Protokoll der Sitzung vom 17.06.2011

Es muss auch an dieser Stelle hier öffentlich eine offene Frage angesprochen werden: Wer ist oder was ist eigentlich Motor in diesem System von Unregelmäßigkeiten? Dazu haben wir bis jetzt noch keine Antwort erhalten, aber zu einem späteren

Zeitpunkt werden wir sicherlich hier im Parlament darüber diskutieren müssen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Alles nur Vermutungen, Mutmaßungen, Sie spekulie- ren.)

Mutmaßungen sind das nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Alle diese einzelnen Anstriche sind belegbar - nicht nur aus den MDR-Berichten. Für die politische Aufarbeitung steht für uns die Frage der Transparenz das habe ich erwähnt - und die Hoffnung, mit der Thematisierung - und das ist auch der präventive Auftrag, den wir haben - vergleichbare Vorgänge in anderen Behörden zu verhindern. Dazu muss - und das ist die politische Forderung, die wir an dieser Stelle gemeinsam stellen müssen - der Antikorruptionsrichtlinie endlich vollständig und ernsthaft Rechnung getragen werden in allen Thüringer Behörden.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist ein Skandal im Skandal, dass die notwendige Rotation von Personen in Positionen, die für Lobbyismus und Bestechlichkeit anfällig sind, gerade im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums außer Kraft gesetzt wurde und über diese Aussetzung augenscheinlich auch noch nicht mal das notwendige Protokoll angelegt wurde. Ist doch für die Einhaltung der Antikorruptionsrichtlinie gerade das Innenministerium selbst die zuständige Behörde.

Meine Damen und Herren, für uns, für die politische Wertung - ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, die juristische Bewertung ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft und der Gerichte - ist es wichtig, auch noch mal darauf hinzuweisen, dass wir die Auskunftsbereitschaft des Innenministeriums in den letzten beiden Ausschuss-Sitzungen sehr positiv würdigen, das möchte ich an der Stelle auch betonen, aber der Weg zu dieser Offenheit war steinig und für viele meiner Kolleginnen und Kollegen im Haushalts- und Finanzausschuss und im Innenausschuss leider an einigen Stellen auch unerfreulich.

Wir brauchen - so die Forderung meiner Fraktion organisatorische wie politische Schlussfolgerungen aus diesen Vorgängen und die sollten wir hier diskutieren, weil das Parlament allen Vorgängen entgegenwirken muss, die beim Bürger den Eindruck erwecken, Politik richte sich nur am persönlichen Vorteil aus und in den Ministerien und nachgeordneten Dienststellen würden Interessen von Parteien und Wirtschaft bedient, anstatt öffentliche Belange und sorgsamen Umgang mit Steuermitteln in den Mittelpunkt zu stellen, weil wir denen - Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten - den Rücken stärken müssen, die in den letzten Wochen den Eindruck hatten, die Ehrlichen sind immer die Dummen und Recht und Gesetz wird zwar gegenüber dem Bürger ausgeübt, aber gelegentlich im eigenen Haus

nicht so ernst genommen und weil Opposition und Öffentlichkeit das Recht haben, zu erfahren, wie die Landesregierung in Gänze mit diesen Fragen umgehen wird und inwieweit die Vorgänge im Innenministerium Anlass sind, ähnliche Geschäftsbeziehungen und Vergabe- bzw. Bewirtschaftungspraxen mit vielleicht auch identischen Lieferanten oder anderen in anderen Ministerien endlich zu überprüfen.

Wir verlangen heute im Rahmen der weiteren parlamentarischen Behandlung der Vorgänge rund um das Beschaffungswesen im Innenministerium drei Punkte.

Erstens, dass wir dazu kommen, dass wir bei Bekanntwerden neuer Vorgänge - und dabei ist es uns egal, ob diese neuerlichen Vorgänge im Haus selbst bekannt werden oder durch die Presse öffentlich gemacht werden -, unaufgeforderte Berichte im Innenausschuss und gegebenermaßen dann auch im Haushalts- und Finanzausschuss erhalten.

Wir denken auch, dass das Parlament unverzüglich zu informieren ist, wenn von der Staatsanwaltschaft ein Zwischenbericht erstellt wird.

