vierte Gegenrede, und Sie stehen ziemlich alleine, sowohl mit Ihrer Überschrift für die Aktuelle Stunde als auch mit dem, was Sie wollen. Wobei ich mich zwischenzeitlich fragte, ob Sie eigentlich wissen, was Sie wollen oder ob Sie nicht noch auf Dialog vor allem mit Ihrem Koalitionspartner in Berlin warten und gehen müssen, damit Sie überhaupt wissen, wovon Sie reden und was Ihr Vorschlag ist. Deswegen habe ich mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass Sie, vielleicht auch wegen des bevorstehenden Equal Pay Days, noch mal deutlich zeigen wollen, welche Familien- und Frauenpolitik Sie sich wünschen. Sie haben ja immer den Anspruch, dass die besonders modern ist. Ich sage Ihnen aber, die Ideen, die Sie hier heute präsentiert haben, oder dieses Fragment von Ideen, zeigt nach wie vor, dass Sie einfach einem tradierten Rollenbild verfallen sind, was überhaupt nicht modern ist, was überhaupt nicht nachhaltig ist und was zudem jetzt auch noch so teuer ist - die Zahlen haben Sie nämlich bewusst nicht genannt -, Sie werden damit nirgendwo Erfolg haben.
Wenn Sie denn schon dazu Presse machen, Herr Worm - ich habe ja mit Interesse auch Ihre Pressemitteilung gelesen -, dann müssen Sie sich auch entscheiden, wo Sie das Thema auf Bundesebene ansiedeln wollen. Sie haben in Ihrer Pressemitteilung davon geredet, dass Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen das Thema für sich erkannt hat. Wenn ich recht informiert bin, ist Christina Schröder Bundesfamilienministerin, richtig? Da müssen Sie sich schon entscheiden. Ich weiß, Frau Schröder ist nicht besonders wahrnehmbar. Aber meines Wissens ist Frau von der Leyen Arbeitsministerin. Wenn das nicht mal die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag weiß, dann tut es mir leid.
Jetzt lassen Sie mich zum Thema reden, eigentlich ein reines Bundesthema. Das finde ich deswegen bemerkenswert, weil insbesondere von der CDU sich immer darüber moniert wird, die Opposition würde hier Themen in die Aktuellen Stunden einbringen, die vor allem Bundesthema sind. Das ist ein reines Bundesthema.
Aber lassen Sie uns kurz diskutieren. Sie haben 1992 auf Bundesebene, denn da sind wir, den Anspruch auf Erziehungsurlaub von damals einem auf drei Jahre erhöht. Das wurde damals als ganz großer Fortschritt, insbesondere der damaligen Frauenministerin Angela Merkel bezeichnet und gefeiert. Dass Sie aber damit bis heute insbesondere in den alten Ländern die inzwischen von der CDU geforderte Wahlfreiheit bei der Kita-Betreuung faktisch unmöglich gemacht haben, dazu haben Sie heute nichts gesagt. Und dass es keinen guten Ausbau von Kitas, insbesondere in den alten Län
dern, gibt und die jetzt im Nachholprozess sind, das ist einer der Gründe für Altersarmut und nicht die Tatsache, die Sie hier vorhin genannt haben. Sie haben Altersarmut generiert und jetzt versuchen Sie, fünf vor zwölf da irgendwelche Konzepte sich zu überlegen. Das, was Sie sich da überlegen, das kostet viel Geld.
Meine Bundestagsfraktion hat sich mal die Mühe gemacht, das auszurechnen. Sie sind ja mit der Zahl nicht rausgerückt. Ich habe für Sie eine Zahl, die fachkundig auf Bundesebene unsererseits berechnet wurde, würde ich mir gern von Ihnen bestätigen lassen: Bis zu 7 Mrd. € würde dieser Vorschlag kosten. Scheinbar von Bundesarbeitsministerin von der Leyen angeschoben. Wie gesagt, Bundesfamilienministerin ist ja jemand anderes. Da müssen Sie mal erklären, wo Sie diese 7 Mrd. € hernehmen wollen. Jedenfalls wird damit Altersarmut nicht verhindert, sondern im Gegenteil, die nächsten Generationen, die Sie ja immer nicht im Blick haben, die müssen dann draufzahlen und das ist kein nachhaltiges Konzept, mitnichten.
Was wir brauchen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn es wirklich darum geht, Altersarmut zu bekämpfen, das sind andere Konzepte.
