Wenn Verfehlungen der Landesregierung im Raum stehen, verdichtet sich dieses Verantwortungs- und Kontrollsystem. So kann der Landtag Untersuchungsausschüsse einsetzen oder einzelnen Mitgliedern der Landesregierung eine Missbilligung aussprechen. Letztlich kann der Landtag durch das konstruktive Misstrauensvotum den Ministerpräsidenten respektive die Ministerpräsidentin und damit auch seine bzw. ihre Regierung abwählen. Diese Parlamentsrechte werden überdies durch die Möglichkeit ergänzt, bei dem Verfassungsgerichtshof im Wege des Organstreitverfahrens Rechte und Pflichten der Verfassungsorgane geltend zu machen und deren Verletzung feststellen zu lassen. Dieses umfassende und auch in der Praxis bewährte System parlamentarischer Verantwortung und Kontrolle der Regierung wird durch das doch sehr schwerfällige Instrument der Ministeranklage nicht wesentlich verstärkt oder verbessert. Dies belegt allein schon die eindrucksvolle Tatsache, dass in den vergangenen 60 Jahren in den acht Ländern, in denen die Möglichkeit der Ministeranklage besteht, es in keinem Fall zu einer Anklageerhebung kam. Insoweit sind die Regelungen in den Verfassungen der meisten alten Bundesländer anachronistisch und gehen hinter die Systematik des Grundgesetzes zurück.
Als Beispiel möge hier Rheinland-Pfalz gelten. Das ist hier auch schon ein paar mal erwähnt worden. Im Februar 2011 brachte die Opposition im Landtag einen Antrag auf Ministeranklage nach Artikel 131 der Rheinland-Pfälzischen Landesverfassung gegen den Justizminister ein. Der Vorwurf lautete auf vorsätzliche Verletzung der Landesverfassung. Auf einer Sondersitzung des Landtags lehnte nach zweieinhalb Stunden erregter Debatte die Regierungsfraktion den Antrag mit 52 zu 48 Stimmen ab. Das Beispiel Rheinland-Pfalz zeigt, dass der Erfolg einer Ministeranklage in einer parlamentarischen Demokratie sehr unwahrscheinlich ist, anders als in einem System strikter Gewaltenteilung, wie beispielsweise den Vereinigten Staaten, oder in einem von der Dichotomie zwischen Parlament und dem Landesherrn geprägten System. Die Ministeranklage durchbricht also die grundlegende „Architektur“
und Systematik der Thüringer Verfassung. Die Ernennung der Minister ist das ausschließliche Vorrecht des Ministerpräsidenten bzw. der Ministerpräsidentin. Er bzw. sie trägt hierfür die Verantwortung gegenüber dem Landtag. Im Falle eines Fehlverhaltens eines Ministers muss es daher folgerichtig dem Ministerpräsidenten obliegen, zu entscheiden, den Minister zu entlassen. Der Landtag hat die bereits erwähnten Möglichkeiten, bis hin zum Misstrauensantrag, auf den Ministerpräsidenten einzuwirken. Eine Ministeranklage passt sich in dieses System „geund verteilte Verantwortlichkeiten“ nicht ein.
Meine Damen und Herren, ich möchte auch dem Eindruck, den die Lektüre der Gesetzesbegründung erweckt, entgegentreten, die Mitglieder der Regierung handelten haftungslos. Selbstverständlich können Minister für gesetzwidriges Verhalten zu strafrechtlicher Verantwortung gezogen werden, Sie können unter Umständen auch zivilrechtlich haften. Sie unterliegen in der Tat aber nicht den beamtenrechtlichen Disziplinargesetzen. Dies hat seinen Grund darin, dass das Disziplinarrecht das notwendige Korrektiv zum auf Lebenszeit angelegten Beamtenstatus ist. Die Mitglieder der Landesregierung üben demgegenüber ihr Amt immer nur zeitlich begrenzt aus; sie tragen das Risiko der jederzeitigen Entlassung mit der Folge möglicher Einschränkungen ihrer Bezüge und Versorgungssituation.
