Protokoll der Sitzung vom 02.05.2012

2. Ich habe irgendwie so ein bisschen das Gefühl, dass diese lediglich 13-seitige EU-Richtlinie, die heißt auch noch „Intelligentere Energiebesteuerung in der EU - Vorschlag für eine Änderung der Energiesteuerrichtlinie“, nicht gelesen wurde.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie kann man denn sagen, dass eine Dieselsteuererhöhung um 22 Prozent geplant ist? Wenn wir jetzt nur mal anschauen, was beispielsweise die gegenwärtige EU-Richtlinie von 2003 vorsieht: 33 Cent Dieselsteuer. Meine Damen und Herren, wir sind bereits bei 47 angelangt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Von der EU gefordert bis 2018 sind lediglich 41 Cent. Ich weiß nicht, warum irgendwo jetzt ein bisschen Panik gemacht wird in den Redebeiträgen. Ganz so schlimm sind die Forderungen, die erhoben werden, nicht.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Weil es opportun ist.)

Mich wundert auf der anderen Seite - dazu kommen wir noch - die EU verlangt gar keine Mehreinnahme seitens Deutschlands oder der anderen Länder, sondern lediglich eine Umverteilung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir könnten doch, um das Abstandsgebot einzuhalten, mal die Steuer für Benzin senken. Ich meine, das ist sicher nicht im Sinne des Finanzministers, aber das wäre doch zumindest mal ein Lösungs

(Abg. Kowalleck)

weg, um auch die EU-Richtlinie mit umzusetzen. Wenn die Ministerpräsidentin mitteilt, dass man gegen eine einheitliche Mindestbesteuerung von Diesel in Europa sei, der Diesel könnte dadurch teurer werden, also teurer als in Deutschland - das ist schwierig,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und mit der Besteuerung eigentlich fast gar nicht möglich, zumindest nicht bis 2018.

Jetzt wollte ich aber noch mal kurz Luft holen und anfangen beim Weißbuch für einen wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Verkehrssektor. Denn während auf dem Gebiet der Industrie, der Energie und der Haushalte eine Senkung der klimaschädlichen Emissionen zu verzeichnen ist, hat der Verkehr seit 1990 um 30 Prozent bei dem Emissionsausstoß für die Klimaschädigung zugelegt. Dass etwas gemacht werden muss in Europa, ich glaube, da sind wir alle d’accord, aber da müsste man auch irgendwo anfangen. Wenn wir jetzt sehen, dass weder das Reduktionsziel erreicht wurde noch die Benachteiligung umweltfreundlicher Verkehrsträger beendet wurde - nehmen wir als Beispiel die Bahn, die im Vergleich zum Flugzeug belastet ist mit Energie- und bei Grenzüberschreitung mit einer Mehrwertsteuer -, dann sollten wir uns auch mal überlegen, wie wir hier an diesen Vorschlag der EU einigermaßen sachlich und zumindest auch nachhaltig herangehen. Dass er abgelehnt wurde, war schon gesagt worden. Es ist eigentlich relativ schwierig. Natürlich ist die Transportbranche weitestgehend auf Dieselbasis, aber wir könnten doch auch einmal darüber reden, wie man eventuell Verkehrsentlastung herbeiführen würde, oder wie man beispielsweise auch die Autoindustrie soweit fordern würde, dass sowohl der Diesel- als auch der Benzinverbrauch gesenkt wird. Über diese Debatte wird hier in Thüringen relativ mit Stillschweigen hinweggegangen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir uns noch mal die EU-Richtlinie ansehen, dort sind auch gezielte Subventionen für einkommensschwache Haushalte oder bzw. dann auch für Verkehrsträger durchaus mit vorgesehen, weil es das Steuerthema sozusagen aufkommensneutral behandelt. Es wird lediglich darüber geredet, dass es nicht so, wie in Deutschland sein kann, dass die Benzinsteuer wesentlich höher ist als die auf Diesel. Gut, über Lösungswege hatten wir nicht weiter gesprochen, aber wir könnten ja auch mal in die Diskussion einsteigen. Dann gehört auch zur Kostenwahrheit mit dazu, dass wir über Regionalisierung der Produktion nachdenken, über Verkehrsvermeidung, über Verlagerung der Mobilität auf andere Verkehrsträger, nicht nur auf den Individualverkehr, über Vernetzung von Schiene, Lkw und Individualverkehr oder auch die Nutzungseffizienz

