Protokoll der Sitzung vom 18.07.2012

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber eventuell können wir das auch in einer Ausschussberatung noch mal ansprechen. Ich selbst bin Vater eines schulpflichtigen Kindes und besuche auch in meinem Wahlkreis viele Schulen, habe auch viele Schulen hier im Landtag zu Gast und da erfährt man das eine oder andere. Am Montag war

ich zum Beispiel in Schmiedefeld bei Neuhaus und habe in der dortigen Grundschule die sportlichste Klasse in Thüringen besucht. Sie sehen, auch auf sportlichem Gebiet sind Thüringer Schulen leistungsorientiert. Das ist besonders wichtig und gerade die verschiedenen Olympiaden, z.B. MatheOlympiade, möchte ich da ansprechen. Diese Sachen werden zukünftig auch weiter gefördert.

Aber zurück zur Schulordnung. Wir haben hier mit Sicherheit einige Fakten, die unsere Lehrerschaft beschäftigen. Da geht es vor Ort um Themen wie den gemeinsamen Unterricht, der da auch personell beschäftigt. Oder auch, wie können die Lehrerinnen und Lehrer die vorgegebenen und zukünftigen Zielstellungen der Schulordnung erfüllen? Ein einfaches Vorlegen von Gesetzen und Verordnungen ist da der falsche Weg. Man muss das entsprechend begleiten. Das erfolgt ja auch und muss weiter erfolgen. Nicht nur in diesem Zusammenhang kommt dann immer wieder das Thema Lehrpersonal zur Sprache. Da müssen wir auch weiterhin dranbleiben. Einerseits die Sorge um den Stundenausfall, der bei kurzfristigen Ausfällen, krankheitsbedingt gerade im ländlichen Bereich kompensiert werden kann. Aber das Problem sind dabei auch die Langzeiterkrankungen, die wir hier in Thüringen haben. Zum anderen ist auch das Problem der Durchmischung des Lehrkörpers da. In vielen Schulen besteht die Situation, dass Lehrer fast zur selben Zeit in den Ruhestand gehen, da müssen die jungen Lehrer nachrücken.

Wie gesagt, es ist nicht viel Zeit für das Thema zur Bearbeitung. Am Ende möchte ich es hier an dieser Stelle nicht versäumen, den Lehrerinnen und Lehrern und natürlich auch dem Lehrpersonal an den Thüringer Schulen für ihre Arbeit mit unseren Kindern zu danken und natürlich auch schöne Ferien zu wünschen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Für die Fraktion DIE LINKE hat das Wort der Abgeordnete Dirk Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Liebe Schülerinnen und Schüler, ihr seid wieder vergessen worden, was die Wünsche zu den Ferien betrifft. Das finde ich bedauerlich. Euch sei es gegönnt, in wenigen Tagen ist es so weit, schöne Ferien.

(Beifall DIE LINKE)

Aber bevor es so weit ist, ist noch ein bisschen Zuhören angesagt und, wie gesagt, am Freitag werden dann die Nachweise der von euch erbrachten Leistungen ausgeteilt. Hier ist zwar der Eindruck er

(Abg. Kowalleck)

weckt worden, dass die Leistungsorientierung verloren gegangen ist. Ich habe nicht den Eindruck. Ihr und Sie da oben werden das sicherlich auch bestätigen. Es ist schon einiges dafür zu tun, dass auf dem Zeugnis die entsprechenden Noten erscheinen und ein Verschenken von Schulabschlüssen ist in der Schulordnung meines Wissens nicht vorgesehen.

Frau Hitzing, Aufrücken kann man auch mit Lücken schließen übersetzen und so verstehe ich das auch am Ende.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Zunächst eine Klarstellung: Mit Ihrem Titel „Aufrücken statt Versetzung - Hat Thüringen Abschied vom leistungsorientierten Schulsystem genommen?“ suggerieren Sie, dass die sogenannte Ehrenrunde komplett abgeschafft wurde. Dem ist nicht so, denn lediglich in den Klassenstufen 3, 5 und 7 Ausnahme bildet hier die Gemeinschaftsschule wurde in der neuen Schulordnung auf die Versetzungsentscheidungen verzichtet.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, schön wär’s!)

