Protokoll der Sitzung vom 19.07.2012

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Eichsfeld hat genauso viele.)

So ist für mich nicht ersichtlich, inwiefern in den Orten, in denen Schlecker-Filialen schließen, ein Dorfladenprogramm notwendig sein soll.

(Beifall SPD, FDP)

Dorfläden ja, aber nicht an den Standorten, die Sie in Betracht ziehen. Ich stelle hier die Frage, wo sehen wir hier den Nutzen, wie viele Schlecker-Angestellte würden eine Beschäftigung finden - ich befürchte schon wegen Wohnungsfragen und Arbeitsplatzunterschied fast keine - und wie definieren Sie dann eigentlich die Infrastruktur? Jede Gemeinde ein Dorfladen und die Infrastruktur im ländlichen Raum ist gerettet - weit gefehlt, meine Damen und Herren. Zum Erhalt der Infrastruktur im ländlichen Raum brauchen die einzelnen Regionen ein individuelles Gesamtkonzept. Aber ich habe in der Aktuellen Stunde dazu zum Erhalt der Dörfer schon dargelegt, dass mehr dazu gehört. Dazu gehören ärztliche Versorgung, Erhalt der Schulstandorte, Erhalt der Mobilität, ÖPNV,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Klar müssen wir das alles machen, was aber das Projekt „Dorfladen“ nicht ausschließt. Heinz Untermann, was soll denn das nur?)

Arbeitsplätze in kleinen mittelständischen Unternehmen oder in der Landwirtschaft, Erhalt der Kultur- und Vereinslandschaft und natürlich die Grundversorgung mit Waren des täglichen Bedarfs. Auch ein Tante-Emma-Laden gehört dazu. Ich wünschte mir, es wäre ganz so einfach, ein Tante-Emma-Laden löst die Probleme. Nein, insgesamt muss man das sehen und dann auch in keinem Fall mit diesem Schlecker-Problem.

(Beifall SPD, FDP)

Ich habe mich bei bestehenden kleinen Lebensmittelgeschäften in Thüringen umgehört. Einige stehen vor dem Aus und müssen schließen, weil die Kosten nicht mehr gedeckt werden können. Laut Statistik hat sich die Anzahl der kleinen Lebensmittelgeschäfte von 2000 bis 2007 bundesweit um 17.000 auf knapp 28.900 Läden reduziert. Das entspricht einem Rückgang von 37 Prozent. Eine Perspektive werden nur innovative regionale Betreibermodelle haben nach dem Motto „Eigeninitiative statt Unterversorgung“.

(Beifall SPD, FDP)

(Abg. Primas)

Als Beispiel möchte ich das im Jahr 2004 gegründete Dorfladen-Netzwerk im Bundesland Niedersachsen anführen. Das Konzept der Bürgergesellschaft Dorfladen „Von Bürgern für Bürger“ wird hier seitdem erfolgreich betrieben. Der in den Punkten 2 und 3 Ihres Antrags Anschubfinanzierung in Form von Förderprogrammen oder Mikrokredite für Dorfläden genannte Gedanke ist in Ordnung und auch ausbaufähig. Im Bundesland Bayern erfolgt über die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft eine finanzielle Unterstützung und wirtschaftliche Beratung von derartigen Projekten im ländlichen Raum. So sollte die Landesregierung mal in unser Nachbarland schauen und dort vielleicht Erfahrungen sammeln.

Die Bereitstellung von zinsgünstigen Krediten als Anschubfinanzierung, steuerliche Begünstigung durch Land und Bund sind Möglichkeiten der Unterstützung für den ländlichen Raum. Ich möchte noch einmal an unseren Antrag zur Bündelung der Fördermöglichkeiten - Bereitstellung eines sektorübergreifenden Budgets für die Region - erinnern. Solange für Thüringen mit den zukünftigen Förderperioden die Möglichkeit der EU-Zuweisungen bestehen, macht es sich erforderlich, die minimierten Mittel der Europäischen Union effizient einzusetzen. Gäbe es ein Regionalkontingent, bei dem die Möglichkeit besteht, auf Förderungen aus verschiedenen Fördertöpfen zuzugreifen, so wäre eine projektumfassende Finanzierung auch für Dorfläden machbar. Ich denke da an bauliche Maßnahmen bis hin zur Bezuschussung bei Personalkosten. Diesem Antrag wurde keine Chance zur Diskussion im Ausschuss gegeben. Ein Förderprogramm nur für Dorfläden sehen wir also für zu kleinräumig gedacht; gern diskutieren wir über Änderungen im zuständigen Ausschuss. In dieser bestehenden Form können wir diesem Antrag nicht zustimmen, also Ausschuss ja, aber Zustimmung nein. Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, FDP)

Herr Untermann, können Sie kurz noch sagen, an welchen Ausschuss überwiesen werden soll?

Landwirtschaft, es geht aber auch Bau und Landesentwicklung.

Möchten Sie den Antrag an beide Ausschüsse überweisen?

An beide Ausschüsse.

