Protokoll der Sitzung vom 20.09.2012

Vielen herzlichen Dank, Frau Doht. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Jennifer Schubert für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ein bisschen wundere ich mich schon, mit welcher Naivität hier teilweise argumentiert wird. Sie sagen, alle Projekte sind gleich dringlich, und fordern einfach mehr Geld. Wie seriös ist das denn vor dem Hintergrund eines Schuldenstands von 16 Mrd. €? Im Bund sieht es auf einer ganz anderen Ebene noch viel schlimmer aus. Das wird nicht mehr passieren, dass dieser Straßenhaushalt über das hinausgeht, was wir haben, es sei denn, man meint es nicht ernst mit dem Abbau der Verschuldung. Hier bringe ich meine Überraschung zum Ausdruck. Was Baden-Württemberg angeht, die haben auch einen Bundesverkehrswegeplan. Wissen Sie was: Das ist der Gleiche, aus dem Thüringen schöpft. Insofern ist die Kritik, das sei nicht vergleichbar, hanebüchen. Am Ende ist es ein Etat und es geht darum, wie viel Geld die einzelnen Länder aus diesem Etat schöpfen.

(Abg. Doht)

Was Ihren Vorwurf angeht, Frau Doht, ich sei immer nur da, wo es gegen eine Ortsumfahrung geht. Ich war in Großengottern, ich werde dort auch wieder hinfahren am 11.10. Vielleicht treffen wir uns ja, dann können Sie den Bürgerinnen und Bürgern erklären, warum Großengottern die Ortsumfahrung noch nicht bekommt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir bleiben mal bei Großengottern, wir bleiben mal bei der B 247. Auch das, was Frau Tasch nicht verstanden hat, wir sind für Ortsumfahrungen, wenn sie sinnvoll sind. Von dem, was ich weiß von Großengottern, mit einer Verkehrsbelastung über 10.000, ist das eine Ortsumfahrung, die auf jeden Fall viel dringlicher ist als manche andere in Thüringen. Die Bürger warten dort schon lange.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Bärwolff sprach gestern vom Warten auf Godot. Ich hoffe, das trifft dann letztendlich in wie viel Jahren auch immer in Großengottern nicht zu. Wir haben auch nie kritisiert, dass dort die Ortsumfahrung geplant ist. Wir haben sehr wohl den vierstreifigen Ausbau kritisiert, mit dem das Land hier geplant hat. Dieser vierstreifige Ausbau zwischen Mühlhausen und Bad Langensalza stand nur im weiteren Bedarf. Ich übersetze mal, weiterer Bedarf heißt so viel wie wünschenswertes Projekt mit Kosten von 43 Mio. €. Im vordringlichen Bedarf, also mit dem, was man landläufig als notwendig versteht, stand nur die Ortsumfahrung Großengottern - um die geht es ja, behaupten Sie -, eine Ortsumfahrung mit der Länge von 3 Kilometern. Diese hätte nur 7 Mio. € gekostet. Auf unsere Nachfrage im Ausschuss, wieso es jetzt plötzlich um die große Lösung geht, vierstreifiger Ausbau, hat die Landesregierung gesagt, na ja, das ist deswegen, weil die A 44 - der Ausbau zwischen Kassel und Eisenach nicht kommt. Das war die Begründung. Für langlaufende Verkehre wäre das eine Parallelstrecke zur B 247. Aber die A 44 wird gebaut, sie wird jetzt gebaut. So viel zu einer koordinierten Vorgehensweise in diesem Land für Straßenbauprojekte

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nach dem Motto: Der Bund zahlt und das Land meldet an. Aber auch Herr Ramsauer hat keine Gelddruckmaschine im Keller. Das wissen wir seit dem letzten Investitionsrahmenplan. Selbst wenn die Prognose auf der B 247 - wir sind jetzt bei 11.000 Fahrzeugen - bis 2020 bei 20.000 landet, hätte dreistreifig genügt. Es wäre immer noch viel billiger gewesen. Wahrscheinlich hätte sogar ein zweistreifiger Ausbau genügt. Sie haben sich verrannt, weil Sie auf die große Lösung gesetzt haben, weil Sie eher die Verbindung zwischen der A 4 und der A 38 im Auge hatten und nicht die dringend benötigte Ortsumfahrung. Diese große Variante ist aus unserer Sicht nicht bezahlbar und verkehrspoli