von Verkehrsträgern diskutieren. Ich denke, da sollte zumindest auch diese abgelehnte EU-Richtlinie uns einen Anreiz dafür bieten, dass wir auch zu etwas globaleren Fragen bei Verkehr, Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung kommen. Es trifft ja bei Diesel nicht nur die CO2-Emmissionen oder die Energiebilanz. Auch bei Diesel haben wir das Problem Feinstaub, haben wir das Problem Lärm, haben wir das Problem, wenn wir über Autos reden, notwendige Straßensanierung durchzuführen und, und, und. Ich denke, wenn wir die Diskussion aufmachen und da hatte ich eigentlich gehofft, dass wir noch etwas breiter in die Debatte kommen, als nur über Dieselsteuerharmonisierung zu reden, Kostenwahrheit beim Verkehr beinhaltet auch Maßnahmen über Verkehrsvermeidung, Mobilitätsvernetzung …

Frau Abgeordnete!

… und ich wünsche mir, dass wir das in Zukunft mehr betreiben und dass wir eigentlich unaufgeregt über 13-seitige EU-Vorschläge, die nicht einer großen Logik entbehren, reden.

(Beifall DIE LINKE)

Für die FDP-Fraktion hat sich der Abgeordnete Untermann zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, beim ersten Lesen Ihrer Aktuellen Stunde, meine sehr geehrten Damen und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, „Kostenwahrheit am Treibstoffmarkt schaffen - Dieselsteuer harmonisieren!“ habe ich mich gefragt, in welche Richtung das wohl geht. Erst habe ich gedacht, bei Kostenwahrheit kann man sich ja mit etwas Fantasie noch etwas ausmalen, aber ich dachte dann so, hat das was mit Blümchen zu tun, mit Flower Power oder ich habe auch noch bei Google eine Definition gefunden, wenn die Hormone stimmen, dann stimmt auch die Harmonie.

(Heiterkeit im Hause)

Weit gefehlt! Ich glaube, die Wahrheit liegt doch nur darin, dass Sie die Steuern erhöhen wollen und das ist doch geschickt versteckt in diesem Thema.

(Beifall FDP)

Das haben Sie ja auch schon in Ihrer Pressemitteilung heute so ein bisschen, aber noch nicht alles gesagt.

(Abg. Dr. Lukin)

Bei dem Thema Kostenwahrheit am Treibstoffmarkt trennen uns inhaltlich Welten, um das mal ganz einfach zu sagen. Wir fordern generelle Transparenz und ein Ende der Preisspirale an den Tankstellen. Das ist nicht leicht, das wissen wir. Da hilft auch nicht ein australisches Modell oder ein österreichisches Modell, es gibt auch noch ein luxemburgisches Modell, sicherlich auch die Pendlerpauschale, aber wir müssen alles versuchen, um da was zu tun, um da was zu regeln. Das Grundübel liegt aber hier nicht allein bei diesen Dingen, die wir hier aufzählen. Das Grundübel ist, dass wir heute wieder einen „VEB Minol“ haben in Deutschland. Das sind die fünf großen Konzerne, die einen einzigen Preis festlegen und da kann kein Wettbewerb entstehen.

(Beifall FDP)

Wenn da nichts passiert, können wir mit den Tankstellen schimpfen und da haben die Tankstellen auch wieder mal die Möglichkeit, in den Wettbewerb einzutreten und die Preise selbst zu bestimmen und nicht nur vom Bier und von der Butter, die sie verkaufen, oder die Brause, ihr Einkommen zu bekommen.

Einer Pressemitteilung nach hat sich jedoch der Individualverkehr trotz teurer Kraftstoffpreise nicht verringert, denn die Bürger brauchen das Auto, um an ihre Arbeit zu kommen.

(Beifall FDP)

Das ist natürlich wieder ein Grund, wo man über die Pendlerpauschale nachdenken müsste, nur mal als Gedankenanstoß.

Aber nun zurück zum Thema Ihrer Aktuellen Stunde. Im April 2012 hat das EU-Parlament in Straßburg den Vorschlag der Kommission abgelehnt, berechtigterweise und das finde ich auch gut so.