Ich verrate Ihnen sicherlich kein Geheimnis, dass DIE LINKE sich dafür stark gemacht hat, komplett auf das Sitzenbleiben zu verzichten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Man muss nicht alte Zahlen hier vorbringen, aber wenn bereits im Jahre 2009 umfangreiche Studien festgestellt haben, dass Sitzenbleiben einfach nur teuer und pädagogisch sinnlos ist

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

bei dem Stichwort teuer sind Zahlen bis zu 1 Mrd. € Einsparungsmöglichkeiten im Gespräch -, kann ich nicht verstehen, dass Sie vor diesem Hintergrund diesen Titel für diese Aktuelle Stunde gewählt haben.

Sitzenbleiben an sich hat aus meiner Sicht die Denkweise im Hintergrund, dass jeder Schüler und jede Schülerin in einer Klasse ein und denselben Entwicklungslauf nehmen müssten und jeder Schüler und jede Schülerin am Ende einer Klassenstufe einen einheitlichen Entwicklungsstand erreichen. Das ist aus meiner Sicht Gleichmacherei. Wenn ich Ihr liberales Weltbild richtig verstanden habe, dann kommt Gleichmacherei in diesem nicht vor.

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Wie definiert sich Gleichmacherei denn?)

Wenn Sie eine Gruppe von Kindern bzw. Jugendlichen haben, die in ihrer Lerngeschwindigkeit nun einmal unterschiedlich sind, dann können Sie nicht

verlangen, dass am Ende eines jeden Schuljahres jeder einzelne Schüler auf dem gleichen Niveau ist. Wenn Sie doch wirklich auf Leistungsorientierung aus sind,

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Dafür gibt’s Noten von 1 bis 6.)

- dazu komme ich gleich - warum versuchen Sie nicht, aus jeder Schülerin und jedem Schüler die besten Leistungen herauszubekommen?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich denke, Sie springen einfach zu kurz, wenn Sie eine Leistungsbewertung nur auf die Ziffern 1 bis 6 reduzieren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe, Sie haben schon mal gute Erfahrungen mit Lob und Tadel gemacht. Ich hoffe, Sie haben schon einmal gute Erfahrungen mit Worturteilen gemacht und auch mit Gesprächen zur Lernentwicklung mit Schülerinnen und Schülern und Eltern. Hier gibt es aus meiner Sicht nur eine Lösung: individuelle Förderung. Den Schüler da mitnehmen und natürlich auch die Schülerin, wo er bzw. sie steht. Nicht versuchen, ihn bzw. sie mit anderen gleichzumachen, um dann doch am Ende festzustellen, dass er bzw. sie in die Ehrenrunde und somit ein Schuljahr wiederholen muss. Mit unserem gemeinsamen Antrag zum inklusiven Bildungswesen in Thüringen, den Ihre Fraktion mitträgt, sind wir zum Glück auf dem richtigen Weg.

(Beifall DIE LINKE)

Dass individuelle Förderung, das ist von dieser Stelle auch schon gesagt worden, jedoch mit unserer momentanen Lehrersituation nur schwer umzusetzen ist, muss hier nicht weiter erwähnt werden. Das war übrigens auch die Ursache für die heftigen Diskussionen vor einem Jahr. Dieses Fehlen an notwendiger Anzahl von Kolleginnen und Kollegen hat die eigentliche sachliche Diskussion, die notwendige sachliche Diskussion zu diesen Änderungen einfach überdeckt. Es ist also an uns als zuständige Abgeordnete in diesem Haus, die entsprechende Personalsituation in den Thüringer Schulen zu ändern. Ich fordere Sie deshalb auf, unstrittige Feststellungen zum Thema Versetzung nicht infrage zu stellen, sondern mit dafür zu sorgen, mit zu kämpfen, dass genügend Lehrerinnen und Lehrer zur Umsetzung genau solcher Maßnahmen im nächsten und in den darauffolgenden Schuljahren eingestellt werden. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Herr Möller. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Wort hat jetzt der Abgeordnete Peter Metz von der SPD-Fraktion.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler, bisher lief das bei den bildungspolitischen Diskussionen in diesem Plenum immer so: Frau Hitzing kam vor, hat als Pragmatikerin und Kennerin der Praxis im Thüringer Schulsystem gesprochen und mindestens ab der Seite Bildungsideologie vorgeworfen und diesen drei Fraktionen zumindest ideologische Grundsatzentscheidung und Durchideologisierung im Bereich der Schulpolitik vorgeworfen. Frau Hitzing, allein die Überschrift und noch viel mehr Ihre Rede lässt an Ihrer Praktikerinnenhülle kratzen und zeigt, welch Geistes Kind die FDP ist, nämlich kalte Marktideologen,

