Protokoll der Sitzung vom 18.11.2011

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich möchte gleich mit einer kleinen Entschuldigung anfangen, wenn ich zwischendurch hier etwas heiter werde. Ich achte die Toten auch, jeder Tote ist ein Toter zuviel. Ich entschuldige mich schon im Voraus. Herr Adams, haben Sie es gehört? Ich habe mich schon entschuldigt.

Frau Schubert, Sie sagten am Anfang Ihrer Rede, dass mit 7 km/h eine Frau in London überfahren wurde. Warum beschränken Sie dann nicht gleich auf 6 km/h? Dann haben wir das Risiko nicht. Entschuldigung, das war das Erste, es sollte lustig wirken.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wenn es lustig gewesen wä- re, hätte ich sogar gelacht.)

Das kommt noch.

Die Aussprache möchte ich mit einer Frage in Richtung Frau Schubert beginnen. In einer Pressemitteilung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Geschwindigkeitsbegrenzung vom 17.10. stellten Sie Folgendes fest, ich zitiere: „Herr Untermann hat nicht verstanden, dass man das eine tun kann, ohne das andere zu lassen. Er hat nicht begriffen, dass man nicht Auto fahren muss, um zu wissen, was guter Verkehr ist.“ Sie können mir das nachher mal nebenbei erklären, wir wollen das nicht vertiefen.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Es stand so drin.

Jetzt aber zum Thema Tempolimit im Straßenverkehr. Geschwindigkeit ist keine Hexerei, außer wenn man eine GRÜNE Ideologie vertritt, so möchte ich das mal überschreiben. Natürlich ist die Einhaltung von Geschwindigkeiten ein Thema, das von vielen Bürgern unterschiedlich aufgenommen wird. Einem geht es nicht schnell genug, der Nächste möchte es langsamer. Verkehrssicherheit ist wichtig, um die Zahl der Verkehrstoten zu senken, das stimmt. Aber bevor Forderungen nach neuen Regeln und Gesetzen verabschiedet werden, sollten wir sichergehen, dass diese Idee tatsächlich das erfüllt, was wir uns davon versprechen. Weitgehende Tempolimits in Städten und Gemeinden behindern eher den Verkehr. Stattdessen sollte sich der Gesetzgeber auf tatsächlich relevante Risiken und Handlungsfelder konzentrieren, wie zum Beispiel …

Frau Abgeordnete Schubert.

Ja, bitte.

Ich frage jetzt: Herr Untermann, Sie sprachen von GRÜNER Ideologie. Halten Sie die Empfehlung, hinter die sich das gesamte EU-Parlament gestellt hat, für diese angesprochene 30-Regelung, auch für Ideologie?

So will ich das jetzt nicht ausdrücken, aber mich interessiert das nicht, was die in Brüssel sagen. Mich interessiert das, was ich hier in Thüringen mache.

(Beifall CDU, FDP)

(Abg. Doht)

Wenn ich der Meinung bin, dass das besser ist, dann sage ich das. Da braucht ihr keine Angst zu haben.

(Beifall FDP)

Entschärfung bei Unfallschwerpunkten, bei Bahnübergängen, Kreuzungsbereichen,

(Unruhe im Hause)

Radwegen, Bau und Fertigstellung von Ortsumgehungen und bei Wildwarnanlagen, da ist das ganz vernünftig. Die Geschwindigkeitsbegrenzungen sind dort schon, wo sie eigentlich hingehören. Wenn Sie heute von Erfurt nach Frankfurt fahren, dann kommen Sie allerhöchstens auf der Hälfte mal über 100 km/h, aber gut.

Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h sollte nur dort zum Einsatz kommen, wo es erforderlich ist und die Notwendigkeit besteht. Einige Beispiele, die mir dazu einfallen, sind Ortsstraßen vor Schulen, Kindergärten usw. Die Städte und Gemeinden sollten frei entscheiden können, eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h einzusetzen. Das meine ich so. Wir wissen alle, wie das ist, wenn der Bürgermeister versucht, irgendwo ein 30 km/h-Schild aufzustellen, dieser Weg der zugehörigen Beantragung oder Nichtbeantragung und Genehmigung oder Nichtgenehmigung. Hier sollten wirklich die Gemeinden etwas mehr Mitbestimmungsrecht bekommen, denn die wissen am besten, was in ihrem Ort los ist. Ich stimme Ihnen dahingehend zu, dass überhöhte Geschwindigkeit eine der Hauptursachen bei Unfällen mit Personenschaden darstellt, aber auch der Vorfahrtsfehler und rücksichtsloses Überholen und andere Ursachen gehören dazu.