tisch auch nicht sinnvoll. Das Nachsehen wegen dieser Politik haben die Bürgerinnen und Bürger in Großengottern und die fühlen sich veralbert. Ich kann es verstehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei der Werraquuerung ist es ähnlich, trotz Intervention des Ministeriums - Sie haben versucht, es noch in die Kategorie C „Prioritäre Vorhaben“ zu heben - ist sie nur in Kategorie D gelandet. Wir GRÜNE übersetzen die Kategorie D im Investionsrahmenplan mit Durchhaltekategorie, wohl wissend, dass so etwas vielleicht dann nie gebaut wird.

Es klang gerade schon an, es wird hier kolportiert, dass wegen der Klage Großengottern - Herr Carius hat es gesagt - dieses Vorhaben nicht vorankommt. Das stimmt einfach nicht. Die Klage Großengottern ist keine Klage aus Großengottern, sondern aus Schönstedt. Dort haben Gewerbetreibende das Vorhaben beklagt. Inwieweit das berechtigt ist, da möchte ich mich gar nicht so weit aus dem Fenster lehnen, ich habe da, wenn man mal auf die Karte schaut, eine sehr eindeutige Meinung. Aber diese Klage ist bereits abgewiesen, hat überhaupt nichts mit der Ortsumfahrung zu tun. Herr Carius hat selber gesagt, vor 2015 gibt es keine Neubauprojekte und da hat die Klage überhaupt gar keinen Einfluss. Das möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen. Wenn man sich Schönstedt anschaut, dann sieht man, dass Schönstedt quasi schon eine Ortsumfahrung hat, weil die B 247 nämlich fast am Ortsrand vorbeigeht. Da ist ein Gewerbegebiet. Dort gibt es auch bereits einen Damm gegen Lärm. Der Leidensdruck in Großengottern ist ein ganz anderer als in Schönstedt. Sie setzen keine Prioritäten und deswegen vergehen zum Teil 20 Jahre, ohne dass absehbar ist, dass sich hier etwas tut.

Noch ein anderer Ort - Frau Tasch, wir wollen auch ein Beispiel aus Ihrem Hoheitsgebiet haben: Kallmerode. Kallmerode ist in 2003 im Bundesverkehrswegeplan aufgeführt als fest disponiertes Vorhaben. Das heißt so viel wie, die wird auf jeden Fall gebaut. Jetzt haben wir fast 2013; vor 2015 passiert nichts. Ist das nicht vielleicht ein Hinweis darauf, dass dieser Bundesverkehrswegeplan mit seinen Kategorien offensichtlich so nicht funktioniert?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Vorhaben war disponiert und kommt trotzdem nicht. Am Ende geht es doch darum, dass man die Frage stellen muss, Worbis - Wintzingerode oder Großengottern oder meinetwegen Bücheloh - Gehren oder Kallmerode. Ich möchte gar nicht sagen, dass ich die Antwort darauf schon weiß, aber Sie müssen den Mut haben und so ehrlich sein, die Frage zu stellen und dann diese Debatte hier zu führen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

zumindest das zeitlich so abzustufen, dass die dringenden Projekte zuerst durchgeführt werden. Darum geht es hier.

(Unruhe CDU)

Frau Doht, wir sind in Baden-Württemberg nicht allein an der Regierung - schade eigentlich,

(Heiterkeit und Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern wir haben uns da mit Ihnen abgesprochen und der Koalitionspartner, unser Koalitionspartner, die SPD dort, hat diesem Verfahren offensichtlich zugestimmt. Da würde mich mal interessieren, wieso offensichtlich die SPD dort das Anliegen teilt, hier ein anderes Verfahren zu wählen, und Sie nicht. Vielleicht haben Sie es dort auch unter Schmerzen gemacht. Das kann ich leider nicht sagen, wüßte ich aber gern.

Ich habe am Anfang von Naivität gesprochen und es tun alle so, als sei es eine Naturkatastrophe, dass wir plötzlich nicht mehr genug Mittel haben, sowohl für die vielen Neubauvorhaben als auch für die dringend notwendige Sanierung. Sie, Herr Carius, und auch Ihr Vorgänger, Sie sind ja noch nicht ganz so lange im Amt, tragen die Verantwortung dafür und vor der drücken Sie sich. Das ist nicht ehrlich.