(Beifall DIE LINKE)

Wir erwarten die Vorlage einer Konzeption, wie mit der Beschaffung im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums in Zukunft umgegangen wird, welche organisatorischen und personellen Schritte hier von Ihnen unternommen werden. Da können wir nicht auf den Tag warten, wenn hier das POG verabschiedet ist, weil wir wissen, dieser Tag kann in ferner Zukunft liegen.

Diese Forderungen werden von uns sicherlich in den nächsten Wochen und Monaten auch mit entsprechenden Anträgen in den Ausschüssen untermauert,

(Beifall DIE LINKE)

denn das Thema, um das es hier geht, darf im Interesse des Parlaments, der Polizei und einer transparenten und korruptionsfreien Politik heute nicht ad acta gelegt werden. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion hat sich Abgeordneter Gentzel zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, es ist vielleicht ganz wichtig, am Anfang einmal festzustellen, dass der Weg, im Innenausschuss im Rahmen einer vertraulichen Sitzung die Information abzuverlangen, genau der richtige Weg war.

(Beifall CDU, SPD)

Es hat in der Innenausschuss-Sitzung - und das geht eben nur in vertraulicher Sitzung - einen sehr umfassenden Bericht des Innenministers gegeben. Ich sage mal gefühlte 200 Seiten. Aber der war in der Sache auch logisch, weil es einen großen Fragenkatalog von der Fraktion DIE LINKE gab und dieser abzuarbeiten war. Ich habe aus dem Innenausschuss mitgenommen, dass der Fragenkatalog und die Fragen, die sich aufgrund des Berichts, den der Innenminister gegeben hat, alle beantwortet worden sind, und zwar in Gänze, und zwar in der Tiefe, wie es der augenblickliche Sachstand notwendig machte. Auch das gehört dazu. Es gab nicht nur diesen umfassenden Bericht in dieser vertraulichen Sitzung, es gab in der darauf folgenden Sitzung einen Bericht zu der Problematik „Beschaffung von Schlagstöcken“. Deshalb muss ich mal sagen, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, Ihre drei Punkte, die Sie am Schluss gebracht haben, ist ein ganz schönes Gewürge. Das läuft alles schon.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Nein.)

Nach dem Bekanntwerden von Problemen muss der Innenausschuss informiert werden. Das ist doch passiert. Als das neue Problem zum Beispiel mit den Schlagstöcken aufgekommen ist, ist berichtet worden.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auf unseren Antrag.)

Ja, Ihr Antrag, da haben sich zwei Leute gemeldet, die Kollegin von den LINKEN und der Kollege von der CDU. Die von der LINKEN hat zuerst das Wort ergriffen und gesagt, ich möchte gern einen Bericht zu den Schlagstöcken. Da hat der Kollege von der CDU gesagt, wir auch. Der Innenminister hat gesagt, er hätte sowieso berichtet. Jetzt können Sie sich doch nicht hinstellen

(Heiterkeit im Hause)

und sagen, es ist nicht berichtet worden oder nur auf einen Antrag von der LINKEN.

Herr Abgeordneter Gentzel, Frau Abgeordnete Renner wollte Ihnen eine Frage stellen und hat sich jetzt wieder hingesetzt,

(Zwischenruf Abg. Renner, DIE LINKE: Hat sich erledigt.)

aber der Herr Abgeordnete Adams möchte Ihnen jetzt eine Frage stellen.

Immer wieder gern.

(Abg. Renner)

Bitte.

Frau Präsidentin, vielen Dank. Herr Gentzel, auch vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen wollen. Aber so, wie Sie das gerade gemacht haben, berichten Sie aus einer nicht öffentlichen Sitzung.

Das war bei der Feststellung der Tagesordnung schon nicht öffentlich? Doch. Ja, das ist richtig.

Sie sollen ja nicht darüber berichten, aber würden Sie nicht in Ihre Erwägungen, in Ihren Wortbeitrag hier in der Öffentlichkeit mit einbeziehen, dass es eine explizite Nachfrage des Abgeordneten Adams gab, warum der Innenminister nicht auch ohne Antrag der GRÜNEN über diesen Vorfall hätte berichten sollen? Sollten Sie das nicht viel mehr in Ihre Äußerungen mit einbeziehen?

