Protokoll der Sitzung vom 14.04.2011

(Beifall SPD)

Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Kanis. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Siegesmund für die Fraktion BÜNDNIS 90/BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Kanis, was denn nun?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Was denn nun? Integrationsbeauftragte Ja oder Nein? Trauen Sie sich zu als SPD, Ihren Koalitionspartner CDU zu überzeugen, dass das ein guter Antrag ist und sagen heute und hier: Ja, wir wollen den Titel umbenennen oder nicht? Wo geht es denn nun hin? Der Witz ist, dass nicht nur Sie von der Integrationsbeauftragten reden - ich habe mir mal erlaubt, ein Protokoll des Ausschusses für Wirtschaft, Technologie und Arbeit mit hierher zu bringen und einen Protokollauszug vorzutragen. Ich zi

(Abg. Kanis)

tiere Herrn Staatssekretär Staschewski: „Die Integrationsbeauftragte, Frau Hess, wird in der nächsten Sitzung der Staatssekretäre zur Fachkräftesicherung … reden.“

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dieses Protokoll, meine Damen und Herren, ist vom März 2011. Ich frage noch einmal: Was denn nun? Ist sie jetzt Integrationsbeauftragte? Ist sie Ausländerbeauftragte oder was ist sie? Sie verwenden alle unterschiedliche Bezeichnungen. Einigen Sie sich mal.

(Unruhe CDU, FDP)

Wir schlagen vor, sich zu einigen mit einem dezidiert guten Antrag. Ich habe Ihnen auch gesagt, dass es uns nicht reicht, das Türschild auszuwechseln - zu den Kosten reden wir gleich noch mal -, sondern dass es auch darum geht, das Aufgabenspektrum zu erweitern. Sie können gern alle Zwischenfragen stellen. Ich weiß gar nicht, warum es hier so hitzige Debatten gibt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Wer die Süddeutsche heute gelesen hat, hat gesehen, dass es nicht nur um Integration geht, sondern auch um Migration.

Entschuldigung, Frau Abgeordnete Siegesmund, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gleich, wenn ich diesen einen Abschnitt vorgetragen habe. Da wird berichtet von einer neuen Studie. Migrationsforscher der Bundesrepublik haben eine Studie vorgelegt. Darin heißt es: „Erst haben wir über Jahrzehnte hinweg Zuwanderer ungenügend gefördert, jetzt vergraulen wir die neue Elite der Einwanderungsgesellschaft.“ Darin heißt es auch: Deutschland hat nicht nur ein Zuwanderungsproblem, Deutschland hat auch ein Auswandererproblem, weil viele, die herkommen, schlicht wieder gehen, weil wir das, was wir eben nicht wollen, nicht haben. Wir wollen eine Willkommenskultur, Sie machen den Sack auch noch zu, indem Sie nicht einmal zustimmen, eine Umbenennung vorzunehmen und Kompetenzen zu erweitern. Jetzt kann gern Herr Koppe.

Herr Koppe, Sie wollten der Abgeordneten Siegesmund eine Zwischenfrage stellen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Frau Kollegin Siegesmund, ich hätte zwei Fragen. Die erste Frage: Ist Ihnen bekannt, ob die Sitzung, aus deren Protokoll Sie gerade zitiert haben, eine öffentliche Sitzung war? Wenn dem nicht so ist, ist es Ihnen bekannt, dass es nicht gestattet ist, aus Protokollen nicht öffentlicher Sitzungen in der Öffentlichkeit zu zitieren?

Herr Koppe, gestatten Sie mir bitte eine Anmerkung als Präsidentin. In § 78 der Geschäftsordnung - Öffentliche, nicht öffentliche und vertrauliche Sitzungen - heißt es im Punkt 2 - und ich möchte bitten, dass sich alle daran halten: „Beratungsgegenstand und -ergebnis nicht öffentlicher Sitzungen dürfen der Presse und anderen Außenstehenden mitgeteilt werden, nicht jedoch die Äußerungen einzelner Sitzungsteilnehmer und das Abstimmungsverhalten einzelner Abgeordneter. Die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 19 Thüringer Petitionsgesetz bleibt unberührt.“ Das möchte ich nur als Hinweis geben auch für die weitere Rede und die weitere Diskussion hier.

(Unruhe CDU)

Vielen Dank für die Anmerkung. Ich habe nichts zum Inhalt gesagt, ich habe lediglich gesagt, dass es um eine Bezeichnung ging und nichts anderes. Ich habe nichts zum Beratungsgegenstand gesagt, ich habe den Satz aus dem Protokoll nicht zu Ende geführt.

Gestatten Sie eine weitere Nachfrage des Abgeordneten Koppe?

Bitte sehr.

Frau Siegesmund, stimmen Sie mir zu, dass Sie ein wörtliches Zitat, wenn auch nur teilweise, des Staatssekretärs verlesen haben?

