Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, am 27. Mai 2010 hat der damalige Minister und Chef der Staatskanzlei Herr Dr. Schöning bei der Beratung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Thüringer Ministergesetzes der Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier ausgeführt, ich zitiere: „Es geht um Fragen des Übergangsgeldes, der Anrechnung von Nebeneinkünften, der Altersgrenzen, der Mindestdienstzeiten und der Fälligkeitsregelung für die Ruhegehaltsansprüche und für die Höhe der Ruhegehälter.“ Er sagte dann weiter: „Es ist weniger die Höhe der Ruhegehälter, die Stein des Anstoßes ist, es ist vielmehr der Zeitpunkt, zu dem diese Gelder, diese Gehälter fällig werden.“ Er stellte in Aussicht, dass es das Ziel des Kabinetts sei, möglichst noch vor der Sommerpause einen Entwurf zu erarbeiten und diesen dann dem Landtag zuzuleiten. Es war die Sommerpause 2010 gemeint, meine sehr verehrten Damen und

(Abg. Dr. Pidde)

Herren. Nun hat uns die Landesregierung endlich eine Regelung vorgelegt. Ob das jetzt der zweite oder zehnte Durchlauf ist, ist am Ende egal, es hat unsäglich und unerträglich lange gedauert, aber es bestand ja angesichts der Äußerungen der Landesregierung im Mai 2010 durchaus eine gewisse Erwartung, dass die Regelungen eines Inhalts sein würde, hinter der sich auch dieser Landtag guten Gewissens würde versammeln können. Deswegen bestand, Herr Kollege Pidde, überhaupt gar kein Anlass zu einer großen Betriebsamkeit auch seitens meiner Fraktion, weil diese Ankündigungen der Regierung in eine Richtung gingen, die uns in der Vermutung sicher sein ließen, dass hier eine Regelung vorgelegt wird, die für uns durchaus zustimmungsfähig ist.

(Beifall FDP)

Jetzt hat Kollege Scherer hier vorgetragen im ersten Teil seiner Rede bis zu meinem Zwischenruf, worum es geht, um die Verrechnungsregelungen und die Altersgrenzenanpassung, um das Erreichen der zweiten Versorgungsstufe, die Abzüge beim vorzeitigen Eintritt. So weit, so gut, alles schön und eigentlich ein Erfolg, in dem er sich sonnen wollte und auch sonnen könnte, wäre da nicht diese vermaledeite Kleinigkeit mit der Frage: Für wen soll es denn nun gelten? An dieser Stelle, lieber Kollege Pidde, entpuppt sich Ihr ganzer Vortrag, in dem Sie die unbestreitbar richtige Richtung der inhaltlichen Regelungen hier dargestellt haben, was Sie aber vergessen haben, ist immer der Halbsatz „aber für unsere Minister soll es bitte noch nicht gelten“.

(Beifall FDP)

Das ist der entscheidende Punkt bei der ganzen Angelegenheit. Es geht hier eben auch nicht, lieber Kollege Korschewsky, um eine Rückwirkung, das ist ein bisschen ein Missverständnis, sondern es geht in dem Gutachten der Landtagsverwaltung und, Herr Pidde, das fand ich schon wirklich als ganz besonderen großen Sport, den Sie hier geboten haben -, ich finde, wenn wir als Abgeordnete den Wissenschaftlichen Dienst der Landtagsverwaltung in Anspruch nehmen, dass wir dann zumindest respektvoll mit der Arbeit umgehen. Wir müssen die Meinungen dort nicht teilen,

(Beifall CDU, FDP)

aber das zu diskreditieren, halte ich für unwürdig, das haben Sie auch nicht nötig, sollte man jedenfalls denken. Es geht nicht um eine Rückwirkung, sondern es geht einfach nur um die Frage, ob es zulässig wäre oder ob es sich verbietet, die vorgesehenen Regelungen auch für die Mitglieder der aktuellen Landesregierung in Ansatz zu bringen, die noch keine Anwartschaft haben. Diese Frage hat das Gutachten mit Ja beantwortet. Dass Ihnen das nicht gefällt, das haben auch alle jetzt begrif

