Meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, es gibt drei Punkte, die ich noch anmerken möchte aus der Debatte. Der eine Punkt ist, Kollege Barth sprach als Zielvorstellung vom schuldenfreien Staat, das war Ihre Formulierung - also nicht nur ein schuldenfreier Haushalt, das war ein Haushalt, der ohne Nettoneuverschuldung auf den Weg gebracht wird, sondern ein schuldenfreier Staat. Da frage ich mich dann in der Tat, ob Investitionskosten jetzt gleich als negatives Element in Schulden negativ abgewertet werden. Als ob die Dinge, die eingesetzt werden, um Schulen zu bauen, um Universitäten zu bauen, deswegen schon negativ sind, weil dafür Geld ausgegeben wird. Also der Investitionsbegriff scheint bei Ihnen völlig ausgeblendet zu sein. Geld ausgeben ist kein Selbstzweck. Da wäre ich ausnahmsweise mal mit Ihnen einer Meinung. Aber Geld auszuge
ben in unsere Zukunft, wäre eine Aufgabe, mit der wir dieses Land auch dauerhaft lebenswert, liebenswert und für die Menschen auch so attraktiv machen, damit sie hier bleiben, hierher kommen und weitere hoffentlich dazukommen. Daran geknüpft ist nämlich die Frage, ob wir weiteres Steueraufkommen generieren oder nicht. Wenn die Menschen abwandern, wird nämlich das eigene Steueraufkommen auch immer geringer, und wir geraten immer weiter in eine größere Abwärtsspirale. Das wollte ich denn zum Thema Schulden anmerken, dass es mir zu knapp gerät, dass man den gesamten Bereich Bildung bis heute aus der Schuldendebatte nicht herausnimmt, sondern als Investition in die Zukunft eigenständig definiert, statt immer nur negativ alles unter dem Stichwort Schulden abzuhandeln.
Zweite Geschichte - das ist eben angesprochen worden - die Frage der konjunkturellen Auswirkungen: Wenn uns bei den Umschuldungsmanövern, die jetzt Griechenland, Portugal und andere angehen, begegnet, dass wir immer mehr Steuergeld zur Absicherung dieser Umschuldung bzw. der Bürgschaftsausreichung herausgeben - das heißt, immer mehr Staats- und Steuergeld aufgewandt wird, um ein System aufrechtzuerhalten, an denen die nicht beteiligt werden, die bisher ihren Profit daraus gezogen haben,
also eine Umschuldung bei z.B. der Deutschen Bank, die auch die Staatsanleihen alle zu horrenden Preisen gezeichnet hat, Profiterwartung da reininvestiert hat, die tut so, als geht sie das gar nichts an -, da hätte ich es doch mal gern mit einem geordneten Insolvenzverfahren zu tun, wenigstens die Prinzipien eines geordneten Insolvenzverfahrens. Denn das würde bedeuten, dass die Deutsche Bank und andere Banken einen erheblichen Teil bereinigen müssten und nicht sich von uns Steuerzahlern das Geld auch noch ausfinanzieren lassen. Gleichzeitig können sie sich mit 1 Prozent Zinslast bei der EZB Geld leihen, um weiter in diese Staatspapiere zu investieren, also 10 Prozent ziehen. Das ist eine Umverteilung von unten nach oben, für die die gesamte Bürgerschaft eines Landes, also unseres Landes, haften muss. Das ist ein so ungeheuerlicher Eingriff in die Vermögen der Millionen von Menschen zugunsten weniger Millionäre, das nenne ich das Asoziale an dieser Politik.
Und eine letzte Bemerkung: Als dieser schlappe Sack da draußen war, gingen bei mir ein paar Fragen durch den Kopf. Wir haben einen ungeheuerlichen Schuldenberg gerade dort. Da draußen stand er oder hing er so herum, wabberte so hin und her und suggeriert uns, die Schuldenbremse hilft uns gegen diesen Schuldenberg. Das ist, wenn es mir richtig erzählt worden ist, die Junge Union. Das ist,
wenn ich es richtig weiß, die Jugendorganisation der CDU. Das ist meines Erachtens die Jugendorganisation der Partei, die wie viele Jahrzehnte in diesem Land diesen Schuldenberg aufgerichtet hat?
Ich habe jetzt noch zwei Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten und zwei Minuten Redezeit. Der erste Aufruf geht an den Abgeordneten Meyer, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dann müssen wir mal sehen, was übrig bleibt. Sie kommen auch noch.