(Beifall Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

die sich eben nicht für das Schicksal einzelner Schülerinnen und Schüler interessieren, sondern eine Art kollektive Thüringer Härte im Thüringer Schulsystem und in der Thüringer Schullandschaft einfordern. Bei Ihnen stehen doch Individualität und leistungsschwache Schülerinnen nur rhetorisch im Mittelpunkt. Ralf Dahrendorf, wie gesagt, ich habe den schon oft zitiert, Sie kennen ihn wahrscheinlich immer noch nicht so gut, hat mal gesagt: „Eine Politik der Freiheit bedeutet die größten Lebenschancen der größten Zahl zu garantieren. Dafür benötige man eine Kultur der Solidarität und Zusammengehörigkeit.“ Mit Ihrer Rhetorik, Frau Hitzing, schaffen Sie das Gegenteil. Sie müssen mir mal in der Praxis die Masse an Kindern und Jugendlichen zeigen, die gegen ihren Willen - ich komme gleich noch mal konkret dazu, was in der Schulordnung steht - und gegen den Willen der Eltern nicht versetzt wurden und danach noch eine gute Biografie hinter sich haben. Diese Kinder, diese Masse an Kindern, müssen Sie mir mal zeigen. Die Praxis und auch die Empirie zeigen hier deutlich andere Beispiele. Seit den 70er-Jahren warnen Pädagoginnen und Pädagogen vor allem in der empirisch-psychologischen Schulforschung vor dieser Methode, weil diese Methode oftmals nicht nur zum Leistungsabfall, sondern auch zur Isolation von Kindern und Jugendlichen in Schule führt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe in meinem Büro - ich lade Sie dann demnächst auch wieder ein, Frau Hitzing, dann können wir wirklich noch mal fachlich und intensiver darüber sprechen - ein Bild, da sieht man einen Baum; ein Affe, ein Elefant und ein Pinguin werden vom Lehrer aufgefordert, in der gleichen Zeit auf diesen Baum zu klettern. Meine sehr geehrten Damen und

Herren, dass das nicht möglich ist, ist ja absolut offensichtlich. Genau deshalb, das ist eigentlich sinnbildlich dafür, dass wir eine Schule brauchen, in der der Leistungsstand der Kinder und der Fortschritt tatsächlich genau analysiert werden und nicht alle Kinder über einen Kamm geschoren werden. Herr Möller hat das, wie ich finde, sehr gut in seiner Rede ausgedrückt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist eben nicht so, dass wir tatsächlich an Leistungen oder irgendwas im Mittelpunkt orientiert haben, ob Kinder und Jugendliche versetzt werden. Allein bei der Notenvergabe haben wir in Deutschland nachgewiesen - und ich weiß im Übrigen auch, auf welche Regierungszeit das zurückgeht, diese Studien, Herr Kowalleck -, klar nachgewiesen, dass wir eine Kopplung von sozialer Herkunft und Notenspreizung haben. Das heißt, wir haben in den unteren Kompetenzstufen bei PISA eine massiv große Anzahl von sozial schwachen Kindern und bei den oberen Kompetenzstufen eben diejenigen Kinder, die aus gutbürgerlichen, sozial starken Haushalten kommen. Deswegen ist die Frage von Versetzung auch eine Frage von sozialer Ausseparierung an Schule und damit muss in der Entwicklung Schluss sein, meine sehr geehrten Damen und Herren. Man kann nicht - und da spreche ich einige Kollegen von der CDU, aber gerade die FDP an - auf der einen Seite zur Regebogenschule in Erfurt gehen und da die große Solidarität bei der Frage der Kürzung in den freien Schulen predigen, man kann auch nicht zur Freien Ganztagsschule Milda gehen und die Leistung der Freien Ganztagsschule Milda und der Regenbogenschule Erfurt würdigen, weil sie wahrscheinlich im Privatsegment sind, denn die beiden Schulen machen beispielsweise genau das, was Sie in Ihrem Mittelpunkt kritisieren, meine sehr geehrten Damen und Herren. Was ich will, ist, dass wir im staatlichen Bereich tatsächlich jedem Kind so etwas wie Milda und Regenbogenschule auch ermöglichen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, man kann über diese Fragen eigentlich nur fachlich reden. Ich wünsche mir, dass wir in Zukunft nicht in so einer Art Provokation und Gegenprovokation, wie ich das jetzt auch gut getan habe im Plenum, über diese Fragen reden, sondern auch wirklich fachlich. Mein Angebot steht, im Büro hängt das Bild. Sie können es sich noch einmal anschauen und dann reden wir fachlich noch einmal über diese Frage. Vielen Dank, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD)

