Protokoll der Sitzung vom 20.05.2011

dacht als Willkommensgruß an Gäste, die diese Stadt hier aufsuchen und oft aus Ländern kommen, in denen man schon jeden Euro umdrehen muss. Ein anderer Vorwurf, der uns heute hier gesagt wurde, ist, dass wir angeblich mit unserem Antrag in die Glaubensfreiheit der Kirchen und Religionsgemeinschaften eingreifen würden und die Trennung von Staat und Kirche missachten würden. Da bin ich ganz ehrlich frohen Mutes, dass das mehrheitlich, nicht in diesem Hause, aber in der Gesellschaft, anders, und zwar entschieden anders wahrgenommen wird, einmal, weil wir aus etlichen Gesprächen deutlich andere Signale erhalten haben und zum anderen, gerade weil ich als Christ in der Überzeugung lebe, dass es der Auftrag Christi an seine Anhänger, an seine Jünger ist, das Salz am Brot der Welt zu sein, meine Damen und Herren. Das würde nicht funktionieren, wenn man sich in einer klerikalen Sekte von der Gesellschaft abschirmen würde, in dem Bestreben, möglichst wenige Einblicke und Gedankenaustausch zuzulassen. So sehr ich der Überzeugung bin, meine Damen und Herren, dass die strikte Trennung von Staat und Kirche wichtig und letztlich qualitativ für die Kirchen sogar von lebenswichtiger Bedeutung ist, so wenig glaube ich, dass das einen lebendigen Dialog und das Interesse füreinander ausschließt. Es ist über die rein religiöse Debatte hinaus ein gewaltiger Beitrag, den Kirchen zum Funktionieren unserer Gesellschaft leisten. Ich erinnere an Krankenhäuser, Kindergärten, Pflegeheime, Caritas, „Brot für die Welt“, Schulen und vieles andere ebenso, wie an das kulturelle Wirken oder auch nur an die kulturhistorische Bedeutung religiöser Bauten. Da, Frau Ministerin, möchte ich noch mal ausdrücklich auf das eingehen, was Sie gesagt haben. Selbstverständlich erwarten wir nicht, dass der Staat primär für religiöse Bauten einsteht. Aber, und das sage ich auch als jemand, der kommunalpolitisch aktiv ist und der auch beruflich aus dem planerischen Bereich stammt, es sind natürlich sehr oft auch Ortsbild prägende Bauten, wo es jenseits vom religiösen Bezug wichtig für das Ortsbild ist, rechtzeitig darauf zu achten, dass uns da nichts Wertvolles verloren geht.

(Beifall FDP)

So kommen wir zur Diskussion der Werte, die heute natürlich nur angerissen werden können, gewissermaßen als Startsignal, anders sollte es auch nicht verstanden sein, einer notwendigen und sicher mitunter auch schmerzhaften Debatte. Ich sage bewusst, mitunter auch einer schmerzhaften Debatte. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, das fiel heute mehrfach, das ist einer der zentralen Werte, der hier auf alle Fälle in die Debatte gehört. Es gehört natürlich auch die Debatte um die Werte des konziliaren Prozesses, also Friede, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, Nächstenliebe, übersetzbar als die Diskussion um eine solidarische

Gesellschaft, wobei wir dort natürlich auch unterschiedliche Ansatzpunkte haben, dazu. Dazu gehört die Debatte um die Hilfe für die Zwei-DrittelWelt, etwa den Fair Trade, einen fairen Welthandel. Dazu gehört die Debatte um Toleranz und Freiheit. Aus der Richtung des Hauses kam vor vielen Jahrzehnten die Freiheitsdefinition, die ich die beste finde, die es geben konnte, nämlich, Freiheit ist immer die des Andersdenkenden. Ich bin froh, dass die Zeit vorbei ist, in der das nicht beachtet wurde.