Lassen Sie mich noch auf einen weiteren kritischen Punkt hinweisen. Die Feststellung, ob ein Regierungsmitglied vorsätzlich oder grob fahrlässig die Verfassung oder ein anderes Gesetz verletzt hat, bedarf in der Regel auch einer politischen Bewertung. Das zeigte sich nicht zuletzt in den beiden bedeutenden Impeachmentverfahren der amerikanischen Geschichte im 19. Jahrhundert gegen Andrew Johnson und im 20. Jahrhundert gegen Präsident Clinton. Die Frage wird nicht in solchen Verfahren wie im Strafrecht anhand klar formulierter gesetzlicher Tatbestände zu entscheiden sein; häufig werden Normen berührt sein, deren Auslegung durch politisches Vorverständnis geprägt ist. Der Ort, politisches Fehlverhalten nachzuweisen und daraus zu ziehende Verantwortlichkeiten aufzuzeigen, ist in einem Land der Landtag, nicht der Verfassungsgerichtshof. Vielen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Prof. Dr. Herz. Die Rednerliste ist jetzt erschöpft. Wir kommen zur Abstimmung. Es wurde Ausschussüberweisung beantragt, und zwar an den Justiz- und Verfassungsausschuss.
Wir beginnen mit der Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 6 a, also den Gesetzentwurf in der Drucksache 5/4533 mit Namen „Gesetz zur Stär
kung der Verantwortlichkeit von Regierungsmitgliedern gegenüber dem Parlament“. Wer diesen Gesetzentwurf im Ausschuss sehen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP. Gibt es Gegenstimmen? Die kommen aus den Fraktionen CDU und SPD. Es ist eine Mehrheit, auch wenn sie gering ist, also damit ist die Überweisung abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der Drucksache 5/4534 mit dem Namen „Gesetz zur einfachgesetzlichen Umsetzung des Artikels 69 a der Verfassung des Freistaats Thüringen“. Wer diesen Gesetzentwurf in dem Ausschuss sehen möchte, der hebt jetzt bitte die Hand. Das sind die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP. Wer dagegen ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Gegenstimmen kommen aus den Fraktionen der CDU und der SPD. Somit ist auch diese Überweisung abgelehnt.
Ich schließe an dieser Stelle die Beratung der Punkte 6 a und b für heute und damit den Tagesordnungspunkt 6.
a) Erarbeitung eines Landeswissenschaftsplans - die Zukunft der Thüringer Wissenschaftslandschaft gestalten hier: Nummer 2 Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/2702 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur - Drucksache 5/4572
Antrag der Fraktion der FDP - Drucksache 5/2862 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur - Drucksache 5/4573
dazu: Alternativantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, DIE LINKE, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/4508 Neufassung
Herr Abgeordneter Dr. Voigt hat das Wort, denn er wird aus dem Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur zur Berichterstattung reden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, wie gerade schon erwähnt, es sind zwei Anträge, einmal von der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 5/2702 „Erarbeitung eines Landeswissenschaftsplans - die Zukunft der Thüringer Wissenschaftslandschaft gestalten“ und ein Antrag der FDP „Sicherung des Hochschulstandorts …“ durch Beschluss des Landtags vom 8. Juli 2011 in der Nummer II des Antrags an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur überwiesen worden.
Der Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat die Nummer II des Antrags in seiner 27. Sitzung am 8. September, in seiner 28. Sitzung am 6. Oktober, in seiner 29. Sitzung am 10. November, in seiner 32. Sitzung am 16. Februar und abschließend in seiner 36. Sitzung am 14. Juni beraten sowie ein schriftliches und mündliches Anhörungsverfahren durchgeführt. Sowohl der Antrag der Fraktion DIE LINKE als auch der Antrag der Fraktion der FDP „Sicherung des Hochschulstandorts Thüringen“ wurden vom Ausschuss abgelehnt. Gleichzeitig liegt ein Alternativantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, DIE LINKE, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor, der da lautet: „Umsetzung einer strategischen Hochschulentwicklungsplanung in Thüringen“, der auch im Ausschuss einstimmig beschlossen wurde. Recht herzlichen Dank.
