Protokoll der Sitzung vom 27.01.2012

Ich möchte hier kurz ein paar Zahlen auch nennen. Die internationale Arbeitsagentur hat errechnet, dass weltweit im Tourismus 250 Mio. Menschen beschäftigt sind - 100 Mio. direkt, 150 Mio. indirekt und dass wir inzwischen im Tourismus weltweit 650 Mrd. US-Dollar erwirtschaften. Man kann also mit Fug und Recht sagen, meine Damen und Herren, es handelt sich hier um einen sehr großen Wirtschaftszweig. Ich glaube, hier haben wir Nachholbedarf, dieses auch für Thüringen zukünftig in seiner Gesamtheit zu erkennen, dass Tourismus nicht nur dem Verreisen, dem Erholen dient, sondern dass die Entwicklung von Tourismus dazu dient, zur Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Thüringen beizutragen.

(Beifall DIE LINKE)

Mit der Antwort der Landesregierung auf unsere umfangreiche Fragestellung in der Großen Anfrage und in Auswertung der Beiträge von kompetenten Vertretern der Tourismusszene Thüringens auf unserer Konferenz verfügen wir nunmehr über ein Ar

(Vizepräsidentin Rothe-Beinlich)

beitsmaterial, welches dazu dienen soll, gemeinsam mit allen engagierten Akteuren die Thüringer Tourismusbranche voranzubringen. In Tourismusstatistiken und Analysen kommt immer wieder zum Ausdruck, dass Thüringen im Hinblick auf seine Tourismustauglichkeit an Weimar, an Oberhof, an Erfurt oder der Bratwurst festgemacht wird. Aber das reicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, einfach nicht aus.

(Beifall DIE LINKE)

Thüringen ist mehr als Oberhof oder Bratwurst. Thüringen ist eben unter anderem der Rennsteig, das Thüringer Meer, der Harz, das Thüringer Schiefergebirge und nicht zu vergessen das Weltnaturerbe oder UNESCO-Naturerbe Unstrut-Hainich-Kreis und die unvergesslichen bzw. auch die ganz, ganz wichtigen Stätten, die Heilstätten und die Kurstätten Thüringens, die wirklich in fast allen Kreisen oder in sehr vielen Kreisen auch vorhanden sind, meine Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Holzapfel, CDU: Das Eichsfeld.)

Natürlich auch im Eichsfeld, nicht zu vergessen. Ich habe noch ein paar Kreise vergessen, die könnte ich jetzt noch aufzählen, das können wir noch nachholen. Wir haben dann aber sicherlich noch Zeit dazu.

Mittlerweile liegt die Reiseanalyse für das Jahr 2011 vor. Stabil geblieben sind demnach die Marktanteile der Urlaubsziele, ein Drittel Deutschland, ein Drittel Mittelmeer und ein Drittel andere Länder, wobei auch zum Ausdruck kommt, dass bei den Deutschen als Urlaubsziel Deutschland weiter gewinnt. Doch wie sieht es verteilt auf die einzelnen Bundesländer aus? Bayern behauptet weiterhin seinen Spitzenplatz, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern. Der Freistaat Thüringen liegt zwar mit einem Marktanteil der Urlaubsziele von Deutschen bei Urlaubsreisen ab fünf Tagen dauerhaft auf Platz 10 aller Bundesländer, weist aber mit einem Marktanteil von 0,9 Prozent unterdurchschnittliche Werte auf. Ein ungünstigeres Ergebnis zeigt sich noch in der Rubrik Kurzurlaubsreisen. Hier ist Thüringen unter den Top 10 gar nicht vertreten. Das Reiseverhalten auf Kurzurlaubsreisen wurde in der Reiseanalyse untersucht und eine Gewichtung der Reisearten ermittelt. Danach stehen Städtereisen an erster Stelle, gefolgt von Besuchsreisen, Ausruhurlaub, Kulturreisen, Shopping, Aktivurlaub, Event und Wellness. In der Reiseanalyse 2011 wird festgestellt, dass mehr als drei Viertel aller Kurzurlaubsreisen die Deutschen ins Inland führen. Gerade wenn man die einzelnen Reisearten aber betrachtet, die die Menschen in die Bundesländer führen, muss man sich die Frage stellen, warum Thüringen in dieser Rubrik nicht unter den Top 10 zu finden ist. Wir haben in Thüringen, wie schon gesagt, beste Voraussetzungen für Städtereisen, bes

