Protokoll der Sitzung vom 15.04.2011

Je nach Behandlungsmethode variieren die Kosten zwischen 1.300 und 2.000 € pro Behandlung. Wenn man nun noch bedenkt, dass häufig nicht der erste Versuch einer künstlichen Befruchtung erfolgreich ist, so können Sie sich ausrechnen, welche Behandlungskosten auf ein Paar, das eine oder mehrere Behandlungen benötigt, zukommen. Dass sich dies nicht jedes unfreiwillig kinderlose Paar leisten kann, muss ich hier nicht erklären, das können wir uns selbst leicht ausrechnen.

Meine Damen und Herren, wir leben in einer Gesellschaft, in der weniger Kinder geboren werden als nötig wären, um die Bevölkerungszahl konstant zu halten. Deutschland schrumpft. Der viel und laut beklagte demographische Wandel ist in vollem Gange. Deshalb wäre es doch mehr als wün

schenswert und gerechtfertigt, wenn wir einen kleinen Beitrag leisten könnten, um denjenigen Menschen, die unerwünscht kinderlos sind, helfen zu können.

Die Zahl der künstlichen Befruchtungen ist nach dem Ende der vollen Kostenübernahme durch die Krankenkassen erheblich zurückgegangen. Laut einem Bericht des Wissenschaftlichen Instituts der Techniker Krankenkasse für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen aus dem Jahr 2007 wurden nach 2004 rund 55 Prozent weniger Behandlungen zur künstlichen Befruchtung durchgeführt. Diese Zahlen haben wir vorhin schon einmal gehört. Dies entspricht nach den Berechnungen des Instituts jährlich 6.400 Kindern, die nicht geboren werden. Jährlich 6.400 Kinder, die gewollt gewesen wären, deren Geburt sich die Paare sehnlich wünschen würden, aber sich leider nicht leisten können, Kinder, für die die zukünftigen Eltern ein Kinderzimmer einrichten, Babysachen kaufen und eine Zukunft gestalten wollen. Wenn wir dazu beitragen können, dass dieses wieder für mehr Paare geschieht, so sollten wir die Initiative „Wunschkinder - Zukunft für Deutschland“ unterstützen. Wir sollten auf Bundesebene aktiv werden, um die Übernahme von 25 Prozent der Behandlungskosten aus familienpolitischen Mitteln des Bundes zu erreichen. Somit würden sich die Kosten, für die Eltern aufkommen müssen, halbieren. Hoffentlich würde die Zahl der Behandlungen dann wieder steigen und mehr Kinder geboren werden.

Meine Damen und Herren, Kinder sind eine Bereicherung für jede Gesellschaft, noch mehr sind sie das für eine schrumpfende und alternde Gesellschaft. Deshalb beteiligt sich eine moderne Gesellschaft an der Gesundheitsvorsorge der Kinder. Sie beteiligt sich an deren Erziehung und an deren Bildung. Warum sollte sich diese Gesellschaft dann nicht auch wieder stärker am Entstehen von Kindern beteiligen? Wir sollten außerdem darüber nachdenken, ob es noch zeitgemäß ist, sich nur an der Kinderwunschbehandlung von verheirateten Paaren zu beteiligen. Auch die Altersgrenze, die derzeit besteht, sollte nicht statisch und in Stein gemeißelt sein. Dies kann man künftig überdenken und es kann als Ausblick und Denkansatz dienen.

Zu den Alternativanträgen der Fraktion DIE LINKE und zum Alternativantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den Punkten e bis g hat sich meine Frau Kollegin Meißner ausführlich geäußert. Wenn ich das jetzt wiederholen würde, wäre es wenig zielführend, es deckt sich inhaltlich zu 100 Prozent. Die Linkspartei hat erkannt, dass es ein Thema ist, das in der Öffentlichkeit Interesse weckt, ist auf den fahrenden Zug aufgesprungen, was natürlich legitim ist, und hat, wie Herr Koppe schon gesagt hat, versucht, noch eines draufzusetzen. Dies ist aber wenig hilfreich mit Blick auf die Bundesrats

initiative aus dem Jahr 2007 bis 2009, auf die Frau Kollegin Meißner schon eingegangen ist.