Danke, Herr Abgeordneter. Wünscht jemand aus den Fraktionen das Wort zur Begründung des Alternativantrags? Das ist nicht der Fall. Damit eröffne ich die Aussprache. Als Erste hat das Wort die Abgeordnete Hitzing von der FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, dieser Antrag schreibt schon ein bisschen Geschichte
oder die Anträge an sich, denn der Antrag der Fraktion der FDP ist schon über ein Jahr alt und auch der Antrag der Fraktion DIE LINKE hat schon ein Jahr auf dem Buckel. In Punkt II unseres Antrags haben wir einen Hochschulentwicklungsplan für den Januar 2012 eingefordert. Das ist natürlich nicht mehr machbar, denn die Zeit hat uns eingeholt, weil der Antrag schon über ein Jahr alt ist. Die Forderung kann natürlich nicht mehr erfüllt werden und auch die Punkte I. und III. haben sich faktisch schon erledigt. Ich muss Ihnen sagen, es ist im Grunde genommen ein schlechter parlamentarischer Stil, wenn Anträge aus der Opposition so lange behandelt werden, dass sie sich dann eigentlich überlebt und überholt haben.
Aber wir haben natürlich mit diesen beiden Anträgen - und das nehme ich für die Fraktion der FDP in Anspruch und die Kollegen der LINKEN betrifft das in diesem Falle genauso - überhaupt erst mal die Diskussion über den Hochschulentwickungsplan in die Gänge gebracht.
Das ist natürlich schon ein Fortschritt. In der Debatte zur Einbringung, als es zum ersten Mal um diesen Antrag ging - jetzt rede ich von dem Antrag der FDP-Fraktion mit dem Namen Sicherung des Hochschulstandorts Thüringen - wurde uns damals vonseiten der Regierung gesagt, dass man nun mit den Hochschulen über die langfristige Entwicklungsplanung sprechen wolle. Das ist ein Jahr her, ich muss das immer mal wieder sagen zur Erinnerung. Im Verlaufe der Ausschussberatungen hatten wir allerdings den Eindruck, dass die Spitze des Ministeriums nicht so ganz motiviert war, diesen gesetzlichen Pflichten zeitnah nachzukommen. Ich rede hier von dem Hochschulgesetz und da dem § 11. In der letzten Ausschuss-Sitzung wurde aber seitens des Ministeriums erklärt, man stehe nun in der Mitte des Anfangs der Debatte. Zwischenzeitlich wurde gar behauptet, die Landesregierung habe mit der Darlegung ihrer Zielvorstellungen in den Rahmenvereinbarungen II und III ihrer gesetzlichen Verpflichtung Genüge getan, und dass die Hochschulentwicklungsplanung eher ein strategischer Dialog ist. Das, meine Damen und Herren, ist so nicht richtig. Hochschulentwicklungsplanung im modernen Stil zeichnet zwar große Linien der Hochschulpolitik, aber die Hochschulen brauchen natürlich auch einen festen Rahmen und eine verlässliche Beschlussgrundlage. Die muss einfach festgelegt werden.
soll aber eigenständig sein und nicht in einem Aufwasch erledigt werden. Das hat auch die Anhörung deutlich gemacht, die wir zu diesen beiden Anträgen hatten, das ist auch schon lange her. Die Hochschulen wollen einen längerfristigen Orientierungsplan, den brauchen sie auch und der muss natürlich in einem Dialog entstehen, das ist klar, aber letztendlich ist dieser längerfristige Orientierungsplan notwendig für die Hochschulen. Deshalb sind wir auch in der letzten Ausschuss-Sitzung zu dem Entschluss gekommen, hier einen fraktionsübergreifenden Alternativantrag zu diskutieren. Letztendlich werden wir als FDP-Fraktion uns dem auch anschließen, Herr Dr. Voigt hat es bereits angekündigt.
