Protokoll der Sitzung vom 13.10.2011

Wenn wir die Debatte gehört haben mit dem Vollzug einer solchen Sache gegen den Willen der Landkreise, dann sage ich aus der Praxis, auch aus der Kreistagspraxis, das es in meinen Augen einen sehr guten Grund hat, wenn wir eine relativ hohe Hemmschwelle drin haben für den Wechsel von Kommunen über die Landkreisgrenze hinweg, ganz einfach aus folgendem Grund: Natürlich würde ein Landkreis, wenn er jederzeit damit rechnen muss, dass Fliehkräfte einsetzen und Kommunen weggehen, sich genau überlegen, wo er investiert etwa im Kreisstraßennetz, wo er investiert etwa als Schulträger und dergleichen mehr. Es ist schon richtig, wenn wie bis jetzt gang und gäbe dort auf Augenhöhe und sinnvoll verhandelt wird. Es ist auch nicht so, dass es Dauerzustand oder ein Dauerproblem wäre, meine Damen und Herren. Wir sind der Auffassung, dieser Gesetzentwurf ist überflüssig wie ein Kropf und wir werden bei dem bleiben, was wir beim letzten Mal auch gesagt haben, nämlich ablehnen. Ich danke Ihnen.

(Abg. Hey)

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Bergner, es hat sich noch einmal zu Wort gemeldet der Abgeordnete Kuschel für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, nur zwei kurze Anmerkungen. Herr Kellner, Sie kennen ja den Herrn Brychcy (Präsident des Gemeinde- und Städtebundes), mit dem sitzen Sie auch gemeinsam im Kreistag Gotha, Sie sind beide CDU, gestandene Kommunalpolitiker. Der hat heute bei einem Pressegespräch folgendes gesagt. Ich darf zitieren, Frau Präsidentin, mit Ihrer Genehmigung: „Herr Kellner soll sich möglichst nicht mehr zu kommunalen Problemen äußern.“ Offenbar hat Sie das noch nicht erreicht, sonst hätten Sie hier nicht gesprochen. Das sollten Sie beherzigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Kellner, wir scheuen uns als LINKE vor Ort in Arnstadt nicht, darüber zu diskutieren, mit Gemeinden im Landkreis Gotha zusammenzuarbeiten. Sie wissen ja, es gibt Diskussionen nicht nur mit Ichtershausen, sondern auch mit der Wachsenburggemeinde. Wir haben zum Beispiel vorgeschlagen, die Identität der Wachsenburggemeinde bezieht sich im Wesentlichen auf die Drei Gleichen. Sie haben im Landkreis Gotha eine Gemeinde Drei Gleichen und haben deshalb gesagt, aus raumordnerischer, landesplanerischer Sicht halten wir es gar nicht für sinnvoll, die Wachsenburggemeinde, die zurzeit von der Stadt Arnstadt erfüllt wird, geschlossen nach Arnstadt zu holen, sondern wir haben gesagt, drei Orte, also Röhrensee, Holzhausen, Haarhausen sollten mit der Gemeinde Drei Gleichen fusionieren. Dann wäre es auch tatsächlich eine Gemeinde Drei Gleichen. Sülzenbrücken hat schon immer natürliche Beziehungen auch kulturhistorisch Richtung Neudietendorf. Die können da zu NesseApfelstädt und der Ortsteil Bittstädt, der ist historisch mit der Stadt Arnstadt verwachsen. Wir haben keine Angst oder keine Bedenken gegen derartige Diskussionen.

Herr Hey, eine Anmerkung, weil es mir bisher hier im Plenum nicht gelungen ist, Sie zu überzeugen.

Herr Kuschel, gestatten Sie zunächst eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kellner?

Sehr gern, bitte.

Herr Kuschel, ist Ihnen bekannt, dass die Wachsenburggemeinde die Bürger sich für eine andere Richtung entschieden haben und mit großer Mehrheit als zu den Drei Gleichen? Das Thema stand an der Stelle noch nie, sondern ein anderes Thema, nämlich Ichtershausen. Ist Ihnen das bekannt?

Ja, selbstverständlich. Es gab eine Bürgerbefragung. Ich habe hier unsere Position als Arnstädter LINKE dargestellt. Den Bürgerinnen und Bürgern aus der Wachsenburggemeinde und Ichtershausen wurde während der Bürgerbefragung nur eine Variante zur Abstimmung gestellt, nämlich die Fusion zwischen der Wachsenburggemeinde und Ichtershausen. Wir sagen, es gibt verschiedene Varianten. Wir bedauern es, dass verantwortungsvolle Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker so eine Bürgerbefragung sehr verkürzt gemacht haben. Es wäre sicher sehr spannend geworden, wenn man den Bürgerinnen und Bürgern verschiedene Varianten vorgegeben hätte, für welche sie sich entschieden hätten.

