Protokoll der Sitzung vom 18.11.2011

Ich will von dieser Stelle aus ausdrücklich den Soldatinnen und Soldaten und auch den zivilen Beschäftigten dafür danken, dass sie für die Verteidigung unseres Vaterlandes und - auch das gehört dazu und das sage ich ganz bewusst - für unsere internationalen Interessen im In- und Ausland ihren Dienst leisten.

(Beifall FDP)

Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Das ist mir bewusst und das bedeutet, dass der Bundestag ihr die Mandate erteilt und auch die finanziellen Mittel zur Verfügung stellt. Aber Thüringen ist Teil des Bundes und auch Thüringer leisten Dienst bei den Streitkräften - mein Sohn gehört übrigens dazu -, deshalb ist es auch richtig und angemessen, dass wir diesen Dank hier in diesem Hohen Hause an die Truppe so formulieren.

(Abg. Gentzel)

(Beifall FDP)

Ich möchte daran erinnern, dass es daneben auch zahlreiche Stabsübungen zum Katastrophenschutz in unseren Gemeinden und Landkreisen gibt, an denen Soldatinnen und Soldaten genauso teilnehmen, dass es Zivilbeschäftigte gibt, die für die optimalen Abläufe an den Standorten sorgen, dass es jährlich ein Volumen von etwa 25 Mio. € an Aufträgen gibt, die an kleine und mittlere Unternehmen vor Ort vergeben werden, und dass das das Bild abrundet, was natürlich zentral dadurch gestellt wird, dass unsere Bundeswehrangehörigen in den Einsätzen in Afghanistan, im Kosovo und bei zahlreichen UN-Missionen für Deutschland und für unsere Sicherheit einstehen. Die Soldaten unserer Standorte und die Thüringer an allen anderen Standorten, meine Damen und Herren, sind damit auch Botschafter des Freistaates Thüringen im Inund im Ausland.

(Beifall FDP)

Ich glaube, dass es ein berechtigter Anspruch dieser Menschen ist, dass sie ein klares Bekenntnis unseres Parlaments erwarten. Es ist richtig, dass wir dieses klare Bekenntnis heute hier auch aussprechen. Ich möchte das betonen, weil das gelegentlich von den vereinigten LINKEN in diesem Haus versucht wird, so zu konstruieren, die FDPFraktion steht hinter dieser Reform der Bundeswehr. Es ist so, dass diese Reform ganz klar sicherheits- und gesellschaftspolitisch geboten war nach der Aussetzung der Wehrpflicht. Es ist so, dass die glücklicherweise - so muss man es sagen - friedensbedingt mögliche und dann eben auch nötige Reduzierung der Bundeswehr natürlich in der Folge den Abbau von überflüssigen, überzähligen Stabs- und Organisationsstrukturen nach sich ziehen muss. Das ist eine Logik, die dem System nun einmal innewohnt. Es war dabei von vornherein nicht zu erwarten, dass Thüringen ungeschoren davonkommen würde. Das konnte niemand erwarten und so ist es dann auch nicht gekommen. Deshalb gilt es nun, nachdem die Reform, nachdem die Pläne bekannt sind, nach vorn zu schauen mit Blick in die Zukunft.

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, es ist von Bedeutung, wie die Landesregierung diesen Veränderungsprozess begleitet, wie sie ihn zum Nutzen Thüringens moderiert, wie sie auch die von den Schließungen betroffenen Kommunen begleiten und wie es also nach der Reform - das ist der zentrale Punkt - gelingt, die noch bestehenden Standorte dann auch langfristig zu sichern.

Sie haben uns heute eine Regierungserklärung light - will ich einmal sagen - aufgrund der Tatsache, dass sich die Abläufe etwas ändern mussten, gehalten. Die Koalitionsfraktionen haben mit ihrem Dringlichkeitsantrag die Vorlage dazu geliefert, das ist völlig in Ordnung, das ist auch mit großer Mehr

heit so beschlossen worden. Sie haben vor zwei oder drei Wochen eine Stabsstelle gegründet, über die haben wir vorhin in einer Mündlichen Anfrage kurz geredet, Ende Oktober war, glaube ich, der Termin, den Sie vorhin geantwortet haben, Frau Ministerin Walsmann - übrigens ohne Vertreter, ohne regelmäßige Beteiligung der Bundeswehr, wie ich auf meine Nachfrage erfahren habe. In dieser Zeit seit der Verkündung der Bundeswehrreform haben andere Länder schon ganz anders gehandelt.

