Protokoll der Sitzung vom 16.11.2011

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lassen Sie mich zuerst sehr unaufgeregt, aber klar und deutlich sagen: Für mich war die Umsetzung der 47 ehemaligen Stasi-Mitarbeiter längst überfällig.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Gerade in den letzten Lebensjahren habe ich mit Jürgen Fuchs intensive Gespräche gerade zu dieser Thematik geführt. Er hatte ja Mitte der 90erJahre in der Stasi-Unterlagen-Behörde zu seinem Roman „Magdalena“ recherchiert. Es hat ihn psychisch und sogar physisch enorm belastet, dort ehemaligen Stasi-Mitarbeitern zu begegnen, und, meine Damen und Herren, es waren nicht nur Hausmeister. Das war nicht nur für ihn ein unerträglicher Zustand. Dieser Zustand, der soll nun beendet werden.

Meine Damen und Herren, natürlich ist es immer eine Güterabwägung. Ich weiß sehr wohl, dass die Rechtsauffassungen hier auch nicht einheitlich sind. Aber meine Damen und Herren, wir leben in einem Rechtsstaat, wir leben in einer Demokratie, und da gibt es das Recht der Klage. Auf eine Ausdehnung der Überprüfung hätte ich sehr wohl verzichten können, aber hier geht es vor allem um die Personen, die bisher falsche Angaben gemacht haben. Da stimme ich Roland Jahn zu, das Lügen darf nicht belohnt werden.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Ich bin übrigens seit 1990 regelmäßig überprüft worden und habe mich dabei nie unter Generalverdacht gefühlt. Für mich gilt, der eine oder andere mag eine Philosophie oder eine Ideologie haben, ich habe eine Biographie. Da werde ich mich nicht verbiegen, ob das politisch in die Zeit passt oder nicht. Wir alle sollten einen Satz von Jürgen Fuchs nie vergessen: „Wer vorschlägt, zur Tagesordnung überzugehen, plädiert für ein erneutes Loslösen von der humanen Orientierung.“

(Beifall CDU, SPD)

Ich möchte noch gern zwei Sätze zum Kollegen Barth sagen. Kollege Barth, ich wünschte mir, dass Sie mit gleichem Eifer, wie Sie sich dem heutigen Thema gewidmet haben, auch der Blockparteivergangenheit der FDP-Ost widmen würden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, das wäre Ihrer Glaubwürdigkeit sehr wohl förderlich. Denn es gibt eine Form von Wichtigtuerei, die sich so geschwollen gibt, dass sie manch einer für Intelligenz hält. Aber sie ist eigentlich nur peinlich. Danke.

(Abg. Rothe-Beinlich)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir keine weiteren Redemeldungen mehr vor. Für die Landesregierung Herr Innenminister Geibert bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, vor wenigen Tagen wurde vor dem Thüringer Landtag durch Frau Präsidentin des Thüringer Landtags und den Oberbürgermeister der Stadt Erfurt in Anwesenheit des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR Roland Jahn ein Zusatzschild „Jürgen Fuchs“ enthüllt. Bei der anschließenden Gedenkfeier hier im Plenarsaal sagte Roland Jahn unter anderem, ich zitiere: „Um Jürgen Fuchs stellvertretend für alle Opfer des DDR-Regimes gerecht zu werden, bedarf es der Aufklärung und der Transparenz. Das Wissen über das Wirken der Staatssicherheit der DDR fördert das Bewusstsein für mehr Transparenz von staatlichem Handeln in unserer Demokratie. Transparenz und Aufklärung sind der beste Weg, einen gesellschaftlichen Diskurs zu führen über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Institutionen unserer Demokratie einer Prüfung im Spiegel der Diktatur zu unterziehen, schärft die demokratischen Sinne. Vertrauen in die Institutionen unserer Demokratie ist daher eine wesentliche Säule unseres Rechtsstaates. Transparenz schafft Vertrauen. Transparenz heißt nicht Generalverdacht, im Gegenteil, Transparenz beseitigt Generalverdacht. Aufklärung, das ist die Voraussetzung für ein Klima der Versöhnung. Man kann nur das vergeben, was man auch weiß. Man kann nur dem vergeben, den man auch kennt.“ Soweit das Zitat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass diese Transparenz unabdingbar ist, das steht für die gesamte Landesregierung außer Frage. Genauso wie der Grundsatz, nach dem ehemalige Stasi-Mitarbeiter durch ihr Agieren in der DDR-Vergangenheit das Vertrauen verspielt haben und deshalb im öffentlichen Dienst in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung keine Verwendung mehr finden dürfen. Steht damit die Leitlinie fest, kann diskutiert werden, wie der weitere Weg zum Ziel zu gestalten ist. Genau das hat die Landesregierung getan.