Gut. Vielen Dank. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Frank Augsten für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, manchmal ist es ganz gut, wenn man noch einmal vier Wochen Zeit hat, etwas zu beraten, denn wir hätten beim letzten Mal den Antrag glattweg abgelehnt. Jetzt haben wir uns doch noch einmal zusammengesetzt und darüber gesprochen. Ich werde gleich begründen, warum wir uns enthalten werden. Das geht nämlich nicht, weil wir keine Meinung hätten, sondern weil es gute Gründe für den Antrag, aber auch Gründe gegen den Antrag gibt.

Ich fange einmal mit denen an, die gegen den Antrag sprechen. Zunächst einmal: Uns ist dieser Antrag zu Schlecker-fokussiert und ich warne davor, den Eindruck zu erwecken, dass man den Menschen damit helfen könnte, weil dieser Versuch, die Belebung im ländlichen Raum wieder zu haben, nicht von Leuten abhängig sein darf, die ein Problem haben, sondern da braucht man Rahmenbedingungen, die stimmen, damit dieser zweite Versuch - wir haben nämlich die Welle erster Versuche schon hinter uns -, diese zweite Welle besser gelingt als diese erste.

(Beifall SPD)

Insofern war diese Schlecker-Dominanz, diese Schlecker-Fokussierung ein Grund, warum wir diesen Antrag ablehnen.

Das Zweite war der Hauptpunkt bei mir in der Fraktion, wir haben natürlich in den letzten Jahren mit ähnlichen Projekten im ländlichen Raum unglaublich viel Geld versenkt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, diese Bauernscheunen und Einkaufstempel, die wir dort gebaut haben, viele von denen sind nicht mehr da. Insofern einfach wieder Geld vorzuschießen, um dann noch einmal einen Versuch zu unternehmen, das greift uns zu kurz.

Das Dritte - darauf hat Kollege Primas zu Recht hingewiesen -: Wer immer das machen wollte oder machen will, der findet Möglichkeiten in den Förderregularien.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das hat er genannt. Da gibt es mehrere Töpfe, um solche Sachen zu machen. Das wissen auch einige. Da gab und gibt es auch Versuche. Insofern, wer das wirklich ernsthaft will, der kann das jetzt schon tun.

(Abg. Untermann)

Aber, meine Damen und Herren, Enthaltung deshalb, weil in den letzten vier Wochen zumindest bei mir auch einiges passiert ist. Zum einen gab es zufälligerweise Gespräche mit den Gewerkschaften, die natürlich auch den Prozess - und das wäre der zweite Grund - mit dem Wirtschaftsminister Machnig in Gang gesetzt haben, Stichwort Genossenschaften. Wenn sich der Wirtschaftsminister schon mal im ländlichen Raum bemerkbar macht und sich dort Mühe gibt, dann muss man das auch würdigen. Insofern wäre das ein Grund - das ist ja nicht allzu oft so -,

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

das dort auch noch mal sehr ernst zu nehmen. Zum anderen - jetzt ist der Landwirtschaftsminister nicht da - hatten wir am Montag Gelegenheit, einen Werbefilm, einen Imagefilm für die Thüringer Landwirtschaft zu sehen, Premiere war das. Da gab es eine interessante Runde mit Schülerinnen und Schülern aus zwei Schulen. Da ist ein Junge aufgestanden, hat sich gemeldet und gesagt, also wissen Sie, Traumberuf Bauer, schön und gut, eigentlich lebe ich gar nicht so schlecht in dem Dorf, aber wie viele meiner Mitschülerinnen und Mitschüler wollen hier weg, wir wollen in die Städte. Es gab viel Nicken, man hat also gemerkt, dass die jungen Menschen das auch so sehen wie dieser junge Mann, der sich gemeldet hat. Das macht einen schon nachdenklich, wenn man sich über die Zukunft des ländlichen Raums Gedanken macht. Am Abend war eine Veranstaltung, auch mit dem Minister auf Schloss Kannawurf, und dort haben die wichtigsten Akteure des ländlichen Raums zusammengesessen und haben festgestellt, das A und O der Zukunft des ländlichen Raums ist die Daseinsfürsorge. Da haben u.a. die Aktivitäten oder auch dieser Antrag eine Rolle gespielt und die Aktivitäten von Herrn Minister Machnig natürlich auch. Insofern ist es vielleicht so weit, tatsächlich darüber zu reden. Mein Punkt - da wundere ich mich, dass das bei den anderen Reden nicht so zum Tragen kam - ist: Ist es nicht viel zu kurz gedacht, über Einkaufszentren nachzudenken, sondern muss man nicht - ich sage mal ein ganz furchtbares Wort, ich habe jetzt noch kein besseres über Multifunktionszentren nachdenken? Gut, aber man kann sich etwas Besseres einfallen lassen.

(Unruhe SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber die Intention dieses Gedankens, dass das die Sparkasse, die Post, dass da andere Angelegenheiten möglicherweise erledigt werden können Stichwort Gebietsreform -, vielleicht steht dort der Computer und eine Mitarbeiterin, die für das Landratsamt Formulare entgegennimmt. Solche Sachen wären denkbar. Ich glaube, dass der Versuch, dort nur Lebensmittel zu verkaufen zu kurz greift und dass dieser Versuch wie bei der ersten Welle wieder schief gehen wird.

