Protokoll der Sitzung vom 20.06.2012

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir immer so tun, als ob das Wasser daran Schuld wäre - und, Herr Kummer, wir kommen beide aus Hildburghausen, ich habe dort in der Schraube auch viele Wochen gearbeitet als Schüler -,

(Beifall Abg. Kummer, DIE LINKE)

wenn zu DDR-Zeiten und auch nach der Wende im Übrigen in Gegenden gebaut wurde, wo natürlich nicht gebaut werden durfte, da kann man nicht sagen, daran ist das Wasser Schuld, sondern da ist vorher etwas schiefgelaufen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen muss man auch Dinge heute möglicherweise wieder zurückbauen bzw. einen Riegel vorschieben, wenn man weiß, dass Starkregenfälle dazu führen werden, dass diese Hochwasserfälle noch zunehmen werden. Ich denke, die EU hat es erkannt, sie hat der Bundesregierung aufgegeben, das zu regeln. Wir sind jetzt angehalten, das in Thüringen auch umzusetzen. Deshalb noch mal die heftige Kritik von unserer Seite, ein Vorschaltgesetz ist ein Armutszeugnis. Man hat drei Jahre Zeit gehabt, um hier ein ordentliches Gesetz oder Gesetz

entwurf vorzulegen. Wir hoffen, dass zumindest auch die Aktuelle Stunde dazu beiträgt, dass man hoffentlich nicht nur an dem Vorschaltgesetz arbeitet, sondern dass man mitten in der Arbeit ist zu einem Gesetzentwurf zum Wassergesetz. Ansonsten noch mal, um es zusammenzuführen, auch diese Aktuelle Stunde bestärkt uns als Fraktion, dass am Hochwasserschutz kein Weg vorbeiführt. Wir brauchen Platz für die Flüsse, wir brauchen Platz für die Oberflächengewässer. Wenn es dabei einzelne Menschen trifft, dann ist das bedauerlich. Aber den Menschen ist nicht geholfen, wenn ihre Buden wegfließen bzw. weggetragen werden oder ihre Bungalows unter Wasser stehen, sondern hier eindeutig, wir GRÜNE stehen für Hochwasserschutz und da gibt es kein Wenn und Aber an der Stelle. Danke schön.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Für die Landesregierung Staatssekretär Richwien, bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich will mich mehr oder weniger an dem Rechtsrahmen orientieren, dem ein Minister und auch ein Staatssekretär verpflichtet sind. Ich gehe mal davon aus, dass das auch hier im Parlament bekannt ist. Deswegen bin ich dankbar, dass sich wenigstens einige Redner auf diesen Rechtsrahmen bezogen haben.

Meine Damen und Herren, Überschwemmungsgebiete sind gesetzlich definiert als Gebiete zwischen oberirdischen Gewässern und Deichen oder Hochufern und sonstige Gebiete, die bei Hochwasser überschwemmt oder durchflossen oder die für die Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht werden. Nach § 76 Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz ist die Landesregierung verpflichtet, in Gebieten mit signifikantem Hochwasserrisiko bis zum 22.12.2013 durch Rechtsverordnung Gebiete als Überschwemmungsgebiete festzusetzen, wenn in diesen Gebieten ein Hochwasserereignis statistisch einmal in hundert Jahren zu erwarten ist. Ebenso sind die Gebiete als Überschwemmungsgebiete festzusetzen, die zur Hochwasserentlastung und Rückhaltung beansprucht werden.

An der Stelle noch eine kleine Zwischenbemerkung: Sie wissen ja, dass der Minister und ich jedes Jahr versuchen, genügend Stauraum für die Talsperren zu schaffen, damit dann bei der Schneeschmelze oder bei gewissen Ereignissen der nötige Stauraum letztendlich zur Verfügung steht.

Meine Damen und Herren, Überschwemmungsgebiete sind in ihrer Funktion als Rückhalteflächen zu erhalten, unabhängig davon, ob sie festgesetzt sind

(Abg. Dr. Augsten)

oder nur der gesetzlichen Definition unterfallen. In festgesetzten Überschwemmungsgebieten sind bestimmte Maßnahmen untersagt. Z.B. dürfen darin keine neuen Baugebiete in Bauleitplänen oder sonstigen Satzungen nach dem Baugesetzbuch ausgewiesen oder bauliche Anlagen erweitert oder errichtet werden. Von diesen Verboten abweichend können die zuständigen Wasserbehörden in engen Grenzen Ausnahmen zulassen.

