Schaffung einer zentralen Koordinierungsstelle für Mädchen- und Jungenarbeit in Thüringen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/4685
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Antrag resultiert aus diversen Gesprächen und Fachdebatten in Thüringen. Der Wunsch unsererseits und dieser Fachleute ist es, eine Koordinierungsstelle für Mädchen- und Jungenarbeit zu errichten. Was wir wollen, ist, die Aktivitäten in diesem Bereich besser zu vernetzen und zu koordinieren, weil es uns darum gehen muss, geschlechtersensible Arbeit in Thüringen auch insgesamt zu stärken. Ich will daran erinnern, dass wir gestern dazu auch schon eine Debatte im Rahmen des Gleichstellungsgesetzes hatten. Lassen Sie mich kurz auf die Bedeutung von Gender Mainstreaming und gerade Mädchen- und Jungenarbeit eingehen. Sie wissen - das wurde gestern auch gestreift -, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern im Grundgesetz verankert ist. Gender Mainstreaming ist eine politische Strategie, um die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen politischen Entscheidungsprozessen zu verwirklichen. Die Bundesregierung hat Gender Mainstreaming bereits 1999 als Leitgedanken in ihr Programm aufgenommen. Es basiert im Wesentlichen auf der Erkenntnis, dass es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt,
weil es - und das ist entscheidend - unterschiedliche Lebensbedingungen und Lebensentwürfe von Frauen und Männern in den Blick nimmt und auch bewusst herausstellt. Man kann damit nicht früh genug beginnen, das ist unsere feste Überzeugung. Deswegen muss auch die Jugendhilfe den spezifischen Bedarfslagen von Mädchen und Jungen gerecht werden.
Das ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, keine neue Forderung von uns GRÜNEN. Im Gegenteil, das gibt es bereits festgeschrieben im Kin
der- und Jugendhilfegesetz. Wenn Sie sich das SGB VIII § 9 insgesamt vor Augen führen, dort wird auch sehr genau beschrieben, dass die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen sind. Dort heißt es: Benachteiligungen sind abzubauen und die Gleichberechtigung zu fördern. Das wurde natürlich auch im jüngst beschlossenen Landesjugendförderplan aufgenommen. Darin steht, dass geschlechtersensible Perspektiven in allen Aktivitäten und Maßnahmen integriert sein sollen. Allein das, was in Thüringen im Augenblick dazu vorzufinden ist, ist aus unserer Sicht zu wenig. Es reicht eben nicht, auf der einen Seite neben der gemeinsamen Bildung natürlich von Mädchen und Jungen darauf Wert zu legen, dass in der Schule gemeinsam gebildet wird, sondern auch, dass es Punkte und Perspektiven in der Mädchen- und Jungenarbeit gibt, die geschlechtersensibel sind und deswegen auch besonderer Angebote bedürfen. Viele Angebote, die es dazu gibt, von JuMäX in Jena bis zu vielen anderen, konzentrieren sich genau darauf und arbeiten daran, wie Geschlechterrollen ganz individuell gestärkt oder angepasst werden können. Zwischen 10 und 14 gibt es sehr, sehr gute Angebote, aber eben nur punktuell. Deswegen unser Angebot, unser Vorschlag, eine Koordinierungsstelle zu schaffen. Wir haben abgefragt in einer Kleinen Anfrage zuvor, welche Angebote es in Thüringen dazu gibt. Es gibt einige, wenngleich diese aber sehr ungleich geographisch verteilt sind, auf der anderen Seite keine Vernetzung. Weil wir insbesondere feststellen, dass gerade im ländlichen Raum geschlechtersensible Projekte nur sehr, sehr geringfügig anzutreffen sind und diesen Mädchen und Jungen aber genauso Orientierung geboten werden muss wie in allen anderen Regionen, wollen wir einfach, dass sich eine zentrale Stelle darum kümmert, Beratung, Fortbildung von Trägern und natürlich eine gute Vernetzung zu erreichen. Das möchte unser Antrag.