te Voraussetzungen für Besuchs- und Ausruhreisen, für Kulturreisen, für Aktiv- und Wellnessurlaub. Hier müssen wir zukünftig weiter punkten, hier können wir mit und in Thüringen punkten. Wir haben umfangreiche Potenziale. Es kommt darauf an, diese sinnvoll und auch gewinnbringend zu nutzen. Sowohl die Beantwortung der Großen Anfrage als auch unsere Fachtagung zum Tourismus lassen uns zu der Schlussfolgerung kommen:

1. Die Attraktivität Thüringens als Urlaubs- und Reiseland wesentlich zu erhöhen, muss Grundanliegen eines Landestourismuskonzeptes sein.

(Beifall DIE LINKE)

2. Im Mittelpunkt dieser Konzeption muss das einheitliche, aufeinander abgestimmte und vernetzte Handeln und Agieren aller Organisationen, Verbände, Vereine und Gesellschaften der Tourismusbranche in Thüringen stehen.

3. Touristische Leitlinien für den Freistaat sollen und müssen erarbeitet werden, um im Konsens mit der Tourismuskonzeption des Landes Akzente zu setzen und damit zu einer qualitativen Erweiterung im Tourismus zu kommen.

4. Wir brauchen zielgruppenorientierte Leitprojekte, die der speziellen Situation in Thüringen entsprechen. Ich denke hier insbesondere an Angebote im Sozialtourismus, im barrierefreien Tourismus oder auch an Kinder-, Jugend- und Seniorentourismus. Hier sehe ich insbesondere in unserem Land noch sehr große Reserven, wie es auch in der Großen Anfrage deutlich wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, an dieser Stelle komme ich nicht umhin, auf einige wenige Punkte der Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage Bezug zu nehmen, obwohl ich davon ausgehe und hoffe, dass diese aufgrund ihrer Komplexität im Ausschuss für Wirtschaft und begleitend im Ausschuss für Bau und Verkehr weiterberaten wird.

1. Die Landesregierung hat festgestellt, dass die demographische Entwicklung bei der Neuaufstellung des Landesentwicklungsprogramms stärkere Berücksichtigung finden muss. Deshalb vertreten wir den Standpunkt, dass gerade der Familien-, Jugend- und Seniorentourismus in den Fokus zukunftsorientierter touristischer Leitlinien rücken muss. Dies nicht zuletzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, unter dem Aspekt der Fachkräftesituation und der Schaffung von Standortvorteilen für Thüringen.

2. Gleichsam stellt die Landesregierung fest, dass Thüringen auch im Tourismus sehr kleinteilige Strukturen aufweist. Und - Zitat aus der Antwort: „Damit jedoch eine professionelle Tourismusarbeit gelingen kann, ist es erforderlich, dass hier durch

Kooperation oder Zusammenschlüsse effektivere und finanzstärkere Strukturen zu erreichen sind.“

Genau das fordern wir seit Jahren, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es kann nicht sein, dass in jeder Region ein oder mehrere Tourismusverbände und -vereine ihr Süppchen kochen und der Gast im Endeffekt keinen Überblick zum Gesamtangebot hat. Der Gast als solches muss im Mittelpunkt dieser Diskussion stehen und im Mittelpunkt auch der Angebote. Die Landesregierung bestätigt beispielsweise in ihrer Antwort zur Frage 175, dass eine Übersicht zu den unterschiedlichen Pauschalangeboten der einzelnen Leistungsträger nicht vorliegt. Hier muss aus unserer Sicht angesetzt werden, um Thüringen für seine Besucher übersichtlicher, komplexer und damit attraktiver zu gestalten. Auch darüber sollten wir in den Ausschüssen weiterdiskutieren.

