erziehung gemäß § 27 SGB VIII. Darüber hinaus besteht oftmals auch ein Anspruch behinderter Eltern auf Leistungen der Pflegeversicherung nach dem SGB XI bzw. auf die Hilfe zur Pflege nach § 61 SGB XII. Das Zusammenwirken der Leistungsträger hinsichtlich der verschiedenen Leistungen ist in § 14 des Neunten Sozialgesetzbuches geregelt. Hinsichtlich der Frage, ob es eines eigenen Leistungstatbestandes bedarf, hat die 18. Konferenz der Gleichstellungs- und Familienministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder am 23. und 24.10.2008 und die 85. Arbeits- und Sozialministerkonferenz am 16.10.2008 diese Thematik behandelt. Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz beauftragte im Anschluss die Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die heißt „Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe“,

(Abg. Meyer)

diese Problematik im Zuge behinderter Eltern auf Leistungen der Pflegeversicherung nach SGB XI bzw. ihre Beratung aufzugreifen. Es wurde eine interkonferenzielle Arbeitsgruppe gebildet, an der sowohl Jugend- und Familienminister als auch die Gleichstellungsministerkonferenz beteiligt ist. Allerdings wurde, wie bereits von der Frau Abgeordneten Stange erwähnt, bis zum heutigen Tag kein Ergebnis erzielt.

Eine Vereinbarung zwischen den Rehabilitationsträgern zur Gewährung von Elternassistenz für Menschen mit Behinderungen als Komplexleistung wird nicht als zielführend erachtet. Zum einen ist die Gewährung von Elternassistenz als solche, wie dargestellt, gesetzlich nicht explizit verankert und zum anderen würde eine solche die bestehenden Abgrenzungsprobleme auch nicht lösen. Grundsätzlich stellt das persönliche Budget, auf das ja der Antrag der Fraktion der FDP abstellt, lediglich eine Leistungsform dar und begründet keinen eigenen Leistungsanspruch. Die Rehabilitationsträger sind bereits nach jetziger Rechtslage verpflichtet, bei entsprechendem Antrag und Vorlage der Leistungsvoraussetzungen die ihnen obliegende Leistung als persönliches Budget und ggf. auch in Form einer trägerübergreifenden Komplexleistung zu erbringen. Ich verweise auf den § 17 Abs. 2 Satz 2 im SGB IX.

Das Verfahren zur Ausführung der Leistungen in Form eines persönlichen Budgets ist in der Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 des SGB IX festgeschrieben. Insoweit wird für den Abschluss einer Vereinbarung kein Raum gesehen. Grundsätzlich wird das mit dem Antrag verbundene Ziel, die bestehenden Leistungen zu harmonisieren, um die Situation durch eine Klarstellung der Leistungsansprüche für behinderte Eltern zu verbessern, seitens der Landesregierung unterstützt. In diesem Sinn hat sich die Landesregierung in den gegenwärtig stattfindenden Beratungsprozessen eingebracht und wird sich weiter einbringen.

Ich bin auch dafür, dass wir im Sozialausschuss weiter dazu diskutieren, aber ich möchte auch hier darauf verweisen, dass wir nicht bei dem Punkt Null anfangen, auch wenn es hier zum Teil so erschienen ist. Gerade behinderte Eltern mit Kindern haben immer den Anspruch, nach SGB VIII Hilfen zur Erziehung zu beantragen. Das machen sie auch umfänglich. Die Jugendhilfe ist, denke ich, in Thüringen so aufgestellt, dass man das sehr verantwortungsbewusst wahrnimmt und deswegen, denke ich, kann man immer noch etwas verbessern, aber wie wir auch aus den Komplexleistungen im Rahmen der Frühförderung gesehen haben, ist es ungeheuer schwierig, zwischen den einzelnen Leistungsträgern auch zu vermitteln, weil jeder sein Budget sieht und keiner gern an einen anderen etwas abgibt. Danke schön.

(Unruhe CDU, SPD)

Danke, Frau Ministerin. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Koppe von der FDP-Fraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident. Frau Ministerin, sorry, dass ich mich trotzdem noch mal melde nach Ihrem Beitrag, weil es sonst in der Reihenfolge ein bisschen anders geregelt ist. Aber der Beitrag vom Kollegen Meyer hat mich schon noch einmal hier vorgetrieben, weil ich das mittlerweile - vielleicht geht es nicht nur mir allein so - schon etwas unerträglich finde, dass es hier in dem Haus eine Fraktion gibt, die bei jedem Punkt, bei jedem Antrag, bei jedem Gesetzentwurf, egal von wem er kommt, von wem er gestellt ist und wer dazu spricht, allen hier im Haus die Welt erklärt.

(Beifall FDP)

Das mittlerweile in einer Art und Weise, die ich erstens als nicht angemessen empfinde und zweitens auch bei der jeweiligen Problematik total danebengeht.

(Beifall FPD)

Wenn Sie sich hier hinstellen, Herr Meyer, und in der zyklischen Abfolge von Redebeiträgen, die wir in den letzten drei Tagen gehört haben und sich in die Schar derer einreihen, die sich mit Fußnoten, Plagiatvorwürfen, abgeschrieben usw. befassen, vielleicht ist das jetzt eine Modeerscheinung, für mich ist es mittlerweile so abgenutzt, dass ich es eigentlich nicht mehr hören kann.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch aber Fakt.)

