Ich habe gerade erst die Antwort auf meine Kleine Anfrage bekommen in der Drucksache 5/2844. Aus dieser kann man ablesen, dass es allein in der Spielzeit 2009/2010 3.644 Vorstellungen und 508 Konzerte gegeben hat mit über 1,2 Mio. Besucherinnen und Besuchern. Ich denke, das macht sehr deutlich, um was für einen wichtigen Standortfaktor es sich bei unseren Kulturschaffenden und den Theatern und Orchestern handelt.
Wenn wir uns dann aber auf der anderen Seite die Dynamik anschauen, die wir seit den 90er-Jahren erleben, nämlich sinkende öffentliche Zuweisungen vonseiten des Landes, Personalabbau, Spartenabbau, Fusionen von Häusern und auf der anderen Seite stetig steigende Betriebskosten der Theater und Orchester, dann muss ich sagen: Hut ab vor dem, was tagtäglich in den Theatern und von den Orchester immer noch, auch unter diesen Bedingungen geleistet wird. Das zeigt, das kleine Thüringen und da gebe ich Hans-Jürgen Döring durchaus recht - hat große Theatertradition, und das nicht nur an ganz wenigen, sondern an ganz vielen Orten.
Das Land allein zahlt jährlich knapp 60 Mio. € für Zuschüsse an Theater und Orchester. 4,8 Mio. € werden zudem für Investitionen an Theatern und Orchestern bereitgestellt. Das wichtige und große Problem, über das wir aber reden müssen, ist - das hat Frau Dr. Klaubert eben in ihrem Beitrag schon angesprochen -, dass die Finanzierung nur bis zum Ende des Jahres 2012 überhaupt gesichert ist und es dringend Klarheit braucht, wie es weitergeht.
Denn die Theater und Orchester brauchen Planungsvorlauf, um ihre Vorhaben entsprechend zu realisieren; teilweise - das wissen wir auch - bis zu eineinhalb Jahre, um für Produktionen die entsprechenden Verträge zu machen. Da muss natürlich auch ich Sie, lieber Herr Minister Matschie, daran erinnern, dass Sie zum Ende des I. Quartals 2011 bereits Vorschläge für die künftige Theater- und Orchesterfinanzierung auf den Tisch legen wollten. Die sind uns bisher nicht bekannt. Auch im Ausschuss und auf diverse Kleine Anfragen, die unter anderem auch ich gestellt habe, gibt es dazu keine Aussagen. Stattdessen durften wir aber am 11. Juni in der Zeitung nachlesen, wie die künftige Theaterund Orchesterstruktur aussehen soll.
Wie aber soll sie aussehen? Alle Sparten und Standorte sollen erhalten bleiben, aber mehr Geld soll es nicht geben. Der Fördertopf soll dreigeteilt werden. So wird einerseits unterschieden in überregional bedeutsame Einrichtungen und in regional wirksame Einrichtungen. Außerdem, konnten wir nachlesen, soll es ein Staatsballett geben, in dem auch die Geraer Tanzkompanie aufgehen soll. Die Landesförderung soll insgesamt moderat erhöht werden. Die große Frage ist: Was heißt das konkret, was heißt das in Zahlen? Die überregional bedeutsamen Theater sollen anteilig stärker bedacht werden. Bei den kleineren Einrichtungen sollen sich die kommunalen Träger mehr einbringen. Wir wissen aber auch, dass das Vorhaben, die Kommunen, die kein Theater oder Orchester selbst haben, über den Kommunalen Finanzausgleich zu beteiligen - Minister Matschie -, mehr oder minder am Widerstand des Landkreistages gescheitert ist. So bewerten wir das jedenfalls.
Zugleich fordert Herr Minister Matschie den schrittweisen Ausstieg aus den Haustarifmodellen und eine Angleichung an den Flächentarif. Bis Mitte Juli sollen die Verhandlungen zu den Finanzierungsverträgen zu Ende gebracht werden. Was das Finanzministerium allerdings dazu sagt - leider ist Herr Voß jetzt nicht da -, ist auch noch völlig unklar. Wir jedenfalls befürchten, dass diese Ausgangslage der Beginn von weiterem Personalabbau ist und dass gerade die Kommunen und die Landkreise die Tarifsteigerungen allein mitnichten kompensieren können. Hier braucht es endlich ein Konzept und Planungssicherheit.
