Protokoll der Sitzung vom 16.12.2011

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist es endlich so weit, der Landtag soll über die vier übrigen Zusammenschlüsse von Gemeinden abschließend entscheiden. Ich sage bewusst endlich, denn es gab eine Vielzahl von Bürgern und Gemeinderatsmitgliedern, die auch uns angesprochen haben und überhaupt nicht verstehen konnten, was gerade im Landtag passiert. Wir konnten und durften - und ich sage auch mussten zwar viel aus den Medien hören und lesen, eine wirkliche Auskunft konnte ich aber den Bürgern trotzdem nicht geben, da ich nicht verstehen kann, dass die Koalition ihre Befindlichkeiten auf dem Rücken der Kommunen austrägt.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, was ich auch nicht verstehen kann, ist die Tatsache, dass ich erfahren musste, dass dabei jede Menge auch an Dreck ge

worfen wurde und an übler Nachrede geschehen ist, denn es gab auch etliche empörte Anrufe, EMails und Briefe, die sich darüber aufgeregt hatten, wir hätten etwas gegen den freiwilligen Zusammenschluss dieser Gemeinden. Ich sage, das ist mitnichten so, das ist schlicht und einfach die Unwahrheit, die da auch verbreitet worden ist. Ich frage mich, wer so etwas tut und wer so etwas bewusst verbreitet.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, wir stehen im Wort zu den Menschen, die sich in diesen Gemeinden zusammengerauft haben, die das in langen Prozessen getan haben und oft mit einer großen Mühe und auch unter Hintanstellung eigener Befindlichkeiten, eigener Wünsche und auch eines Teils eigener Identität. Ich weiß, wovon ich da rede, da ich selbst Kommunalpolitiker bin seit 17 Jahren und da ich seit 2010 Bürgermeister einer 1.600-EinwohnerStadt bin. Deswegen bin ich der Überzeugung, dass es richtig ist, dass wir so schnell wie möglich für alle Klarheit schaffen.

Für die vier Zusammenschlüsse wurde der Weg jetzt so weit geebnet. Wir sind der Meinung, alles andere hätte einen erheblichen Vertrauensverlust bei den Bürgern in den betroffenen Kommunen mit sich gebracht. Und, Herr Kollege Fiedler, wenn Sie vorhin so etwas salopp von einem Geschenk gesprochen haben, ich bin nicht der Meinung, dass das ein Geschenk ist, wenn wir heute hier diesen Beschluss verabschieden, sondern wir tragen der freien Entscheidung freier Bürger Rechnung. Das ist richtig so.

(Beifall FDP)

Ich möchte noch eine Bemerkung dazu machen. Herr Kollege Fiedler hat im Zusammenhang mit einem Kollegen dieses Hauses von Schwächeln und Umfallen auf einer Veranstaltung gesprochen. Ich sage Ihnen, es ist in meinen Augen deutlich schlimmer, wenn die größte Fraktion in diesem Hause komplett bei einem ganzen Thema, Gemeindegebietsreform, umfällt und schwächelt.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie hier von dem Entschließungsantrag sprechen und ihn so loben und als „fabelhaft“ bezeichnen - ich will jetzt nicht in die sprachliche Auseinandersetzung von gestern einsteigen, von „Fabel“ und „fabelhaft“ - und davon reden, Sie schaffen hier Leitplanken, dann sage ich, Sie schaffen hier Fallgruben. Wenn wir uns genau anschauen, was in dem Entschließungsantrag steht und das vergleichen, was heute in dem Gesetz steht, dann ist es tatsächlich so, dass es dort ganz klare Widersprüche gibt.

(Beifall DIE LINKE)

(Abg. Kuschel)

Der Kollege Kuschel hat die Stadt Berga angesprochen, die, wenn dann tatsächlich diese neuen, ich sage, Fallgruben greifen, im Regen gelassen wird. Gleichwohl stehen wir für die Freiwilligkeit dieser Gemeinden. Das sage ich an dieser Stelle noch mal ausdrücklich und mit Nachdruck.

Kollege Hey, Sie haben sich über Teichwolframsdorf und Mohlsdorf hier ziemlich deutlich und lange ausgelassen. Für meine Begriffe haben Sie dort die Katze aus dem Sack gelassen und erzählt, worum es ging. Es ging darum, diese beiden Gemeinden Ihrem SPD-Bürgermeister in Greiz zuzuschanzen. Ich sage Ihnen, es hat immer noch der freie Wille der Bürger dieser Gemeinden für uns Vorrang und so muss es auch bleiben.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Aber wir sind der Gesetzgeber. Das ist klar, ja?)

