Protokoll der Sitzung vom 23.03.2012

(Abg. Hitzing)

künftig zumindest gemeinsamen Vorhaben von Bund und Ländern in Wissenschafts- und Forschungsförderung das Wort geredet. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, genügt uns Sozialdemokraten aber bei Weitem nicht. Eine Neuauflage des Bund-Länder-Programms zum Ganztagsschulausbau, von dem seinerzeit besonders Thüringen massiv profitiert hat, ist nämlich auch bei der Realisierung des Schavan-Vorschlags immer noch nicht möglich. Da bleiben wir bei dem ganz konkreten Problem, dass der Bund zwar einen Schulaufbau in Indonesien fördern darf, aber z.B. in der Lüneburger Heide oder der Lausitz eben nicht. Das muss geändert werden und deswegen ist das Festhalten am Kooperationsverbot in der Bildung für uns auch nicht weiter hinnehmbar. Es ist auch im Sinne der Haushaltslage immer schwieriger umsetzbar. Gerade heute ist durch die Bertelsmann Stiftung eine Studie veröffentlicht worden, wo die Mehrkosten für die Länder bei Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention zum Thema inklusive Bildung auf Kosten von 220 Mio. € abgeschätzt werden. Dieses Mehr an Kosten können die Länder auf Dauer selber nicht schultern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPDFraktion hat eine ganz klare Haltung zum Kooperationsverbot. Ich habe es mehrmals gesagt. Und ich bin auch optimistisch, dass über kurz oder lang beim Koalitionspartner ein Umdenken einsetzt und die Aufhebung des Kooperationsverbots endlich diskutiert werden kann. Bis dahin gilt aber auf jeden Fall der im vergangenen Frühjahr getroffene Landtagsbeschluss zur intensiven Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Wir brauchen keine Handlungsanweisungen und wir werden den GRÜNEN-Antrag und den der FDP ablehnen. Vielen Dank.

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wollten Sie eine Frage stellen? Herr Abgeordneter Dr. Hartung, ich habe offensichtlich zu spät gesehen, dass Frau Dr. Kaschuba Ihnen eine Frage stellen wollte. Sie kommen also noch mal zurück und Frau Kaschuba kann die Frage stellen und Sie werden sie beantworten.

Ja, ich finde das wirklich nett, das war jetzt hier ein bisschen kurzschlüssig. Aber Sie haben ja noch mal gesagt, Sie brauchen keine Handlungsanweisungen. Das würde ich jedem auch zugestehen, dass er die nicht braucht. Aber ich glaube, zur Aufhebung des Kooperationsverbots muss man natürlich sehr genaue Vorstellungen haben, in welchen Punkten man es auch aufgehoben haben möchte. Da dieser Flickenteppich, der sich da entwickelt hat

über den Föderalismus in der Bildungspolitik auf allen Ebenen, ja sehr bunt ist, vielleicht könnten Sie die Frage wenigstens dahin gehend beantworten, ob Sie diese konkreten Punkte schon festgemacht haben, die man jetzt verhandeln muss. Frau Schavan hat ja Vorschläge unterbreitet, die beziehen sich nur auf Teilbereiche. Danke.

Festgemacht sind die Punkte in dem Moment, in dem wir uns mit dem Koalitionspartner auf eine einheitliche Haltung geeinigt haben.

(Beifall SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, einen Satz habe ich mir mitgeschrieben, lieber Herr Matschie, den Sie vorhin hier geäußert haben: Wir brauchen eine stärkere Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Frage von Bildung und Wissenschaft. Das war ein Satz, der in der Tat auch mit dem Antrag von uns zu tun hatte und auch mit dem Berichtsersuchen, um das wir Sie quasi gebeten hatten. Wenn wir aber ehrlich sind, haben Sie ansonsten auf die drei Punkte, zu denen die Landesregierung gebeten war zu berichten, keine Antwort gegeben.