Seit dem Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes zum 01.03.2010 erfolgt die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten auf der Grundlage der §§ 76 ff. Wasserhaushaltsgesetz. Verglichen mit dem Rechtszustand, der vor dem 01.03.2010 galt, haben sich mit Ausnahme der Orientierung an den zu bestimmenden Risikogebieten keine wesentlichen Änderungen für die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten ergeben. Vor dem 01.03.2010 erfolgte die Festsetzung aufgrund des Thüringer Wassergesetzes mit im Wesentlichen gleichen materiell-rechtlichen Bedingungen.

Konkret jetzt zu den beiden Themen, das würde ich auch so bestätigen, wie es Herr Abgeordneter Primas gesagt hat, hat wenig miteinander zu tun, trotzdem möchte ich jetzt zur Hohenwartetalsperre kommen.

Das Überschwemmungsgebiet der Talsperre Hohenwarte befindet sich aktuell im Verordnungsverfahren, das durch das Landesverwaltungsamt als obere Wasserbehörde geführt wird. Derzeit finden an verschiedenen Stellen vermessungstechnische Nachprüfungen aufgrund von Einwendungen im Verfahren statt. Hierzu werden in dieser Woche neueste Flugdaten im Bereich Saalthal-Alter gezielt zur Verbesserung bzw. Bestätigung der errechneten Höhenlinie ausgewertet. Das Überschwemmungsgebiet ist mit den entsprechenden rechtlichen Konsequenzen vorläufig gesichert.

Jetzt ein paar Bemerkungen zu dem Thema „Plothener Teiche“. Hier möchte ich auch vorweg eine Bemerkung machen. Es hat vor ein paar Tagen ein Gespräch vor Ort gegeben, an dem die Ministerpräsidentin und ich persönlich teilgenommen haben, und ich glaube, wir haben uns mit den Beteiligten dort auf einen guten Weg verständigt, so dass wir wenn alles klappt - Anfang Juli in die nächste Diskussionsrunde einsteigen werden. Ich glaube, dass wir auch alle daran interessiert sind, dieses Thema auf einen guten Weg zu bringen.

Aber jetzt im Speziellen: Für das Gebiet der Plothener Teiche existiert weder ein ausgewiesenes Überschwemmungsgebiet noch ist eine solche Ausweisung geplant, es ist nicht erforderlich. Kurzum zusammengefasst: Der wirksamste Weg, Hochwasserschäden zu vermeiden ist also, im Rahmen der Vorsorge Schadenspotenziale in überschwemmungsgefährdeten Bereichen gar nicht entstehen zu lassen. Durch eine an die Gefährdungsbereiche

angepasste Bauleitplanung wird sichergestellt, dass Hochwasser ausreichend Raum zum schadlosen Abfließen behält. Das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes verpflichtet dafür die Länder zum Erhalt von natürlichen Rückhalteflächen und zur Regelung des Hochwasserabflusses, Überschwemmungsgebiete durch Rechtsverordnung festzusetzen.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Es gibt eine weitere Wortmeldung des Abgeordneten Kummer, Fraktion DIE LINKE.

Vielen Dank. Herr Primas, Sie haben gesagt, die beiden Themen haben wenig miteinander zu tun. Eines eint sie, man hat in beiden Regionen die Hochwassergefahr neu bewertet, und dass in Plothen eben trotz 800-jähriger Erfahrung an dieser Teichkette, wo die jetzt erwarteten Ereignisse bisher nicht aufgetreten sind, und an der Hohenwartetalsperre etwas frischer. Diese Neubewertung hat stattgefunden und daraus resultieren die entsprechenden Risiken, die man dort annimmt.