fen, die es bis jetzt noch nicht wussten, aber es steht zumindest einmal in diesem Gutachten drin. Es soll eben nur für die anderen gelten. Die SPD hat uns in den letzten vier, sechs Wochen ein Schauspiel geboten, was schon wirklich bemerkenswert war. Nachdem die Landesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt hatte, haben Sie in die eine Hand einen Nasenring genommen, an dem Sie den ehemaligen Ministerpräsidenten hier durch die Manege geführt haben, über dessen Höhe und Art und Weise des Zustandekommens der Ruhestandsbezüge wir hier gar nicht befinden müssen, weil das auch geregelt wird mit dem neuen Gesetz und im Übrigen in einer Weise geregelt wird, die auch angemessen ist. In der anderen Hand hatten Sie eine große Nebelkerze und in diesem selbst erzeugten Nebel haben Sie versucht, Ihre eigenen Schiffchen oder Quietschenten - wie auch immer -, die vier, in den sicheren Hafen zu lotsen.

(Zwischenruf Abg. Hauboldt, DIE LINKE: Das war der weiße Rauch.)

(Beifall FDP)

Dann kam ein Windstoß, als wir nämlich verkündet haben, wenn dieser Gesetzentwurf nicht so zeitig auf die Tagesordnung des Landtags kommt, dass die Frage tatsächlich noch relevant ist, ob das für die fünf neuen Minister auch gilt, mit diesem Windstoß ist der Nebel beiseite geweht worden und plötzlich standen Sie im Licht. Dann ging das Theater los. Da wurde der Gesetzentwurf zurückgezogen und Herr Höhn sagte, die angemeldeten Änderungen des Koalitionspartners CDU müssten besprochen und geprüft werden. Kurz darauf hat man, weil diese Prüfung offenbar nicht so einfach war, sicherheitshalber mal angemeldet, dass es verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vorgesehenen Änderungen gab. Dann Presse, wie man sie sich wünscht: „Koalitionskrach um Pensionen spitzt sich zu.“ „Das Kabinett spart nicht bei sich selbst.“ Bei den Einigungsversuchen wurden dann sicherheitshalber auch noch mal die gegensätzlichen Positionen dargestellt. Die der CDU lautet: „Wir wollen, dass diejenigen, die bis dato keine Ansprüche nach der alten Rechtslage erworben haben, dies auch nicht mehr können. Das wäre der Öffentlichkeit nämlich nicht vermittelbar“ - Herr Hahn, der Fraktionssprecher der CDU. Für nicht mit der Verfassung vereinbar hielt es im selben Artikel nach wie vor die SPD. Jetzt wird es natürlich trotzdem durchgesetzt. Die SPD macht das, was sie die ganze Zeit gemacht hat, sie schickt sicherheitshalber andere vor. Der Fraktionsvorsitzende wird gestern mit den Worten zitiert: „Die Ministerpräsidentin steht nun im Wort, die Vereinbarung auch umzusetzen.“ Wenn man aber jemanden vorschickt, braucht man auch jemanden, der sich vorschicken lässt. Das macht die Ministerpräsidentin auch bereitwillig.

(Zwischenruf Lieberknecht, Ministerpräsiden- tin: Ich halte immer mein Wort.)

Sie wird zitiert mit den Worten: „Es gilt, was im Kabinett beschlossen wurde.“ Sie irren beide, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es ist ein Gesetz und ein Gesetz beschließt der Landtag. Es gilt, was hier im Landtag beschlossen wird.

(Beifall FDP)

Deshalb haben wir das letzte Wort in dieser Frage. Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann und will ich Ihnen das alles hier auch gar nicht ersparen. Es ist nach dem Gutachten der Landtagsverwaltung verfassungsrechtlich zulässig, die Regelungen auch auf die Regierungsmitglieder anzuwenden

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Die Frage ist, wer hier wen vorschickt.)

- wir brauchen niemanden vorzuschicken, das können wir alles allein -, die in dieser Legislatur auch neu im Kabinett sind. Die Frage ist: Worum geht es denn eigentlich? Worüber reden wir hier? Man hat ja den Eindruck, dieser Landtag will beschließen, dass Minister künftig überhaupt keine Rente mehr bekommen. Das ist überhaupt nicht der Fall. Bisher bekommen Minister, die man - Herr Pidde - ausdrücklich gut bezahlen muss, wenn man gute Leute auf der Regierungsbank haben will, um diesen Punkt geht es hier überhaupt nicht, wir reden hier über Pensionsansprüche -, bisher hat ein Minister einen Pensionsanspruch, wenn er zwei Jahre im Amt war, nach Erreichen des 60. Lebensjahres. Wenn er vier Jahre im Amt war, darf er mit 55 Jahren in Rente gehen. Ich lasse die Zahlen mal weg, um die Neiddebatte gar nicht zu befeuern. Nach dem neuen Gesetzentwurf sollen Minister bis zum 67. Lebensjahr warten müssen, bevor ihre Rentenansprüche dann auch tatsächlich fällig werden. Wenn sie eher in Rente gehen wollen, müssen sie entsprechende Abschläge in Kauf nehmen. Das ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, nichts anderes, als es für Hunderttausende, für Millionen arbeitende Menschen in Thüringen und in Deutschland schlicht und ergreifend geltendes Recht und geltende Realität ist.