Lassen Sie mich zunächst den Weg, den das 8. Änderungsgesetz zum Stasi-Unterlagen-Gesetz vorsieht, an dieser Stelle noch einmal beschreiben. Von wesentlicher Bedeutung ist, dass die sonst am Ende dieses Jahres auslaufende Überprüfungsmöglichkeit noch einmal - wohl letztmalig - um weitere acht Jahre verlängert wird. Zu erwähnen ist

auch, dass der verdachtsunabhängig zu überprüfende Personenkreis auf leitende Funktionen ab dem gehobenen Dienst, auf ehrenamtliche Bürgermeister und auf Bewerber um ein Wahlamt erweitert wurde. Außerdem können alle Beschäftigen des öffentlichen Dienstes überprüft werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für die Staatssicherheit der DDR vorliegt. Damit fließen die Erkenntnisse des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR etwa bei Neueinstellungen, Versetzungen oder sonstigen Personalmaßnahmen im öffentlichen Dienst und im öffentlichen Leben voll ein.

Darüber hinaus geht es im 8. Änderungsgesetz zum Stasi-Unterlagen-Gesetz um die Erweiterung der Zugangsrechte zu den Unterlagen. Niemand in der Landesregierung hat einen Zweifel daran, dass der Wissenschaft und den Medien weiterhin der Zugang zu den Unterlagen gewährt werden muss. Über 3.500 Anträge in den letzten zwei Jahren allein aus der Wissenschaft setzten ein deutliches Zeichen für die Notwendigkeit der Normen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das 8. Änderungsgesetz zum Stasi-Unterlagen-Gesetz enthält auch eine Regelung zur Versetzungsmöglichkeit für die noch in der Stasi-Unterlagenbehörde tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit StasiVergangenheit als hauptamtliche oder informelle Mitarbeiter. Was den Umgang mit dieser Problematik anbelangt, kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Man kann selbstverständlich die Betroffenheit derjenigen verstehen, die Opfer dieses Regimes waren. Nehmen sie nun vor Ort Einsicht in ihre Akten, müssen sie sicher sein können, dass die Einsichtnahme nicht von Personen begleitet wird, die Teil des früheren Bespitzelungssystems waren. Man kann aber auch 22 Jahre nach der Wiedervereinigung verfassungsrechtliche Fragestellungen aufwerfen. Denn die in der Stasi-Unterlagenbehörde noch tätigen ehemaligen Stasimitarbeiter haben grundrechtlich geschützte Positionen, die nur unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt werden können. Diese Diskussion wurde auf der Bundesebene, in anderen Ländern geführt und diese Diskussion wurde eben auch innerhalb der Thüringer Landesregierung geführt.

Wenn man, meine sehr verehrten Damen und Herren, in einer Koalition in Fragen des Bundesrates unterschiedlicher Auffassung ist, enthält man sich der Stimme. Das ist im Allgemeinen nichts Ungewöhnliches, im konkreten Fall ist es insoweit zu verschmerzen, als der Bundesrat dank der klaren Haltung anderer Länder für die notwendige Mehrheit gesorgt hat.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Auch SPD- geführter Länder.)

Vielen Dank.

(Abg. Döring)

(Beifall CDU)

Mir liegen keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Damit schließe ich den zweiten Teil der Aktuellen Stunde und die Aktuelle Stunde insgesamt.

Die Tagesordnungspunkte 2 a und 2 b werden wir vorbehaltlich der abschließenden Beratung in den Ausschüssen am Freitag aufrufen.