Ich verweise noch auf drei Aspekte bzw. drei andere parlamentarische Themen, die wir hatten. Herr Weber hatte gefragt zu dem Radweg Lucka - Meuselwitz, da sind sich eigentlich alle einig, dass der kommen soll, und jetzt wird festgestellt, da ist kein Geld dafür da. Als Sie die Mündliche Anfrage gestellt haben, Herr Weber, habe ich Frau Klaan gefragt, ob sie nicht der Meinung ist, dass man eine andere Prioritätensetzung braucht, wenn sich herausstellt, dass Vorhaben, die eigentlich von allen als richtig empfunden werden, am Ende nicht finanzierbar sind, ob man da nicht eine neue Prioritätensetzung braucht. Da hat sie geantwortet, das sieht sie so. Deswegen war eigentlich auch die Hoffnung, dass diese Sicht im Hause geteilt wird. Das ist leider offensichtlich nicht der Fall.

Frau Doht, Sie haben ja eine Mündliche Anfrage gestellt zum Weiterbau der B 62 und da muss ich mich schon ein bisschen wundern über die Verkehrsausschussvorsitzende. Sie fragen da: In welcher Reihenfolge nach Dringlichkeit wurden die verschiedenen Projekte aufgelistet, also vom Verkehrsministerium, und hat die Landesregierung dem Bund eine Prioritätenliste als ihren Vorschlag im Vorfeld der diesjährigen Bauprogrammbesprechung übermittelt? Ich werte das als einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Es ist schon klar, wo das Defizit hier besteht. Der Ausschuss beschäftigt sich nicht damit. In Baden-Württemberg ist das Ganze auch in das Parlament gegangen. Das ist doch das, was hier überhaupt nicht passiert. Weder

der Ausschuss noch das Parlament beschäftigen sich mit diesen wichtigen Fragen, mit diesen Fragen, wo Millionen von Steuergeldern sinnvoll eingesetzt werden. Das bedaure ich sehr. Ich bedaure auch sehr, dass der Finanzminister nicht da ist, weil ich glaube, dass er im Grunde genommen diese andere Herangehensweise begrüßt.

Letzter Punkt zum Landesstraßenbedarfsplan: Hier hat Baden-Württemberg in einem Jahr geschafft, was Sie zum Ende der Legislatur erst vorhatten. Ich habe immerhin wahrgenommen, Sie hatten mal gesagt, diesen Landesstraßenbedarfsplan gibt es bis Ende der Legislatur, jetzt soll es bis Ende 2013 sein. Das lässt hoffen. Trotzdem, Nachvollziehbarkeit und Transparenz, an diesem Punkt sind wir noch lange nicht, was die Beteiligung des Parlaments angeht, aber Sie haben ja noch die Möglichkeit, auch hier das Parlament einzubeziehen bzw. auch so weit zu gehen wie in Baden-Württemberg, die entsprechenden Institutionen mit zu beteiligen. Dass wir diesen Landesstraßenbedarfsplan noch nicht haben, sehen wir an einem kleinen Beispiel, mit dem ich auch dann schließen möchte. Sie haben fast 4 Mio. € ausgegeben, um eine beleuchtete Schafweide verkehrlich anzubinden, im Kyffhäuserkreis geschehen und groß gefeiert. Das ist eine Geldausgabe, die ist nicht nachvollziehbar. Man hätte die bestehende Landesstraße einfach sanieren müssen. Wir wollen als GRÜNE eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik machen, das gilt umso mehr für die Verkehrspolitik, wo Millionen umgesetzt werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte Sie noch einmal auffordern, überweisen Sie diesen Antrag an den Ausschuss. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen herzlichen Dank, Frau Schubert. Es gibt eine weitere Wortmeldung aus den Reihen der Abgeordneten, Frau Tasch für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Damen und Herren, das kann man nicht so ganz unkommentiert hier stehen lassen, Frau Schubert. Zum Ersten möchte ich noch einmal deutlich sagen, so, wie Sie das jetzt vorgetragen haben, ist es ein Ausspielen der Orte untereinander und das, finde ich, geht nicht.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das haben Sie jahrelang ge- macht.)