(Beifall FDP)

Nichts anderes ist das. Meine Mutter hat 45 Jahre gearbeitet und bekommt 700 € Rente. Ich will gar nicht darüber reden, lieber Herr Korschewsky, wie viel sie in der DDR bekommen hätte.

(Beifall FDP)

Das war eine Bewerbungsrede für Ihren Parteitag. Ob die Ihnen hilft, werden Sie nächste Woche sehen. Aber erklären Sie dieser Frau einmal, dass es nicht in Ordnung sein soll, dass Minister auch warten, bis sie ihre Regelaltersgrenze erreichen, bevor

sie ihre Rente bekommen. Ich kann meiner Mutter das nicht erklären und ich will es auch nicht.

(Beifall FDP)

Aber ich will es mal konkret machen, denn es hat ja mit Personen zu tun. Wir reden ja hier nicht über eine ganz abstrakte Materie, die irgendwo im Thüringer Wald stattfindet, sondern es geht hier um real existierende Personen, die zum größten Teil auch hier im Raum sind. Herr Minister Poppenhäger, ich mache das jetzt dem Alter nach, wird im Jahr 2017 60 Jahre, kann also nach Ende der Legislatur, wenn er vier Jahre voll hat, die Legislatur dauert fünf Jahre, unmittelbar in Rente gehen nach dem dann für ihn auch geltenden Recht, wenn das so beschlossen wird.

Frau Ministerin Taubert, es tut mir leid, bei Damen macht man das eigentlich nicht, aber sie ist ein Jahr später dran, kann also mit 55 Jahren nach vier Jahren auch unmittelbar in Rente gehen.

Für Herrn Machnig gilt das mit Einschränkungen. Er muss dann noch ein paar Jahre warten, denn er ist erst im Jahr 2020 dran.

(Unruhe im Hause)

Sie müssten die Übergangsregelung noch in Anspruch nehmen, um dann in Rente gehen zu können. Für Herrn Matschie gilt das ein Jahr später. Herr Carius ist im Jahr 2036 dran - der Vollständigkeit halber. Wenn wir uns dann auch noch erinnern an diese Debatte, dann können wir ihm vielleicht dazu entsprechend dann auch gratulieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Wahrheit, und das ist mein Vorwurf, ist das Selbstbedienungsmentalität.

(Beifall FDP)

Die SPD läuft hier rum, sie lassen keine Debatte aus,

(Unruhe SPD)

um uns hier etwas über ihren Wirtschaftsminister, über ihre Sozialministerin und viele andere zu erzählen über gerechte Löhne und angemessene Renten und über Gerechtigkeit. Konsequenterweise fangen Sie bei sich selber schon einmal an.

(Beifall DIE LINKE)

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist an Verlogenheit nicht zu überbieten. Die CDU macht das alles um des lieben Friedens willen mit. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist moralisch jetzt auch nicht viel besser.

Diese Frage, ob vier Minister bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze warten müssen oder schon fünf, sechs Jahre eher in Rente gehen dürfen, ist es wert, dass ein Koalitionskrach sich ausbreitet, der

das Land an die Grenze der Regierungsfähigkeit bringt, da wird quasi die Koalitionsfrage gestellt,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: So eine be- scheuerte Rede. Das ist doch ein Heuchler.)

wegen einer Regelung, die die SPD noch vor wenigen Wochen aus dem beschriebenen Nebel heraus als Luxusversorgung gegeißelt hat, nur damit Sie das für Ihre vier Minister auch bekommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das alles nicht stimmt, falls ich völlig daneben liegen sollte, dann haben wir einen Änderungsantrag vorbereitet, dem Sie nur zustimmen brauchen, den wir zur namentlichen Abstimmung stellen werden, der sicherstellt, dass die ganzen inhaltlich wirklich guten Regelungen, die Herr Dr. Pidde mit Verve hier vorgetragen hat, die alle inhaltlich richtig sind, dass die auch schon für die Mitglieder der Thüringer Landesregierung gelten, die am Beginn dieser Legislatur ins Amt gekommen sind.

