Protokoll der Sitzung vom 18.11.2011

Andere Länder in Europa, die umfangreiche Verkehrssicherheitsprogramme aufgelegt haben, inklusive Tempolimit, sind besser. Das Beispiel Dänemark, das ist eine Statistik von vor wenigen Jahren, hat ein Viertel der Verkehrsopfer zu beklagen. Ein Viertel von denen in Deutschland, bezogen auf die Einwohnerzahl, also ein redlicher Vergleich. Hessen hatte in den 80er-Jahren auf vielen Autobahnen ein Tempolimit und hatte auch weniger Verkehrsopfer zu beklagen. Vielleicht ist diese Null nicht erreichbar. Es muss zumindest unser Ziel sein. Dieses Ziel ist nicht nur ethisch geboten, sondern auch volkswirtschaftlich. Die Unfälle in Deutschland kosten den Staat 30 Mrd. €, sagt auch Herr Ramsauer in seinem Programm und beklagt die Kosten für das Gesundheitswesen.

An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Exkurs machen, der aber - genau wie Herrn Meyers Bemerkung zu der Frage Transportaufkommen - direkt damit zu tun hat. Kosten, die durch Unfälle entstehen bzw. alles, was man sozusagen als Kosten durch die Dienstleistungen, die damit in Zusammenhang stehen, hat, gehen in das Bruttoinlandsprodukt mit ein. Das heißt, in das BIP, mit dem wir in Deutschland Politik machen, gehen die Unfälle ein, auch Todesfälle. Im Landesentwicklungsprogramm, Herr Carius, steht - und das sehen wir natürlich sehr positiv -, dass das BIP kein Indikator mehr ist, mit dem man sinnvoll den Wohlstand bemessen kann. Wir müssen uns genau dieser Frage stellen. Es ist nicht einfach, es gibt aber inzwischen auch genug Anregung durch die Kommission im Bund, andere Indikatoren zurate zu ziehen. Das Einfache ist, dass man diese Kosten herausrechnet. Ich frage Sie: Wem tun Sie mit einem Tempolimit eigentlich weh? Der Verkehrssicherheitsrat der EU, also das Pendant zu unserem in Deutschland, fordert sogar Tempo 70 auf Landesstraßen. Wir trauen uns noch nicht einmal, das hier zu fordern, wer auch immer diesen Zwischenruf gemacht hat. Ich erzähle hier einfach, was andere Länder machen.

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Wir können auch rückwärts fahren.)

Genau. Diese Häme zeigt mir wieder, dass Sie den ersten Teil meiner Rede nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen.

(Heiterkeit FDP)

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Wir ha- ben nicht zugehört.)

Ja, das kann auch sein, das sieht Ihnen ähnlich.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist die Ignoranz der FDP.)

Ich möchte Ihnen einfach berichten, was andere Länder zu diesem Thema machen, weil es viele Länder in Europa sind, die an dieser Stelle ein Vorbild für uns sind. In Schweden wurde ein großer Feldversuch gestartet, wo man die Geschwindigkeit so beeinflusst hat, dass sich Autofahrer an das Tempolimit exakt halten mussten. Sie hatten also eine niedrigere Reisegeschwindigkeit und kamen schneller ans Ziel aufgrund des besseren Verkehrsflusses, aha. Die „Thüringer Allgemeine“ bzw. deren Mitarbeiter haben einmal einen Versuch gemacht und sind nämlich in Thüringen auf der A 4 von Altenburg nach Eisenach gefahren, der eine unter Ausnutzung der maximal zulässigen Geschwindigkeit, der andere bei 120 oder 130 km/h. Der Unterschied war 5 Minuten. Ich möchte jetzt denjenigen von Ihnen sehen, der das noch als volkswirtschaftlichen Gewinn verbuchen möchte. Im Grunde bleibt am Ende nur der Spaß am Schnellfahren. Ich frage Sie wirklich, ist es das wert, wenn wir dabei bedenken, wie viele Opfer das immer noch kostet?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Im ersten Quartal dieses Jahres gab es erheblich statistisch relevant - weniger Verkehrstote als im letzten Jahr. Warum eigentlich? Es gab mehr Blechschaden, aber es gab sehr viel Schnee und Eis, also sehr widrige Witterungsverhältnisse, aber es gab weniger Verkehrsopfer. Warum? Weil die Menschen langsamer gefahren sind und auch vorsichtiger - aha - sie sind langsamer gefahren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Bundesverband für Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung fordert schon länger von der Politik ein einheitliches Tempolimit in ganz Europa von 80 km/h. Es gibt einige Länder, in denen immer noch 90 km/h für Lkws erlaubt sind. Begründung: Es muss Schluss sein mit dem Elefantenrennen. Weitere Gründe sind: Die Lkws haben weniger Verschleiß, weniger Kraftstoffverbrauch und auch einen besseren Verkehrsfluss. Das Argument ist offensichtlich. Wenn man es schafft, eine gleichblei

bende Geschwindigkeit zu erreichen, ist es besser für diese Branche, aha.

