Protokoll der Sitzung vom 20.09.2012

selbst zu den sachkundigen Personen, nämlich nach § 1 Satz 2 der Thüringer Verordnung über die Prüfungsstandards und die Durchführung der Sachkundeprüfung bei gefährlichen Tieren vom 19.01., die Ende Februar in Kraft getreten ist. Nehmen Sie das ernst, nehmen Sie die Landestierärztekammer und ihre Argumente endlich ernst. Im letzten Gesetzgebungsverfahren haben Sie das nicht gemacht.

Meine Damen und Herren, wir sollten die von uns beantragte Debatte im Ausschuss auch dazu nutzen, die Themen Kastrationspflicht, Tierschutz etc. zu diskutieren.

Ich will noch jemanden zitieren, nämlich den Vertreter des VDH-Landesverbandes Thüringen e.V. Der hat auch in dieser Woche einen Brief geschrieben, ich denke, auch an alle Fraktionen des Thüringer Landtags. Der hat geschrieben: „Es gibt bei gutem Willen eine Lösung, mit der keine Partei im Landtag ihr Gesicht verlieren würde.“ Meine Damen und Herren, lassen Sie uns versuchen, in der Debatte im Ausschuss gemeinsam einen Kompromiss zu finden, weil ich meine, der Herr Hohmuth vom VDH hat recht. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Dirk Bergner.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren ist am 1. September 2011 in Kraft getreten. Das Gesetz war und ist - wie wir hören können - noch immer heftig umstritten. Die Fraktion DIE LINKE bringt nun einen Gesetzentwurf ein, wodurch zwei wesentliche Änderungen am bisherigen Gesetz erfolgen sollen. Zum einen soll die Rasseliste gestrichen werden und zum anderen die damit einhergehende Zwangskastration dieser Hunde.

Sehr geehrte Damen und Herren, die alles entscheidende Frage ist: Hat das Gesetz, das am 1. September 2011 verabschiedet wurde, zu mehr Schutz der Bevölkerung beigetragen?

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Nein.)

Meine Damen und Herren, die Antwort hat uns die Landesregierung mit der Beantwortung der Kleinen Anfrage 2083 durch meine Fraktion geliefert - ein klares Nein.

(Beifall FDP)

Im Jahr 2011 sind insgesamt 482 und somit 46 mehr Beißangriffe als im Jahr 2010 registriert wor

(Abg. Berninger)

den. Die Zahl der Angriffe von Hunden auf der Rasseliste lag bei 21. Unter den 482 Angriffen ist bedauerlicherweise auch einer tödlich verlaufen. Dieser Hund, meine Damen und Herren, steht nicht auf der Rasseliste. Alle diese Vorfälle sind schlimm. Jeder Vorfall ist einer zu viel. Da sind wir uns sicherlich einig über alle Unterschiedlichkeit der Auffassungen.

(Beifall im Hause)

Deswegen war es aus unserer Sicht ein Fehler von CDU und SPD, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das von den Sachverständigen in den Anhörungen vehement kritisiert wurde. Es hilft eben nicht, ein paar Hunderassen zu verteufeln und den Ordnungsbehörden noch mehr Aufgaben aufzubürden, zu deren Erfüllung sie kaum imstande sind.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Alle Sachverständigen haben ausgesagt, dass die Identifizierung von Rassen oder sogar Kreuzungen selbst für erfahrene Experten schwierig ist, aber unsere Ordnungsbehörden sollen es machen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Auf einer halben Stelle.)