Also noch einmal zu Ihnen, Herr Hey, Sie werden sicherlich jetzt wegen meiner Erwiderung in Ihrer Fraktion dafür werben, dass der Gesetzentwurf noch einmal an den Innenausschuss überwiesen wird. Sie haben tatsächlich auf ein Kernproblem unseres Gesetzentwurfs hingewiesen, nämlich das öffentliche Interesse. Sie wissen, das ist ein unbestimmter Rechtsbegriff - öffentliches Interesse. Mit unserem Gesetzentwurf konkretisieren wir Ihren. Wir definieren nämlich, ein öffentliches Interesse liegt immer dann vor, wenn sich die Gemeinden einig sind. Das ist zulässig und das ist eine Ausgestaltung der jetzigen Regelung in § 92 und steht deshalb überhaupt nicht im Widerspruch, weil in § 92 zurzeit nur der unbestimmte Rechtsbegriff „öffentliches Interesse“ steht. Wir sagen, wir konkretisieren ihn. Über dieses Problem würde ich sehr gern mit Ihnen weiter diskutieren. Nicht beim Kaffee, das geht auch, sondern in den parlamentarischen Geflogenheiten, das heißt im Ausschuss. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Kuschel. Es hat sich noch einmal zu Wort gemeldet der Abgeordnete Hey für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kuschel, es mag ja sein, dass der Begriff „öffentliches Wohl“ rechtlich nicht genau definiert ist. Das ist relativ schwierig, aber öf

(Abg. Bergner)

fentliches Wohl, und das ist das, was ich versuchte, auch darzustellen, agiert nicht immer nur aufseiten der Gemeinden. Es gibt beispielsweise auch angestrebte freiwillige Gemeindezusammenschlüsse, wo ein zentraler Ort, der direkt vor den Toren dieser neu zusammenschließenden Gemeinden oder dieses Gemeindegebildes entstehen könnte, der liegt vor Ort und die Gemeinden könnten so eine Art Krakengemeinde drumherum bilden und behindern damit die Entwicklung dieses zentralen Ortes. Dann ist doch das öffentliche Wohl …

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Gut erkannt, trifft auch auf den Fall Ichtershausen und Wachsenburg genauso zu.)

Ja, ich könnte alle möglichen Dinge jetzt nehmen, Herr Kuschel, aber es ist doch abzuwägen, was beim öffentlichen Wohl dann überwiegt. Man kann nicht immer nur sagen - das ist das, was ich vorhin versuchte in irgendeiner Form darzulegen -, dass nur das, was Gemeinden wollen, öffentliches Wohl darstellt. Nein, es geht auch darum, ob die sich zu einem sinnvollen Gebilde, zu einer sinnvollen Einheit zusammenschließen, die nicht alle anderen, die um sie herum liegen, beispielsweise in ihrer Entwicklung behindern. Das muss man letzten Endes nicht beim Kaffee und auch nicht im Innenausschuss in irgendeiner Form diskutieren, das steht schon fest und deswegen sind wir auch gegen eine Ablehnung. Das wollte ich noch einmal klarstellen. Danke.

(Beifall SPD)

Vielen herzlichen Dank, Herr Hey. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Doch, Herr Staatssekretär hat sich zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, am 16. September dieses Jahres wurde der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE für ein Gemeindeneugliederungsbeschleunigungsgesetz im Thüringer Landtag in seiner ersten Lesung eingehend behandelt. Herr Innenminister Geibert hat die Ablehnung der Landesregierung dargelegt und im Einzelnen begründet. Hieran hat sich zwischenzeitlich nichts geändert. Herr Hey hat gerade noch einmal sehr überzeugend dargelegt, dass das so ist. Deswegen kann ich mich auf eine Bemerkung beschränken. Herr Abgeordneter Kuschel hat die Auffassung vertreten, dass bei Neugliederungen unter anderem in verfassungsrechtlicher Hinsicht den Interessen der Gemeinden ein höheres Gewicht beizumessen ist als den Landkreisen.