Trotz alledem denke ich, dass hier auch einige Klarstellungen nötig sind, ohne ein paar kleine Kritikpunkte geht das nicht. Mit der Zustimmung zum Punkt 1 in dem Alternativantrag, den wir dann noch abstimmen werden, werden wir das zögerliche Handeln des Ministers nicht in irgendeiner Form attestieren oder sanktionieren. Der dort beschriebene Prozess ist nicht gleichbedeutend mit dem Prozess zur Erstellung einer Hochschulentwicklungsplanung, dafür ist einfach die Zeit zu lange her und zu viel Zeit verpasst worden, dass es letztendlich jetzt so ist, dass man sagen muss, ja, wir haben eine Rahmenvereinbarung III, die aber laut Gesetz erst nach dem Hochschulentwicklungsplan kommt. Da uns die Zeit eingeholt hat, werden wir das jetzt natürlich auch mit dieser Formulierung, so, wie es in dem Alternativantrag steht, mittragen, aber rein vom Gesetz her ist es der falsche Weg. Es ist umgekehrt.
Noch einmal zum Vertiefen: Im Punkt II wird erklärt, dass die Planung auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung III und des Hochschulgesetzes stattfinden soll und das ist tatsächlich gesetzlich ganz klar vorgeschrieben, nämlich zuerst die Hochschulentwicklungsplanung und darauf die Rahmenvereinbarung. Es ist also mittlerweile so viel Verspätung entstanden, dass man in dieser Situation einfach die Ausnahme gelten lassen muss und macht es umgekehrt, damit wir - wenn ich das so sagen darf - zu Potte kommen.
Ein zeitnäherer Abschluss des Verfahrens wäre nach unserer Meinung wünschenswert. Wir hatten uns das für Ende 2012 vorgenommen und das in unserem Antrag im Jahr 2011 so formuliert. Jetzt kommen wir mit diesem Alternativantrag auf eine erste Berichterstattung im Sommer 2013 und Ende 2013 soll dann alles fertig sein. Das ist unseres Erachtens zu lange, das dauert zu lange und ist auch zu zäh. Das sind immer noch eineinhalb Jahre bis dahin. Ich plädiere dafür, dass man diesen Zeitrahmen, der jetzt im Alternativantrag steht, nicht zwin
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, strategische Hochschulplanung. Thüringen verfügt über eine hoch differenzierte Hochschullandschaft. Die Friedrich-Schiller-Universität in Jena hat eine forschungsstarke Volluniversität mit 21.000 Studenten, die TU Ilmenau leistet Ähnliches in den Ingenieurstudiengängen für über 6.000 Studenten, die Bauhaus-Uni Weimar mit knapp 4.000 Studenten in Architektur, Bauingenieurwesen, Design und Gestaltung, die Hochschule für Musik in Weimar, die Uni in Erfurt mit 5.000 Studenten und vier FH'en mit insgesamt 14.000 Studenten und einer anwendungsbezogenen Lehre, das zeigt 20 Jahre erfolgreiche Hochschulentwicklung in Thüringen. Das Thüringer Hochschulgesetz ist eindeutig und sieht eine klare Reihenfolge der Hochschulentwicklungsplanung vor:
Wie steht es nun um die Thüringer Hochschulplanung? Manche sagen, wir sind mittendrin, andere behaupten, sie hat übergreifend noch gar nicht begonnen. Ein Referent des Ministeriums sagte im letzten Ausschuss, wir sind in der Mitte des Anfangs der Hochschulplanung. Hochschulplanung kann natürlich in moderner Lesart sehr unterschiedlich ausfallen. Kritiker sagen, Hochschulplan sei zu statisch in der modernen Wissenschaftslandschaft. Die Forschung würde begrenzt, der Wettbewerb der Ideen eingeengt und die Hochschulautonomie gleich mit. Befürworter einer strategischen Hochschulplanung sprechen sich für einen gesamtübergreifenden Ansatz aus, weil Autonomie und Planung im Spannungsverhältnis stehen, schließen sich aber nicht gegenseitig aus.