Da sage ich auch ganz klar: In Plothen, das ist unabhängig davon, ob es sich um Talsperren handelt oder nicht, auch wenn es keine Talsperre dort gibt, wenn man sagt, das Gewässer ist keine Talsperre, sondern ein Teich, wird natürlich dort eine Hochwasserentlastung jetzt neu gefordert. Ich will auch gar nicht dagegensprechen. Ich will nur sagen, daraus ergibt sich ein Aufwand und da ist die Frage, wer diesen Aufwand zu tragen hat bei einer solchen Neufestsetzung und wie man die entsprechenden Eigentümer unterstützen kann. Ich gehe mal davon aus, dass die Kommunen hier nicht wie in anderen Beispielen von kleinen Talsperren in der Lage sein werden, das alles zu übernehmen und alles sicherzustellen. Deshalb geht es hier um den Erhalt von Kulturlandschaft und wir müssen uns einen Kopf machen, welche Folgen die Auswirkungen der entsprechenden Festsetzung des Landesverwaltungsamts haben. Ich sage da gar nicht, Herr Dr. Augsten, böses Landesverwaltungsamt, um Gottes Willen, die haben eine Verpflichtung, per Gesetz zu handeln, das ist überhaupt kein Thema. Die Frage ist nur: Wie handeln wir? Welche Auswirkungen hat es auf die Bevölkerung und wie können wir diese Auswirkungen abmildern? Da sage ich auch ganz eindeutig, ich habe lange um die Freihaltung von Auen gekämpft. Ich habe bei vielen Gebieten, wo gebaut werden sollte, hier auch im Landtag das Thema angesprochen und habe mein Veto eingelegt. Beim Beispiel Gewerbegebiet Schorba, was Sie vorhin angesprochen haben, um 1900 ist das dort errichtet worden. Man hat sogar die Hochwassersituation in der letzten Zeit durch Deichrückbau

(Staatssekretär Richwien)

maßnahmen und Ähnliches verbessert, indem man mehr Stauraum geschaffen hat.

Wir können doch aber nicht alles, was in Überschwemmungsgebieten liegt, abreißen. Es denkt doch bei der Stadt Koblenz, die regelmäßig mit Hochwässern durch die Medien geht, niemand an Abriss. Die Frage ist doch auch ein Stück weit zu stellen, wie können wir mit Hochwasser leben? Wir können wir Menschen mit Hochwasser leben lassen und Menschen auch wieder klarmachen, dass sie sich auf Hochwasserereignisse einstellen müssen? Kann man so etwas eventuell über Vereinbarungen regeln, damit die Bungalows eben bleiben können, wenn von ihnen keine Gefahr für die Talsperre ausgeht? Das, Herr Staatssekretär, wäre etwas gewesen, wo ich mir von Ihnen eine Aussage gewünscht hätte,

(Beifall DIE LINKE)

damit wir den Leuten doch noch ein bisschen Hoffnung machen können und damit es eine Chance gibt, die betroffenen Bungalows doch noch zu erhalten. Das sollte nämlich Ziel dieser heutigen Aktuellen Stunde sein. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank. Erneut zu Wort gemeldet hat sich der Abgeordnete Primas aus der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, Herr Kummer, also dass die paar Häuschen die Talsperre gefährden, das glaube ich eher nicht. Das wird nicht passieren. Der Staatssekretär hat doch gesagt, sie sind dabei, das neu zu bewerten, dass das vernünftig läuft. Ich gehe davon aus, dass das wird. Noch dazu, ich bin ja dankbar, dass wir das Thema heute als Aktuelle Stunde haben, um noch mal unsere Meinung deutlich dazu zu sagen. Aber eines ist wichtig, weil Sie sagen, wenn wir schon so ein Vorschaltgesetz machen entsprechend dessen, was uns Europa vorgibt, und es kommen Gesetze dabei heraus, die die Menschen und die die Kommunen quälen, sie umzusetzen, das kostet unheimlich viel Geld. Woher sollen sie es denn nehmen? Darüber muss man auch mal reden, wer die Musik bestellt, muss sie bezahlen. Das ist eigentlich der Hintergrund, weshalb wir eine Anhörung machen im Ausschuss, um herauszufinden, was das alles ungefähr kostet. Da müssen wir auch mal die Bundesregierung fragen: Wie ist es denn, könnt ihr nicht mal mit Europa reden, wenn die das von uns wollen, dass sie auch die notwendigen Finanzen rüberreichen? Warum tun sie es denn nur hier? Wo sind die anderen Probleme? Nirgendwo anders, nur bei uns. Ich sehe das schon nicht so. Ich glaube, da haben wir eine ganze Menge zu tun.

Wir können es einfach nicht mehr so hinnehmen, das geht nicht mehr. Danke.

(Zwischenruf Abg. Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer hat denn die Mehrheit in Europa?)