Vielen Dank. Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat Abgeordneter Peter Metz das Wort, wenn er denn da wäre. Bitte schön, für die SPD Frau Birgit Pelke.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte die Kolleginnen und Kollegen um Entschuldigung, Kollege Peter Metz hat sich kurzfristig krankmelden müssen heute. Ich weiß, dass er mir mit auf den Weg gegeben hat, dass dieses Thema in dem Jugendhilfeausschuss sehr intensiv diskutiert worden ist. Darüber wollte er heute eigentlich auch hier berichten. Wir selber haben im Gleichstellungsausschuss dieses Thema mehrfach
behandelt. Sie selber haben auch darauf hingewiesen, dass beispielsweise im Landesjugendförderplan die Thematik mit angesprochen ist, dass diese Thematik eine wichtige Rolle gespielt hat und auch weiter spielt. Wir haben auch im Rahmen des Gleichstellungsgesetzes noch mal um die Frage von Mädchenund Jungenarbeit immer einen Schwerpunkt gesehen. Die Bitte meines Kollegen und auch die Position meiner Fraktion ist, dass wir genau an dieser Stelle nicht weitere Doppelstrukturen aufbauen wollen, sondern dass wir jetzt sehen wollen, dass wir uns in der Diskussion im Rahmen des Gleichstellungsgesetzes und auch in anderen Themenbereichen, die wir im Gleichstellungsausschuss beraten, natürlich sehr wohl der Frage Mädchen- und Jungenarbeit widmen werden, dass diese Thematik natürlich ein wesentlicher Punkt ist, aber auch aufgrund der Diskussion im Landesjugendhilfeausschuss und auch im Gleichstellungsausschuss die Fraktion der SPD sich dazu positioniert hat, dass wir im Moment aufgrund dessen, was alles diskutiert, beraten und auch schon auf den Weg gebracht worden ist, wir uns Doppelstrukturen ersparen können und weiter sehen müssen, wie wir das Thema Mädchen- und Jungenarbeit mit einbinden.
Im Übrigen haben wir auch gestern bei dem Antrag der FDP noch mal darüber diskutiert, wie wir gegebenenfalls eine Kommission für Kinder und Jugendliche, bei der sicherlich auch ein Aspekt sein wird,
wie gehen wir denn mit der besonderen Rolle der Jungen und der Mädchen, also der geschlechtsspezifischen Arbeit, um. Wir wollen auch sehen, dass wir im Rahmen der Angliederung dieses Unterausschusses oder dieser Kommission auch schauen, ob sie beim Landesjugendhilfeausschuss oder beim Sozialausschuss orientiert wird. Der Punkt ist aus meiner Sicht, dass es uns gelingen muss, nicht nur mit denen zu sprechen, die für Kinder und Jugendliche reden, sondern mit den Kindern und Jugendlichen selber. Ich glaube, dann sind wir bereits auf einem guten Weg. In dem Falle sehen Sie mir diese Kurzfassung nach und vielleicht auch etwas unvorbereitet, weil ich nicht wusste, dass der Kollege krank ist. Wir lehnen diese Doppelstrukturen ab und demzufolge auch diesen Antrag. Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Pelke. Als Nächster hat das Wort Abgeordneter Kemmerich von der FDP-Fraktion.
lich in der Tat nicht verwundern, dass wir gegen die Position der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN durchaus etwas anderer Auffassung sind. Aber, sehr geehrte Frau Pelke, vielen Dank für Ihre Worte und auch die Unterstützung für das Einrichten einer Kinder- und Jugendkommission.
Ich glaube, genau das ist hier der richtige Weg. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz hinsichtlich seiner Ausgestaltung ist bemüht und auf gutem Weg, für die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen sich einzusetzen. Der jetzt anstehende Landesförderplan für die Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit wird das noch mehr in den Mittelpunkt stellen. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass wir gerade die unterschiedlichen Interessenlagen von Mädchen und Jungen sehr betrachten müssen. Wie auch von meinen Vorrednern betont, ist es wichtig, nicht über die Jugendlichen zu reden, sondern mit den Jugendlichen zu reden.
Deshalb sind wir sehr dankbar, dass Sie das Thema der Kinder- und Jugendkommission noch mal sehr mit betont haben. Wir haben es ja im Ausschuss und können darum kämpfen, dass wir dann wirklich mit einer zentralen Koordinierungseinheit, die keine weitere Bürokratie aufwirft, sondern wirklich als Kommission ausgleichend, moderierend und vernetzend wirken kann, an diesem sehr wichtigen Thema weiterarbeiten. Die Fraktion der GRÜNEN - da sind Sie aber nicht die Einzigen - bemüht sich wieder hier, mit der Schaffung einer weiteren Stelle eher die Koordinierungsmöglichkeiten zu verschlimmbessern. Es ist nicht gut, dass wir für jede erdenkliche Fallgestaltung eine Koordinierungsstelle haben, sondern je zentraler je besser, und dann kann man kaskadenförmig das darunter aufbauen.