(Beifall FDP)

Es ist heute in dieser Debatte - ich glaube Dr. Zeh war es, der sehr wohl darauf hingewiesen hatte auch ein ganz wichtiger Wert genannt worden, nämlich der Wert der Subsidiarität. Ich pflichte Ihnen bei, Herr Dr. Zeh, dass es gerade auch die katholische Kirche ist, die diesen Wert sehr beeindruckend lebt. Ich durfte an einer Fachreise eines Fachausschusses teilnehmen - auf eigene Kosten, bevor etwas anderes hier gestreut wird -, und dort waren wir im Vatikan zu Besuch. Es hat mich schwer beeindruckt, zu sehen, mit welchen schlanken Strukturen gerade die Institution katholische Kirche den gewaltigen Aufwand, der auch administrativer Natur notwendig ist, bewältigt. Es ist ein Musterbeispiel, an dem sich, glaube ich, staatliche Strukturen oft ein Beispiel nehmen können.

(Beifall FDP)

Ich habe es vorhin bereits vorweggenommen, dass ich mich in dieser Debatte natürlich über die deutlichen Signale - übrigens aus beiden Kirchen - in Richtung Ökumene freue, denn mit dem Wachsen des ökumenischen Gedankens wächst auch der Frieden unter den christlichen Konfessionen als Bestandteil des gesamtgesellschaftlichen Friedens.

(Beifall FDP)

Lassen Sie uns zwischen Ostern und Pfingsten die Chance nutzen, eine Debatte anzuschieben, die nicht vordergründig parteitaktisch geführt wird, sondern an deren Ende ein wirklicher Zugewinn in der Debatte um die Frage steht, welche Werte wichtig sind für unsere Gesellschaft und, ich denke, um das auch anschieben zu können, und da möchte ich noch kurz auf Kollegin Rothe-Beinlich am Ende eingehen, war es auch wichtig, in dem Fragenkatalog ein breites Wissen in diesem Hause zu ermöglichen. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Abgeordnete König zu Wort gemeldet.

(Abg. Bergner)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Bergner hat sich geoutet, das mache ich jetzt auch, ich bin Christin, ich bin christlich erzogen und deswegen bin ich bei der LINKEN.

(Beifall DIE LINKE)

Meine christlichen Werte, nach denen ich erzogen wurde, sagen mir allerdings auch, dass ich mich nicht nur zurückhalte, sondern dass ich dann, wenn es etwas zu sagen und zu kritisieren gibt, das offen und klar so benenne. Als Erstes vorweg, jeder Gast ist erst mal willkommen, unabhängig von seinem Status,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

unabhängig von seiner hierarchischen Stellung, unabhängig von seiner Hautfarbe, seiner Religion, seinem Geschlecht und Ähnlichem. Auch das ist ein christlicher Wert, den ich ein Stück weit vermisst habe gerade. Ich bin der Meinung, dass wir reden müssen. Insofern nehme ich den Antrag der FDP kritisch wohlwollend zur Kenntnis. Wir möchten zumindest reden. Wir möchten reden über die homophoben Äußerungen des Papstes, der Homosexualität als widernatürlich gekennzeichnet hat, die Schwulen eher als verboten und nicht dem Menschenbild Gottes

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

entsprechend darstellt. Wir möchten reden über sein antifeministisches Verständnis, welches mit der Behauptung, die spezifische Sendung der Frau liege in ihrer Berufung der Mutterschaft und von Jungfräulichkeit gekennzeichnet ist. Wir möchten auch reden über seine die Täter des Dritten Reiches verharmlosende Rede im Mai 2006 in Auschwitz.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir möchten auch reden darüber, dass er Ehescheidung als eine Sünde kennzeichnet. Ebenso möchten wir reden über sein ökumenisches Verständnis, denn im Jahr 2007 wurde eine päpstliche Glaubenskongregation veröffentlicht, nach der die Kirchen der Reformation keine Kirchen im eigentlichen Sinne sind. Sie alle sprachen davon, dass der Papstbesuch ein bedeutendes Zeichen für die Ökumene wäre. Wenn dem so ist, erwarte ich, dass diese Glaubenskongregation zurückgenommen wird. Wir möchten auch darüber reden, dass der Vatikan, genauso wie Weißrussland, bis heute nicht die Europäische Menschenrechtskonvention anerkannt hat. Ich weiß nicht, ob er sich da in trauter Zweisamkeit befinden möchte. Ich unterstelle Nein und hoffe, dass der Vatikan diese annimmt. Wir