(Zwischenruf Abg. Renner, DIE LINKE: Un- aufgefordert!)

Ich verstehe jetzt nicht das ganze Gegröle darum. Ich will jetzt noch einmal sagen, was ich hier gesagt habe. Es geht darum, die Fraktion DIE LINKE möchte mit Punkt 1 ihres Antrags zukünftig, dass bei Bekanntwerden von Problemen im Innenausschuss berichtet wird. Ich habe jetzt festgestellt, dass dieses in einem Fall bereits getan worden ist. Jetzt geht es darum, wer hat dann dieses beantragt und wer hat jetzt noch etwas dazu gesagt. Wollen Sie ein Ergebnis oder wollen Sie darüber reden, wie man zum Ergebnis kommt?

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Wir wollen Veränderungen.)

Dieses Ergebnis ist da, es ist ausführlich über die Problematik Schlagstöcke berichtet worden. Es ist übrigens auch - da kann ich eben nicht so ins Detail gehen - im nicht öffentlichen Teil von Konsequenzen gesprochen worden, die Konsequenzen sind beschrieben worden. Das sind die Konsequenzen, die man im Augenblick ziehen kann. Ich finde es schon merkwürdig, wenn hier zwar eine politische Wertung verlangt wird - natürlich -, aber wenn politische Konsequenzen verlangt werden, aber überhaupt nicht darüber geredet wird, was nach Ihrer Auffassung die politischen Konsequenzen sein könnten. Wenn Sie den Rücktritt des dafür verantwortlichen Innenministers Gasser fordern, kommen

Sie ein paar Jahre zu spät. Um welche politischen Konsequenzen geht es denn an dieser Stelle? Das würde mich schon einmal interessieren, vielleicht könnten Sie da ein bisschen mehr Licht hineinbringen.

Herr Abgeordneter Gentzel, der Abgeordnete Blechschmidt möchte Ihnen jetzt eine Frage stellen. Bitte schön.

Danke, Frau Präsidentin. Kollege Gentzel, würden Sie mir zustimmen, dass der Redebeitrag der Kollegin Renner eine politische Konsequenz enthalten hat, die da lautete, konkrete Anwendung des Antikorruptionsgesetzes in Thüringen durch das Innenministerium als aufsichtführende Behörde?

Können Sie mir nachvollziehen, dass ich das nicht verstehen kann, und können Sie mir das eventuell daraus nachvollziehen, weil ich im Gegensatz zu Ihnen weiß, was in dieser nicht öffentlichen oder in dieser vertraulichen Sitzung gesagt worden ist? Es ist schon ein bisschen abenteuerlich von Ihrer Seite, an einer Sitzung nicht teilzunehmen, nicht zu wissen, was dort gesprochen worden ist, aber sich auf die Inhalte dieser Sitzung zu beziehen. Das geht nach meiner Meinung überhaupt nicht.

(Beifall CDU)

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Aber das ist doch die politische Konse- quenz.)

Es bleibt festzustellen, und das will ich auch deutlich sagen, es ist schon abenteuerlich, was im Innenministerium im Bereich der Beschaffung gelaufen ist. Ich will auch noch einen zweiten Punkt hinzufügen: Nicht nur was im Bereich Beschaffung gelaufen ist, sondern insbesondere was im Bereich Controlling gelaufen ist, ist schon abenteuerlich. Aber auch da gilt, der Innenminister hat richtig gehandelt. Als ihm die Dimensionen dieser Sachen bekannt geworden sind, hat er sich an die Staatsanwaltschaft gewendet. Ich will nicht wissen, was hier in dem Hause los gewesen wäre - jetzt sage ich mal (berechtigt) -, wenn er dieses nicht getan hätte. Aber mit diesem richtigen Schritt, mit diesem konsequenten Schritt - erstens zur Staatsanwaltschaft zu gehen und zweitens die Staatsanwaltschaft in all ihren Bemühungen zu unterstützen gibt es natürlich gewisse Regeln mit Informationen, mit denen man hier öffentlich umgehen kann und mit denen man nicht öffentlich umgehen kann.