Ja, und ich denke, dass auch der Gesetzgeber dem Willen des Souveräns, und das ist das Volk, Rechnung zu tragen hat.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, zurück zu diesem Thema. Was mit den 15 noch offenen Gemeindefusionen passiert, die derzeit beim Innenministerium liegen, ist freilich weiterhin unklar. Ich würde gern heute auch vom Innenminister hören, welche Regeln für diese 15 Gemeindefusionen gelten sollen. Es hat eben etwas mit Vertrauen zu tun, meine Damen und Herren,

(Beifall DIE LINKE)

wenn man die Gemeinden in einer rechtlich sehr fragwürdigen Konstellation dazu treibt, innerhalb weniger Wochen Zusammenschlüsse bis zum 15. November 2011 zu forcieren und dann einen Monat später sagt, was für Bedingungen im Einzelnen gelten sollen. So, meine Damen und Herren, kann man mit den Kommunen nicht umgehen.

(Beifall FDP)

Wenn nach der Thüringer Kommunalordnung das öffentliche Wohl für einen Zusammenschluss im Vordergrund steht, dann sollte dies auch die Maßgabe für die derzeit vorliegenden 15 Verfahren sein. Auch dass die sogenannte Hochzeitsprämie in den kommenden Wochen auf ein Sperrkonto fließen und erst nach Zustimmung des Landtags 2012 ausgezahlt werden soll, ist ein sehr dubioses Verfahren. Mit dem Blick in § 7 des Thüringer Haushaltsgesetzes 2011 habe ich mehr als starke Bauchschmerzen bei diesem Vorgehen. Nach § 7 sind maximal 4 Mio. € an Mehrausgaben ohne Nachtragshaushalt möglich. Warum die Landesregierung das bestehende Verfahren nicht einfach um ein Jahr verlängert hat, ist mir unbegreiflich. Lieber versucht man über dubiose Wege noch ein paar

Zusammenschlüsse zu ermöglichen. Ich vermute, meine Damen und Herren, dass der Grund nur darin liegen kann, dass wie in Sachsen nach der freiwilligen Phase irgendwann die Zwangsphase erfolgt.

Noch einmal zurück zu diesem in meinen Augen haushalterisch zweifelhaften Vorgehen. Ich bin der Meinung, es ist zwar richtig, dass man den Gemeinden, die den Weg gegangen sind, natürlich auch diese Prämie zukommen lässt, aber das hätte auf haushalterisch sauberem Weg passieren müssen. Dort haben wir tatsächlich nach wie vor erhebliche Zweifel.

Diejenigen, die so überzeugt von der Zwangsfusionierung sind, sollten sich freilich in Erinnerung rufen, welche Chancen ein freiwilliges Verfahren ermöglicht und einen Blick nach Sachsen werfen. Einsparungen und Effektivität sehen nämlich durchaus anders aus. Erinnern wir uns daran, was etwa nach der Einkreisung der Stadt Plauen in den Vogtlandkreis passiert ist. Die Stadt Plauen hat es geschafft, trotz einer relativ kleinen Einwohnerzahl sukzessive immer weiter ihre Schulden zu senken. Das Erste, nachdem Sie in den Vogtlandkreis hineingekommen sind, ist, dass dort ein neues Landratsamt aus der Taufe gehoben wird für sage und schreibe 30 Mio. €. Deswegen sage ich, Einsparungen sehen anders aus.

(Beifall FDP)

Daher sollten wir uns in Zukunft überlegen, wie wir es schaffen, die Kommunen weiterhin auf einem freiwilligen Weg zu unterstützen und zu begleiten und nicht, ob eine Gemeinde mindestens 7.000 oder 10.000 oder wie viele Einwohner auch immer haben muss, oder ob wir drei, acht oder sieben Landkreise brauchen. Denn die Frage ist, welche Effektivität, welche Effizienz die jeweilige Körperschaft leistet und nicht: Wie groß muss der Radius eines Zirkels sein?

Wie ich aus der Zeitung entnommen habe, besteht die Idee vom Finanzminister, über den Landesausgleichsstock in Zukunft Gemeindefusionen zu fördern. Ich hoffe, dass er diese Idee bald konkretisiert, dass wir dort auch bald ein klares Bild erhalten.