Zu den Punkten a bis d des Antrags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist mir nicht allzu viel eingefallen, weil man über deren Inhalt sicherlich mal reden könnte, aber mit dem vorliegenden Antrag hat der überhaupt nichts gemein. Da ist mir dann nur eingefallen: Thema verfehlt, Sechs, setzen. Heute soll es darum gehen, deutlich zu sagen, dass wir die Initiative „Wunschkinder - Zukunft für Deutschland“ und den vorliegenden Antrag in ihren Zielen unterstützen. Darum darf ich auch um Ihre Zustimmung bitten. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Danke, Herr Abgeordneter Eckardt. Es hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Siegesmund für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich werde mich hüten, Herr Eckardt, bei diesem Thema Schulnoten zu verteilen. Ich werde mich auch hüten,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

mit Ihnen parteipolitisches Harakiri zu machen. Ich werde mich vor allen Dingen auch deswegen hüten, weil Sie zu dieser Fraktion gehören, die 2004 in dieser rot-grünen Bundestagsfraktion beschlossen hat, dass genau der Zustand, den wir jetzt haben, die Änderung des § 27 a SGB V in Kraft getreten ist.

Ich stelle an dieser Stelle fest, dass kaum eine Fraktion, die heute zu diesem Thema gesprochen hat, es geschafft hat, die Frage in den Raum zu stellen: Gibt es ein Recht auf Kinder? Das ist eine elementare Frage. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum sich die Debatte allein darauf verengt, welche Technik, wie oft und für wie viel Geld angewendet wird, um Familien einen Kinderwunsch zu erfüllen. Ich bedaure, dass hier verkürzt debattiert wird, denn auch in sechs Minuten kann man zumindest die Frage aufwerfen: Gibt es ein Recht auf Kinder? Ich glaube, es ist ein elementar menschliches Bedürfnis. Aber ich glaube auch, wenn wir in Thüringen darüber sprechen, eine Bundesratsinitiative anzuberaumen, dann sollten wir uns auch die Zeit nehmen, mal bis 1, 2, 3 zu zählen, drei Sekunden. Alle drei Sekunden stirbt auf dieser Welt ein Kind an Hunger und wir reden darüber, wer die Kosten dafür trägt, dass entsprechend diese Technik angewendet wird. Ich finde es schade, dass es so verengt wird.

(Zwischenruf Taubert, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit: Dann müssen Sie es ganz ablehnen.)

Ich will kurz darauf eingehen, warum ich denke, dass es zu dieser verkürzten Debatte gekommen ist. Zum einen habe ich mich gewundert, warum die SPD sich überhaupt nicht erinnert hat, was sie 2004 mit beschlossen hat. Das gilt übrigens auch für die CDU, die dieser Regelung zugestimmt hat, aber man kann sich ja ändern und weiterentwickeln. Ich nehme zur Kenntnis, dass das so ist.

Ich möchte aber die Gelegenheit auch nutzen, zu sagen - ich bleibe noch einmal bei der ethischen Dimension. Frau Meißner, Sie stellen sich hier hin und sagen - ich zitiere: „...jedes Kind ist... eine zukünftige Arbeitskraft,... und auch Steuerzahler.“ Also dafür finde ich gar keine Worte.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Da bleibt mir die Luft weg. Wie kann man bei der Frage des Kinderwunsches, wo es um ein zutiefst menschliches Bedürfnis geht, davon sprechen, dass Kinder zukünftige Arbeitskräfte und Steuerzahler sind. Das ist so eine völlige Entgleisung, ich kann das nicht nachvollziehen und

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

muss das an dieser Stelle auch genauso sagen, weil es für mich absolut nicht zusammenpasst. Sie haben das konkret angesprochen, Sie erfüllen den Wunsch von Wunschkind e.V.

Frau Abgeordnete, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage. Lassen Sie die zu?

Bitte, Frau Abgeordnete Meißner.

Frau Abgeordnete Siegesmund, geben Sie mir recht, dass ich diesen Satz im Zusammenhang damit gebracht habe, dass sich die Kosten des Bundesfamilienministeriums auf 64 Mio. € belaufen und nicht im Zusammenhang mit einer ethischen Entscheidung der Paare?

Erstens, Sie haben diesen Satz gesagt und ich gebe Ihnen recht, dass es sicherlich einen finanziellen

(Abg. Eckardt)

Hintergrund gehabt haben kann, aber zweitens, in der Einbettung Ihres Antrags hat er für mich einfach eine ethisch falsche Konnotation. Das ist eine Tatsache.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben die Zahlen vom Wunschkind e.V. genannt. Da will ich nur, damit wir nicht bei Halbwahrheiten bleiben, auch eine Zahl von Wunschkind e.V. nennen, und zwar ist die Zahl der Behandlungen im Jahr 2009 mit 73.000 exakt genauso hoch wie die im Jahr 2001. Das heißt, Sie haben völlig recht, nachdem das rot-grüne Gesetz in Kraft getreten ist, gab es einen Rückgang, aber der hat sich geändert, nämlich im Jahr 2009 ist dieser Rückgang wieder aufgehoben worden. Das heißt, es gibt offenbar gar nicht den Handlungsbedarf, wie Sie ihn hier einschätzen. Was ich an der Stelle sagen will, ist, dass wir auch immer im Hinterkopf behalten müssen, dass dahinter auch eine gesundheitsmedizinische Branche steht, die sicherlich auch versucht, zum Zug zu kommen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dahinter mache ich ein dickes Ausrufezeichen. Ich wünsche mir trotzdem, dass wir im Ausschuss eine vernünftige, eine sachliche Debatte führen, die auch in den Raum stellt, wie Sie sich das konkret vorstellen.