(Beifall CDU, DIE LINKE)

Vielen Dank, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann schließe ich den dritten Teil der Aktuellen Stunde, rufe auf den vierten Teil

d) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Rio was folgt aus 20 Jahren Erdgipfel für Thüringen“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/4587

Ich eröffne die Aussprache. Zu Wort gemeldet hat sich die Abgeordnete Schubert von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Hoffnungen, die sich mit diesem Erdgipfel verbunden haben, 20 Jahre nachdem ein doch recht bedeutender Erdgipfel zur globalen Umweltkrise stattgefunden hat, sind weitestgehend enttäuscht. Das müssen wir heute leider feststellen. Der Gastgeber Brasilien hat ein Kompromisspapier vorgelegt noch bevor morgen die anderen Staats- und Regierungschefs eintreffen werden. Dieses ist an Unverbindlichkeit nicht zu überbieten. Es gibt eine marginale Aufwertung des UNEP, des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, statt daraus eine schlagkräftige Sonderorganisation zu machen, wie es nottäte. Es gibt keinerlei Verpflichtungen, Subventionen abzubauen für Öl, Kohle, Atomkraft, keinen verbindlichen Meeresschutz und so weiter und so fort. Das alles hat mit Thüringen eine Menge zu tun.

1. Eine Ministerpräsidentin, die sich an vielen Stellen einer nachhaltigen Entwicklung verpflichtet hat, hätte die Kanzlerin öffentlich auffordern können, an diesem Gipfel teilzunehmen. Das hat sie nicht getan.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stattdessen versucht sie auf dem gleichen Kontinent, mit anderen Staats- und Regierungschefs und -chefinnen die Schuldenkrise in den Griff zu kriegen. Das möchte ich an dieser Stelle sehr deutlich sagen: Ich verstehe nach wie vor nicht, warum die nennen wir es - Umwelt-, Sozial- und Hungerkrise

(Abg. Kummer)

als nebenstehend neben der Schuldenkrise begriffen wird. Beides gehört untrennbar zusammen. Man kann das nur zusammen lösen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür gibt es auch Belege. Sven Giegold, ausgewiesener Kenner der globalen Wirtschaft, hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, da kam sehr deutlich heraus, dass die Verschuldung direkt mit dem Ölpreis korreliert ist. Die Hälfte von dem, was Deutschland und auch Thüringen an Geld ausgibt für Rohstoffimporte, ist für Öl. Die Hälfte! Jenseits der vielen Umweltprobleme, die wir durch die Nutzung fossiler Ressourcen haben, werden wir die Schuldenkrise auf Dauer nicht in den Griff kriegen, wenn wir nicht die Umweltkrise lösen. Wir müssen von den fossilen Energieträgern wegkommen. Das hat die Bundesregierung nicht verstanden. Und noch mal: Das ist ein Skandal, der nicht zu beschreiben ist, dass die Kanzlerin Merkel nicht in Rio dabei ist.

Was heißt das alles für Thüringen? Auf der regionalen Ebene haben wir das Gleiche. Es werden ungefähr über den Daumen gepeilt 100 Mio. € ausgegeben pro Landkreis für den Import von fossiler Energie. Das ist Geld, was nicht dafür zur Verfügung steht, die Verschuldung zurückzufahren und auch nicht für entsprechende Investitionen. Wir haben in Thüringen angefangen, einen anderen Pfad zu beschreiten. Das beschränkt sich bis jetzt vor allem auf den Bereich Strom und ignoriert viele andere Bereiche. Die möchte ich Ihnen kurz schlaglichtartig vorstellen. Die Zeit wird nicht ausreichen, die vielen Querverbindungen, die es dazwischen gibt, noch zu beschreiben, aber Sie haben inzwischen genügend Kenntnisse und auch Phantasie, sich das vorzustellen.

Das eine ist der Bereich Verkehr. Die Landesregierung tut immer noch so, als ob man mit Elektroautos und Gigalinern die Probleme lösen kann, die der Verkehr verursacht, statt anzuerkennen, dass wir endlich in den Systemwechsel investieren müssen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Gebäudebereich, CO2-Reduktion schön und gut, aber sobald es an die vier eigenen Wände geht, sagen Sie: Das ist uns heilig, da gehen wir nicht ran und da lehnen wir es auch ab, die Verantwortung den Gebäudeeigentümerinnen anzuerkennen und die auch einzufordern.