Ein Teil der Verkehrsunfälle findet durch die Beteiligung von Fahranfängern statt. So zeigte ein Projekt, das begleitete Fahren mit 17, dass auch sinnvolle Regelungen für die Verkehrssicherheit möglich sind.

(Beifall CDU, FDP)

Zwei Sätze möchte ich zu der Aussage in der Begründung Ihres Antrags formulieren, dass Ältere zunehmend an Unfällen beteiligt sind. Dazu will ich Ihnen einige Zahlen nennen. 2007 gab es 12.447 Beteiligte bei Unfällen. 2010 reduzierte sich die Zahl auf 10.349. Trotz der Pyramide in der Demographie sind weniger Unfälle mit Menschen ab 65 Jahren aufgetreten. Jedoch, es kommen nun sehr ernüchternde Werte, beträgt die Anzahl der Jugendlichen 18 bis 24 Jahre 2.542, das entspricht 24 Prozent und die Anzahl der Verursacher über 65 Jahre beträgt 987 Personen, das sind gerade einmal 9,5 Prozent. Die Aussage in Ihrer Begründung, dass ältere Menschen zunehmend an Verkehrsunfällen beteiligt sind, ist also nur bedingt richtig.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das habe ich auch nicht ge- sagt.)

Laut Auskunft des Thüringer Landesamts für Statistik zählen als Ältere Menschen ab 65 Jahre. Dass die Anzahl der Älteren steigt, das wissen Sie alle. Die Anzahl der älteren Bürger ab 65 als Hauptverursacher bei Unfällen stieg seit den Jahren 2007 bis 2010 von 967 auf 987 Personen, also um 20 Personen in vier Jahren. Wichtig ist aber die Relation von 24,6 Prozent bei Jugendlichen zu 9,5 Prozent bei älteren Bürgern. So haben Maßnahmen für die Unfallprävention für Jugendliche Vorrang.

In Punkt 2 Ihres Antrags fordern Sie die Erstellung eines Konzepts. Als aufmerksamer Autofahrer ist mir nicht entgangen, dass vorwiegend an Unfallschwerpunkten bereits Tempolimits bestehen. Mich interessiert, welche Quellen bzw. Evaluierungswerte Sie als Grundlage für Ihren Antrag verwendet haben. Von Interesse ist für mich zum Beispiel, wie sich nach der Einführung eines Tempolimits die Lärmbelästigung und die Emission durch Kohlendioxid an Landstraßen, Bundesstraßen und Autobahnen in Ländern oder Bundesländern, wo Tempolimits bereits existieren, entwickelten. Als Beispiel für Geschwindigkeitsbegrenzung benennen Sie die Straße zwischen Teistungen und Andisleben übersichtliche Strecken, die aufgrund des schlechten Fahrbahnzustands sowieso nicht schnell zu befahren sind.

Sehr geehrte Damen und Herren, davon wird es zukünftig bei den Einsparungen des Landes bei der Straßenunterhaltung noch mehr in Thüringen geben. Vielleicht hat sich Ihre Forderung nach der Geschwindigkeitsbegrenzung dann von allein erledigt.

Ich halte Ihren Antrag für nicht umsetzbar und lehne ihn grundsätzlich ab. Irgendwann fordern Sie Tempolimits für Züge oder - warum nicht? - für das Fahrrad, denn es gibt auch Fahrradfahrer, die über 30 km/h fahren. Dann müssen Sie auch einen neuen Bußgeldkatalog für Fahrradfahrer aufmachen, wenn sie zu schnell fahren, oder für Skateboarder.

(Beifall CDU, FDP)

Raser wird es zum Leidwesen aller weiterhin geben, mit oder ohne Tempolimits, solange in den Köpfen der Raser die Einsicht und die Vernunft fehlen, verkehrsbedingt langsam zu fahren. In den Köpfen kann man keine Verkehrsschilder mit Tempo 30 aufstellen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Wolf von der Fraktion DIE LINKE.

(Abg. Untermann)

Danke, Herr Präsident. Ich gebe zu, mich hat es bei der Rede von Frau Doht nach vorn getrieben. Auf die Rede von Herrn Untermann muss man nicht eingehen, sie steht für sich selbst.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: So ist es, un- widersprochen.)