3. Defizite sieht die Landesregierung in der Kommunikation der touristischen Regionen und Orte. Mithilfe der Gründung der Koordinierungsgruppe sowie im Rahmen der sechs Leitprojekte der Thüringer Landestourismuskonzeption soll dieser Missstand verbessert werden. Für uns stehen unter anderem die Fragen der personellen Zusammensetzung der Koordinierungsgruppe und deren spezifische Aufgabenstellungen noch einmal im Fokus. Hier sollte darüber nachgedacht werden, ob das Bisherige auch das wirklich Richtige ist, um hier zu einer effektiven Arbeit zu gelangen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die beantwortete Große Anfrage zum Tourismus in Thüringen gibt eine Situationsbeschreibung zur Organisation des Tourismus in Thüringen, beantwortet einige offene Fragen und wirft gleichzeitig zahlreiche neue auf. Des Weiteren zeigt die Beantwortung deutlich, dass die Zersplitterung der touristischen Organisationen Thüringens, die zahlreichen Vereine und Verbände, die auf touristischer Strecke in Thüringen unterwegs sind, und die nach wie vor oftmals mangelnde Kommunikation und Kooperation zwischen den Akteuren dringend überwunden werden muss, damit die Tourismusmarke Thüringen gestärkt wird.

Im Übrigen, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat der Wirtschaftsausschuss sich erstmalig dazu entschieden, nicht die Hannover Messe, sondern die ITB in Berlin zu besuchen. Ich finde, das ist zumindest ein Zeichen an die Touristikerinnen und Touristiker des Landes, dass sie ernst genommen werden und an das Wirtschaftsministerium, dass wir als Parlament Interesse daran haben, uns in die touristische Entwicklung des Landes Thüringen einzubringen. Ich beantrage die Weiterberatung der Großen Anfrage im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit sowie im Ausschuss für Bau, Landesentwicklung und Verkehr und möchte enden mit einem Zitat, Frau Präsidentin,

des Wirtschaftsministers Matthias Machnig auf unserer Tourismuskonferenz: „Ich freue mich, dass das Thema Tourismus aufgegriffen wird, denn ich will das am Anfang einmal so sagen und dabei einen Satz von Gerhard Schröder zitieren: ‚Es gibt keine linke und es gibt keine rechte Tourismuspolitik, sondern es gibt nur gute und schlechte Tourismuspolitik.’“ Ich finde, darum sollten wir uns gemeinsam bemühen, was es eigentlich heißt, gute Tourismuspolitik für Thüringen zu machen. Lassen Sie uns gemeinsam in den Ausschüssen bemühen, diese gute Tourismuspolitik für das Land Thüringen voranzutreiben und sicherlich auch den einen oder anderen Diskurs darüber zu führen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Korschewsky. Bevor ich den nächsten Wortbeitrag aufrufe, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass eine weitere Beratung einer Großen Anfrage nur in einem Ausschuss möglich ist. Ich würde Ihnen also nahelegen, dass Sie sich einen der Ausschüsse aussuchen, ansonsten müsste der Landtag nachher entscheiden. Aber das machen wir am Ende der Debatte.

(Zuruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Wirt- schaft.)

Ich rufe jetzt als Nächsten Abgeordneten Heym für die CDU-Fraktion auf.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst erst mal gehört es sich, Dank zu sagen für die Große Anfrage, aber auch für die Antworten, die von der Landesregierung dazu gekommen sind. Ich denke, sie bieten eine gute Grundlage, um dieses Thema weiterzuberaten. Was aber wenig Sinn macht, und was auch der Bedeutung des Tourismus in Thüringen nicht gerecht wird, ist, das am Freitagabend zu tun, kurz vor dem Feierabend nach drei Tagen Plenarsitzung.

