Dies war in der kurzen Zeit natürlich nicht möglich. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, damit das Sicherheitsüberprüfungsgesetz für weitere zwei Jahre befristet wird. Grundrechtseingriffe sollten nicht zementiert, sondern müssen immer wieder überprüft werden; das ist unsere feste Auffassung, meine Damen und Herren.
Die Zeit der Befristung auch beim Verfassungsschutzgesetz sollten wir nutzen, um die Grundrechtseingriffe auf ihre Notwendigkeit zu kontrollieren. Ich möchte hier auch den Vorschlag des Thüringer Datenschutzbeauftragten aus der Anhörung aufgreifen. Er schlägt vor, das Thüringer Verfassungsschutzgesetz innerhalb der Befristung bis 2012 von einer unabhängigen Stelle evaluieren zu lassen. Ich glaube, das ist ein sehr vernünftiger Vorschlag, über den wir wirklich nachdenken sollten.
Beim Thüringer Meldegesetz ist die Entfristung nachvollziehbar, da aufgrund der Föderalismusreform ein Bundesmeldegesetz im August vom Bundeskabinett beschlossen wurde. Die Entfristung ist dort somit sinnvoll.
Sehr geehrte Damen und Herren, zum Änderungsantrag der LINKEN nur so viel: Ich denke, Sie schießen dort wieder über das Ziel hinaus. Mit der Abschaffung der nachrichtendienstlichen Mittel und dem Auslaufenlassen des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes versuchen Sie hier erneut bestenfalls einen unbedachten Rundumschlag.
Wir alle wissen, dass in den letzten Jahren gravierende Fehler gemacht worden sind. Trotzdem halten wir als Liberale den Thüringer Verfassungsschutz für notwendig. Als oberste Priorität muss für uns die rückhaltlose Aufklärung aller Vorfälle stehen, um im Anschluss die richtigen Konsequenzen daraus ziehen zu können. Alles andere wird den Geschehnissen nicht gerecht. Wir müssen das Vertrauen in die Thüringer Institutionen, die derzeit berechtigt, vielleicht auch nicht, am Pranger stehen, zurückgewinnen.
Wir dürfen nicht aus ideologischen Gründen die Abschaffung des Verfassungsschutzes fordern, so, wie Ihre Fraktion das macht.
(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Das hat keine ideologischen Gründe. Die sind mitverantwortlich für die zehn Toten!)
Das ist jetzt Ihre Darstellung, wir werten das anders. Das ist uns auch in diesem Hohen Hause unbenommen, da unterschiedliche Positionen beziehen zu dürfen, Frau Kollegin.
Wir in Thüringen wissen natürlich, welche Eingriffe zu DDR-Zeiten stattgefunden haben in diesem Zusammenhang. Daher, Frau Kollegin Renner, wenn Sie sagen, Demokratie und Geheimdienst schließen sich aus, sage ich, Demokratie und Geheimdienst haben sich ausgeschlossen, so, wie das zu DDR-Zeiten der Fall war
oder bei noch schlimmeren Diktaturen. Aber heute gibt es einen erheblichen Unterschied unserer Verhältnisse zur DDR-Zeit. Das Landesamt für Verfassungsschutz soll unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung schützen und nicht untergraben und soll eben nicht eine Diktatur schützen, das ist der wesentliche Unterschied.
Kontrolle ist dabei unsere Pflicht und Schuldigkeit und, meine Damen und Herren, auch unser Recht, das wir auch wahrnehmen wollen. Deswegen werden wir auch weiterhin eine Behörde brauchen, die im Verborgenen arbeiten darf. Denn die Feinde unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung organisieren sich eben nicht öffentlich.
Dabei muss sich die Behörde allerdings der Grenzen ihres Handelns bewusst sein und ihre Eingriffsmöglichkeiten entsprechend restriktiv einsetzen. Wir müssen gerade mit Blick auf die aktuellen Geschehnisse gemeinsam versuchen, die Behörde fit für die Zukunft zu machen, um unsere freiheitlichdemokratische Grundordnung zu schützen. Wir müssen deshalb aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und alles Mögliche tun, damit solche Dinge, wie wir sie gerade diskutieren müssen, nicht wieder passieren können.