Ich habe einen Viertelsatz vorgelesen. Darf ich jetzt weiter? Ich würde gern weiter zum Antrag reden.

Frau Siegesmund beantwortet jetzt keine weitere Frage, Herr Koppe.

Die Frage war, Integrationsbeauftragte ja oder nein. Jetzt lassen Sie mich ausführen, warum wir diesen Antrag gestellt haben. Integration ist eine gesellschaftliche Zukunftsaufgabe. Ich glaube, da sind wir uns alle einig. Integration gelingt aber auch nur dort, wo soziale und wirtschaftliche Teilhabe, politische Partizipation sowie kulturelle und gesellschaftliche Einbeziehung gewährleistet sind, und zwar für Menschen unterschiedlichster Herkunft. Um das einmal gerade zu rücken, was das für Thüringen heißt: Am 31.12.2009 lebten noch nicht einmal 50.000, oder um mal genau zu sein, gerade einmal 2,1 Prozent Menschen anderer ethnischer Herkunft in Thüringen. Dieser Anteil ist nur in Sachsen und Sachsen-Anhalt noch niedriger. Menschen mit Migrationshintergrund sind demzufolge nicht so viele in Thüringen anzutreffen. Menschen mit Migrationshintergrund, was heißt das denn? Es gab vorhin von Herrn Recknagel Irritationen, warum wir unterschiedliche Titel verwenden. Weil Sie, Herr Recknagel, nicht nur von Ausländerinnen und Ausländern sprechen können. Der Mikrozensus legt fest, wer Menschen mit Migrationshintergrund sind, und das sind Ausländer und Ausländerinnen, Spätaussiedler und Spätaussiedlerinnen, Eingebürgerte, deren Kinder und Flüchtlinge. Deswegen sprechen wir von Menschen mit Migrationshintergrund.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Aufzählung zeigt auch die Spannbreite an Betroffenen...

Frau Siegesmund, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Recknagel?

Zum Schluss.

Zum Schluss, gut.

Diese Aufzählung zeigt die Spannbreite an Betroffenen, unterstreicht auch die Dringlichkeit unseres Antrags zur Umbenennung der Ausländerbeauftragten in Migrations- und Integrationsbeauftragte, weil nur durch eine umfassende Betitelung eine

thematische und inhaltliche Verengung beendet werden kann. Wer aber jetzt denkt - ich will es noch einmal sagen -, es geht nur um den Austausch von Türschildern, der irrt, es geht eben auch um eine Profilschärfung. Das heißt, dass wir uns eine stärkere Beratungsfunktion in Fragen der Integration wünschen. Durch Beratung wollen wir Integrationshemmnisse abbauen, wir wollen durch Informations- und Aufklärungsarbeit übrigens auch gegen Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit arbeiten, wir wollen stattdessen einen interkulturellen Dialog fördern und wir wollen Zuwanderung befördern.

Noch einmal: Allein von Willkommenskultur zu reden, wie das gestern hier geschehen ist, reicht nicht. Da müssen Sie auch konkret werden und müssen sagen, wie Sie das machen wollen. Deswegen ist heute und hier Gelegenheit, ein Zeichen zu setzen, denn Integration lebt von der Mitwirkung auch von uns, von Ihnen und Vernetzung, das heißt dem Willen, sich auch miteinander zu beschäftigen. Deswegen darf die Landesregierung an dieser Stelle aus unserer Sicht nicht aus unbegründeter Angst - es gibt überhaupt keinen Grund, sich zu fürchten, dass ein Ministerium Kompetenzen abgeben muss an ein anderes - aufs Spiel setzen, dass wir uns weiterentwickeln. Wir wollen - und das will vielleicht auch das Kabinett - der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Sozialministerium und Innenministerium doch sicher nicht im Wege stehen. Das gibt es, hoffe ich, davon gehe ich ganz fest aus, dass das Sozialministerium und das Innenministerium vertrauensvoll zusammenarbeiten und deswegen diesem Thema Integration und Migration auch gerecht werden können. Integration ist ein Prozess, den die Politik parteiübergreifend begleiten muss und es wäre schön, wenn man diesem schwarz-roten Kabinett auch anmerken könnte, dass es da nicht um Kompetenzgerangel geht, sondern tatsächlich um fachliche Arbeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiterer Grund, warum wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, diesen Antrag eingebracht haben, ist, dass es eben nicht um einseitige Anpassung von Migrantinnen und Migranten geht, sondern dass es auch um Dialog geht, Dialog, das sagte ich, den wir mit befördern müssen, wir als diejenigen, die auch einen entscheidenden Beitrag in unserer Gesellschaft dazu beitragen, zutun. Sie kennen alle die Zahlen des Thüringen-Monitors, der regelmäßig zeigt, wie nach wie vor leider erhebliche Fremdheits- und Abgrenzungsgefühle in Thüringen bestätigt werden gegenüber Menschen anderer ethnischer Herkunft. Es ist wirklich einer der zusätzlichen Punkte, wo man noch mal sagen muss, es wird höchste Zeit. Wir sind eines von zwei übrig gebliebenen Bundesländern, die bei der Beauftragten immer noch von der Ausländerbeauftragten sprechen und nicht wie die anderen 14 den Schritt gehen, zur Migrations- und Integrationsbeauftragten