(Beifall FDP)

Verfolgt man die Entwicklung der Endverbraucherpreise für den Kraftstoff in den letzten fünf Jahren, so stiegen die Benzinpreise um ca. 21 Cent und die Dieselpreise um ca. 35 Cent kontinuierlich, manchmal mehr oder weniger an, manchmal waren ja die Dieselpreise bis auf 3, 4 Cent an den Benzinpreis rangekommen. Das habe ich auch nicht verstanden, wieso das funktioniert. Weil 1 Liter Dieselkraftstoff energiehaltiger ist als 1 Liter Benzin und mehr CO2 ausstößt, müsste die Mindeststeuer für Diesel etwa um 9 Prozent über dem Benzin liegen. Diese Regelung hätte zur Folge, dass der Dieselpreis um weitere 22 Cent brutto steigen würde. Wer hätte das Nachsehen bei einer Erhöhung der Dieselsteuer? Transportunternehmen, Busunternehmen und alle anderen, die Dieselfahrzeuge fahren. Das sind ja nicht nur Transportunternehmen, das sind auch Menschen wie wir alle.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Carsharing-Nutzer.)

Wohin wird das führen, dass das für diese Unternehmen in die Höhe geht und auf alle Endverbraucher herunterbricht. Alles wird wieder teurer. Außerdem - ein kleines Beispiel - haben Spediteure beim Kauf von Lkw mit E5- und E6-Norm einen Mehrkostenaufwand. Diese Lkw verbrauchen nachweislich mehr Diesel, also entstehen weitere Mehrkosten für das Unternehmen. Das kommt daher, weil so viel Mechanik in den Lkw steckt, die diese 4/5 Liter pro 100 km ausmachen und im Endeffekt steigt dann wieder der CO2-Ausstoß, weil es ja 5/6 Liter pro 100 km mehr sind, etwas an. Wir drehen uns da auch ein bisschen im Kreis, was man nicht versteht.

Nun frage ich Sie, was bringt das den Spediteuren? Was bringt das der Umwelt? Man kann sich wirklich überzeugen, dass gerade auf dem Gebiet, wir haben das am Samstag bei der Thüringer Jahresendversammlung gesehen, diese Lkws sind schon so sauber, die gibt es auf der ganzen Welt nicht noch mal. Wir setzen immer wieder noch eins drauf auf die Autofahrer, das ist nicht zu verstehen.

(Beifall FDP)

Bestraft sind nicht nur die Logistikunternehmen, sondern auch die Automobilindustrie, denn Deutschland ist ein führender Hersteller von effizienten Dieselmotoren. Das nur mal zu Ihrer Kenntnis, Frau Schubert, was Sie von Opel und anderen Unternehmen … Mir wäre ein Auto mit 3 Liter lieber, was 3 Liter Diesel verbraucht, als wenn ich jetzt noch was anderes mache.

Somit ist hier eine negative Entwicklung vorauszusehen und wir wollen eine solche wirtschaftliche Entwicklung nicht, da sage ich Nein. Mobilität muss für jedermann in Deutschland bezahlbar bleiben und dafür steht die FDP.

(Beifall FDP)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Pidde das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Europäische Kommission hat unter Federführung des Kommissars für Steuern und Zollunion die Diskussion angestoßen, Kraftstoffe ab etwa 2023 nach ihrem Energiegehalt und nach ihrem CO2-Austausch zu besteuern.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Herr Pidde hat es gele- sen.)

Aus Sicht der SPD-Fraktion, meiner Fraktion, ist es wichtig, eine Vergleichbarkeit der Energieträger

(Abg. Untermann)

herzustellen. Es geht dabei darum, in Zukunft die ökologisch richtigen Anreize zur Energienutzung zu setzen. Die Diskussion hier genauso wie die Diskussion in den zurückliegenden Wochen hat aber gezeigt, dass notwendige und vernünftige Diskussionen einfach einen richtigen oder einen falschen Zeitpunkt finden. In Zeiten ständig steigender Spritpreise reagieren die Menschen allerdings zu Recht gereizt auf alles, was den Anschein erwecken könnte, sie würden zusätzlich zur Kasse gebeten. Und wenn dann noch Populismus und Parteitaktik in so eine Diskussion hineinspielen, dann ist ein durchaus diskussionswürdiger Ansatz sehr schnell zerredet.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)