Wir wissen alle, dass es gemeinsame Kraftanstrengungen braucht, um die vielfältige Theater- und Orchesterlandschaft in Thüringen zu erhalten. Uns muss es, meine ich, darum gehen, gemeinsam zu schauen, wo Entwicklungspotenziale liegen und wie wir unsere Marketingaktivitäten gegebenenfalls verbessern können. Für uns ist jedenfalls klar: Die Theater- und Orchestervielfalt wird dauerhaft auf
dem Finanzierungsniveau, wie wir es jetzt haben, nicht überleben können. Unsere Fraktion wird daher auch eigene Vorschläge einbringen, wie die Kulturförderung insgesamt nachhaltiger gestaltet werden kann. Vielen herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Aktuelle Stunde heute zu nutzen, um das Thema zu beraten, ist ein spannendes, denn dieses Thema ist in Thüringen sicherlich eines, was die meisten heute bewegt in der Diskussion um Strukturreformen unserer Theater und Orchester. Es wird immer sehr emotional beraten. Man merkt es auch schon an den einzelnen Redebeiträgen, wie schwierig die finanzielle Lage der Theater und Orchester ist, wie schwierig aber auch eine Veränderung der Struktur ist, so dass sie langfristig und zukunftssicher ist. Beides ist das Ziel. Leider habe ich bisher noch nicht so viel davon gesehen und gehört. Ich habe meine Informationen auch aus der Zeitung und war überrascht, dass ich dieses aus der Zeitung entnehmen musste. Die Vielfalt in Thüringen ist, denke ich, unbestritten. Das haben alle Vorredner schon gesagt und auch Minister Matschie hat noch im Februar mitgeteilt, ich zitiere: „Die Thüringer Kultur lebte und lebt immer von ihrer regionalen Vielfalt, Originalität und künstlerischen Vielströmigkeit.“ Und weiter: „Ich will keine neue Standortdebatte, das hat einen wichtigen Hintergrund. Zur kulturellen Identität Thüringens gehört, dass es aus der Tradition kleiner Fürstentümer mit vielen Residenzstädten kommt. Sie haben über Jahrhunderte ihre ganz eigene kulturelle Ausprägung entwickelt.“ Das - muss ich sagen trifft es auf den Punkt und hat aber auch die Brisanz, dass wir diese kulturelle Landschaft und diese Vielfalt auch erhalten wollen und auch erhalten müssen. Ich werbe dafür und wir werden uns dafür stark machen, dass es auch dabei bleibt. Denn das darf man nicht vergessen, diese Vielfalt ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor für unsere Region, für unser Land Thüringen. Diese Vielfalt sind nicht nur die Leuchttürme, die auch schon angesprochen wurden, wie Erfurt und Weimar, Kultur in Thüringen ist viel mehr.
Ich habe Angst, dass man unter Umständen die Fläche vergisst, die sogenannten überregional bedeutsamen Standorte, die hier in die Diskussion eingebracht wurden, ohne das abschließende Konzept zu kennen. Es wäre sicherlich hilfreich gewe
sen, das Konzept zu kennen, um hinterher über regional bedeutsame oder weniger bedeutsame Bereiche zu sprechen.
Meine Damen und Herren, kulturelle Vielfalt auf der Breite ist ein Pfund, mit dem man wuchern muss, und es ist auch unser Auftrag, dieses zu erhalten. Wenn wir diese Diskussion natürlich im Zusammenhang mit der finanziellen Betrachtung in Verbindung sehen und vor allem die Forderung, Flächentarif einzuführen in diesem Bereich, so wird es für viele Kommunen nicht leistbar sein, diese Aufwüchse allein zu leisten oder vielleicht auch nur anteilsweise.