Oder sagen wir es anders. Sie haben sehr ausschweifend geantwortet, indem Sie gesagt haben, Sie müssen das noch weiter diskutieren. Auf Deutsch: Die Landesregierung hat keine Haltung zu den zwei Bundesratsinitiativen, die es gibt. Die dritte Frage haben Sie gar nicht erst beantwortet, die wäre allerdings in der Tat spannend gewesen. Denn das war die Frage, was denn tatsächlich gefolgt ist aus der Beschlussfassung in der Drucksache 5/2340, auf die soeben Herr Dr. Hartung noch mal so stolz verwiesen hat, auf die auch Herr Emde Bezug genommen hat, aber leider hat niemand gesagt, ob und was denn da inzwischen passiert ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben die Diskussion um die Aufhebung des Kooperationsverbots in der Tat hier schon mehrfach geführt. Auch da brauche ich keine Nachhilfe, denn der Antrag, der erste, den wir in dieser Legislatur dazu hier beraten haben, stammte von uns im Jahre 2009. Da gab es hier schon spannende und kontroverse Diskussionen, die sich ja heute hier wiederum gezeigt haben. Denn, auch wenn Herr Hartung, der jetzt lieber gegangen ist, keine Handlungsanweisungen will - und ich kann mir das vor

(Abg. Dr. Hartung)

stellen, dass er die lieber nicht will -, bleibt ihm Folgendes nicht erspart. Wenn permanent der Partner auf der Bremse steht und die Handbremse auch ganz fest angezogen ist, dann bewegt sich in der Tat leider nichts und genau das erleben wir hier.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Klar ist mittlerweile, dass das Kooperationsverbot ein Fehler war, das ist hier auch mehrheitlich so geäußert worden. Frau Hitzing, die Mehrheit für die Abschaffung des Kooperationsverbots hätten wir hier schon lange, sogar dieses Mal mit der FDP das passiert auch nicht so häufig. Allerdings fehlt allein der SPD die Handlungsfähigkeit, so will ich es einmal nennen, weil offenkundig die Verabredung der Koalition ist, nicht zu handeln, wenn man sich nicht einig wird. Insofern habe ich überhaupt gar kein Verständnis dafür, Herr Emde, dass Sie gesagt haben, wir lehnen die Anträge, sogar die Ausschussüberweisung - so habe ich Sie verstanden ab. Wenn Sie sich sogar der Debatte verweigern, dann weiß ich wirklich nicht, wie wir zu besseren Schlüssen und zu einer Positionierung kommen wollen.

Die Föderalismusreform von 2006 war hier heute auch schon mehrfach Thema. Sie hat zu unzureichenden Kofinanzierungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten vonseiten des Bundes geführt und sich ganz negativ auf die Bildung ausgewirkt. Unterm Strich würde ich sogar so weit gehen zu sagen, dass die Föderalismusreform den Bildungsföderalismus in der Tat geschwächt und auch der Gesamtfinanzierung unseres Bildungssystems geschadet hat. Und da ist es ein bisschen hemdsärmlig - gestatten Sie mir, wenn ich das so sage, Herr Emde -, wenn Sie hierherkommen und sagen, wir wollen mehr Geld vom Bund, aber er darf nicht reinoder mitreden. Das ist auch ein bisschen naiv, wenn ich das hier mal so sagen darf.

Obwohl die Unterfinanzierung unseres Bildungssystems auch im internationalen Vergleich deutlich wird - Deutschland befindet sich bekanntermaßen auf Platz 30 von 36 Staaten im OECD-Vergleich bei den Bildungsausgaben -, darf der Bund bei der Bildung nicht mitfinanzieren. Obwohl es den Kindern nachweislich nützt und Eltern unterstützt, darf der Bund kein Ganztagsschulprogramm auflegen. In dem Punkt sind wir uns mal einig, Herr Dr. Hartung, dass das ein sehr gutes Programm war, auch wenn es „Zukunftsinvestitionsprogramm“ heißen musste, um den Kriterien zu genügen.