möchten aber auch reden über sein antijüdisches Verhalten, denn mit der Konzilserklärung Nostra aetate von 1965 wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen im christlich-jüdischen Verhältnis. Allerdings hat unser Papst - unser Papst - dieses wieder geschlossen. Ich zitiere: „Mitte 2007 lässt er die Tridentinische Messe wieder zu als außerordentlichen Ritus. Zwar streicht er die alte judenfeindliche Fürbitte, doch fügt er nicht die aktuelle, derzeit gebräuchliche ein. Nein, er verfasst einen neuen Text ‚Lasst uns auch beten für die Juden, auf das Gott unser Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus als den Retter aller Menschen erkennen.’ Das stellt einen Rückfall in antijüdisches Denken vor dem Zweiten Vatikanum dar.“

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir wollen reden über christliche Werte und ich hoffe, dass Sie nicht gerade nur christliche Werte wie Nächstenliebe einmal kurz hier im Plenum behaupten, sondern ich hoffe auch, dass Sie nachher unter TOP 23 die Möglichkeit nutzen, Nächstenliebe zu äußern und Sie der Abschaffung der Residenzpflicht, dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE zustimmen werden.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn Sie denn Nächstenliebe ernst meinen, müssen Sie dies tun. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Herr Abgeordneter Adams zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste hier im Thüringer Landtag, ich möchte mich ganz deutlich bedanken, für diese interessante Debatte, die wir geführt haben. Ich will das jetzt auch ganz klar sagen, auch in Richtung der Kollegin König, es gehört auch dazu - deshalb auch vielen Dank für Ihren Beitrag -, dass man alles Konflikthafte anspricht. Was nützt denn sonst die Debatte?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aber grundsätzlich möchte ich mich bedanken für diese Debatte. Sie hat mir gezeigt, wie viele Leute hier sich daran beteiligen wollen, und welch großes Bedürfnis es gibt, über die Frage von Glauben und Politik und Glauben und Werten auch...

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das war jetzt wichtig, dass Sie das noch mal zusammen- fassen, Herr Adams.)

Herr Emde, ich bedanke mich auch bei Ihnen für diese Debatte. Denn ein weiterer Punkt, den ich hier noch ansprechen wollte, war, ich finde es wichtig, erlebt zu haben, wie wir bei dieser Debatte, bei diesem Tagesordnungspunkt diskutieren und zuhören konnten. Das fand ich eine ganz wichtige Erfahrung, die ich toll fand. Sie zeigte auch, diese Debatte, wie viel man aus dem katholischen Erwachsenenkatechismus herausziehen könnte. Da hatte Frau Dr. Klaubert, glaube ich, auch essenzielle Dinge vorgetragen. Sie zeigt aber auch, finde ich, die Debatte, wie schwierig es ist, denn wirklich zu glauben und das anzunehmen. Wer glaubt, dass das Glauben einfach wäre, stellt ja eigentlich eine ziemlich scharfe These auf. Es ist eben nicht einfach. Es ist auch nicht schwarz und weiß, liebe Katharina König, zu sagen, dort ist das Böse und da ist das Gute. Auch das hilft nicht wirklich weiter.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Das habe ich nicht gesagt.)