Deshalb also meine Bitte, das durchaus auch im Ausschuss noch mal zu beraten, weil wir erstens möglicherweise das, was Kollege Primas angeregt hat, durchaus noch einmal aufrufen sollten, nämlich die Förderbedingungen, wie sind die denn für z.B. Schlecker-Mitarbeiterinnen? Reicht denn das, was wir in den Förderregularien haben? Das unterstütze ich auf jeden Fall, schon deshalb Ausschussüberweisung, aber vor allen Dingen auch, um den Fokus darauf zu richten, was man denn anstatt nur Lebensmittel zu verkaufen in diesen Zentren auch noch machen könnte. Darauf lege ich großen Wert, weil auch ich in einer Gegend wohne, wo letzten Endes der Weg zur Post, zur Sparkasse eigentlich zu weit ist.

Meine Damen und Herren, im Namen meiner Fraktion beantrage ich die Ausschussüberweisung an die Ausschüsse, die Herr Kollege Untermann hier angegeben hat. Ich hoffe, dass das dann auch die Mehrheit findet und freue mich auf die Diskussion. Für den ländlichen Raum steht einiges auf dem Spiel und selbstverständlich ist auch das ein Ansatz, um zumindest die weichen Standortbedingungen zu verbessern und das hat der ländliche Raum bitter nötig. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen herzlichen Dank, Herr Dr. Augsten. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Eleonore Mühlbauer für die SPD-Fraktion. Einen Moment bitte. Ja, das ist jetzt eine neue Situation für mich. Auf der Herrentoilette wurde ein BlackBerry gefunden.

(Heiterkeit im Hause)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Interessierte, jetzt muss ich natürlich den Einstieg finden und habe das Problem, dass ich eigentlich nicht über BlackBerrys reden wollte, weil ich kein BlackBerry benutze, sondern weil ich eigentlich drei Kollegen vor mir hatte,

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sie gehen auch nicht auf die Herrentoilette.)

die das inhaltlich schon gesagt haben, was ich sagen wollte, und ich bin nicht der Freund der doppelten Botschaft. Aber, Frau Scheringer-Wright, ich nehme ihnen das mit dem Antrag heute nicht übel, weil ich glaube, der stammt nicht von Ihnen, der ist im Vorfeld organisiert von einem Kollegen. Ich wollte Ihnen eigentlich sagen, dass meine Landrätin, bei der ich sehr froh bin, dass wir diese jetzt haben, die jetzt leider nicht mehr hinter Ihnen sitzt, da schon sehr erfolgreich aktiv war. Ich hoffe, Sie nehmen es jetzt nicht als Bevormundung, dass ich Ih

(Abg. Dr. Augsten)

nen einfach mal erzähle, was in Großbreitenbach und Böhlen so läuft. Ich habe Ihnen auch die Satzung mitgebracht. Das ist eigentlich das Engagement im ländlichen Raum, das wir brauchen, ein Engagement von Bürgern getragen. Der Kollege Untermann hatte das bei einer anderen Debatte schon gebracht. Von was lebt der ländliche Raum, was sind die Qualitäten des ländlichen Raums? Bürgerschaftliches Engagement, Engagement in Vereinen, Engagement auch in einem Dorfladen, welche Funktion der auch immer hat. Kollege Primas hat schon erwähnt, gefördert wird das Ganze, Fördermöglichkeiten haben wir über ELER, über Städtebauförderung, über privates Engagement verschiedenste Dinge sind da. Was mich heute ein bisschen traurig gemacht hat, ist, wie es Kollege Augsten gerade gesagt hat, die Fokussierung auf Schlecker. Ich habe mir mal die Mühe gemacht und das herausgesucht, ich komme tatsächlich nur auf ein Dorf mit Schlecker mit 840 Einwohnern, den Ort Brattendorf. Es betrifft also ein Dorf.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Meine Hei- mat.)

Vielleicht machen wir da ein separates Programm. Aber es gibt tatsächlich nur ein Dorf, das Dorf Brattendorf, mit einer Schlecker-Filiale. Ob es dort passt und ob die Damen sich dort selbstständig machen wollten, sollten die Damen und Herren, das denke ich, für sich selbst entscheiden.

Frau Mühlbauer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kuschel?

Darf ich zuerst zu Ende reden? Dann gerne.

Vielen Dank.

Ob die Damen und Herren sich dort entscheiden, selbstständig zu werden, sollten sie selbst entscheiden. Diesbezüglich hat das Wirtschaftsministerium Frau Scheringer-Wright, das war ein bisschen vor Ihrer Zeit - schon in der Pressemitteilung vom 19.06. die Lösungsmöglichkeiten mitgeteilt, die man im Gespräch hat. Ich darf zitieren, mit Verlaub: „Das Thüringer Wirtschaftsministerium bietet ehemaligen Schlecker-Beschäftigten, die sich mit ihrem früheren Geschäft selbstständig machen wollen, Unterstützung an.“ So, das wird gemacht, die Gespräche werden geführt. Ich denke, da wird der Staatssekretär auch das eine und andere noch dazu sagen.