Ich möchte einmal ein Beispiel nennen, was das bedeuten würde. Wenn die Philharmonie Gotha Flächentarif zahlen müsste, würde das Mehrkosten von 600.000 € jährlich bedeuten. Dies ist eine Größenordnung, die momentan in der Form nicht leistbar ist. Wir haben beschlossen, wir stehen zu dieser Philharmonie. Der Kreistag hat seine Finanzierung für die nächsten fünf Jahre festgelegt auf den ursprünglichen Satz. Aber alle Mehrkosten erschweren die Finanzierung beträchtlich und es birgt die Gefahr, dass durch Stellenabbau zum Beispiel Orchester und Theater nicht mehr die Leistung vollbringen und erbringen können, die man von ihnen erwartet.
Meine Damen und Herren, ich denke, es ist an uns allen, hier möglichst viel dazu beizutragen, dass die Theater- und Kulturlandschaft auch weiter diese Qualität und den Stand hat. Dazu gehören natürlich auch entsprechende Mittel. Ich möchte an der Stelle noch einmal sagen, es hilft nicht der Blick zurück auf Prof. Goebel und auf Vorregierungen zu schauen, uns hilft letztendlich nur der Blick nach vorn.
Das ist einfach so. Die Realität ist heute und hier zu betrachten und das ist auszubauen und fortzuführen. Ich wollte es nur erwähnen, weil, Frau Dr. Klaubert, das hilft uns überhaupt nicht, wenn man nach hinten schaut. Wir schauen nach vorn und hoffen, dass wir auf einem guten Weg sind. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. „Wie weiter mit den Thüringer Theatern und Orchestern ab 2013?“ - der Titel der Aktuellen Stunde der Fraktion DIE LINKE. Ich würde gern mit einem Zitat beginnen, das folgenden Inhalt hat: „Wir wollen die traditionsreiche Thüringer Theater- und Orchesterlandschaft langfri
stig erhalten. Auf der Basis eines umfassenden Strukturkonzepts sowie in enger Zusammenarbeit mit den Trägern der Theater und Orchester werden wir deren Bestand, Attraktivität und Finanzierbarkeit sichern. Das Land Thüringen hat eine besondere Verantwortung für seine einmalige Kulturlandschaft.“ Dies ist nachzulesen im Landtagswahlprogramm der SPD von 2009, wen es genauer interessiert, unter dem Punkt „Kultur“, Seite 29. Jetzt könnte es den einen oder anderen geben, der sagt, ich lese mir das genauer und komplett durch. Ich empfehle jedem, die Onlinesuche nicht auszuprobieren, weil Sie es nicht mehr finden werden. Jetzt kann man sich einmal fragen, warum? Jetzt frage ich Sie, Herr Minister: Haben Sie das eventuell nach der letzten Landtagwahl aus dem Onlineportal Ihrer Partei nehmen lassen? Wenn ja, würde mich dann vielleicht einmal der Grund interessieren.
Falls es aber Interessenten gibt, wir haben uns noch ein Exemplar gesichert, da ich nicht annehme, dass jeder noch das Landtagswahlprogramm der SPD von 2009 hat. Interessenten können sich gern bei mir melden.
Jeder einzelne Punkt aus dem Landtagswahlprogramm im Titel Kultur ist aus unserer Sicht entweder nicht umgesetzt oder wenn, dann im kompletten Gegenteil.
Zum einen ist vom langfristigen Erhalt von Theatern und Orchestern überhaupt nichts zu sehen, es sei denn, Herr Minister, Sie meinen langfristig bis 2013. Zum Zweiten liegt uns, vielleicht im Gegensatz zu den Medien, noch kein neues Strukturkonzept vor. Das alte datiert immer noch aus dem Jahr 2009. Nach meinen Informationen gibt es auch noch keine offiziellen Aussagen an die Theater und Orchester. Besonders bemerkenswert ist: Die besondere Verantwortung, die sich die SPD 2009 ins Wahlprogramm geschrieben hat, nimmt aus meiner Sicht und aus unserer Sicht der zuständige Minister durch große Passivität überhaupt nicht wahr.