Ein Ansatz, meine Damen und Herren, den wir sehen und verfolgen, sind die Grundlagen, auf denen die Eingriffe in Grundrechte beruhen. Die, meine Damen und Herren, müssen immer wieder einer Evaluierung, einer Überprüfung unterzogen werden. Dafür stehen wir ein.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr verehrte Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Debatte zeigt schon an den ersten Rednerinnen und Rednern, dass es eine sehr emotionale, eine sehr tiefgehende Debatte ist, und das ist auch nur vernünftig angesichts der Situation, die wir hier in Deutschland im Augenblick diskutieren müssen. Eine Vorbemerkung habe ich allerdings und möchte aufnehmen, was Frau Kollegin Renner sagte, als sie das unabhängige Landesamt für den Datenschutz in Schleswig-Holstein zitierte, das sehr deutlich gesagt hat, so, wie in Thüringen mit Stellungnahmen umgegangen wird, darf man sich nicht wundern, wenn es nur eine sehr spärliche Beteiligung von Experten an unseren Gesetzgebungsverfahren gibt. Ich kann das nur verstärken und sagen, wenn man sich einmal ansehen würde, wie im Ausschuss über diese Stellungnahmen diskutiert oder nicht diskutiert wird, wäre das sehr erhellend für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Leider hat aber die Koalition mit ihrer Mehrheit verhindert, dass wir öffentliche Ausschuss-Sitzungen haben. Dann würde nämlich solch ein Defizit sehr deutlich schnell öffentlich werden.
Ich möchte mich meinen Kollegen aus der Opposition im Grundsatz in fast allen Punkten anschließen das sei vorangestellt - und möchte gern auf die einzelnen Änderungsanträge eingehen. Zunächst auf den der FDP, er geht nämlich am schnellsten. Es ist eine sinnvolle Sache, dass man sagt: Ein Gesetz, bei dem wir unsicher sind, ob das so vernünftig ist, wollen wir weiter begrenzt haben und die Zeit effektiv nutzen, um dieses Gesetz noch einmal auf moderne datenschutzrechtliche und bürgerrechtliche Fragestellungen hin zu überprüfen, sehr gern auch mit so einer unabhängigen Instanz. Wir werden deshalb dem Antrag der FDP zustimmen. Schwieriger ist es beim Gesetz der LINKEN, das vorangestellt - sehr viele Punkte hat, denen wir ohne Diskussion zustimmen möchten, nicht nur eine Reduzierung oder die Begrenzung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes bis zum 30.06. des nächsten Jahres, um eine schnelle Änderung zu erwirken, zu erzwingen förmlich. Das ist ein Antrag, den auch wir gestellt haben, z.B. auch im Meldegesetz, wo wir in der ersten Lesung schon darauf hingewiesen haben, dass es sinnvoll wäre, hier einen
anderen Blickwinkel zu bekommen, nämlich nicht mehr, dass die Bürger sagen müssen, wir möchten nicht, dass unsere Daten weggegeben werden, sondern dass ein Bürger aktiv erklären muss: Ich möchte, dass meine Daten auch weggegeben werden. Nur dann dürfen sie durch die Meldebehörden weggegeben werden. Das sind zwei Beispiele für richtige Ansätze. Jetzt komme ich zu Punkten, die ich nicht richtig finde. Herr Bergner hat es versucht, so zu formulieren, dass Sie über das Ziel hinausschießen. Ich würde es vorsichtiger formulieren: Ich bin mir unsicher, ob Sie das Ziel damit treffen können und möglicherweise schießen Sie tatsächlich über das Ziel hinaus. Denn das, was Sie hier beschließen, ist in der Tat eine Abschaffung des Geheimdienstes, auch wenn es zunächst einmal nur das Abschaffen, das Verbieten von geheimdienstlichen oder nachrichtendienstlichen Mitteln in den §§ 6 und 7 bedeutet. Das wollen Sie abschaffen und Sie sagen im nächsten Punkt: Wir wollen, dass dieser Dienst zu einer rein wissenschaftlich arbeitenden Behörde umgebaut wird, die aufklärt. Das ist ein Punkt, wo ich Ihnen sage, dafür habe ich auch viel Sympathie. Ich glaube, dass sich dieser Verfassungsschutz mehr in diese Richtung entwickeln muss, aber so in der Kombination, wie Sie das heute darstellen, ist es einfach nicht zu Ende gedacht. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir haben das gestern im Etat auch diskutiert. Wer glaubt, dass er mit 6 Mio. € eine wissenschaftliche Arbeit hinbekommt, die tatsächlich Extremismus zurückdrängt - und ich unterstelle Ihnen einmal, dass das Ihr Ziel wäre -, hat einfach keinen klaren Blick darauf, was Wissenschaft kostet.