(Beifall DIE LINKE)

Diese Auffassung ist nicht zutreffend. Der Schutz für den Bestand und das Gebiet von Städten, Gemeinden und Landkreisen ist prinzipiell gleich stark ausgeprägt. Gemeinden und Landkreise werden durch Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes und Artikel 92 der Verfassung des Freistaats Thüringen gleichrangig geschützt. Hierbei kann man aus unterschiedlichen kommunalen Zuständigkeiten keinen grundsätzlichen Vorrang der Gemeinden ableiten. Das spiegelt sich auch in den §§ 9 und 92 der Thüringer Kommunalordnung wider. Ich empfehle daher die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Rieder. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Es wurde jedoch noch einmal Ausschussüberweisung an den Innenausschuss beantragt. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über diesen Überweisungsantrag. Wer diesem folgen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aus den Reihen von CDU, SPD und FDP. Gibt es Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Dann ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.

Wir kommen jetzt direkt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/3237 in zweiter Beratung. Wer diesem folgen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen von den Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Gibt es Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aus FDP, CDU und SPD. Gibt es Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Gesetzentwurf mehrheitlich abgelehnt.

Wir stimmen jetzt in der Schlussabstimmung ab. Dazu bitte ich Sie, sich von den Plätzen zu erheben, wenn Sie zustimmen möchten. Verzeihung, jetzt war ich verwirrt. Ich gebe zu, wir erheben uns jetzt nicht, das Gesetzesvorhaben ist abgelehnt, damit hat sich das erledigt. Verzeihung.

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 13, nachdem der vorherige Tagesordnungspunkt selbstverständlich geschlossen ist, und zwar wird dieser Tagesordnungspunkt gemäß unserer Verabredung gestern heute als letzter Tagesordnungspunkt aufgerufen.

Europapolitische Strategie der Landesregierung - Thüringen in Europa stärken

(Abg. Hey)

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drucksache 5/3295 - Neufassung

Wünscht jemand der Fraktionen der CDU und der SPD das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht zu Nummer 2 des Antrags. Für die Landesregierung darf ich jetzt Frau Ministerin Walsmann das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, erst gestern haben wir in einer Aktuellen Stunde über die Euro-Schuldenkrise diskutiert. Eines ist trotz aller Unterschiede in der Bewertung deutlich geworden, die Probleme eines EU-Mitgliedstaates werden sehr schnell zu Problemen der anderen Mitgliedstaaten. Deshalb ist gemeinschaftliches Handeln gefragt. Eine Flucht in nationale Denkmuster mag kurzfristig Beifall bringen. Aber nach meiner festen Überzeugung wird das den Problemen nicht gerecht. EU-Kommissar Oettinger hat das vor gut einem Jahr hier in Erfurt auf den Punkt gebracht, als er von Europa als der untersten Betriebsgröße zur Lösung vieler Herausforderungen sprach. Uns muss klar sein, wir sind auf Europa angewiesen, wenn wir im Wettbewerb der globalisierten Welt mithalten wollen. Die Einführung des Euro war ein notwendiger Schritt, von dem insbesondere Deutschland in ungeheurem Ausmaß profitiert hat. Jetzt gilt es, die Webfehler zu korrigieren, die zu der aktuellen Krise geführt haben. Und dabei ist eines schon jetzt klar, die Euro-Schuldenkrise führt zu einem Integrationsschub. Die verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung und die anderen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Schuldenkrise weisen ganz klar in eine Richtung, die Forderung nach mehr Europa ist vor diesem Hintergrund berechtigt. Gleichzeitig fallen uns aber sicher allen Beispiele ein, wo europäische Regelungen nicht oder jedenfalls in geringerem Ausmaße erforderlich sind, etwa zum Salzgehalt von Backwaren oder zur Lösung von Verkehrsproblemen in Innenstädten, ich erinnere an das Grünbuch innerstädtischer Verkehr. Deshalb helfen uns pauschale Rufe nach dem großen Wurf, etwa in Form der Vereinigten Staaten von Europa ebenso wenig weiter, wie reflexartige Hinweise auf das Subsidiaritätsprinzip, wenn es um neue europäische Vorhaben geht. Wir können uns die notwendige Diskussion darüber, wo wir mehr und wo wir weniger Europa brauchen, nicht ersparen. Die Losung lautet: Mehr Europa, wo es nötig ist, wenig Europa, wo es möglich ist.