Obwohl es immer noch Schulen gibt, die verfallen und in die es hineinregnet, geht eine Schulbaumodernisierung über das Konjunkturpaket nur mit einer abenteuerlichen Umgehung unseres Grundgesetzes wie mit dem Rückgriff auf eine „außergewöhnliche Notlage“, so muss das dann umschrieben werden. Außerdem hat uns das Kooperations

verbot die bürokratischste Sozialleistung aller Zeiten beschert, so würde ich es jedenfalls nennen, das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket. Wir meinen, Kinder und Jugendliche gerade aus sozial schwächeren Familien brauchen die besten frühkindlichen Bildungseinrichtungen, die besten Schulen, die besten Lehrerinnen und Lehrer.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Was ihre Eltern nicht brauchen, ist eine Bildungsgutscheinbürokratie mit Antragswirrwarr zwischen Jobcentern, Kommunen und Trägern. Das ist nämlich die Realität, die wir heute hier haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Matschie, da hat es auch nichts genützt, dass Sie hier noch mal das große Lob auf das gesungen haben, was alles ganz gut läuft in Thüringen. Das hatte mit den gestellten Fragen an der Stelle leider wenig zu tun und schon gar nicht mit den Antworten auf die Fragen.

Wir sagen ganz klar, das Kooperationsverbot war und ist ein Fehler,

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: So ist es.)

auch und gerade angesichts der Schuldenbremse bis zum Jahr 2020, übrigens auch angesichts der sinkenden Solidarpaktmittel. Es war ein Fehler, dringend notwendige Reformen im Bildungsbereich der Kleinstaaterei in den einzelnen Ländern zu überlassen. Das müssen wir so konstatieren.

Zur bisherigen Diskussion in Thüringen: Wir haben im September 2010 unseren eigenen Antrag vorgelegt, der die Landesregierung auffordern wollte, endlich aktiv zu werden und im Bundesrat eine eigene Initiative zur Aufhebung des Kooperationsverbots zu starten. Dabei hatten wir auch Vorschläge zur Neuordnung des Bildungsföderalismus vorgelegt. Das wurde - wie Sie sich sicherlich gut erinnern, einige sind ja da - von den regierungstragenden Fraktionen leider abgelehnt. Stattdessen - jetzt komme ich wieder zur Aufforderung an die Landesregierung - wurde verabschiedet, zu prüfen, auf welchen Feldern der Bildungs- und Wissenschaftspolitik die Zusammenarbeit mit dem Bund intensiviert werden kann. Damals wurde eines in der Debatte sehr deutlich, das haben wir heute schon wieder erlebt, dass sich die Koalitionsfraktionen mitnichten einig sind und offenkundig demnächst auch nicht einig werden. Während - das unterstelle ich mal positiv - die SPD den Fehler von 2006 mittlerweile zumindest einsieht und angeblich, wenn ich Herrn Dr. Hartung glaube, auch versucht, diesen zu korrigieren, hat sich die Einsicht offenkundig bei der CDU noch nicht durchgesetzt. Die Folgen sind fatal.

In Thüringen steht die CDU einmal mehr auf der Bildungsbremse und hat einen Minimalkonsens herausgeschlagen, der lediglich einen Prüfauftrag über eine mögliche Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Bildungs- und Wissenschaftspolitik vorsah. Bei dem ist bis heute übrigens nicht ein einziges Ergebnis herausgekommen. Ich habe da, ehrlich gesagt, auch wenig erwartet, wenn Sie das nachlesen aus der Debatte damals. Und: Es sollte im Bundesrat eine höhere Beteiligung der Länder am Umsatzsteueraufkommen angestrebt werden, also mehr Geld bitte ja, aber nur keine Mitsprache.

Passiert ist in beiden zentralen Punkten ausgehend von Thüringen nicht wirklich etwas und das ist schon bedauerlich, wenn wir uns doch eigentlich gern Bildungsland Nummer 1 nennen wollen. Aber nicht jede Landesregierung hat die unzureichende Bildungs- und Wissenschaftsfinanzierung so tatenlos hingenommen wie unsere Landesregierung. Das müssen Sie sich gefallen lassen, Herr Matschie, dass ich das so sage. Daher liegen derzeit Sie haben es auch schon gesagt - zwei Entschließungsanträge aus Schleswig-Holstein und Hamburg im Bundesrat vor und alle Oppositionsfraktionen haben im Bundestag eigene Vorschläge vorgelegt. Das will ich noch ergänzen, das hatten Sie vorhin nicht ganz so ausführlich dargelegt.