zu wechseln. Ich bitte Sie, wirklich ernsthaft darüber nachzudenken, ob wir uns letztlich diese Schlusslichtdebatten leisten müssen und wollen. Ich finde, Thüringen kann es besser.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen auch sagen, was die Erfahrungsberichte in den Ländern zeigen, wie Sachsen-Anhalt beispielsweise, wo es längst eine Migrations- und Integrationsbeauftragte gibt. Wohin führt das? Es führt zu einer Steigerung der öffentlichen Wahrnehmung, zu einem verbesserten Dialog zwischen Zuwanderern und den Menschen in Sachsen-Anhalt und damit auch nachweislich zu einem Abbau von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das zumindest ist dem Bericht der sachsen-anhaltinischen Migrations- und Integrationsbeauftragten zu entnehmen. Sie hat das aufnotiert aufgrund von deutlichen Daten und ich kann an dieser Stelle noch einmal an den Innenminister Geibert auch appellieren: Es ist Ihr Aufgabenprofil als Innenminister, auch dazuzutun und an dieser Stelle zu zeigen und zu sagen, dass Sie sich auch wünschen, dass wir eine Willkommenskultur haben. Vielleicht können Sie auch diskutieren mit Kollegen in anderen Ländern, mit Herrn Minister Rhein und Minister Toscani oder Schlie usw., alles Innenminister in Ländern, die längst eine Integrationsbeauftragte haben, wo der Innenminister offensichtlich nichts dagegen hatte, dass sich das Aufgabenprofil erweitert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe von Herrn Gumprecht leider nicht vernommen, was jetzt gegen den Antrag spricht. Ich habe aber wohl gehört, Sie wollen nicht mal im Ausschuss darüber reden. Das finde ich schade. Ich habe gute Anmerkungen aus der Fraktion DIE LINKE gehört - einen Punkt zur Frage der Flüchtlinge können wir gern aufnehmen. Dazu brauchen wir die Ausschussdebatte. Von der FDP habe ich, Herr Recknagel, das Gleiche gehört wie immer - da schließe ich mich Ihnen an -, die Beiträge der FDP sind typisch.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bedaure das sehr. Frau Kanis hat ja betont, dass Sie eigentlich dieser Bezeichnung der Integrationsbeauftragten überhaupt nichts entgegenzusetzen hat, sondern dass ihre Fraktion eigentlich dafür ist. Deswegen an dieser Stelle mein deutliches Plädoyer: Erstens zeigen Sie im Kabinett, dass es möglich ist, parteiübergreifend zu arbeiten und sich parteiübergreifend einer Entwicklung anzuschließen, die nun wahrlich nicht heißt, wir sind an der Spitze, sondern wir erfüllen unsere Pflicht als eines der zwei Bundesländer, die noch übrig sind.

Zweitens: Führen Sie miteinander, wenn Sie es heute nicht können, den Dialog und setzen Sie das um, was wir von Ihnen möchten.

Ich möchte abschließen mit einem Zitat der Integrationsbeauftragten Sachsen-Anhalts, Frau Möbbeck. Sie sagt, ich zitiere: „Das Amt der Ausländerbeauftragten ist in Thüringen ein Auslaufmodell.“ Das ist ein Zitat der Integrationsbeauftragten Sachsen-Anhalts. Damit Thüringen eine systematische Integrationspolitik vorantreibt, ist die Umbenennung der Ausländerbeauftragten in Migrations- und Integrationsbeauftragte und die Erweiterung des Aufgabenbereichs zwangsläufig und der richtige Schritt, den Integrationsprozess voranzutreiben. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen herzlichen Dank, Frau Siegesmund. Sie hatten Herrn Recknagel zugesagt, am Ende Ihrer Rede noch eine Frage zu beantworten.

Sie hatten eben den Begriff „Migranten“ als umfangreicher definiert als den Begriff des Ausländers, dann als Beweis die Definition des Mikrozensus angeführt. Nun haben Sie als Beispiele genannt Ausländerinnen und Spätaussiedlerinnen. Was ist denn mit den männlichen Aussiedlern und Spätaussiedlern? Sie achten doch sonst immer darauf.

Herr Recknagel, die Frage zu beantworten, das ist unter meinem Niveau.