Die nenne ich gerne, Herr Kuschel, ich freue mich, dass Sie mit Interesse hier von der ganz linken Seite auch mit dabei sind. Ich nenne die gerne, habe aber leider nur 5 Minuten, deswegen hier die kurze Nennung. Zum einen fängt es jetzt damit an, dass wir wirklich eine Kindergrundsicherung brauchen, damit Familien von Anfang an auskömmlich leben können. Darum geht es nämlich, dass man auch wirklich Familie gründen will und sich abgesichert fühlt - erster Punkt.
Zweiter Punkt: Wir brauchen die bestmögliche institutionelle frühkindliche Bildung. Das ist das, was die CDU immer noch nicht erkannt hat. Sie machen irgendwie Politik für Muttis, die meinen, sie müssten zu Hause bleiben und am Herd stehen - Stichwort „Herdprämie“ -, kümmern sich aber nicht um frühkindliche Bildung.
Wir brauchen - lieber Herr Kuschel, ich führe den Katalog fort - gute Ganztagsschulen mit qualifiziertem pädagogischen Personal, dass Eltern sich auch darauf verlassen können, dass ihre Kinder gut betreut und gebildet werden. Wir brauchen in diesem Land - dafür können Sie etwas tun, dass wir auch kulturell da einen Schritt weiterkommen - qualifizierte Arbeitgeberinnen insofern, als dass sie flexible Arbeitszeiten möglich machen, dass sie gute Löhne ermöglichen, dass sie gute Teilzeitmodelle
tatsächlich beigeben. Wir brauchen die Grundsicherung im Alter. Das alles sind viele Punkte, über die kann man diskutieren. Die sorgen dafür, dass Altersarmut sowohl präventiv in gewisser Hinsicht eingedämmt als auch nachhaltig vorgebeugt wird. Das ist der richtige Weg. Alles andere ist der Griff in die Mottenkiste. Das haben Sie heute wieder gezeigt, das können Sie. Ihr Vorschlag ist Stückwerk. Denken Sie noch einmal darüber nach und reden Sie vor allen Dingen auf Bundesebene mit Ihrem Koalitionspartner, bevor so halbgare Sachen hier in die Öffentlichkeit kommen.
Danke schön. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten - Frau Stange? Bitte schön, Frau Stange.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich will noch mal zwei Sätze nachschieben, vor allem zu Herrn Worm.
Herr Worm, Sie wissen, das Thema Rente und Rentengerechtigkeit hat im Landtag in den letzten 20, 22 Jahren des Öfteren im Mittelpunkt gestanden. So haben wir uns als Fraktion auch gefragt, wie kommen Sie jetzt dazu, eine Idee der Vorsitzenden der Frauen Union, Maria Böhmer, aufzugreifen - deren Pressemitteilung habe ich mir noch mal angeschaut -, die eigentlich eine Problematik aufgreift, die nicht uns hier in den ostdeutschen Bundesländern betrifft, sondern sie betrifft die Frauen in den westdeutschen Bundesländern. In ihrer Pressemitteilung schreibt Frau Böhmer unter anderem: Die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen verbessert werden, weil die Frauen, die jetzt um die 50 sind, also als ihre Kinder klein waren, gab es keinen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, gab es kein Elterngeld, keine dreijährige Erziehungszeit mit Rückkehrgarantie in den Beruf, keine Hortbetreuung und keine Ganztagsschulen. An der Stelle sage ich noch einmal eindeutig, das sind nicht die Probleme der Frauen hier im Osten, denn wir hatten dies alles. Wir konnten nach einem Jahr Erziehungszeit mit Garantie wieder in den Beruf gehen. Wir hatten eine durchgehende Hortbetreuung, wo wir arbeiten gehen konnten, und wir hatten auch gute schulische Bedingungen für unsere Kinder. Darum würde ich mich besonders freuen, wenn wir nicht nur die DDR-Geschiedenen in den Mittelpunkt stellen, wo es eine rentenrechtliche Klärung geben muss, sondern wenn wir auch die anderen Überführungslücken - und hier spreche ich nur mal einige an -, der Rentenwert Ost und West steht ganz oben auf der Liste, die Benachteiligung der Balletttänzerin
die Frauen, die zu DDR-Zeiten Marken geklebt haben, die nicht angerechnet worden sind, erwähnen. Ich rede von den Frauen, die zum Beispiel in der Pflege unterwegs waren und wo auch ihre Rentenbeiträge nicht mitgerechnet worden sind. Ich rede von den Lücken, die wir haben bei Professoren und bei Anwartschaften bei Angehörigen der Deutschen Reichsbahn etc. Es sind mehr als 17 offene Lücken aus DDR-Zeiten, die noch überführt werden müssen in ein Rentenrecht. Wir fordern, dass genau diese Punkte geklärt werden. Ich sehe es ähnlich, wie das die Kollegin der SPD gesagt hat, nicht, dass die Forderungen, die in der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP im Bund stehen, dass in dieser Legislatur eine Klärung im Rentenrecht geschehen soll. Ich sehe es nicht. Wir brauchen, wenn wir uns für Frauen und gegen Altersarmut aussprechen wollen, eine Forderung, die seit vielen Jahren im Raum steht. Wir brauchen ein eigenes Frauenrentenrecht, denn dann können wir aufhören mit diesen Klein-Klein-Situationen.