Uns geht es mit unserem Antrag darum, zu erfahren, wie Sie sich als Landesregierung konkret im Bundesrat verhalten. Da muss ich Ihnen sagen, dass das Wischiwaschi von vorhin, dass Sie das intern weiter diskutieren wollen und dass das noch nicht der Stein der Weisen sei, weder der Antrag von Schleswig-Holstein noch der von Hamburg, nicht weiterhilft. Das heißt leider: Thüringen hat offenkundig keine eigene Position.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das finde ich, gelinde gesagt, schwach. Deswegen werden wir auch noch einmal vorschlagen, das Ganze an den Ausschuss zu überweisen, weil ich es in der Tat peinlich fände, wenn es aus Thüringen keine eigene Positionierung in dieser Frage gäbe.

Auch bei der Bundesregierung und bei der CDU/ CSU-und-FDP-Koalition im Bund scheint mittlerweile etwas in Bewegung gekommen zu sein. So haben sich die regierungstragenden Fraktionen im Koalitionsausschuss vor wenigen Wochen darauf geeinigt, das Kooperationsverbot ein - so zitiert „klein wenig“ zu lockern. Der Vorschlag, mit dem Schwarz-Gelb jetzt in die Verhandlungen geht, nämlich den Artikel 91 b in Absatz 2 Grundgesetz nur auf Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen zu erweitern, ist, meinen wir allerdings, zu kurzsichtig. Erstens liegen die Herausforderungen der Zukunft nicht nur im Bereich der Wissenschaft, sondern gerade auch in der Bildung und das berücksichtigen sie dabei nicht.

Zweitens braucht auch die Wissenschaft mehr als nur eine sichere Weiterfinanzierung und Förderung aus der Exzellenzinitiative. Sie muss zum Beispiel und diese Thematik hat Frau Hennig vorhin schon angesprochen - auch den Studienplatzaufbau, Infrastruktur und Hochschulbau sowie Hochschulgrundfinanzierungsproblematik angehen und nicht allein irgendwelche Leuchttürme herausputzen, wie wir es leider immer wieder erleben.

Gerade im Schulbereich stehen wir vor immensen Herausforderungen. Der Bereich der Inklusion wurde von Ihnen angesprochen, allerdings fehlen dazu auch Antworten. Der Ausbau von Ganztagsangeboten, der Lehrkräftemangel, den wir auch in Thüringen haben, der Ausbau von Kindertagesstätten, insbesondere auch in den alten Bundesländern, aber auch die Erhöhung der Akademikerinnenquote sind nur einige Stichworte, die ich hier nennen möchte.

Im Bundestag fand am 19. März dieses Jahres eine Anhörung zu diesem Thema statt. Hieraus möchte ich einige Punkte erwähnen, weil ich sie durchaus wichtig für die Debatte finde. Die vielen Anzuhörenden waren sich nämlich einig, dass der geplante Gesetzentwurf der Bundesregierung, den Sie schon ansprachen, zur Neuordnung des Bildungsföderalismus unzureichend sei und auch nicht ausreichen wird, die Grundfinanzierung der Hochschulen zu sichern. Sowohl der Vorsitzende des Wissenschaftsrates Prof. Wolfgang Marquardt als auch der Staatsrechtler Prof. Wolfgang Löwer von der Uni Bonn und Prof. Wieland von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften waren sich einig, dass die von der Regierungskoalition anvisierte Änderung des Grundgesetzes nicht geeignet ist, den dringendsten Herausforderungen im Wissenschaftssystem begegnen zu können.

Weiterhin liegen Ihnen in Punkt 2 unseres Antrags verschiedene Vorschläge vor, wie eine Neuordnung des Bildungsföderalismus gestaltet werden kann. Diese entsprechen - das hat Herr Hartung hier ja auch etwas pikiert angemerkt - den Forderungen, die auch unsere Bundestagsfraktion bereits formuliert hat. Deswegen sind sie aber aus unserer Sicht durchaus trotzdem richtig und wir sind gespannt, wie diese Vorschläge aus Thüringer Sicht bewertet werden. Dazu habe ich zumindest regierungsseitig noch nichts gehört.