Bevor eine Ortsumfahrung gebaut werden kann, muss das Baurecht da sein, dem geht ein Planfest

(Abg. Schubert)

stellungsverfahren voraus, an dem sich alle beteiligen können, Abwägungen, das kennen Sie alles, muss ich hier nicht noch einmal sagen. WorbisWintzingerode konnte nur gebaut werden durch das Konjunkturpaket II, weil Baurecht da war.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und warum haben Sie es nicht vorangetrieben?)

In Kallmerode gab es kein Baurecht und ich kann doch nicht bauen ohne Baurecht.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Setzen Sie sich ein, Sie wohnen doch daneben.)

Ja, ich kann doch aber kein Baurecht herbeizaubern. Wenn es gerade in Kallmerode Konflikte im Naturschutz gegeben hat, und es gab so viele Einwände, da muss es ordentlich abgewogen werden. Das ist doch das Normalste der Welt, das wollen wir doch auch alles. Es muss doch auch alles ordnungsgemäß zugehen und es muss ein Baurecht dann da sein, bevor ich bauen kann. Da müssen alle Interessen und alle Einwände auch vorher abgewogen werden. Also kann man nicht sagen, ja, da hättet ihr das Geld nicht verbaut. Und Worbis - Wintzingerode ist für die Verkehrsinfrastruktur im Eichsfeld genauso wichtig.

Jetzt muss ich auch noch mal was sagen zu Großengottern. Das Baurecht ist ja noch nicht so lange her. Da hat es ja auch lange Verfahren gegeben über Linienführung, auch im Ort Großengottern, was ja auch gut ist, wenn sich die Menschen vor Ort beteiligen, wo sie die Ortsumfahrung hinhaben wollen.

Wenn Sie hier den vierspurigen Ausbau zwischen Mühlhausen und Bad Langensalza kritisieren -, den kritisieren Sie, liebe Frau Schubert, ich fahre zwar viel mit dem Zug, aber jeden Mittwoch nimmt mich meine Kollegin Frau Holzapfel in Mühlhausen mit, da treffen wir uns am Bahnhof um fünf vor halb acht und fahren da los. Wenn Sie das Verkehrsaufkommen sehen - das ist ja nicht nur der Raum Mühlhausen, sondern das Eichsfeld, das keine Anbindung hier nach Erfurt hat und dringend auf den vierspurigen Ausbau wartet, damit der Verkehrsfluss auch laufen kann, das entlastet doch auch die Umwelt -, da kann ich überhaupt nicht verstehen, wenn Sie sagen, das ist Quatsch. Das ist alles an den Haaren herbeigezogen und schöngerechnet und da wollen Sie vielleicht Großengottern in das richtige Licht setzen. Das können Sie auch machen.

Ich finde es nicht gut, wenn wir hier einzelne Vorhaben gegeneinander ausspielen. Wie gesagt, unsere Meinung steht. Die Ortsumfahrungen, die noch gebaut werden, die sind wichtig, entlasten die Menschen und mit Baden-Württemberg das alles hier in einen Topf zu schmeißen, das geht einfach nicht.

Wir haben hier noch einen Bedarf und den wollen wir auch weiter voranbringen. Danke schön.

(Beifall CDU)

Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Tasch. Es hat sich jetzt zu Wort gemeldet der Herr Minister Carius.

Ich sollte hier vom Verkehr am Abend nicht sprechen, aber meine sehr verehrten Damen und Herren, die Rede von Frau Schubert hat mich jetzt doch noch einmal nach vorn getrieben. Ich schätze Sie sehr, aber ich muss Ihnen sagen, wenn man Ihren Antrag zunächst einmal liest, denkt man sich, ach, der kommt aber beschaulich daher, da geht es also um Prioritäten, es geht um fachliche Kriterien. Wenn man sich dann Ihre Rede anhört und das, wie Sie hier letztlich umgehen mit den Menschen, die vor Ort berechtigt oder unberechtigt Erwartungen haben und sagen, jetzt sorgt endlich dafür, dass diese oder jene Straße gebaut wird,

(Beifall CDU)