Auf der halben Stelle, so wie Sie es sagen. Die frühere Rechtsverordnung hat viele gute Ansätze gehabt, aber das größte Manko war meines Erachtens, dass sie nicht durchgesetzt wurde. Das liegt aber nicht daran, dass die Ordnungsbehörden das nicht wollten, sondern daran, dass es schlicht und einfach an dafür qualifiziertem Personal fehlt. Da hilft es eben nicht, die Anforderung durch ein Gesetz für die Ordnungsbehörden noch höher zu legen, sondern hier hätte man zum Beispiel durch Schulung des Personals oder Schulungsangebote für das Personal und Evaluation der Rechtsverordnung mehr erreicht als durch das Gesetz.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE stellt für uns eine Chance dar, um das Gesetz noch einmal zu überarbeiten. So sehr ich aber die angestoßene Diskussion begrüße, sehe ich den vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE in der vorliegenden Fassung nicht gänzlich unkritisch. Ich will auch kurz, meine Damen und Herren, auf meine Bedenken eingehen. Bisher ist es so, dass bei Hunden, bei denen eine gewisse Auffälligkeit gemäß § 3 Abs. 2 auftritt, die Gefährlichkeit erst durch einen angeordneten Wesenstest festgestellt werden muss. Durch die vorgesehene Änderung in § 3 Abs. 2 Satz 2 wäre die Gefährlichkeit bei Vorliegen der Voraussetzungen sofort gegeben. Einen Wesenstest bräuchte es demnach nicht mehr, um die Gefährlichkeit festzustellen. Wer im Einzelnen die Feststellung trifft, lässt der Gesetzentwurf aber ungeklärt. Für die Anwen

dung in der Praxis sehe ich an dieser Stelle schon einige Probleme.

(Beifall FDP)

Die Gefährlichkeit des Hundes nach § 3 Abs. 2 hätte aber zur Folge, dass ohne einen Wesenstest sofort alle gesetzlichen Bestimmungen für das Halten und Führen von gefährlichen Hunden Anwendung finden. Demnach müsste der Halter einen Sachkundenachweis machen, die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen und selbst die Tötung des Hundes nach § 8 Abs. 2 dürfte angeordnet werden. Ich bin der Meinung, dass eine Änderung in dieser Form nicht mit dem bisherigen Gesetz kompatibel ist. Und schon aus § 8 Abs. 1 ergeben sich für mich Widersprüche.

Meine Damen und Herren, wie schon vorhin erwähnt, bin ich sehr froh über die Initiative und das Diskussionsangebot. Ich denke, dass wir im Ausschuss auch noch über den einen oder anderen Punkt diskutieren sollten. Vielleicht kommen wir auch zu neuen Erkenntnissen dabei. Deswegen beantrage ich namens meiner Fraktion die Überweisung an den Innenausschuss. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Matthias Hey.

Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste auf der Zuschauertribüne, über kaum ein anderes Gesetz - wir haben es ja eben schon an der Intensität der Debatte gemerkt - ist im letzten Jahr, glaube ich, so viel berichtet und geschrieben und auch gestritten worden wie über das landläufig sogenannte Kampfhundegesetz. DIE LINKE hat jetzt wieder Ideen zur Änderung dieses Gesetzes, auf die ich gern eingehen will. Frau Berninger, Sie sind jetzt sicher enttäuscht, dass Herr Gentzel nicht hier vorn steht, den hatten Sie erwartet.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Nein, bestimmt nicht.)

Aber er meinte aufgrund meines Zunamens, wer schon Hey heißt, kann auch zu Tieren reden. Also es geht Ihnen zunächst um die Abschaffung der sogenannten Rasseliste. Sie haben das begründet auch hier in Ihrem Redebeitrag über die Tatsache, dass die Beißstatistik eine Rasseliste ja geradezu ad absurdum führen würde, weil, Sie sagen es, nicht Rassen an sich gefährlich sind, sondern die Gefährlichkeit nur durch das Verhalten des betreffenden Hundes belegt werden kann. Ich erkläre Ihnen deshalb gern noch einmal - weil Sie sagen, die Ausführungen meines Kollegen Kellner waren dazu