Meine Damen und Herren, wir wissen, dass wir in Thüringen heute schon einen sehr hohen, den zweithöchsten Bürokratie- oder Beamtenansatz haben. Herr Dr. Voß und die Landesregierung sind hier auf dem Weg - auch das im Sinne der Steuerzahler -, die Bürokratie insgesamt zu reduzieren, auf ein mehr als verträgliches Maß zurückzuschrauben. Insofern ist es wenig hilfreich, hier mit einer weiteren Koordinierungsstelle zu arbeiten.
Lassen Sie uns unseren Vorschlag weiterverfolgen, im Ausschuss zum Erfolg bringen, eine Kinder- und Jugendkommission zu installieren, und dann mit diesem Ansatz auch Anwendungsbeispiele direkt für die Arbeit dieser Kommission zu haben. Es gibt mehr als gute Konzepte, Begründungen, auch das Metakonzept, das hatten wir in der vorletzten Sitzung des Gleichstellungsausschusses, aber da konnten wir ja lernen, dass dieses Metaprojekt - ein Tropfen auf den heißen Stein ist schon fast zu viel gesagt - alle zwei Jahre mal stattfindet, es findet
der Tag statt, aber danach versickern schnell die Fürsprecher und auch das Geld, das Projekt nicht nur vernünftig vorzubereiten, sondern vor allen Dingen nachzubereiten. Wenn die jungen Damen dann mal einen Tag sich mit dieser Thematik auseinandergesetzt haben, aber danach aus den Konferenzen wieder nach Hause gehen, denke ich, da haben wir nicht viel gekonnt. Denn es geht ja dann darum, nicht nur einen einmaligen Impuls zu setzen, sondern diesen Impuls weiter zu verstärken und am besten dafür Sorge zu tragen, dass sie dann auch wirklich einen solchen Beruf ergreifen. Insofern werden wir hier diesen Antrag ablehnen, um nicht weiter bürokratischen Aufwand zu machen, der der Sache nicht dient, sondern an anderer Stelle in dieser Sache weiter wirken wollen. Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, herzlich Willkommen die Besucher auf der Tribüne! Schaffung einer zentralen Koordinierungsstelle für Mädchen- und Jungenarbeit in Thüringen, mit dieser Forderung, so hat es den Anschein, versuchen Sie, den Menschen weiszumachen, dass das Land Thüringen plan- und ziellos diesem Thema gegenübersteht. Nun müssten Sie sich vielleicht mit der Arbeit der Gleichstellungsausschüsse der vergangenen Legislaturperioden befassen. Sie würden zu Ihrem Erstaunen feststellen, dass zu diesem Thema hervorragend bereits parteiübergreifend - möchte ich das einmal nennen - gearbeitet wurde.
Mädchen- und Jungenarbeit ist im Landesjugendförderplan 2012 bis 2015 verankert und muss bei den Trägern von Jugendarbeit unbedingt berücksichtigt werden. In der Begründung Ihres Antrags schreiben Sie, dass die wenigen Träger, die derzeit Projekte bezüglich Mädchen- und Jungenarbeit in Thüringen anbieten, eine thüringische Vernetzung nicht leisten können. Das halte ich für ein Gerücht. Diese wenigen Träger müssen ermutigt werden, sich nicht nur auf regionale Zusammenhänge zu beschränken. Sie sind der Meinung, wie ebenfalls in Ihrer Begründung dargelegt, dass zwei Fachtage der Evangelischen Akademie Thüringen im Verbund mit dem Landesjugendamt und der Fachgruppe Jugendarbeit in Thüringen zu wenig sind, um das für sie bestehende Problem der Vernetzungsarbeit zu lösen. Da muss man doch auf die Verantwortlichen zugehen und weitere Zusammenkünfte
fordern bzw. thematisieren. Dazu braucht man meines Erachtens keine Koordinierungsstelle, sondern einfach gut funktionierende Kommunikationsmittel. Immer stehen auch hier die Gleichstellungsbeauftragten in den Städten und für den ländlichen Raum in den Landratsämtern zur Verfügung. Auch die Jugendausschüsse bieten sich hierfür auf kommunaler Ebene an. Ihr Antrag läuft darauf hinaus, doppelte Strukturen zu schaffen, wo am Ende womöglich die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut.