Meine Damen und Herren, die Euro-Schuldenkrise bleibt trotz aller Schwierigkeiten und berechtigter

Sorgen die große Chance, mit den Thüringerinnen und Thüringern über die EU ins Gespräch zu kommen. Die Leute registrieren: „Was in Europa geschieht, betrifft auch mich.“ Wir müssen verdeutlichen, welche Auswirkungen europäische Politik auf das Land und die Kommunen mittlerweile hat und wie der Freistaat auf die Entwicklungen Einfluss nehmen kann und auch nimmt. Ich begrüße daher den Antrag der Koalitionsfraktionen zur neugefassten europapolitischen Strategie der Landesregierung. Bei der Formulierung sind wir von zwei Prämissen ausgegangen. Erstens - Prioritätensetzung: Das Papier identifiziert die für Thüringen besonders wichtigen Themen.

Zweitens - konsequente Ausrichtung an Thüringer Interessen- und Handlungsmöglichkeiten: Die europapolitische Strategie konzentriert sich darauf, diese Interessen zu konkretisieren sowie Instrumente zur Durchsetzung dieser Interessen zu beschreiben.

Die vielen Themen den Leitinitiativen der EU 2020-Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum zuzuordnen, deshalb haben wir sie in einem erweiterten Teil zur Strategie Europa 2020 behandelt. Dadurch ist auch die schlüssige Einordnung der Themen in einem politischen Gesamtansatz gewährleistet.

Es sollen auch keine Missverständnisse aufkommen. Deshalb betone ich, das bedeutet keine Verengung auf eine rein monetäre wirtschaftspolitische Sichtweise. Beispielsweise nehmen umwelt- und sozialpolitische Aspekte bei der Positionierung Thüringens zu den Leitinitiativen der 2020-Strategie breiten Raum ein.

Im Ausschuss werden wir noch ausreichend Gelegenheit haben, intensiv über die einzelnen Themenbereiche zu sprechen. Ich beschränke mich heute auf wenige zentrale Aspekte.

Erstens - Wettbewerbsfähigkeit EU 2020: Die Strategie Europa 2020 habe ich schon erwähnt, sie bildet den politischen Handlungsrahmen für die Politik der Europäischen Union in den kommenden zehn Jahren und strahlt, ob man will oder nicht, auf nahezu alle Politikbereiche aus. Zentrale Ziele der EU-Strategie stimmen mit den Zielen der Landesregierung überein, so etwa Beschäftigung, intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum sowie der Schutz und die Erhaltung der natürlichen Umwelt. Das alles entspricht auch dem politischen Programm der Landesregierung. Unsere Regierungsarbeit ist damit ein unmittelbarer Beitrag zur Verwirklichung der Strategie Europa 2020 auf regionaler Ebene. Problematisch wird es dort, wo es zu Kompetenzüberschneidungen zwischen den verschiedenen Ebenen regional, national und Europäischer Union kommt. Der vorgesehene Mechanismus von verbindlichen nationalen Zielen in fünf Kernbereichen darf nicht in die durch den Lissabon

(Vizepräsidentin Rothe-Beinlich)

Vertrag eingeführte klare Kompetenzverteilung zwischen Europäischer Union und den Mitgliedstaaten eingreifen.

Auch auf Druck aus den Ländern haben wir in Brüssel - auch Dank der Unterstützung seitens des Ausschusses der Regionen - erreicht, dass es zum Beispiel bei den quantitativen Zielen im Bildungsbereich keine verbindlichen Empfehlungen der Kommission und keine Sanktionen geben wird. Die Rolle des AdR möchte ich zum Anlass nehmen, an dieser Stelle ganz herzlich meinem Kollegen Herrn Poppenhäger für sein Engagement in diesem Gremium zu danken; Sie haben sich in den vergangenen zwei Jahren für die Belange Thüringens mit Erfolg eingesetzt und diese Arbeit wird es mir erleichtern, nach dem geplanten Wechsel Anfang 2012 diese Arbeit fortzusetzen und konzentriert in einer Hand zu führen.