Vielen Dank. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort Frau Abgeordnete Astrid Rothe-Beinlich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebe Gäste, die Sie heute hier sind, wir haben ja jetzt schon eine etwas hitzige Debatte erlebt und ich glaube, Frau Hitzing hat sich im wahrsten Sinne des Wortes etwas verstolpert. Wenn man nämlich genau nachschaut, was das Wort „aufrücken“ bedeutet, dann heißt das höherstufen und versetzt werden. Ich hatte aber das Gefühl, dass Sie tatsächlich etwas gestolpert sind im wahrsten Sinne des Wortes, um eine Analogie zu finden, die zu der Rede passt, die Sie hier heute vortragen wollten. Ich kann mich an dieser Stelle weitgehend dem Kollegen Möller, der heute hier seine erste Rede gehalten hat, aber auch dem Kollegen Peter Metz anschließen, denn es geht uns, glaube ich, in der Tat um etwas anderes in unseren Schulen. Wir wollen unseren Schülerinnen und Schülern, und zwar allen, in ihrer Unterschiedlichkeit gerecht werden. Wir wollen, dass sie Lust haben, in die Schule zu gehen. Wir wollen sie ermutigen, nicht beschämen. Und wir wollen sie genau da abholen, wo sie stehen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unsere Kinder sind so, wie sie sind. Nicht die Kinder müssen zur Schule passen, sondern die Schule muss zu den Kindern passen und muss sich auf alle Kinder und ihre Unterschiedlichkeiten einstellen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau da wird es dann aber schwierig, wenn wir uns die Praxis anschauen, weil es vielerorts an den sächlichen, aber auch an den personellen Voraussetzungen für all das fehlt, die wir uns für unsere Kinder, für unsere Schülerinnen und Schüler, aber auch für unsere Lehrerinnen und Lehrer und das sonstige pädagogische Personal wünschen. Ich glaube, es war inzwischen in allen Fraktionen so, dass die GEW ihre Online-Umfrage vorstellen konnte, die sie unter den Thüringer Lehrerinnen und Lehrern durchgeführt hat. Unsere Fraktion teilt die Forderungen, welche die GEW daraus abgeleitet hat, nämlich dass wir mindestens 800 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer brauchen, wenn wir den Rechtsanspruch auf individuelle Förderung tatsächlich auch so umsetzen wollen, dass genügend Personal da ist und wir auch den Unterschiedlichkeiten unserer Kinder und der Umsetzung von Inklusion rundweg gerecht werden. An dieser Stelle

müssen wir uns ernsthaft Gedanken machen, auch und gerade mit Blick auf die Haushaltsberatungen. Denn wir wissen, Lehrerinnen und Lehrer kosten uns Geld, aber sie sind Investitionen in die Zukunft. Ich sage hier noch einmal: Jeden Euro, den wir uns an der Bildung sparen, der wird sich bitter rächen und der wird vielfach auf uns zurückschlagen, deshalb ist es eine lohnende Investition.