Das sind Argumente, da ist - das gebe ich zu - mir die Zeit zu schade, darauf einzugehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich beziehe mich auf die Argumentation von Frau Doht, es seien vergeudete Steuergelder, wenn wir sechsspurige Autobahnen aufbauen und darauf dann ein Tempolimit machen. Dann lassen Sie uns achtspurige Autobahnen bauen, da kann ich dann Tempo 200 machen, bin noch schneller und habe einen noch größeren Effekt! Diese Logik ist aus meiner Sicht so schräg, dass das mit Vernunft überhaupt nichts zu tun hat.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist falsch.)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus meiner Sicht ist ein sechsspuriger Ausbau einer Autobahn sowieso schon zu hinterfragen, aber er dient ausschließlich einem höheren Verkehrsaufkommen und nicht der Möglichkeit der Raserei.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum es mich nach vorn getrieben hat, sind Ihre Ausführungen zur B 19. Das kann man so nicht stehen lassen. Die B 19, die im Moment noch über die Hohe Sonne geht und die geplante Umverlegung der B 19 - das ist keine klassische Umgehungsstraße, das wissen Sie genauso gut wie ich. Es gibt kaum eine Entlastung. Natürlich ist ein Teil der Eisenacher Südstadt entlastet - zum Teil. Wir wissen aber, dass die Zahlen an der Stelle auch zurückgehen. Sie kennen die Prognosen genauso gut wie ich. Wir führen den Verkehr aber durch neue Ortschaften. Natürlich ist Mosbach in einer Art und Weise betroffen, die so nicht hinnehmbar ist und die sonst bei Umgehungsstraßen nicht vorkommt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von daher ist eine Gleichsetzung an dieser Stelle aus meiner Sicht völlig illegitim. Außerdem kenne ich in Eisenach keine Bürgerinitiative, die sich für eine schnelle Umverlegung der B 19 ausspricht. Diese müssten Sie mir zeigen. Von daher funktioniert das an der Stelle gar nicht. Bei der B 19 mit der Umverlegung geht es ausschließlich darum, gerade den Schwerlastverkehr in seiner Durchschnittsgeschwindigkeit nicht mehr über den Rennsteig bringen zu können, sondern mit einer Investition von über 100 Mio. € diese Rennsteig-Querung durch einen Tunnel und große Brückenbaumaß

nahmen zu erleichtern. Es ist nicht meine Logik, Schwerlasttransporte schneller werden lassen zu können. Aus meiner Sicht gehören diese auf die Schiene und nicht durch riesige Investitionen auf andere Straßen gebracht. Es ist keine Erleichterung für die Bevölkerung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke, Frau Abgeordnete Wolf. Frau Abgeordnete Doht, bitte.

Jetzt muss ich noch einmal darauf reagieren, weil man das, was Sie gesagt haben, hier so nicht stehen lassen kann. Ich habe vorhin - Sie sollten vielleicht auch dem politischen Gegner einmal genauer zuhören - darauf hingewiesen, dass der Bund bei Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen noch ein bisschen mitzureden hat und dass er es sicherlich nicht mitmachen wird, dass er eine Autobahn sechsspurig ausgebaut hat und die dort grundsätzlich auf Tempo 100 begrenzt wird. Das haben wir im Übrigen im Verkehrsausschuss bereits vor über einem Jahr diskutiert. Es war damals ein Antrag Ihrer Fraktion. Das ist auch bei verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen diskutiert worden. Ich habe dazu damals in Wenigenlupnitz ganz offen Stellung genommen, auch wenn mir das nicht unbedingt die Freude bei allen eingebracht hat. Ich meine, Sie machen es sich da leichter. Sie ziehen über Land und versprechen jedem alles.

Was das Thema B 19 betrifft, ich habe nicht gesagt, dass es in der Stadt Eisenach eine Bürgerinitiative gibt, die die schnelle Umverlegung fordert, sondern ich habe gesagt, dass es hier um die Entlastung der Stadt geht und da geht es nicht nur um die Südstadt, da geht es auch um die Oststadt, da geht es auch um Stockhausen, wo nämlich nach wie vor der Verkehr zur Autobahn durchfährt. Die Bürgerinitiative, die sitzt in Mosbach und ich habe vor Ort gesagt, ich halte die jetzige Variante, die Vorzugsvariante der DEGES für so nicht machbar. Soweit muss man dann nämlich auch differenzieren. Aber eines ist doch Fakt: In Zeiten, in denen im Bundesverkehrshaushalt kein Geld mehr ist, da werden zuerst die Projekte sterben, die am meisten in den Regionen umstritten sind und das ist das Problem.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)