Die FDP hat ja mittlerweile einen Alternativantrag vorgelegt - Frau Hitzing hat dazu auch etwas gesagt -, in dem sie die Landesregierung aufgefordert hat, den Entschließungsantrag Schleswig-Holsteins zu unterstützen. Ich muss dazu allerdings sagen, Effizienz, Frau Hitzing, ist in der Tat nicht alles. Es sollte schon um den Inhalt gehen und deswegen möchte ich mich ein bisschen genauer damit auseinandersetzen.

Diese Bundesratsinitiative von der schleswig-holsteinischen Landesregierung, die ja gerade noch im Amt ist, ist schon bundesweit beachtenswert, weil damit das erste Mal ein schwarz-gelbes Landeskabinett überhaupt eine Initiative zum Thema Kooperationsverbot ergriffen hat. Aber obwohl die Bundesratsinitiative Schleswig-Holstein strategisch, meine ich, maßgeblich dem Landtagswahlkampf und der hohen Popularität der Forderung „Kooperationsverbot aufheben“ in der Gesellschaft geschuldet ist, zeigt die Initiative trotzdem, dass sich erste CDU-regierte Länder auf den Weg machen, den Bildungsföderalismus immerhin ein wenig zu modernisieren, was eine neue Kooperationskultur von Bund und Ländern anbelangt. Inhaltlich allerdings, liebe Frau Hitzing, ist der Antrag von Schleswig-Holstein ausgesprochen schwach und scheint vor allem mit der heißen Nadel gestrickt zu sein. So enthält er einige sinnentstellende Fehler wie das Ziel der - ich zitiere - „Förderung unterschiedlicher Leistungsfähigkeit“, was gewiss nicht gemeint ist. In der Argumentation werden Bildungsorganisationen als förderungswürdig bezeichnet, ohne dass klar wird, wer oder was das eigentlich sein soll. Dem Sinn nach muss es meiner Meinung nach jedenfalls um Bildungsbereiche gehen. Auch bleibt offen, ob die Landesregierung durchdacht hat, was ihre Vorschläge für andere Politikbereiche bedeuten sollen. Der Vorschlag „Finanzhilfen“ aus Artikel 104 b Grundgesetz nicht länger auf Bereiche zu beschränken, in denen der Bund auch Gesetzgebungskompetenzen hat, hat auch Auswirkungen auf den Kulturbereich beispielsweise. Ich weiß nicht, ob Sie sich darüber im Klaren sind, Frau Hitzing.

(Zwischenruf Abg. Hitzing, FDP: Doch.)

Wir haben allerdings auch Kritik am Vorschlag von Herrn Scholz aus Hamburg. Aus unserer Sicht braucht es einen gemeinsamen Kraftakt, um im Bundestag und im Bundesrat die nötige Zweidrittelmehrheit für eine umfassende Neuregelung des Bildungsföderalismus tatsächlich zu gewinnen. Wir haben Ihnen dazu auch umfassende Vorschläge gemacht. Wenn Frau Hennig meint, das sei noch nicht so ausgereift oder wir müssten an der einen oder anderen Stelle noch diskutieren, dann sage ich Ihnen, ich freue mich schon auf Ihre Vorschläge, keine Frage, aber dazu müssen wir überhaupt erst eine Diskussion zulassen; um die wollen sich aber einige offenkundig schon im Vorhinein drücken. Wir sehen noch viel Handlungsbedarf an ganz vielen Stellen, sowohl bei den Studienplatzausbaubedarfen, beim Infrastrukturausbau, aber auch im frühkindlichen Bereich und im Schulbereich.

Unsere Kritikpunkte zum Antrag aus Schleswig-Holstein habe ich ja bereits ausgeführt. Der Vorschlag der SPD ist für uns ebenso nicht erste Wahl. Auch wenn im Vorschlag der Sozialdemokraten immerhin

zutreffend davon die Rede ist, die dauerhaften Finanzhilfen des Bundes für Bildung zu ermöglichen, ist klar, dass ein neuer Artikel 104 c im Grundgesetz keine Investition in Personal und in Sachmittel ermöglichen würde. Das ist in der Tat noch ein Schwachpunkt. Das halten wir für unzureichend, weil damit neue Umgehungstatbestände geschaffen werden. Zudem zeigt beispielsweise ein kurzer Blick auf die Herausforderungen im Bereich der schulischen Inklusion, dass sich neben baulichen Voraussetzungen viel mehr noch verändern muss. An der Stelle geht es eben nicht ohne zusätzliches Personal und auch nicht ohne zusätzliche Sachmittel, die mit dem Vorschlag der SPD aus Hamburg so jedoch nicht möglich wären.