Die Landesregierung hat damit auch ein zweites wichtiges Thema in den Mittelpunkt gerückt, den Mittelfristigen Finanzrahmen und die Zukunft der Kohäsionspolitik. Die Strategie Europa 2020 bildet auch den Rahmen für die Ausgestaltung der Kohäsionspolitik nach 2013. Dass dieses Thema für Thüringen und die anderen jungen Länder von herausragender Bedeutung ist; ich glaube, das muss ich an dieser Stelle nicht noch einmal betonen. Darüber haben wir oft gesprochen. Die Landesregierung hat sich der Problematik gemeinsam mit den anderen jungen Ländern frühzeitig angenommen. Die Beschlüsse der ersten Ministerpräsidentenkonferenz Ost datieren aus dem Jahr 2009 dazu. Klar ist, wir werden den Status als Höchstfördergebiet verlieren, daran führt kein Weg vorbei. Auch wenn das bedeutet, dass wir weniger Geld aus Brüssel erhalten werden. Es ist eine gute Nachricht, denn wir wollen nicht auf Dauer zu den bedürftigsten Regionen Europas gehören. Wer mit offenen Augen durch das Land geht, kann an vielen Stellen und Projekten sehen, wie stark Thüringen von Europa profitiert hat. Die Thüringer Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen. Die Infrastruktur in unserem Land ist auf einem modernen Stand. Wir zählen zu den attraktivsten Investitionsstandorten in Deutschland und Europa. Dass wir aus der Gruppe der Höchstfördergebiete herausfallen, liegt also auch an unserer guten Entwicklung. Allerdings darf ein allzu abruptes Wegbrechen der Förderung diese Erfolge nicht gefährden und es gibt weiterhin Defizite, die besonderer Förderung auch weiterhin bedürfen. Unsere Forderung nach Übergangsregelungen trägt diesem Umstand Rechnung. Wir sind davon überzeugt, dass die Mittelreduzierung auf maximal zwei Drittel der derzeitigen Ausstattung begrenzt werden sollte. Die Landesregierung hat seither in vielen Gesprächen vor Ort mit Vertretern des Europäischen Parlaments - ich war bei der Kommission - und mit der Bundesregierung gemeinsam aktiv für

diese Position geworben. Wir sind auch nicht auf taube Ohren gestoßen. Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen und vergangene Woche auch in ihren Entwürfen für die neuen Strukturfondsverordnungen diesen Punkt aufgegriffen. Ein großer Erfolg für die jungen Länder.

In ihrer Mitteilung zur finanziellen Vorausschau und in den Verordnungsentwürfen positioniert sich die Kommission auch zu weiteren Eckpunkten der Kohäsionspolitik ab 2014. Hier haben wir nach erster Sichtung noch Überzeugungsarbeit zu leisten, damit wir die Erfolgsgeschichte der Strukturförderung in Thüringen auch nach 2013 fortsetzen können. Ich sehe vor allem die Gefahr, dass unsere Spielräume für die Mittelverwendung erheblich eingeschränkt werden. Hier müssen wir uns Freiräume erhalten, um auf regionale Besonderheiten flexibel reagieren zu können. Die Übergangsregionen sind zudem gehalten, eine feste Quote von 40 Prozent der Strukturfondsmittel für Investitionen aus dem ESF vorzusehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Thüringen sind derzeit 30 Prozent der Mittel für den ESF gebunden. Gegen diese und andere Beschränkungen regionaler Spielräume bei der Formulierung von Förderstrategien werden wir uns stark machen. Welche Förderstrategie für Thüringen richtig und die Beste ist, ich glaube, meine Damen und Herren, das kann am besten in Thüringen beurteilt werden. Bereits Anfang September haben wir in unserer Kabinettssitzung in Brüssel mit den Kommissaren Hahn und Oettinger darüber gesprochen und vor einer Woche hat die MPK-Ost ebenfalls einen entsprechenden Beschluss gefasst. Die morgige Bundesratsstellungnahme zum mehrjährigen Finanzrahmen wird auch noch einmal die wichtigsten ostdeutschen Positionen enthalten. Wir sind also bei dieser Forderung nicht allein, sondern handeln im Verbund mit den anderen Ländern.

Der dritte mir wichtige Punkt betrifft die Zukunft der gemeinsamen Agrarpolitik. Die Mitteilung der Kommission zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen enthält auch Angaben zur Struktur und Mittelausstattung der künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik. Sie haben gestern durch die Rechtsvorschläge der Kommission eine weitere Konkretisierung erfahren. Hier, meine Damen und Herren, zeichnet sich immer mehr ein Paradigmenwechsel ab. Die Landwirtschaft soll verstärkt andere Aufgaben als die Steigerung der Agrarproduktion erfüllen. Vielmehr sollen Agrar- und Umweltpolitik stärker als in der Vergangenheit miteinander verbunden werden. In der EU-Sprache heißt das „Greening“. Die Landesregierung unterstützt grundsätzlich die stärkere Gewichtung umweltpolitischer Aspekte, damit wir uns nicht falsch verstehen. Wir wollen aber vermeiden,