Frau Präsidentin, nur ganz kurz. Auch ich möchte mich bei der Jungen Union herzlich dafür bedanken, dass sie GRÜNE Formen und Inhalte übernommen hat, nämlich, dass die Töchter und Söhne ihre Väter und ihre Mütter dafür kritisieren, was sie falsch gemacht haben. Das haben wir bei der Umweltpolitik auch gemacht. Das machen die da draußen gerade mit Ihnen, was das Thema Schulden angeht. Ich finde es auch sehr schön, dass sie unsere Form übernommen haben, nämlich alte Demonstrationsobjekte zu recyceln, auch wenn es in diesem Fall blödes Plastik war. Vielen Dank dafür.
Herr Abgeordneter Barth, FDP-Fraktion. Der Minister kann natürlich sofort sprechen, wenn er möchte und er signalisiert das.
(Zwischenruf Abgeordneter Barth, FDP: Kann ich warten bis der Minister gesprochen hat, dass mehr Zeit übrig ist?)
Ob er länger spricht und Sie noch mit Redezeit ausrüstet, das wage ich im Moment nicht einzuschätzen. Herr Minister Dr. Voß, bitte.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst einmal, wenn mehr Steuereinnahmen geschätzt werden, ist es erst einmal ein positives Ereignis, über das ich mich gefreut habe und insofern etwas Erfreuliches. Gleichwohl müssen wir sagen, die Haushaltsprobleme und auch die Haushaltsverhandlungen sind dann etwas leichter. Ich habe jedoch für einen realistischen Blick und für Augenmaß plädiert. Zunächst einmal sind Informationen an den Haushalts- und Finanzausschuss unterwegs, wo Sie en detail die Ergebnisse der Steu
erschätzung bundesweit, aber auch für Thüringen dargelegt bekommen. Die Steuerschätzung hat verschiedene Merkmale. Das erste Merkmal ist, dass die Mehreinnahmen vorrangig konjunkturell bestimmt sind, aber auch in einem hohen Maße durch Steuerrechtsänderungen. Das geht in der öffentlichen Debatte etwas unter. Die konjunkturelle Erholung macht sich fest an der Höherschätzung des realen Wachstums von immerhin 2,6 Prozent dieses Jahres, nächstes Jahr sollen es 1,8 sein. Hierunter verbergen sich Maßnahmen der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes der vergangenen 10 Jahre. Hier verbirgt sich auch kluge Lohnzurückhaltung der Tarifpartner, die in den Jahren 2009/2010 geübt worden ist, so dass hier Spielräume entstehen. Es ist aber ganz bestimmt auch ein Ergebnis des Euro. Wenn Länder nicht mehr abwerten können, sozusagen die Importe, die sie beziehen, nicht verteuern können, und das ist nichts anderes als Abwertung, dann ist diese Schranke weg und das nutzt natürlich im ganz erheblichen Maße der deutschen Wirtschaft. Das ist auch ein Grund, warum hier doch so schnell und so starke Erholungstendenzen vorhanden sind.
Ich komme zum zweiten Merkmal. Die Zahlen möchte ich jetzt nicht im Einzelnen benennen, ich denke, das kann jeder nachsehen. Das zweite Merkmal ist, dass von den 21,4 Mrd. €, die für 2012 bundesweit prognostiziert worden sind, das Gros in Richtung Bund geht. Der Bund partizipiert von diesen Mehreinnahmen in Höhe von mehr als 11 Mrd. €. Wenn Sie dann weiter loten, können Sie sehen, dass das eben auch sehr stark auf Steuerrechtsänderungen zurückzuführen ist, an denen die Länder nicht partizipieren. Deswegen sind die Mehreinnahmen, die die Länder bekommen, etwa die Hälfte von dem, was der Bund als Mehrergebnis bekommt. Ich denke, das ist auch ein wichtiges Merkmal.