Somit haben wir dann alle Gruppen von Frauen in einer altersgerechten existenzsichernden Rente geklärt. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte schon noch mal auf zwei Aspekte eingehen. Die Frage stand stets im Mittelpunkt, wo leitet sich die Aktualität dieser Aktuellen Stunden her. Es ist das Interessante, dass es eigentlich zwei Fraktionen - SPD und FDP - in ihrer Rede deutlich gemacht haben, woher diese Aktualität kommt. Mitte des Jahres wird in Berlin ein Konzept zur Frage „Rente in Deutschland - Zukunft, Perspektive“ vorgelegt.
Da macht das doch Sinn, im Vorfeld auf verschiedene Aspekte einzugehen, oder ein Thema in den Mittelpunkt zu stellen, was breit diskutiert wird und was von entsprechendem Interesse ist. Das ist ein Punkt. Das Zweite, Herr Bärwolff, um auf Ihre Rede noch mal einzugehen, natürlich kann man sich hier hinstellen und kann jammern, dass in der Vergangenheit das Thema Rente ständigen Veränderungen unterworfen war. Das ist richtig. Aber zur
Wahrheit gehört auch dazu, dass die Rente vor 123 Jahren durch Bismarck, das war, glaube ich, 1889, eingeführt wurde. Und wenn Sie da mal gucken, wie die Lebenserwartung der Leute dort war. Die war nämlich so ungefähr bei 65 Jahren. Die Rente gab es bei 70 Jahren.
Jetzt haben wir die Situation in Deutschland, dass es die Rente ab perspektivisch 67 gibt, und die Frauen eine Lebenserwartung von 82 und die Männer von 77,5 Jahren haben. Das erklärt eigentlich zum großen Teil schon die Frage.
Dann kam noch die Frage nach den Kosten. Auch hier möchte ich eine Zahl sagen. Ja, es gibt hier unterschiedliche Berechnungen und Aussagen dazu, dass man sagt, wenn man die morgen einführen würde, sagen wir mal 2013, würde die 2 Milliarden kosten; nach Aussage der Bundestagsabgeordneten Antje Tillmann steigert sich das bis 3,8 Milliarden. Das sind die Zahlen, die uns vorliegen. Jetzt könnte ich natürlich auch an dieser Stelle fragen, wofür haben wir denn in dieser Bundesrepublik Geld? Wofür geben wir denn teilweise das Geld aus? Ist es vielleicht in dieser Frage nicht besser angelegt?
Also, Herr Worm, ich meine, Sie sind ja nicht auf den Kopf gefallen, natürlich ist die Rente schon 130 Jahre alt. Das bestreitet doch niemand. Aber die umlagefinanzierte Rente ist doch der beste Garant dafür, dass wir weiterhin eine solide, armutsfeste Rente bekommen.
Das, was Sie doch die ganze Zeit auch im Bundestag verhindert haben, ist, dass wir doch die Bemessungsgrenzen fallen lassen müssen. Das, was Sie verhindert haben im Bundestag, ist doch der Umstand, dass Beamte, Selbstständige und so weiter und so fort gar nicht in die Rente einzahlen.
Wir haben gestritten dafür, dass wir eine ordentliche Bürgerversicherung bekommen, dass wir die Rentenversicherung auf breite Beine stellen, dass alle Einkommen, Herr Barth, alle Einkommen, also auch Mieten, Pachten, Zinsen, Spekulationsgewinne mit in die Rente eingezahlt werden. Die Schweiz
ist doch das beste Beispiel dafür. Die haben auch eine umlagefinanzierte Rente. Sie haben sie ausgebaut. Sie haben die Rentenbeiträge, die Prozentsätze gesenkt, haben aber die Bemessungsgrundlagen sehr viel erweitert. Das ist doch ein wesentlich sinnvollerer Weg, denn es wird doch immer etwas erwirtschaftet. Sie haben völlig außer Acht gelassen, dass es Produktivitätsgewinne gibt. Daran werden Sie nicht vorbeikommen.