Wenn Sie es schon zitieren und hier zur Sprache bringen, dann recherchieren Sie bitte richtig oder Ihre Mitarbeiter, weil das, was Sie uns vorgehalten haben, das ist nicht vom Bund recherchiert, sondern wenn Sie vorhin bei meiner Einbringung mal zugehört hätten, hätten Sie gehört, dass das aus dem Freistaat Sachsen ist. Ich bin der Meinung, wenn dort etwas Gutes gemacht worden ist und es ist in Thüringen ratsam, das hier auch zu übernehmen, dann halte ich es für legitim, auch dies hier zu übernehmen und ich verbitte mir solche Unterstellungen. Vielleicht denken Sie mal darüber nach.

(Beifall FDP)

Die Art und Weise, hier allen die Welt zu erklären, ist für mich nicht mehr hinnehmbar. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

(Ministerin Taubert)

Danke, Herr Abgeordneter. Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht vor, so dass ich die Aussprache schließe. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden, und zwar Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und genau darüber stimmen wir jetzt ab.

Wer den Antrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 5/2287 an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit überweisen will, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind Jastimmen der Fraktionen der FDP, der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Damit ist der entsprechende Antrag an den Ausschuss überwiesen und ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20

Situation der Hebammenarbeit in Thüringen - Beratung der Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE und der Antwort der Landesregierung - Drucksachen 5/962/1616 - auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE dazu: Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/1735

Die Aussprache findet auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE statt. Wünscht die Fraktion DIE LINKE das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Beratung. Als Erste hat das Wort Abgeordnete Stange von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, was hat die Aussprache zu einer Großen Anfrage mit der Geburt eines Kindes gemeinsam? Auf den ersten Blick nichts, auf den zweiten Blick viel - und Sie wissen es, wir haben das Thema auf der Tagesordnung das dritte Mal geschoben. Also man kann es nie so taggenau sagen, wann es kommt.

Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich den 282 freiberuflich tätigen sowie den 185 festangestellten Hebammen und Entbindungspflegern in Thüringen recht herzlich Danke sagen für ihre engagierte Arbeit.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Jährlich kommen in Thüringen ca. 16.000 Babys zur Welt. Begrüßt wird ein jedes von ihnen durch die Hände einer Hebamme. Denn in Deutschland

haben alle Frauen laut Mutterschutzgesetz ein Recht auf Hebammenhilfe, angefangen von der Feststellung der Schwangerschaft, der Durchführung der Mutterschaftsversorgung, der Hilfe bei Schwangerschaftsbeschwerden und bei den Wehen. Natürlich ist bei der Geburt sogar eine Hinzuziehungspflicht von Hebammen gesetzlich festgeschrieben. Die Mütter werden im Wochenbett und bis zum Ende der Stillzeit betreut. Der Beruf der Hebamme ist somit einer der ältesten Berufe der Welt. Bereits aus prähistorischen Quellen ist uns die Existenz von Geburtshelferinnen bekannt. Lehrbücher in der Antike zeugen von einem hohen Wissensstand der Frauen, die bei der Geburtshilfe tätig waren. Die Frauen hatten auch Kenntnis, nicht nur über die Schwangerschaft, sondern auch natürlich über Schwangerschaftsverhütung und Abtreibung, was insbesondere den Frauen im Mittelalter oft zum Verhängnis wurde. Ich erinnere hier nur an die Hexenverbrennungen. Der Einfluss der Frauen aber wurde durch ihre ärztlichen Konkurrenten im Mittelalter eingedämmt. 1452 wurde in Regensburg die erste Hebammenverordnung erlassen, 1491 folgte die der Stadt Ulm. Nach und nach erhielten die Frauen erst eine Zulassung, um als Hebamme arbeiten zu können, nachdem sie eine Prüfung ihrer praktischen und theoretischen Kenntnisse nachgewiesen hatten. Mit der einhergehenden Industrialisierung im 18. und 19. Jahrhundert kam es zur Verschlechterung der Lage der Hebammen. Daran und das erinnert nun wieder an die heutige Zeit hat sich bis heute nicht viel geändert, denn der Kampf um die Sicherung des Lebensunterhalts der Hebammen hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder als Mittelpunkt der Diskussionen herauskristallisiert. So ist zu bemerken gewesen, dass vor allem die Hausgeburten und solche in den Geburtshäusern in den zurückliegenden Jahrzehnten als veraltet galten und zurückgegangen sind. Dies zeigen auch die Zahlen in unserer Großen Anfrage. Waren 2000 noch 352 Haus- sowie Geburtshausgeburten zu verzeichnen, ging die Zahl im Jahr 2009 auf 204 zurück.

Heute - und auch das zeigt uns die Antwort aus der Großen Anfrage - werden die Kinder mehrheitlich in Krankenhäusern und Kliniken geboren. Während die Ärzte ihre eigenen Ständevertretungen wie zum Beispiel den Marburger Bund haben, hat sich die Lobby der Berufshebammen oder der Hebammen in den zurückliegenden Jahren nicht so sehr stark entwickelt. Solange die Situation der Hebammen auf den ersten Blick im Bund und im Land relativ als positiv bezeichnet wurde, war ihre Situation auch nicht im Fokus der Öffentlichkeit. Das änderte sich - zunächst sehr positiv - mit der Diskussion um einen verbesserten Kinderschutz und mit der Ausbildung der sogenannten Familienhebammen. Seit über einem Jahr jedoch ist die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Bedrohung des Berufsstandes an sich selbst gerichtet, und zwar seit der Ankündigun