So komme ich zum Tagesordnungspunkt 3

Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2011 Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/2990 dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 5/3528

dazu: Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/3564

ZWEITE BERATUNG

Der Vorsitzende des Innenausschusses möchte gern das Wort zur Berichterstattung haben, bevor wir in die Aussprache gehen. Bitte, Herr Hey, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Landesregierung vom 29. Juni 2011 „Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2011“ in der Drucksache 5/2990 wurde erstmals in der 27. Sitzung am 7. Juli 2011 beraten und dann an den Innenausschuss überwiesen. Der Innenausschuss befasste sich erstmals in seiner 26. Sitzung am 8. Juli 2011 mit dem Gesetzentwurf. Er beriet dabei auch Änderungsanträge der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Die Antragsteller strebten Neuregelungen mit Blick auf die Gemeinden Bad Liebenstein, Schweina, Steinbach, Straufhain und Gleichamberg an. Der Ausschuss beschloss, in der Zeit vom 1. August bis 9. September die förmliche schriftliche Anhörung durchzuführen. Dem vom Innenministerium vorgeschlagenen Verfahrensablauf zur Durchführung der Anhörung wurde zugestimmt.

Auf Antrag von SPD- und CDU-Fraktion beschloss der Ausschuss jedoch, den Kreis der Anzuhörenden über den Vorschlag des Innenministeriums hinaus zu erweitern. Die schriftlichen Stellungnahmen der Anzuhörenden sind in den umfangreichen Zu

sammenstellungen des Innenministeriums nachzulesen. In der 31. Sitzung des Innenausschusses am 11. November 2010 wurden die Stellungnahmen ausgewertet. Durch die Fraktionen DIE LINKE sowie von SPD und CDU wurden Änderungsanträge gestellt. Nur der Änderungsantrag von CDU- und SPD-Fraktion fand im Ausschuss dann letztlich eine Mehrheit. Danach wurden die §§ 5, 8, 13 und 16 der vorgenannten Drucksache zur Fortberatung im Innenausschuss belassen.

Als Ergebnis seiner Beratungen empfiehlt der Innenausschuss die Annahme des Gesetzentwurfs der Landesregierung in der Fassung der Drucksache 5/3528 vom 11. November 2011. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)

Ich eröffne die Aussprache und rufe als Ersten in der Aussprache für die CDU-Fraktion den Abgeordneten Fiedler auf.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, nicht wundern, ich habe nur fliegenden Wechsel gemacht, um zu dem Gesetzentwurf jetzt kurz zu sprechen und gehe dann wieder zu den anderen Dingen, die auch anstehen. Wir haben heute hier den Gesetzentwurf der Landesregierung vorliegen. Meine Damen und Herren, ich war bis vor Kurzem hell erfreut, wie viele sich gefunden haben, die sich auf freiwilliger Basis hier vor Ort zusammengeschlossen haben. Ich glaube, es ist schon eine Leistung, dass kommunale Vertreter vor Ort in kommunaler Selbstverwaltung selbst entscheiden, wo sie hingehen wollen, wie das Ganze funktioniert und dass sie sich selbst finden und auch noch, und das muss man deutlich machen, in den Größenordnungen, die notwendig sind, die hier vorgeschrieben sind. Ich finde, dass wir jetzt mittlerweile, ich glaube, ca. 100 Gemeinden, die sich hier gefunden haben insgesamt, das finde ich eine tolle Entscheidung,

(Beifall CDU)

- das freut mich aber, dass noch einer aufmerksam zuhört, eine, zwei, danke.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ich tue das im Namen meiner Fraktion.)