(Abg. Bergner)

nicht ausreichend -, was der Gesetzgeber mit der jetzt gültigen Regelung, die Sie ja ändern wollen, bezwecken will. Ein Hund, Frau Berninger, ist als gefährlich einzuschätzen, wenn Merkmale oder Eigenschaften an ihm feststellbar sind, die bewirken können, dass der Hund bei einem Angriff nicht nur unbedeutende Schäden anrichten kann. Solche Merkmale und solche Eigenschaften sind etwa die Größe, das Gewicht, die Muskelkraft, die Sprungkraft und auch das Beißvermögen. Da ganz besonders muss man sagen, es gibt aufgrund der kräftigen Kaumuskulatur mancher Hunderassen, der langen spitzen Fangzähne und den scherenartig ineinandergreifenden Reißzähnen Hundebisse, die erhebliche Schäden anrichten können. Wenn solche physischen Merkmale zutreffen, Frau Berninger, dann ergibt sich im Einzelfall eine ernsthafte Bedrohung für Menschen und Tiere, die zu schweren Verletzungen und sogar zum Tode des Opfers führen können. Um es ganz einfach zu formulieren: Es können Menschen sterben, wenn solche Hunde durchdrehen.

Vier Hunderassen - Frau Berninger, in Thüringen nur vier, in Bayern, wir haben es gehört, sind es 19 - erfüllen aus unserer Sicht diese Eigenschaften in ganz besonderer Weise. Sie werden auch nicht umsonst umgangssprachlich als Kampfhunde bezeichnet. Natürlich, Frau Berninger, kann, ich sage das jetzt mal sehr platt, Nachbars Lumpi genauso einen Menschen anfallen, aber dann gelten in Thüringen seit vergangenem Jahr immer noch zwei Dinge. Erstens, im Regelfall gibt es dann keine so schweren Verletzungen beim Menschen oder gar Todesfälle wie bei Hunden dieser sogenannten Rasseliste. Zweitens, macht Nachbars Lumpi das öfter, also verhält er sich auffällig aggressiv oder beißt er sehr oft zu, dann zählt er eben auch zu den gefährlichen Hunden im Sinne dieses Gesetzes, ohne zu den vier Rassen zu gehören. Da sind wir uns in diesem Punkt einig, da geht es, Frau Berninger, eben auch um das Verhalten dieses Hundes.

Es gibt im Übrigen viele Bundesländer, Herr Kellner hat schon darauf hingewiesen, die eine sogenannte Rasseliste in entsprechenden Gesetzen verankert haben. Thüringen ist da auch, erwecken Sie bitte nicht diesen Eindruck, überhaupt keinen Einzelweg gegangen. Ich glaube, wenn die Rechtslage jetzt noch stimmt, ist Niedersachsen das einzige Bundesland, das keine derartige Regelung hat. Das sind also mit Sicherheit auch …

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das macht es doch nicht besser.)

Frau Berninger, da sind auch Bundesländer dabei, die irgendwie mal mit von Linken regiert wurden. Ich habe da noch nicht recherchiert, aber das können Sie gern mal tun.

Zudem ist in Ihrem Gesetzentwurf ein handwerklicher Fehler, oder mehrere sogar, aufgetaucht. Der

eine ist eben schon von Herrn Bergner skizziert worden, da geht es um die Tatsache, dass die Bemessung des Wesens eines Hundes, dass Wesenmerkmale noch mal festgestellt werden können, wenn sie sich besonders auffällig verhalten haben, bei Ihnen komplett fehlt. Sie wollen § 11 Abs. 4 abschaffen. Darin steht, Frau Präsidentin, mit Verlaub, ich zitiere: „Hunde, deren Gefährlichkeit aufgrund genetischer Veranlagung unwiderlegbar vermutet wird, …“ - also das sind diese Hunde der Liste - „… sind mit Eintritt der Geschlechtsreife unfruchtbar zu machen, soweit eine Ausnahmegenehmigung …“ Das steht jetzt in § 11 Abs. 4 und den wollen Sie abschaffen. Sie haben eben auch dargelegt, warum. Sie haben aber, Frau Berninger, § 11 Abs. 1 völlig vergessen. Es ist uns rätselhaft, wie das passieren konnte. Aber in § 11 Abs. 1, ich trage es gern noch mal vor und zitiere, steht: „Die Zucht und die Vermehrung von sowie der Handel mit gefährlichen Hunden nach § 3 Abs. 2 …“ - also den Hunden dieser Liste - „… sind verboten.“ Wenn das eine Folgeänderung ist, dann hätten Sie es zumindest in Ihrem Gesetzentwurf mit aufnehmen müssen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das können wir noch, Herr Hey.)