(Beifall FDP)

Andere Landesregierungen haben vor der Reform auch einmal mit ihrem Ministerpräsidenten und besonders erfahrenen Regierungsmitgliedern an der Spitze von Delegationen in Bonn und Berlin für ihre Dienststellen, für ihre Standorte geworben. Die tun das auch jetzt. Das betrifft ausdrücklich diese Phase vor der Regierung. Ich muss sagen, zumindest in meiner Wahrnehmung und nach dem, was in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist, war die Thüringer Landesregierung nicht an der Spitze der Bewegung und nicht an der Spitze derer, die in Berlin und Bonn vor Ort gewesen sind. Das habe ich aber nicht nur aus der Zeitung, sondern das haben auch Bundeswehrquellen selbst mir so bestätigt.

Wenn Ihnen meine Wahrnehmung an der Stelle vielleicht zu parteipolitisch vorkommt, dann will ich die Thüringer Ausländerbeauftragte einmal zitieren, die jetzt in ihrer Funktion keine Rolle in dieser Frage mehr spielt, die aber als Bundestagsabgeordnete von 2002 bis 2009 ordentliches Mitglied im Verteidigungsausschuss war, Korvettenkapitän, und die sich auskennt. Das bestätigt Ihnen jeder, der bei der Bundeswehr im politischen Bereich unterwegs ist. Sie sagt, unsere Soldaten haben keine Lobby in Berlin, Thüringer Landeszeitung vom 27.10. nach der Verkündigung des Ergebnisses.

(Beifall FDP)

Die Bundeswehr in Thüringen hat keine Lobby in Berlin. Das ist der zentrale Vorwurf, den Frau Hess erhebt und diesem Vorwurf schließe ich mich ausdrücklich an.

(Beifall FDP)

In der Zeit nach der Entscheidung haben Landesregierungen wie zum Beispiel die in Schleswig-Holstein ganze Aktionspläne, ganz konkrete Aktionspläne erarbeitet - ich habe ihn da, falls es Sie interessiert, kann ich ihn Ihnen gern geben, in dem schon konkrete Maßnahmen stehen, was man macht. Das ist die Zeit, in der wir es immerhin schon einmal geschafft haben, eine Stabsstelle einzurichten. Da glaube ich, dass man an dieser Stelle schon sagen kann, dass das Engagement durchaus als verbesserungswürdig einzuschätzen ist.

(Zwischenruf Abg. Metz, SPD: Die FDP kann überhaupt kein …)

Wir haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, uns mit der Bundeswehr getroffen.

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Wir ha- ben uns bemüht.)

Das haben auch andere Landesregierungen gemacht. Ich muss sagen, in Ihrer Rede, Frau Ministerpräsidentin, haben Standorte, aber vor allem auch die Bereiche Wehrverwaltung, Wehrersatzämter, Bundeswehrdienstleistungszentrum, überhaupt keine Rolle gespielt. Dazu kommt, dass viele Besuche, die Sie gemacht haben, nach dem, was ich gehört habe, auch noch vonseiten der Bundeswehr initiiert gewesen sind. Alles in allem will ich zugeben, dass Sie aktiv gewesen sind, will aber deutlich sagen, andere Landesregierungen haben mehr gemacht, und ich hätte mir von Ihnen auch mehr gewünscht.

Herr Abgeordneter Barth, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage von der Frau, jetzt in der Funktion der Abgeordneten Lieberknecht. Lassen Sie die zu?

Die lasse ich zum Ende meiner Rede gern zu,

(Unruhe CDU)

Weil das mit der Redezeit ansonsten immer Schwierigkeiten gibt, Frau Ministerpräsidentin, liebe Frau Kollegin Lieberknecht, ich bitte dafür um Nachsicht, dass ich meine Rede erst in der Zeit zu Ende bringen will.