Ja, weil das wichtig ist. Mir geht es noch einmal darum, dass wir hier wirklich darauf achten, und das möchte ich insbesondere zu unseren Freunden in der Koalition noch einmal sagen, dass es um Freiwilligkeit geht. Wir haben die Gemeinden aufgefordert, sie sollen sich freiwillig finden aus den unterschiedlichsten Gründen. Welche sind untermaßig geworden, sie müssen sich finden, und das sind die

(Minister Geibert)

meisten. Und es gibt noch andere Dinge, die ich nicht alle ausführen will. Aber sie haben sich gefunden. Wir haben ihnen dann gesagt, ihr bekommt auch Geld dafür letztmalig in diesem Jahr. Dazu stehen wir und standen wir auch und wir stehen immer noch. Jetzt haben wir mit dem Koalitionspartner verhandelt und haben die Finanzen für dieses Gesetz geklärt und auch für die nächsten, die, wie wir ja wissen, bis zum 15.11.2011, das war gestern, ihre Beschlüsse gefasst haben, und die dann bis zum 01.12.2011 die zweite Runde dort auch noch überstanden haben, dass dieses geklärt ist und wir die Finanzierung dort auch übernehmen können. Ich glaube, das ist wichtig für die Kommunen. Was ärgerlich ist, muss ich sagen, und wir wollen ja immer in der Koalition freundlich und nett miteinander umgehen, was ich ehrlich sagen muss - Heike Taubert, du lachst gerade so freundlich -, was ich nicht nachvollziehen kann, wir sind kurz vor Toresschluss und wir haben dann, den Gesetzentwurf haben wir ja vorliegen, in letzter Minute müssen wir dort vier Paragrafen herausnehmen. Sie sind genannt worden: § 5 - Gemeinde Molsdorf, Teichwolframsdorf und Stadt Berga/Elster, Landkreis Greiz; § 8 - Gemeinde Ilfeld und Niedersachswerfen, Landkreis Nordhausen; § 13 - Gemeinde Bauerbach, Grabfeld, Verwaltungsgemeinschaft Dolmar und Salzbrücke, Landkreis Schmalkalden/Meiningen und § 16 - Gemeinde Effelder-Rauenstein und Mengersgereuth-Hämmern, Landkreis Sonneberg.

Meine Damen und Herren, liebe Freunde, ich bin nun schon und andere jahrelang Bürgermeister, ich bin es jetzt, glaube ich, 21 Jahre oder so. Nun stelle ich mir vor, wir hätten uns durchgerungen zu so einer Landgemeinde oder in anderen Dingen und dann sagen die Erfurter: „Nichts ist, das wollen wir nicht!“ Jetzt stelle ich mir einmal vor, wie das in der Demokratie wirkt und wie das bei den Leuten unten ankommt.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Da muss ein Leitbild her und dann funktioniert es.)

Ach, Herr Kollege Kuschel, das hat mir heute noch gefehlt. Der Herr Kuschel müsste ja wissen, dass ein Leitbild, wenn es denn richtig gemacht wird, mindestens drei Jahre dauert.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ihr hattet doch 20 Jahre Zeit.)

Ja, ich sage es Ihnen doch nur, einfach nur den Fakt. Ob man das jetzt macht oder nicht macht, wir haben eine Koalition. In der Koalition steht etwas geschrieben, danach handeln wir. Ich handele jetzt das Gesetz hier ab. Und hier steht geschrieben, wir haben die alle freiwillig aufgefordert, wir haben eine Anhörung gemacht, meine Damen und Herren. Also auch der Landtag hat eine Anhörung gemacht, die ganzen Anhörungsunterlagen sind zurückgekommen. Vier oder fünf stramme Hefter, hier solche

breiten, wir haben sie ausgewertet und es ist nicht ein Punkt drin, wo man sagen könnte, das oder die vier Paragrafen, die kommen nicht infrage. Das ist das Ärgerliche. Wenn ich dort einen faktischen Grund gesehen hätte, warum das nicht geht, hätte ich ja noch vieles mitgemacht. Aber, jetzt kommt das Aber, wir haben uns dann geeinigt, und das finde ich gut in der Koalition, die Geldfrage ist geklärt. Es sind die meisten Dinge geklärt. Die vier, die hier noch infrage stehen, davon gehe ich ganz klar aus, dass wir uns bis zur Dezember-Sitzung einig werden, dass die auch noch durchgehen, denn ansonsten kann jeder Einzelne von der SPD vor Ort gehen und kann das jedem erklären. Ich kann es denen nicht erklären, noch dazu, wo ich der festen Überzeugung bin, sie haben einen Rechtsanspruch erworben mittlerweile und können das einklagen.