Ihre Forderung, wonach Benachteiligungen von Mädchen und Jungen abzubauen sind, die gleichberechtigungsfördernd ist, sind Bestimmungen des SGB VIII. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe - und ich betone es noch einmal, unsere gemeinsame Aufgabe -, auf die Einhaltung zu achten. Wir lehnen, wie es schon meine Vorrednerin sagte, Ihren Antrag ab, er ist unnötig.
Hier möchte ich noch einmal auf Herrn Kemmerich zugehen. Es ist interessant - und das werden wir wohlwollend begleiten -, was gestern zu dieser Kinder- und Jugendkommission gesagt wurde. Wenn sie angegliedert wird, dann ist das okay, aber keine Doppelstrukturen. Also dagegen sind wir, das geht nicht.
Vielleicht auch noch einmal zur Information: Der Gleichstellungsausschuss hatte ja einmal im Sinn gehabt, sich angemaßt, in das Wunderland Norwegen zu fahren, um dort in Erfahrung zu bringen, wie geht es da mit gendern, was ist denn da los, wieso erziehen Norweger, norwegische Mütter und Väter anders als wir hier - wieso? Eine interessante Frage. Leider ist diese Fahrt abgelehnt worden und ich weiß auch, aus Ihrer Fraktion hat man da wenig Liebe für diese Fahrt entwickelt. Aber vielleicht nehmen wir Sie mal mit oder wir kümmern uns mal alle gemeinsam darum, was ist denn jetzt in Norwegen passiert.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir sind der Meinung, dass man auch hier eine Anhörung dazu ma- chen kann!)
Wenn man hört, dass man 56 Mio. € streicht für die Genderforschung in Norwegen und Jungen und Mädchen ihre eigenen Wahlberufe wieder aufnehmen, dass Mädchen wieder Friseurin werden, Kindergärtnerin usw., dann ist doch interessant, einmal nachzuforschen, was ist denn in Norwegen passiert? Wieso ist die Genderforschung auf der Strecke geblieben? Mich würde es sehr interessieren, ich muss deshalb nicht nach Norwegen fahren, das sollte man aber von hier aus mal eruieren. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen ab heute Nachmittag ein schönes Wochenende.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Holzapfel. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abgeordnete Katharina König.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Holzapfel, wenn man Ihnen zuhört, hat man den Eindruck, der Gleichstellungsausschuss will unbedingt mal nach Norwegen fahren und deswegen setzen Sie sich hier so für Norwegen ein.
Zum Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Schaffung einer zentralen Koordinierungsstelle für Mädchen- und Jungenarbeit in Thüringen. Zuerst, Frau Siegesmund, Sie haben in Ihrer Einführung, in Ihrer Begründung natürlich vollkommen zu Recht das Konzept, auch vollkommen richtig das Konzept von Gender Mainstreaming dargestellt, Sie haben auch richtig dargestellt, dass es im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert ist, dass es einer der Schwerpunkte des Landesjugendförderplans ist. Was Sie meiner Meinung nach etwas vernachlässigt haben, ist, dass die Jugendhilfe dem Konzept von Gender Mainstreaming als Bedarfslage eher gerecht wird als beispielsweise andere Lebensweltbereiche, ich nenne nur die Arbeitswelt als einen Punkt. Was für mich und für uns ein Problem darstellt, ist zum einen, mit dieser zentralen Koordinierungsstelle fordern Sie letztendlich Gelder im Bereich Kinder- und Jugendarbeit, im Bereich Landesjugendförderplan. Unseres Erachtens nach und gerade im ländlichen Raum sind eben nicht genügend Gelder für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vorhanden. Da jetzt eine zentrale Koordinierungsstelle zu schaffen, die eine nicht vorhandene Arbeit im ländlichen Raum koordiniert, ist ein Widerspruch, zumindest unserer Auffassung nach.
Das Zweite und da muss ich ehrlich sagen, ich bin ein Stück weit enttäuscht. Sie sitzen nicht im Landesjugendhilfeausschuss, das ist richtig, das betonen Sie auch immer wieder.