Wenn Sie schon sagen, Frau Berninger, dass die Auslassungen des Kollegen Fiedler totaler Quatsch waren, dann entgegne ich Ihnen dazu, dieser Gesetzentwurf ist totales Stückwerk und Mumpitz. Sie wollen die Unfruchtbarmachung im Übrigen deshalb nicht, Frau Berninger, weil, Sie schreiben in der Begründung: „Die Unfruchtbarmachung von Tieren widerspricht zudem dem in § 1 Satz 2 Tierschutzgesetz geregelten Grundsatz“ - Sie haben ihn eben schon zitiert -: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ So steht das drin.

Jetzt frage ich Sie, Frau Berninger, wenn der Schutz von Menschen, die durch solche Hunde angefallen und zerfleischt werden, wenn der Tod von Menschen, teilweise von Kindern, die durch solche Attacken gestorben sind, kein vernünftiger Grund sein soll, dann erklären Sie uns bitte hier vorn, was für Sie ein vernünftiger Grund ist.

Was allerdings hier angesprochen wird - da bin ich ebenso wie Herr Bergner der Überzeugung, ich bin auch dankbar für diese Debatte -, ist, durch das jetzt geltende Gesetz gibt es eine ganze Reihe von Fragen und Problemen, die noch zu regeln sind. Der Gemeinde- und Städtebund hat hier, ich nenne das mal so, eine Art Forderungskatalog vorgelegt. Das Innenministerium hat deshalb eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in der gemeinsam mit den Kommunen diese Probleme geklärt werden sollen, die Sie auch dankenswerterweise, Herr Bergner, schon angesprochen haben, die wir auch sehen im Vollzug dieses Gesetzes. Wir haben übrigens erst

in der letzten Woche in der Koalition darüber gesprochen und werden da auch durch den Koalitionspartner und das Innenministerium auf dem Laufenden gehalten, weil es noch ein paar Dinge gibt, berechtigterweise, die für die kommunale Familie, vor allem für die Ordnungsämter vor Ort, geklärt werden müssen in einer entsprechenden Verordnung. Mit diesem Gesetzentwurf, Frau Berninger, so unvollständig und so stückwerkhaft er hier im Übrigen auch vorgelegt wurde, wird Ihnen allerdings nicht gelingen, etwas Entscheidendes an der jetzt geltenden Rechtslage, die so schlecht nicht ist, zu ändern, weil auch ich mit meiner Fraktion einer Ausschussüberweisung nicht zustimmen werde. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Vielen Dank. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Abgeordneter Dirk Adams das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste hier im Thüringer Landtag, ich glaube, ich bin ziemlich am Ende der Rednerliste dran und kann oder muss viele Dinge nur noch mal ganz kurz anreißen, weil die wesentlichen Aspekte genannt wurden. Eine Sache ist mir wichtig als Grundsatz hier noch einmal voranzustellen: Das Diskutieren über Beißstatistiken hilft uns an dieser Stelle überhaupt nicht weiter,

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil jeder einzelne Biss, jede einzelne Verletzung oder gar Tötung so schlimm ist, dass sie den Gesetzgeber dazu bringen müssen, aktiv zu werden. Es kann auch nicht ein Aufwiegen 15 Bisse gegen 20 Bisse oder 33 Verletzungen gegen 25 das Ziel dieser Debatte sein.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Gesetz, von CDU und SPD beschlossen, das Gesetz der Landesregierung zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Tieren ist ein schlechtes Gesetz. Das haben wir vor einem Jahr gesagt und deshalb sind wir heute wieder da.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)