Zu unseren Vorschlägen: Ich habe ja nun schon einiges zu der Idee des Reformkonvents gehört. Die einen sagen, das sei ja schon die KMK. Also wenn man die KMK jetzt als Reformkonvent bezeichnet, da habe ich doch zumindest eine gewisse Skepsis. Genauso würde ich auch den Bundesrat nicht als Reformkonvent bezeichnen, darunter stellen wir uns in der Tat etwas anderes vor. Nach einer Einberufung eines Reformkonvents besteht der Lösungsweg aus unserer Sicht darin, den Artikel 91 b des Grundgesetzes zu öffnen, so dass Bund und Länder zur Förderung und Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens und der Wissensgesellschaft auf der Basis von Vereinbarungen auch tatsächlich zusammenarbeiten können. Das soll in unserem Vorschlag sowohl die bisherigen Möglichkeiten der Zusammenarbeit, wie z.B. im Zusammenhang mit internationalen Vergleichsstudien etc., ermöglichen und darüber hinaus den Weg öffnen für eine neue Kooperations- und Vertrauenskultur zwischen Bund, Ländern und Kommunen im gesamten Bildungsbereich. Durch die Schaffung eines neuen Artikels 104 c möchten wir Finanzhilfen ermöglichen, die über reine Investitionen hinausgehen und insbesondere der Befürchtung entgegentreten, der Bund könne bei einer Abschaffung des Kooperationsverbots in die Bildungshoheit der Länder eingreifen. Das sind ja die großen Sorgen, die Herr Emde hat. Genau dem wollen wir vorbeugen, weil wir durchaus der Meinung sind, dass Bildung in Ländern und Kommunen sehr gut aufgehoben ist, wir aber das tatsächlich gute Zusammenwirken aller Ebenen und eine amtsstaatliche Verantwortung brauchen. Zudem werben wir dafür, dass die nach Artikel 104 c Grundgesetz zwischen Bund und Ländern zu treffenden Vereinbarungen der Zustimmung einer Dreiviertelmehrheit der Länder bedürfen. Das ist schon ausgeführt worden. Da können wir sicher diskutieren, ob es noch andere Ideen gibt. Auf jeden Fall halten wir das aber für zeitgemäßer als die bisherige Regelung, wo schon ein Widerspruch alles zum Erliegen bringt. Wir sehen beim Prinzip der Einstimmigkeit, so wie es der SPD-Vorschlag vorsieht, insbesondere das Problem, dass man so alles blockieren kann, gerade

Vereinbarungen über Finanzhilfen. Deswegen lautet unser Vorschlag 75 Prozent, weil wir das für eine qualifizierte Mehrheit halten.

Abschließend möchte ich Folgendes feststellen: Wir meinen, wenn es uns ernst ist mit den aktuellen bildungs- und wissenschaftspolitischen Zielen, wie zum Beispiel inklusive Bildung von Anfang an, Weiterentwicklung des Ganztagsunterrichts, Verringerung der Zahl der Schulabbrecherinnen, Steigerung der Studienanfängerinnenzahlen sowie die weitere Verbesserung der Qualität von Forschung und Lehre, braucht es definitiv mehr Investitionen in Bildung und Wissenschaft. Daher streben wir einen kooperativen Bildungsföderalismus an, der gesamtstaatliche Kooperation ermöglicht und verfassungsrechtlich zulässige und zugleich verlässliche Möglichkeiten einer gemeinsamen finanziellen Verantwortung von Bund und Ländern schafft. Für diesen Reformweg möchten wir gern werben. Dafür bitten wir auch darum, unseren Antrag genauso wie den Antrag der FDP-Fraktion zur Diskussion an den Ausschuss zu überweisen, denn ich meine, nichts wird Thüringen mehr schaden, als keine Position in solch einer wichtigen Frage zu haben. Mit Wischiwaschi kommen wir jedenfalls auch im Bundesrat nicht weiter. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)