Zuletzt möchte ich noch auf die Rolle der EU eingehen. Frau Lukin hat es erwähnt: Lärm und Feinstaub. Die EU hat nicht umsonst erst begonnen, in diesen Bereichen Empfehlungen zu machen. Sie hat gemahnt. Das ist, glaube ich, wenig bekannt. Feinstaub, hierzu gibt es Schätzungen - das ist natürlich schwieriger festzustellen als bei Verkehrsunfällen -, fordert wahrscheinlich sogar noch mehr Todesopfer durch die gesundheitlichen Folgen. Mein Plädoyer ist: Warten wir doch nicht bei diesem Thema schon wieder, bis die EU irgendwann den Schritt macht, eine Verordnung zu erlassen! Ich ärgere mich regelmäßig, wie nachlässig die Landesregierung mit dem Thema Feinstaub umgeht. Es gibt so viele Kommunen, die wieder über den Grenzwert gekommen sind und nach wie vor wird sich trefflich gestritten über Umweltzonen und Strafgelder für Thüringen. Diese sind wieder an der Tagesordnung. Entsprechend lange würde es dauern, bis dann so eine Forderung umgesetzt wird. Aber es muss doch darum gehen, sich das Anliegen, was die EU eigentlich damit vorhatte, zu eigen zu machen und nicht zu sagen, jetzt gibt es diese EUVerordnung und dann müssen wir abwarten, ob wir die Grenzwerte erreichen und sehen, ob wir da etwas tun können. Sehr verehrte Damen und Herren, Tempolimits sind dreifach wirksam, weil sie weniger Unfälle erzeugen, weniger Lärm und weniger Feinstaub und bei all dem geht es uns um die größtmögliche Unversehrtheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Es geht darum, unermessliches Leid so weit wie möglich zu vermeiden. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Doht von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich möchte mich Frau Tasch hier anschließen: 120 Verkehrstote sind 120 zu viel. Ich denke, da sind wir uns hier alle einig in diesem Plenarsaal.

(Beifall SPD, FDP)

Nicht einig sind wir uns dann allerdings, wenn es um die Bewertung des vorliegenden Antrags der Grünen geht. Allein mit Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Thüringer Straßen werden wir das, was Sie hier eigentlich wollen - weniger Verkehrstote, weniger Verkehrslärm, weniger Feinstaubbelastung - nicht erreichen,

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Und noch viel weniger, wenn (Abg. Schubert)

Sie nicht einmal das machen. Das habe ich auch begründet.)

sondern hier denke ich, ist es wesentlich sinnvoller, die Maßnahmen im Zusammenhang zu sehen, so wie das auch die Empfehlungen des Europäischen Parlaments vorsehen. Sie haben sich hier aus hundert verschiedenen Maßnahmen eine herausgegriffen, nämlich Tempo 30 in geschlossenen Ortslagen.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das fordern wir doch alles.)

Alles andere haben Sie aus Ihrem Antrag herausgelassen. Ich weiß nicht, ob es Ihnen zu viel Arbeit war oder warum.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lieber mit dem ersten Schritt be- ginnen!)

Aber da bin ich doch schon eher bei dem, was der Verkehrsminister gesagt hat. Wir müssen diese Dinge im Zusammenhang sehen und das ist hier auch schon angeführt worden. Ich will das nicht alles wiederholen. Das Verkehrssicherheitskonzept ist vom Ministerium fertiggestellt, es muss noch das Kabinett passieren und ich plädiere dafür, dass wir das dann auch sehr intensiv im Ausschuss diskutieren.

Frau Schubert, ich gebe Ihnen recht, wenn Sie sagen, wir müssen gerade in den Städten für eine Minderung des Verkehrslärms sorgen, für eine Minderung von Feinstaub, es geht um die Lebensqualität in den Städten. Ich sage Ihnen aber, es ist verlogen, wenn Sie und Leute Ihrer Partei sich andererseits an die Spitze von Initiativen stellen, die Ortsumgehungen verhindern wollen. Ich sage nur B 19 im Wartburgkreis, ich sage nur B 87 neu.

(Unruhe CDU, SPD, FDP)

Wo ist denn da Ihr Mitgefühl für die Bewohner in den Städten und für die Senkung des Verkehrslärms, für mehr Lebensqualität in den Städten?

Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Ja, bitte.

Frau Doht, ist Ihnen aufgefallen, dass wir nie gesagt haben, dass wir gegen Ortsumgehungen sind, sondern in der Rhön tatsächlich für zwei Ortsumgehungen plädieren - nur nicht für die gesamte Trasse - und dass wir auch das Thema „Ortsumgehung“

vor dem Hintergrund der finanziellen Machbarkeit diskutieren wollen?