(Beifall FDP)

Ich fordere die vier betroffenen Minister auf, stellen Sie sich hier hin und sagen Sie, die Frage, dass ich mit 55 oder mit 60 in Rente gehen kann, ist mir so wichtig, dass wir hier dieses Gesetz verabschieden, die ist mir so wichtig, dass ein Koalitionskrach deswegen heraufbeschworen wird, diese Frage ist für mich so wichtig, dass ich das will und ansonsten nicht bereit bin, hier weiterzumachen. Wenigstens mit diesem Mut sollten Sie sich diese Versorgung erkaufen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Recht herzlichen Dank.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat der Abgeordnete Meyer von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich werde mal die Debatte versuchen anzufangen mit ein paar Fakten aus dem Antrag, den Herr Dr. Pidde als „hingeschustert“ postuliert hat, aus unserem Änderungsantrag nämlich, das war schon ein starkes Stück. Wir legen hier einen Gesetzentwurf vor 18 Monaten vor und was wir heute erleben, dazu komme ich noch.

Wir haben versucht, Sachlichkeit in diese Debatte zu bringen gleich am Anfang, und das versuchen wir heute Abend auch noch mal. Wir haben ein Benchmarking durchgeführt und die Thüringer Regelungen, die es bis dahin gegeben hat und heute auch noch gibt, mit denen anderer Länder und des Bundes und des Beamtenrechts verglichen. Wir

können feststellen, dass die Minister und die Ministerpräsidenten, respektive -präsidentinnen, gemessen an der Größe des Landes, ein durchaus stattliches Einkommen haben. Das sollte man vielleicht nicht immer Lex Althaus nennen, vielleicht kann man es auch mal Lex Vogel nennen. Das Thema, warum Ministerpräsidenten in Thüringen so viel verdienen wie in drei- oder viermal so großen Bundesländern nicht, ist überhaupt nie diskutiert worden, weil das scheinbar niemanden hier interessiert hat, was das für die politische Kultur bedeuten kann. Und wir reden nicht von viel Geld, übrigens nebenbei bemerkt. Statt dieses also zu verringern und dem Durchschnitt anzupassen, haben wir vorgeschlagen, einfach „nur“ die antiquierte Aufwandsentschädigung für neue Kleidung und Schuhe oder den erhöhten Frisierbesuchsrhythmus oder was immer man mit dieser Aufwandsentschädigung machen sollte für sein Amt, zu streichen. Wir haben auch ganz bewusst in unseren Redebeiträgen niemals versucht, daraus eine Neiddebatte anzufangen. Ich bin durchaus der Meinung, dass über die gesamte Höhe der Entschädigungen für dieses Amt als Ministerpräsidentin oder Minister durchaus zu reden sein könnte, wenn man es denn ehrlich meinen würde. Auch die Debatte zu unseren Diäten beispielsweise hat teilweise Züge, die ich hier vorne auch nicht wiederholen will. Darum ging es uns jedes Mal nicht. Aber wenn wir uns den Sparzwang beim nächsten und übernächsten Mal im Haushalt wieder anschauen und dann wegen solcher Lächerlichkeiten, die nach außen nicht zu vermitteln sind, hier noch nicht mal ein Wort darüber verlieren wollen, ist das unserer Ansicht nach peinlich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben den Ruhegehaltsanspruch nicht bereits nach zwei Jahren, sondern erst nach fünf Jahren wie bei Beamten und Bundesministern versucht Ihnen schmackhaft zu machen. Wir wollten damit unter anderem auch erreichen, dass Sie eine Konsistenz hinbekommen zwischen diesen Regelungen. Darauf komme ich nachher gleich noch mal zurück, wenn es um das Thema Rückwirkung geht. Gleichzeitig wollten wir analog dieser Regelung einen Anspruch auf Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung haben. Mit Verlaub gesagt, die Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung sorgt auch für Rentenansprüche, die deutlich über dem liegen, was die meisten anderen Menschen in dieser Zeit für sich erwirtschaften können. Kurze Bemerkung, Herr Barth, wenn Ihre Mutter 45 Jahre gearbeitet hat und jetzt 700 € Rente bekommt, könnte sie Friseurin sein. Das ist ein Beruf, wo so was leider passiert, habe ich mir sagen lassen.