Aber, meine Damen und Herren, es ist ja nicht nur die Ministerpräsidentin, die die Landesregierung repräsentiert, sondern es gibt auch andere Minister. Vom sozialdemokratischen Koalitionspartner habe ich in den ganzen Monaten überhaupt nichts gehört bis zu dem Tag nach der Veröffentlichung des Konzepts. Da war der stellvertretende Ministerpräsident einer der ersten Kritiker. Der Wirtschaftsminister, der in seiner Tätigkeit, seit er hier ist, schon viele Atlanten, Pläne und Konzepte erarbeitet hat, hat sich zu diesem Thema - es ist, glaube ich, das einzige Thema, was es politisch in den letzten zwei Jahren gegeben hat - überhaupt nicht geäußert.

Was mich dann besonders verwundert hat, das muss ich sagen, es gibt ein Handlungskonzept Oberhof der Landesregierung. Ich zeige das hier einmal vor, Frau Präsidentin. Es gibt ein Handlungskonzept Oberhof. Nun wissen Sie unter dem Standort Oberschönau, das ist die Bundeswehrbezeichnung dafür, versteckt sich die Sportfördergruppe in Oberhof. Sie haben die Sportler eben zum

Teil aufgezählt. In diesem Konzept Oberhof steht das Wort Bundeswehr nicht ein einziges Mal drin. Selbst unter dem Punkt „Sportliche Infrastruktur stärken“ bei Leistungssportanlagen in Oberhof steht die Sportfördergruppe der Bundeswehr nicht drin. Das Wort Bundeswehr steht hier nicht einmal drin. Wenn man weiß, welche Bedeutung diese Sportfördergruppe für den Standort Oberhof hat, dann ist das nicht nur verwunderlich, sondern dann ist das eine Ignoranz der ganz besonderen Art, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Deshalb will ich noch einmal ein paar Fakten in Erinnerung rufen. Die Bundeswehr wird künftig 6.300 Angehörige an den acht verbleibenden Thüringer Standorten haben. In den vergangenen Jahren seit 1990 sind - wenn man alles zusammenzählt, von Investitionen über Bewirtschaftung usw. ungefähr 1,5 bis 2 Mrd. € über die Bundeswehr nach Thüringen geflossen. Hinter diesen Zahlen stehen Soldaten, zivile Beschäftigte und ihre Familien. Diesen eine Zukunft zu bieten, dafür zu sorgen, dass diese Dinge, dass die verbleibenden Standorte langfristig auch erhalten bleiben, das ist Ihre Aufgabe und das wird nicht gelingen. Das wird nicht gelingen, wenn wir reflexartig Dinge fordern, so wie das vor 14 Tagen passiert ist, als es um den Standort Ohrdruf ging, wo auch eine Kollegin aus der SPD-Fraktion in völliger Verkennung der Tatsachen gefordert hat, dass die Fläche komplett freigegeben werden soll, um gemeinsam entwickelt zu werden.

Wenn man weiß, dass auf diesen 4.700 Hektar seit vielen Jahrzehnten Militär unterwegs gewesen ist, wenn man ungefähr weiß, dass die Beräumung eines Hektars Fläche ungefähr 20.000 € kostet, dann kriegt man eine Ahnung davon, dass es nicht von heute auf morgen geht durch so eine Liegenschaft ein paar Radwege zu bauen, eine Serengeti daraus zu entwickeln, wie das auch hier oder da gefordert worden ist, sondern das es - das ist gestern oder heute verkündet worden - gerade an so einem Standort wirklich notwendig ist, dass man sich dafür stark macht. Das ist ja dann auch geschehen. Diesen Erfolg will ich ausdrücklich einräumen, dass diese Liegenschaft weiter militärisch genutzt wird, weil alles andere weder die Kommune noch der Freistaat schultern kann. Das sind Dinge, die ausdrücklich zu erreichen sind, um die es ausdrücklich geht. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Wenn ich die Frage noch nicht beantwortet habe, dann würde ich das jetzt tun. Ansonsten können wir das auch beim Kaffee gern machen, liebe Frau Ministerpräsidentin.