Abschließend will ich noch sagen, dass wir der festen Überzeugung sind, dass es einen Zwang von oben nicht braucht. Zwang führt schon lange nicht dazu, dass Zusammenschlüsse wirklich funktionieren, sondern es müssen sich die Menschen vor Ort finden. Es funktioniert eben nur dann, wenn Menschen freiwillig zueinanderfinden. Die Größe und die Anzahl der Einwohner allein sagt nichts über die Effektivität einer Gemeinde aus.

(Beifall FDP)

Wir haben, wie gesagt, einige Bauchschmerzen, was die Finanzierung und die Art und Weise der Finanzierung anbelangt, aber wir haben eine hohen Respekt und eine hohe Sympathie für den Weg, den die Betroffenen gegangen sind und deswegen werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Herr Abgeordneter, es gibt den Wunsch durch die Abgeordnete Taubert auf eine Nachfrage.

Herr Bergner, Sie haben ja sehr auf die Freiwilligkeit abgestellt und auf den Bürgerwillen und ich bleibe bei unserem gemeinsamen Landkreis, Teichdorf-Mohlsdorf: Wie wollen Sie denn die Konflikte, an diesem Beispiel mal genommen, auflösen? Sie haben eine Stadt Berga, 3.500 Einwohner. Die Menschen haben gesagt, sie sind dagegen; sie haben Teichdorf-Mohlsdorf. Die Menschen haben zumindest nach außen - gesagt, sie sind dafür und ein Teil ist wirklich dafür und ein Teil ist auch erpresst worden - das will ich mal so sagen. Aber wie wollen Sie denn den Konflikt auflösen? Wer soll den Konflikt bei so einer Konstellation denn auflösen, wenn nicht der Gesetzgeber, am Ende auch zum Teil gegen den Willen einzelner Bürger.

Vielen Dank, Frau Kollegin Taubert. Vielleicht für das Protokoll zur Erläuterung: Das ist Regionalkolorit, wenn wir von „Teichdorf“ reden, damit ist „Teichwolframsdorf“ gemeint.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: So viel Zeit muss sein.)

Ich sehe meine Aufgabe nicht darin, diesen Konflikt aufzulösen, sondern ich sehe meine Aufgabe darin, den Willen der Betroffenen ernst zu nehmen. Dort ist es für meine Begriffe so, dass jetzt gerade mit Teichwolframsdorf-Mohlsdorf eine funktionsfähige Gemeinde entsteht. Und die neuen Leitlinien

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ber- ga bleibt übrig.)

- ich komme ja gerade darauf, Herr Kollege Kuschel -, die dann Berga ausführen, die sind dann nicht von uns zu verantworten. Ich danke Ihnen.

Danke, Herr Abgeordneter. Es gibt eine weitere Wortmeldung durch den Abgeordneten Adams. Er war schneller Herr Fiedler. Herr Adams, Sie haben noch 4 Minuten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst einmal bin ich Herrn Kollegen Bergner sehr dankbar dafür, dass er noch mal den Aspekt der haushalterischen Fragestellungen, die hier noch gar nicht zu Ende gedacht sind und noch nicht zu Ende diskutiert sind im Landtag, noch einmal in die Debatte mit eingebracht hat.

Eine Sache ist mir aufgefallen, besonders in der Rede von Herrn Hey: In dieser ganzen Debatte schwebt eine Metapher mit, nämlich die Metapher der Hochzeit. Ich glaube, diese Metapher ist aber falsch. Weil es geht nicht um die Emotion, wo es denn auch Geprellte gibt, die sagen, mich hat sie nicht gewählt, oder er hat mich nicht gewählt,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Da täuschen Sie sich aber gewaltig.)

sondern es geht hier um Recht.

(Beifall DIE LINKE)

Wir richten ja hier nicht eine Hochzeitsfeier aus, sondern wir schaffen ein Gesetz.

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Die Ehe ist auch Rechtsvertrag.)

Herr Höhn hat ja ganz richtig eben gesagt, vor Ort ist das natürlich hoch emotional. Das ist okay. Aber wir sind der Gesetzgeber und in der Struktur des Gesetzgebungsverfahrens sollten wir uns darauf konzentrieren, Emotionen zu haben - sonst haben wir ja keinen Ansporn -, aber im richtigen Augenblick diese Emotionen auch zu kanalisieren. Deshalb ist die Metapher der Hochzeit, über die wir entscheiden, wo wir möglicherweise zu dem Bild kommen würden, dass hier viele Eltern sitzen, die sagen „Ja, Nein, Ja, Nein“, die ist doch vollkommen falsch. Es geht einfach um eine rechtliche Grundlage: Darf man sich zusammenschließen? Ja, sagt die Kommunalordnung, wenn ihr euch freiwillig dazu entscheidet.