Legen Sie doch einmal 6 Mio. € in den Etat von Herrn Matschie hinzu, was das da macht. Das macht Puff, dann ist das einfach verpufft. Sie kommen damit einfach nicht vorwärts. Nur ein Beispiel: Wir haben sehr genau durchgerechnet beim Änderungsantrag der GRÜNEN, um zu sagen, wir brauchen 2 Mio. €, um die Opfer rechter Gewalt besser schützen zu können oder Initiativen wie MOBIT besser unterstützen zu können. Da haben wir sehr genau durchgerechnet, was ein erster wichtiger Schritt wäre und wir kommen allein hier, um solche zivilgesellschaftlichen Initiativen voranzubringen, auf den Punkt, dass wir dafür 2 Mio. € brauchen und umso schwieriger wird es, mit 6 Mio. € eine wissenschaftliche Arbeit, eine dauerhafte Arbeit an extremistischen Strukturen durchzuführen mit dem Ziel, diese nicht aufkeimen zu lassen, diese beobachten zu können, diese transparent zu machen und die Zivilgesellschaft dagegen mobilisieren zu können.
ehrlich zu, wenn Sie von einem Versagen des Verfassungsschutzes spricht. Ja, dieser Verfassungsschutz hat in vielen Fällen und in ganz besonders schweren Fällen versagt. Er hat versagt in einem Konzert mit anderen Sicherheitsbehörden.
Wie weit die einzelne Schuld und einzelne Verantwortung trägt, müssen wir aber sehr genau in einem Prozess, auf den wir uns vorbereiten und den wir in der PKK, im Innenausschuss, im Justiz- und Verfassungsausschuss angegangen sind, aufklären. Ich finde es sehr sinnvoll, diesen Weg der Aufklärung, des Transparentmachens zu Ende zu gehen und dann Schlussfolgerungen zu schließen. Das heißt nicht, dass man nicht vorher auch manche Schlussfolgerung schließen kann, aber man sollte sie nicht zu früh schließen.
Sie verweisen - und ich gebe Ihnen da ja recht - auf ein Versagen. Aber wenn eine Struktur, eine Organisation versagt, heißt es noch lange nicht, dass man sie nicht braucht. Ich mache Ihnen ein Beispiel. Wenn wir in diesen letzten Jahren die FDP oft kritisieren, dann kritisieren wir sie, weil sie für die Meinung vieler hier im Parlament als liberale Bürgerrechtspartei in den letzten Jahren oft versagt hat, weil sie nämlich zu einer Steuersenkungspartei geworden ist, die Klientelinteressen vorn angestellt hat.
Das heißt aber nicht, dass man nicht eine liberale Partei in Deutschland, im Deutschen Bundestag und in diesem Landtag bräuchte.
Aber das heißt doch ganz deutlich, dass man daran arbeiten muss, dass man danach suchen muss, wie man wieder zu einer liberalen Partei kommt und darf nicht sagen, nie wieder eine FDP.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe LINKE, Sie sind sehr schnell dabei, wenn Sie sagen, wir wollen die NPD verboten haben, wir wollen den Verfassungsschutz abschaffen. Aber wenn wir im Innenausschuss dann darüber diskutieren, warum ein rechtskräftig verurteilter Straftäter immer noch nicht eingesperrt ist und in Haft sitzt, dann argumentieren Sie, dass ich der Law-and-order-Mann bin, der Freiheitsrechte gern begrenzt. Das müssen Sie versuchen, eine Balance zu bekommen, die dann auch über mehrere Punkte in einer Tagesordnung trägt, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Auf den Vorwurf, das Wesen des Verfassungsschutzes sei, Straftaten zu decken, will ich gar nicht eingehen an der Stelle, sondern will weitergehen zu einem Angebot. Ich glaube, dass die Debatte um das Thüringer Verfassungsschutzgesetz eine sehr
fruchtbare, eine sehr dringende Debatte ist. Deshalb haben wir den Antrag gestellt, dieses Gesetz nur noch für sechs Monate weiter zu befristen, um dem Landtag den Druck zu geben, dieses Gesetz in jedem Fall zu verändern. Die Koalition hat schon erklärt, dass sie das tun wird, aber wir kennen diese Koalition in diesem Haus, das kann auch schnell mal anderthalb Jahre dauern. Das wollen wir nicht.