Danke schön. Die Redezeit ist insgesamt aufgebraucht. Für die Landesregierung möchte Herr Staatssekretär Dr. Schubert sprechen. Bitte.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Diskussion zum Thema Rente ist jetzt schon sehr vielfältig und sehr weit geführt. Da ließe sich aus Sicht der Landesregierung natürlich auch eine Menge dazu sagen, ob das Angleichung WestOst ist oder die geschiedenen Frauen oder viele, viele andere Dinge, Personengruppen der ehemaligen DDR, die davon betroffen sind. Ich möchte mich aber in meinen Ausführungen ganz konkret auf das Thema beschränken, was Inhalt der Aktuellen Stunde ist, nämlich die Anerkennung von Erziehungsleistungen der Eltern bei der Rentenversicherung. Es ist ja so, dass die schon in erheblichem Umfang honoriert werden im heutigen Rentensystem. Maßgeblich dafür ist das sogenannte Trümmerfrauenurteil aus dem Jahre 1992, in dem das Bundesverfassungsgericht gefordert hat, die Benachteiligung der Kindererziehenden in der Alterssicherung mit jedem Rentenreformschritt zu verringern. Seit diesem Zeitpunkt hat der Gesetzgeber die Leistungen kontinuierlich erweitert. Zu den familienbezogenen Leistungen der Rentenversicherung gehören insbesondere die Anrechnung von Kindererziehungszeiten. Für die Geburten ab 1992 - das ist schon ausgeführt worden, ich wiederhole es gerne noch einmal - werden drei Jahre für Geburten, davor ein Jahr rentenbegründend und rentensteigernd angerechnet. Die Beiträge werden in diesem Fall vom Bund bezahlt und orientieren sich an der Höhe eines durchschnittlichen Jahresverdienstes eines Pflichtversicherten. Zusätzlich zu den Kindererziehungszeiten werden Kinderberücksichtigungszeiten angerechnet. Hierbei handelt es sich um Zeiten der Erziehung eines Kindes bis zum 10. Lebensjahr. Die Berücksichtigungen erhöhen Renten zwar nicht unmittelbar, wirken sich aber bei Bewertung beitragsfreier und beitragsgemindeter Zeiten rentensteigernd aus. Die Rentenanwartschaft aus der Erwerbstätigkeit wird dabei um 50 auf maximal 100 Prozent des Durchschnittsverdienstes aufgewertet. Das gilt allerdings alles für Zeiten ab 1992.
Das ist eigentlich der Punkt, den wir auch so sehen, dass es ungerecht ist, dass das nur für die Kinder gilt, die ab 1992 geboren sind. Deshalb sollte man auf jeden Fall daran arbeiten, hier eine Gleichstellung zu erzielen. Das kann sehr wohl auch bei dem Thema Altersarmut wirken, denn man muss bedenken, dass in Thüringen gerade bei Frauen die Altersrente im Durchschnitt am 31.10. - das ist die letzte Zahl, die uns vorliegt - bei 695 € liegt. Das geht aus einer Sonderauswertung der Deutschen Rentenversicherung hervor und es ist davon auszugehen, dass sich auch in den nächsten Jahren an dieser Höhe wenig ändern wird, denn bemerkenswert ist, dass immerhin 22.187 Frauen in Thüringen einen sogenannten Auffüllbetrag erhalten. Das heißt, der wird dann immer weiter abgeschmolzen mit jeder Rentenerhöhung. Faktisch haben die seit 1992 nie eine Rentenerhöhung gehabt. Das betrifft immerhin jede 15. Frau in Thüringen. Wenn diese Regelung, die wir jetzt angesprochen haben, mit den Erhöhungen um ein bis zwei Jahre für Kinder, die vor 1992 geboren sind, getroffen werden würde, würde das auf jeden Fall zu einer Steigerung der Renten in dem Bereich führen. Aber man muss natürlich auch sagen - das hat auch Frau Künast schon gesagt -, das Ganze wird viel Geld kosten und das wird nicht aus der Rentenversicherung zu finanzieren sein, denn diese Leistungen werden auch heute schon - die ein und drei Jahre, 1992 und davor - aus dem Bundeshaushalt finanziert. Das heißt, man muss diese Finanzierung dann auch in dem Falle, wenn man das will, aus dem Bundeshaushalt vornehmen. Wir werden uns in diesem Sinne auch in Diskussionen weiter einbringen und wir warten ab, wie die weitere Entwicklung der Diskussion im Laufe des Jahres läuft. Vielen Dank.