Es ist halt unglaublich schwierig, sich dieser Vielfalt beizugeben. Ich wünschte, dass wir öfter so diskutieren und zuhören. Ich wünschte mir auch, dass wir eigentlich im Anschluss an diese Debatte nicht unbedingt eine Abstimmung durchführen. Eine Abstimmung, die am Ende eigentlich auch nur einen Beweis oder den Hintergrund dafür zeigt, wer hier die Macht hat. Ich glaube, das ist an diesem Teil der Debatte für meine Begriffe etwas unpassend. Es ist überhaupt nicht so, dass ich Politik in einen anderen Raum verweisen und sagen will, wir brauchen solche Debatten ganz und gar außerhalb. Aber es ist relativ schwierig, über diese Debatte abzustimmen. Jetzt haben wir zum Glück zwei Anträge da, zwei Anträge in mehreren Punkten. Wir würden als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in größeren Teilen gern dem Punkt 2 des SPD- und CDU-Antrags, der einfach auf den Dialog hinausgeht - das, was wir hier so fruchtbar gemacht haben - gern zustimmen. Wenn das möglich wäre, dass wir das einzeln abstimmen, wäre das sehr sinnvoll für uns, würden wir uns darüber freuen. Wir finden es zum Beispiel - darum wünschen wir uns dieses Auseinandernehmen der Punkte - unglücklich, hier die Fragen einer Wertedebatte zu verknüpfen mit der Förderung des Fremdeverkehrs. Das scheint uns unpassend. Deshalb würden wir gern diesem Punkt 2 zustimmen und bitten Sie hier um eine getrennte Abstimmung. Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat sich der Abgeordnete Bergner noch einmal zu Wort gemeldet.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, ich möchte es kurz machen. Ich will ganz ausdrücklich sagen, selbstverständlich stellen wir uns Ihrer Diskussion. Aber, ich glaube, es ist auch eine Frage der Angemessenheit des Tons. Genau dieser Ton war es, den ich nicht für eine Wertedebatte für gut halte.

(Beifall CDU, FDP)

Ich möchte an dieser Stelle - ich meine Frau König - auch noch eines sagen: Für mich war bei dieser Reise nach Rom beeindruckend, dass wir samt und sonders auf Gesprächspartner getroffen sind, die sehr offen waren, die sich auch kritischen Fragen sehr offen gestellt haben und die sich als gesprächsbereit erwiesen haben. Ich denke, der Ton, wie er vorhin hier von Frau König zu hören war, ist als Willkommensgruß für den Papst hier in Erfurt, hier in Thüringen völlig unangemessen. Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Tasch zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich bei allen bedanken, die hier mit großer Sachlichkeit diese Anträge beraten haben, bei allen Fraktionen, bei der FDPFraktion, bei der CDU-Fraktion, bei der SPD-Fraktion, bei Ihnen, Frau Rothe-Beinlich, und auch bei Ihnen, Frau Dr. Klaubert.

Ich als Eichsfelderin freue mich, dass uns der Heilige Vater im September besucht, und ich danke noch einmal an dieser Stelle auch unserem Altministerpräsidenten Dieter Althaus und auch allen Eichsfeldern, die engagiert dafür gesorgt haben, dass der Papst Thüringen besucht.

(Beifall CDU)

Sehr geehrte Frau König, Ihr Beitrag an dieser Stelle war unangemessen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!)

Er zeugt von einer hohen Intoleranz gegenüber dem Katholizismus. Wir können gern Debatten führen über Frauenordination, über wieder verheiratete, geschiedene Frauen, über Wahrung der Rechte der Frauen. Ich empfehle Ihnen, den Beitrag von Klaus Zeh zu lesen. Ich empfehle Ihnen, sich mit der katholischen Soziallehre auseinanderzusetzen, die gerade der Wahrung der Rechte der Frauen, die weltweite gerechte Verteilung von Wirtschafts

(Abg. Adams)

gütern und Ressourcen, der Mitverantwortung einen hohen Stellenwert einräumt und die auch Grundlage des staatlichen Handelns heute in Deutschland sind. Nochmals herzlichen Dank und Ihr Beitrag war dem Thema unangemessen und ich hoffe natürlich als bekennende Katholikin, dass unser Papst bis zum 23. September gesund bleibt und dafür bete ich. Vielen Dank.