Wie sehen denn nun die Pläne des Ministeriums, die wir ja - wie ich schon sagte - bisher nur aus den Medien kennen, aus? Manche nennen es auch Leitlinien. Die Summe aller Zuweisungen an Theater und Orchester wird laut Medien nicht erhöht. Die Zuweisungen, die einzelnen, an die Häuser, können sich schon verändern. Jetzt zitiere ich aus der TA vom 18.05.: „Man biete allen Verhandlungspartnern einen ‚finanziellen Beitrag’ für die ‚Rückkehr zum Flächentarif’ an, verkündet Kulturstaatssekretär Thomas Deufel.“ „Man biete allen Verhandlungspartnern einen ‚finanziellen Beitrag’ für die
‚Rückkehr zum Flächentarif’ an …“ - man möge sich diesen Satz mal ganz genau durch den Kopf gehen lassen. Dies betrifft im Übrigen sieben von zehn Häusern in Thüringen, die einen eigenen Haustarifvertrag haben. Ein Schelm ist aus meiner Sicht, wer dabei Böses denkt.
Eine Rückkehr zum Flächentarifvertrag bedeutet höhere Kosten für die Häuser, die die höheren Zuweisungen, selbst wenn sie sie erhalten, wieder aufzehren werden. Es kann unserer Meinung nach bei einem Verteilungswettbewerb unter den Häusern nur Verlierer geben.
Die Folge, die sich aus den genannten Punkten für uns ergibt: Die Häuser befinden sich im Konkurrenzkampf um die knappen Landesmittel. Die Häuser, bei denen reduziert wird, müssen Sparten schließen. Wenn es so wäre, dass man Schnitte tun muss, dann muss es ein Konzept geben, wo dieses geregelt ist und worüber man auch reden kann und worauf sich jeder rechtzeitig einstellen kann.
Es braucht zunächst also ein Entwicklungskonzept, bevor nun wieder begonnen wird, Theater und Orchester finanziell unter Druck zu setzen. Dieses Finanzierungskonzept oder dieses Strukturkonzept fand sich, wie bereits erwähnt, im Landtagswahlprogramm der Sozialdemokraten.
Der Kultusminister, oder jetzt Bildungsminister, aber auch zuständig für Kultur, muss einfach nur sein Versprechen einlösen. Dann können wir uns auch sachlich über die Fakten in der Diskussion stellen, Herr Machnig. Unsere Forderungen, Herr Machnig, nein - sehen Sie, da habe ich schon Herr Machnig gesagt -, Herr Matschie, legen Sie nicht nur den Medien, sondern legen Sie diesem Hohen Haus ein Strukturkonzept vor, worüber man sich unterhalten kann.
Dann werden Sie merken, Sie haben viele, viele in demselben Boot und vielleicht rudern wir sogar in die gleiche Richtung. Denn was ich nicht will, sind Leuchttürme, wie Erfurt und Weimar, und alle anderen Regionen sind gezwungen mit weniger finanziellen Mitteln ein qualitativ hochwertiges Programm
Gibt es weitere Wortmeldungen seitens der Abgeordneten? Das sehe ich derzeit nicht. Herr Minister Matschie, bitte schön, für die Landesregierung.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, vielleicht vorab, Herr Koppe, das, was wir ins Landtagswahlprogramm geschrieben haben, meinen wir ernst. Wir haben auch dazu entsprechende Vereinbarungen in der Koalitionsvereinbarung, dort kann man das auch nachlesen. Wenn Sie es noch ein bisschen ausführlicher beschrieben haben wollen, schauen Sie sich noch mal die erste Regierungserklärung der Ministerpräsidentin zur Kulturpolitik, zur Theater- und Orchesterlandschaft hier in Thüringen an.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, es ist jetzt mehrfach darauf hingewiesen worden, wir haben eine sehr spezielle Kulturlandschaft hier in Thüringen. Dabei ist es sicher so - Hans-Jürgen Döring hat das auch noch einmal deutlich gemacht -, dass sich einzelne Häuser mit ihren Etats sicher nicht mit den ganz großen Häusern in Deutschland messen können, und trotzdem ist unsere Kulturlandschaft einzigartig, nämlich in ihrer Dichte, in ihrer Vielfalt. Dahinter steht eine jahrhundertealte Tradition und wir müssen jetzt versuchen, dieser Tradition auch gerecht zu werden mit dem Strukturund Finanzierungskonzept für die Zukunft.