(Beifall DIE LINKE)

Deshalb hat es mich auch verwundert, lieber Knut Korschewsky, dass Sie, wir hatten uns ja darüber auch im Wirtschaftsausschuss, zumindest am Rande, verständigt, dass wir gesagt haben, wir reden zu dem Thema nur kurz und sind uns einig, wir geben diese Anfrage an den Wirtschaftsausschuss. Ich war verwundert, dass Sie jetzt noch mal hier im Tiefflug auf das ganze Land geschaut haben, noch mal so ein paar Bewertungen abgegeben haben. Ich denke, das können wir alles im Ausschuss vertiefen, das müssen wir vertiefen.

Vorab nur wenige Sätze. Ich denke, schön und gut ist, dass die Zahlen im Tourismus in Thüringen wie

(Abg. Korschewsky)

der am steigen sind. Das mag Ursachen haben, die sich der eine oder andere auf die Fahne schreibt, aber, was auch richtig ist, die Zahlen könnten wesentlich besser sein, wenn dieser Separatismus im Thüringer Tourismus

(Beifall DIE LINKE)

abgebaut werden würde. Denn das sind meine Erfahrungen über viele Jahre, das ist eben so, viele Akteure im Tourismus sind nicht unbedingt von Politik, von Landespolitik abhängig, natürlich kommen die dann immer wieder und haben irgendwelche Begehrlichkeiten, wo man auch hilft, wenn das möglich ist, aber es liegen viele Kapazitäten brach. Wenn man begreifen würde, dass es den Gast von außerhalb überhaupt nicht interessiert, wo Landkreisgrenzen sind, wo Gemeindegrenzen sind oder sonst welche

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD)

unterschiedlichen politischen Gegebenheiten. Wir sind auch dafür, diese Anfrage im Wirtschaftsausschuss weiterzuberaten. Das ist notwendig und dort können wir das vertieft tun. Es ist auch ein fortschreitender Prozess, das ist kein Thema, was abgehandelt werden kann zu einem Tag X und deshalb mein Vorschlag, Überweisung an den Wirtschaftsausschuss. Vielen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE)

Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Heym. Gestatten auch Sie mir einen Hinweis. Warum wir heute diese Große Anfrage um diese Zeit aufrufen, ist einer einvernehmlichen Verabredung im Ältestenrat geschuldet, bei der wir uns verständigt haben, jeweils am Freitag als letzten Tagesordnungspunkt auf jeden Fall eine Große Anfrage aufzurufen. Vielleicht muss das grundsätzlich hinterfragt werden, ich will das nur für die Tagesordnung zu bedenken geben, weil das durchaus vereinbart war unter den Fraktionen.

Als Nächster in dieser Debatte hat sich nun der Abgeordnete Dirk Adams für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor ich mich auch bei der LINKEN bedanke für diese Anfrage,

(Beifall DIE LINKE)

die auch viel gefächert ist, ich komme gleich darauf, muss ich noch mal auf Herrn Heym eingehen. Da haben Sie jetzt ein bisschen den Vogel abgeschossen. Sie rügen ein wenig, am Freitagabend zu so später Stunde nicht unbedingt Medien like, hier die

se Diskussion zu führen und schlagen nun vor, dass es doch viel besser ist, in nicht öffentlicher Ausschuss-Sitzung dies zu tun.

(Beifall DIE LINKE)

Das finden wir ein bisschen skurril, denn eigentlich müssten wir dazu eine öffentliche Sitzung machen und könnten das vielleicht hier auch gleich beschließen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Was ist denn Ihr Problem in öffentlicher Sitzung, so wie es Herr Heym vorgeschlagen hat, über den Tourismus zu sprechen? Was ist Ihr Problem?

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ich habe kein Problem.)