Ich will auch noch einmal etwas zu den Kosten sagen. Derjenige und diejenige, der und die es sich leisten kann, soll bitte schön auch dafür bezahlen können und müssen. Ich finde das in keinerlei Hinsicht verwerflich, genau das auch einzufordern, sondern das ist, Herr Koppe hat das vorhin auch gesagt, eine vernünftige Regelung. Da geht es im Übrigen nicht um Millionäre, es geht um einen ganz vernünftigen Sockelbetrag. Ich verstehe auch nicht, was daran unredlich ist.

Jetzt will ich noch einen Satz aus dem CDU/SPDAntrag zitieren, der auch noch einmal in die Kerbe schlägt, warum ich denke, dass Sie einen falschen Ansatz haben. Sie schreiben: Angesichts des demographischen Wandels muss Einhelligkeit darin bestehen, unerwünschte Kinderlosigkeit entschlossen und nachhaltig zu bekämpfen. Ich möchte Kinderlosigkeit nicht bekämpfen. Ich möchte gesellschaftspolitisch darauf hinwirken, dass mehr Frauen und Männer oder Frauen, also lesbische Paare, die Möglichkeit und den Willen haben, Kinder zu bekommen. Dafür ist Kampf das falsche Wort.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens geht es nicht nur darum, den demographischen Wandel zu bekämpfen. Es geht darum, dass wir als Politiker und Politikerinnen den Weg dahin bahnen, dass Frauen und Männer Kinder wollen und möchten und zu den Rahmenbedingungen das hat vor allen Dingen die CDU-Fraktion nicht

verstanden, auch die SPD-Fraktion nicht - gehört auch, dass wir den gesellschaftlichen Wandel so herstellen, dass wir eine kinderfreundliche Gesellschaft werden. Wenn Sie die Artikel a bis d in unserem Antrag lesen, sehen Sie auch, was wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN denken, wo der Weg hinführt. Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Habe ich Sie richtig verstanden, Antragsüberweisung aller drei Anträge sowohl der erste als auch die Alternativanträge.

Es gibt eine Wortmeldung. Wir haben keine Redezeit mehr. Das Wort hat Frau Ministerin Taubert. Möglicherweise wird das jetzt noch was.

Nur, wenn Herr Augsten antwortet. Meine Damen und Herren Abgeordneten, Frau Präsidentin, der Hintergrund des Antrags der Fraktionen von CDU und SPD, die finanzielle Entlastung von Kinderwunschpaaren, war eine Initiative „Wunschkinder Zukunft für Deutschland“. Wir unterstützen als Landesregierung diesen Antrag.

(Beifall CDU, SPD)

Ich möchte aber noch einmal sagen, es ist für mich schon eine Frechheit, Frau Siegesmund, wie Sie den Antrag interpretieren. Da steht nur was von Paaren mit Kinderwunsch. Paare, da unterscheiden wir uns von dem, was Frau Stange fordert, das ist ganz klar, das ist eine andere Sache, Paare. Sie stigmatisieren, Sie können gar nicht anders, Sie stecken uns in Schachteln. CDU und SPD sagen immer, Paare sind verheiratete Ehepaare, ein Mann und eine Frau.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber das steht im SGB V, das Sie nicht ändern.)

Das steht hier nicht. Nein, es steht in keinem Satz dieses Antrags, dass es verheiratete Paare im Sinne von einem Mann und einer Frau sind, nicht an einer Stelle.

(Beifall CDU, SPD)

Frau Ministerin, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage, lassen Sie die zu?

(Abg. Siegesmund)

Ich lasse sie nicht zu. Ich habe doch gesagt, nur Herr Augsten darf.

(Heiterkeit im Hause)

Das finde ich schon eine bodenlose Frechheit. Sie maßregeln uns hier und sind so überheblich, ich kann das nicht anders beschreiben und ich bin auch zornig darüber. Sie sind so überheblich, Ihr Stigma über uns in die Debatte so einzubringen und uns etwas zu unterstellen. Sie können selbst interpretieren, was denn Paare in Deutschland sind. Also wir sind weiter als Sie.