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist mir nicht entgangen, aber da sind wir nämlich bei dem Thema. Man muss dann auch die finanzielle Machbarkeit sehen und das, was Sie momentan vor Ort betreiben, sowohl in der Rhön als auch im Wartburgkreis - dazu sagen Sie lieber nichts - dient letztendlich nur dazu, dass es für die betreffenden Städte - sei es Meiningen, sei es Eisenach - keine Verkehrsentlastung geben wird.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Aber die CDU sagt doch, das Geld sei alle. Das sagen doch nicht wir.)

(Unruhe CDU)

Soweit zum ersten Punkt Ihres Antrags. Kommen wir zum zweiten Punkt. Hier verlangen Sie, dass die Landesregierung ein Konzept aufstellen soll und das Konzept soll mindestens enthalten - hier haben Sie sich der Mühe unterzogen, gerade einmal drei Bereiche anzuführen -, das ist zum einen die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h auf der A 4 bei Eisenach, das Thema haben wir bereits am 01.09.2010 im Verkehrsausschuss diskutiert, dann die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h auf der A 73 zwischen Suhl und Eisfeld. Hier gibt es in eine Richtung schon eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 130 km/h, zumindest auf einem Teil der Strecke, wenn man nämlich aus Richtung Eisfeld nach Suhl hereinkommt. In die andere Richtung ist das nicht. Darüber kann man durchaus diskutieren, ob in der einen oder anderen Kurve noch Tempo 130 sinnvoll ist oder 120, aber doch nicht auf der gesamten Strecke. Dann führen Sie noch die B 247/B 176 zwischen Teistungen und Andisleben an. Wir hatten aber - darauf hat Frau Dr. Lukin zu Recht hingewiesen - auf Antrag der LINKEN bereits über das Thema Verkehrslärm intensiv im Ausschuss diskutiert.

Wir wissen, dass es noch viele andere Bereiche in Thüringen gibt, die durch Verkehrslärm belastet sind, wobei man auch immer zwischen der objektiv und subjektiv wahrgenommenen Belastung unterscheiden muss. Aber dann frage ich mich: Warum führen Sie denn nur die drei Bereiche an? Hat das vielleicht damit zu tun, dass vor Ort - bei der A 4 ist es so - Politikerinnen der GRÜNEN über das Land ziehen und den Leuten das Blaue vom Himmel versprechen? Warum haben Sie sich hier nicht der Mühe unterzogen, das auch weiter auszuführen?

Sie sagen unter a, es soll ein Konzept erarbeitet werden und bei Punkt b sagen Sie dann, das Konzept soll nach einem Jahr evaluiert werden. Zwischen der Erarbeitung eines Konzepts und der Evaluierung liegt erst einmal noch die Umsetzung. Die

lassen Sie hier völlig außen vor. Wenn wir bei der Umsetzung sind, dann hat gerade, wenn es um die Bundesautobahn geht, letztendlich der Bund auch noch ein Wörtchen mitzureden. Ich sage auch, es ist Verschwendung von Steuermitteln, eine Bundesautobahn sechsspurig auszubauen und sie dann generell auf Tempo 100 zu beschränken.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Das werden Sie unter den jetzigen gesetzgeberischen Bedingungen nicht durchsetzen können. Das ist auch nicht zielführend.

Was Ihren letzten Punkt betrifft, eine Initiative im Bundesrat für ein generelles Tempolimit auf 120 km/h zu beschränken, findet bei uns in der Fraktion keine Mehrheit.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist schade.)

Das mögen Sie so sehen. Wir sehen das ganz anders, weil in Zeiten, in denen auch vom Bürger eine erhöhte Mobilität und Flexibilität gefordert wird, man zwar Geschwindigkeitsbegrenzungen da anbringen sollte, wo sie nötig sind, an Unfallschwerpunkten, aber ein generelles Tempolimit lehnen wir ab. Zum anderen - so realistisch dürften Sie auch sein - ist es unter den jetzigen Mehrheitsverhältnissen im Bund sowieso nicht durchsetzbar. Ich möchte auch nicht unsere Landesregierung auffordern, sich da unbedingt eine blutige Nase zu holen. Aus diesem Grund werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weil Sie keinen Mut ha- ben.)

(Beifall SPD)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Untermann von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich möchte gleich mit einer kleinen Entschuldigung anfangen, wenn ich zwischendurch hier etwas heiter werde. Ich achte die Toten auch, jeder Tote ist ein Toter zuviel. Ich entschuldige mich schon im Voraus. Herr Adams, haben Sie es gehört? Ich habe mich schon entschuldigt.