(Beifall FDP)

Ich sehe über die Zeichen der Abgeordneten Lieberknecht, dass Sie diese Zwischenfrage nicht

(Abg. Barth)

mehr stellen will. Ich danke dem Abgeordneten und rufe auf die Abgeordnete Schubert von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zwei Vorbemerkungen. Ich stelle fest, dass es in diesem Hause große Übereinstimmung für die Notwendigkeit dieser Reform gibt, wie auch die Einsicht, dass es offensichtlich an verschiedenen Stellen nicht ohne Einschnitte geht. Genau das Gleiche gilt im übertragenen Sinne für die immer noch ausstehende große Reform in Thüringen, die Gebiets-, Funktional- und Strukturreform. Sehr verehrte Damen und Herren, blockieren Sie diese nicht länger, sondern stellen Sie sich den Herausforderungen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweite Vorbemerkung - und damit gehe ich noch einmal auf Herrn Barth ein. Ich glaube, Sie haben eines immer noch nicht verstanden. Sie hätten Herrn Gentzel genau zuhören müssen. Es geht eben nicht darum, Standorte zu bewahren, sondern es geht um eine Bundeswehr, die ihren Verteidigungsauftrag so durchführen kann, dass er in dieser heutigen Situation angemessen ist. Diese Welt ist nun einmal eine andere als sie noch vor vielen Jahren war. Das scheinen Sie zu verkennen, Herr Barth.

Die Ministerpräsidentin hat schon ausgeführt, dass Thüringen glimpflich davongekommen ist. Es gibt zwei Standorte, die mit sehr großen Einschnitten zu rechnen haben, nämlich Mühlhausen und Ohrdruf; bei Ohrdruf stehen jetzt wieder viele Fragezeichen.

Ich möchte im Folgenden noch etwas näher auf Mühlhausen eingehen. Mühlhausen ist verständlicherweise entsetzt und aufgeregt über das, was dort bevorsteht. Der Stadtrat hat auch eine entsprechende Resolution verabschiedet. Ich möchte kurz aufzählen, welche Einrichtungen es in Mühlhausen nicht gibt, weil sie weggefallen sind oder weil sie gar nicht dorthin gekommen sind. Das ist das Katasteramt, das ist die Hochschule, das Schulamt, Bundesforstamt, Straßenbauamt, Kreiswehrersatzamt. Außerdem mussten die größten Industriebetriebe, die es dort gab, schließen: Mikroelektronik, die Textilhersteller Mülana und Cottana sowie der Autozulieferer Möve.

Die Forderung nach der Umgehungsstraße und der Ansiedelung von Behörden kann nicht richtig überzeugen. Ich muss aber sagen, dass wir Mühlhausen offensichtlich damit auch nicht allein lassen können, weil sie mit dem Strukturwandel überfordert sind. Da lautet mein Appell an die Landesregierung: Nutzen Sie die Erfahrungen, die im Westen mit entsprechenden Konversionsprogrammen

gesammelt worden sind und die zum Teil sehr erfolgreich durchgeführt worden sind. Ich denke, es muss möglich sein, entsprechende Experten nach Thüringen einzuladen, um in Mühlhausen etwas zu entwickeln. Mühlhausen hat laut Landesentwicklungsprogramm gute Entwicklungschancen als Teil des sogenannten Westthüringer Bogens und insofern noch einmal mein Appell: Verlassen Sie sich nicht nur auf die Kenntnisse und Erfahrungen, die wir in Thüringen haben.

Zu Ohrdruf wenige Bemerkungen bzw. eine, die mir sehr am Herzen liegt. Ohrdruf ist naturschutzfachlich ein Kleinod. Davon habe ich mich im Mai dieses Jahres persönlich überzeugt. Bei allen Veränderungen, die es dort geben wird, dürfen wir den Naturschutz nicht vernachlässigen. Wenn dieser Standort als Reserve erhalten bleibt, dann stellt sich die Frage, wie dort entsprechend Pflegemaßnahmen durchgeführt werden können, um den Naturschutz auf hohem Niveau zu erhalten. Das ist ein Aspekt, den wir berücksichtigen müssen. Ich habe leider in der Berichterstattung bis jetzt wenig dazu gelesen. Vielleicht gibt es da Überlegungen, aber mir sind sie leider noch nicht zu Ohren gekommen.

Abschließend noch eine Frage, Anmerkung, Kritik, wie auch immer. Es ist nicht verständlich, warum in Mühlhausen seit 2004 15 Mio. € in die Görmerkasernen investiert wurden.

(Beifall CDU)

Allein durch Konjunkturmittel in den letzten drei Jahren 7 Mio. €, unter anderem für eine Panzerstraße. Ich frage Sie, war in 2004 nicht schon bekannt, dass die Artillerie keine so große Rolle mehr spielt?

(Beifall CDU)

Das ist einmal wieder ein Fall für den Bund der Steuerzahler. Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Grob von der CDU-Fraktion.