Was den Gesamthaushalt für Thüringen anbelangt, die Zahlen liegen vor, muss ich auch zur Ernüchterung mahnen. Wir haben den § 18 der Landeshaushaltsordnung, das ist in mehreren Reden gesagt worden, dieser lässt in der Tat keinen Raum mehr für eine Neuverschuldung des Haushalts 2012. Sie wissen, wie der Mechanismus geht. Wir überschreiten jetzt mit diesen prognostizierten Steuereinnahmen den Durchschnitt der letzten drei Jahre, insofern lässt diese Regelung keinen Raum mehr. Wenn ich jetzt aber betrachte, dass wir 46 Mio. € allein für das Tarifergebnis bezahlen müssen, und wenn ich betrachte, dass natürlich eine gewisse Überführung des Tarifergebnisses auch für den Beamtenbereich erfolgen muss und sicherlich auch erfolgen wird, so können wir eine einfache Rechnung machen: Ich nehme 223 Mio. €, ziehe davon 93 Mio. € ab, dann bin ich bei 130 Mio. € und von diesem Wert saldieren Sie mal die Tarifergebnisse, dann können Sie ungefähr erahnen, wie viel mehr
Politisch vielleicht noch Folgendes: Es ist für mich erfreulich, dass gerade junge Leute, und sei es vielleicht auch in so einer Form wie jetzt hier vor dem Landtag, sich dieses Themas annehmen und auch demonstrieren. Es wäre nämlich ihre Zukunft, die wir hier mit verbauen, wenn wir allzu, Herr Ramelow, da haben wir sicherlich einen unterschiedlichen Ansatz, das mag sein …
(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Wer hat denn den Sack gemacht? Das wa- ren doch Ihre Vorgänger.)
Nein, nein. Jetzt fordern Sie mich einmal nicht heraus. Die Öffnung zur bundesweiten Verschuldung erfolgte 1969
So genau erinnere ich mich auch nicht mehr. Aber dort wurde der Artikel 115 verändert. Der betriebswirtschaftliche Verschuldungsbegriff wurde durch einen volkswirtschaftlichen abgelöst. Das Ergebnis dieses Paradigmenwechsels haben wir jetzt hier letztendlich zu beklagen, nämlich die Verschuldung der öffentlichen Haushalte ist ja enorm gestiegen. Deswegen, ich sage es noch einmal, freut es mich, dass gerade junge Leute das Thema entdecken und sich auch der Stabilität der Finanzen annehmen und demonstrieren. Das ist genau der richtige Weg.
Und jetzt noch einmal, Herr Ramelow, zu Ihrem Investitionsbegriff. Gut, Schulden an sich sind ja per se erst einmal neutral. Sie sind dann neutral, wenn wir sie zurückzahlen. Aber das ist genau das, was eben nicht erfolgt ist. Wir haben noch Schulden für Investitionen, die schon fünfmal abgeschrieben worden sind und die Abschreibung wieder durch Investitionen, die mit neuen Schulden finanziert wird. Das ist der Weg unseres Aufbaus des enormen Schuldenstandes in Deutschland.
Man kann Investitionen auch mit Schulden finanzieren. Nur, man muss dann auch die Schulden irgendwie zurückzahlen. Das muss auf jeden Fall gegeben sein. Recht herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Ramelow, zwei Dinge. Punkt 1: Nach 1990 waren eine Menge Investitionen erforderlich, die auf ein Vorsystem zurückzuführen waren, auf bestimmte Nachholbedarfe.
Ich will das hier ausdrücklich auch einmal ohne irgendwelche rhetorischen Schuldzuweisungen machen. Solche Investitionen sind natürlich immer in irgendeiner Form nötig. Die Frage, ob man ein schuldenfreies Land haben will, macht sich nicht an einer Null fest, sondern an der Frage, in welchem Zeitraum und unter welchen Bedingungen Schulden, die man aufnimmt, auch wieder refinanziert, also wieder zurückbezahlt werden können. Es gibt keine bösen und keine schlechten und keine guten Schulden. Das sind immer Gelder von Menschen, die das Geld erarbeiten müssen. Dass das nicht die Klientel Ihrer Partei ist, das weiß ich, aber es bleibt deswegen trotzdem die Wahrheit.
Kollege Pidde, Sie haben gesagt, Schuldenbremse finde ich toll. Da hätten Sie da hinausgehen und das unterschreiben können. Das gilt übrigens für die ganze linke Seite dieses Hauses ganz genauso.
Denn es sind junge Leute, die da draußen stehen, die sich um die Zukunft unseres Landes Sorgen machen. Da will ich den Minister ganz ausdrücklich unterstützen und ihm danken. Ich bin froh, dass es solche Leute noch gibt. Herr Meyer, ich bin auch froh, dass die sich eben nicht von Ihnen die Kultur der Demonstration abschauen, denn sonst hätten die geschottert und mit Steinen geworfen. Die haben sich etwas einfallen lassen. Vielen Dank.
Mir liegen keine weiteren Redemeldungen mehr vor. Außerdem hätte ja nur der Minister noch Redezeit. Damit schließe ich diesen Teil der Aktuellen Stunde. Ich rufe den vierten Teil auf
GRÜNEN zum Thema: "Verfassungsgemäße Verwendung der Fraktionsmittel in Thüringen sicherstellen" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/2735