Protokoll der Sitzung vom 17.10.2012

Hinzu kommt im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes die Möglichkeit der Versetzung in den Ruhestand mit 61 Jahren, was zunächst einmal zu begrüßen ist. Wenn man sich den Haushalt anschaut, rechnet die Landesregierung hier mit 700 bis 800 Personen, eine Neueinstellung dafür ist nicht in Sicht. Damit ist Unterrichtsausfall vorprogrammiert bzw. Nichtlösung des derzeitigen Unterrichtsausfalls. Da reden wir noch nicht einmal von der Umsetzung von Inklusion, progressiver Bildungspolitik und Multiprofessionalität an Schulen.

Was will DIE LINKE? DIE LINKE will die Großinvestition in den Bildungsbereich, wenigstens der Ersatzbedarf muss gedeckt werden. Wir wollen ein Personalentwicklungskonzept für die nächsten Jahre an Thüringer Schulen, das Multiprofessionalität ebenso beinhaltet wie die notwendige …

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist zu Ende.

(Präsidentin Diezel)

Wir rennen sehenden Auges in die bildungspolitische Katastrophe. Damit muss Schluss sein.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. Für die CDU-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Volker Emde.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden über ein Thema, das tatsächlich an so mancher Schule die Gemüter erhitzt und das zu Recht, denn jede Unterrichtsstunde, die ausfällt, ist eine Unterrichtsstunde, die zu viel ausfällt. Es muss natürlich unser Anliegen sein, dafür zu sorgen, dass es möglich ist, dass der Unterrichtsausfall auf ein absolutes Minimum begrenzt wird. Ziel heißt immer 100-Prozent-Versorgung, das wird nicht immer gehen, aber es muss unser Ziel sein.

Lassen Sie mich ein Wort sagen zu dem Thema der Einstellungskorridore und der Neueinstellungen. Wir hatten im Jahr 2005 440 VZB Neueinstellungen, wir hatten im Jahr 2006 360 VZB Neueinstellungen und dann muss ich nicht daran erinnern, dann kamen eben Urteile zu diesem Thema der Teilzeitverbeamtung und es musste umdisponiert werden. Es war dann nicht möglich, zunächst überhaupt Leute einzustellen. Man arbeitete mit befristeten Einstellungen und erst ab dem Jahr 2009 ist es uns wieder möglich, einzustellen und schrittweise die Einstellungszahlen nach oben zu fahren. Für dieses Jahr ist das Ziel ausgegeben und vereinbart zwischen Finanz- und Kultusministerium, 350 Lehrer und Erzieher einzustellen. Meiner Information nach ist der Kultusminister noch nicht ganz am Ziel, aber es bleibt die Hoffnung, dass, auch wenn das Schuljahr nun schon begonnen hat, trotzdem dieses Ziel erreicht werden kann.

Die Erwartungen, die wir als Parlamentarier haben sollten an das Ministerium und überhaupt an die Regierung, die will ich natürlich schon formulieren, denn es ist so, dass wir als Abgeordnete - und da bin ich mir sicher, dass das alle Fraktionen mittragen - das, was an tatsächlichem Bedarf da ist, eben auch mit Stellen und Geld decken wollen. Das werden wir sicherlich in den anstehenden Haushaltsberatungen auch so umsetzen, wenn es irgendwie geht. Aber was wir natürlich brauchen, ist eine ganz klare Auflistung des tatsächlichen Bedarfs und es muss im Vordergrund stehen die Absicherung des Unterrichts laut Stundentafel. Wenn uns das dargelegt wird, dann wird keiner sich hier im Raum verweigern, die notwendigen Stellen bereitzustellen. Ich sage aber auch, man muss eben auch über das Thema der Überhänge reden, das kann man nicht

einfach negieren, denn es geht um den Umgang mit Steuermitteln und da sind auch Sie verpflichtet, damit sorgsam umzugehen. Es muss für uns die Erwartung gelten, dass die zur Verfügung stehenden Stellen auch tatsächlich besetzt werden. Ich erkenne da noch einige Reserven. Ich denke, man muss sich Gedanken darüber machen, wie man in Zukunft noch besser auf die Bewerber und die Referendare zugeht, um sie für den Schuldienst in Thüringen zu gewinnen, und man muss auch noch einmal die Frage stellen, ob die Verfahren und das, was bürokratisch als notwendig erachtet wird, wirklich angemessen ist, um dann zur Besetzung der Stellen kommen zu können.

Meine Damen und Herren, Personal ist aus meiner Sicht zuallererst dafür da, dass der Unterricht abgesichert werden kann, alle anderen bildungspolitischen Projekte müssten hinter diesem Ziel zurückstehen, denn es ist ganz einfach so, dass an mancher Stelle in Thüringer Schulen deutlich mehr Unterricht ausfällt, als die vermeintlichen Statistiken uns dann widerspiegeln. Durchschnittswerte sind das eine, tatsächlich ausfallender Unterricht ist an mancher Stelle deutlich gravierender. Ich will eine Forderung auch noch einmal erneuern oder eine Erwartung erneuern. Es muss möglich sein mit unseren Hochschulen, die Lehrer ausbilden, Vereinbarungen zu treffen, dass entsprechend dem Bedarf ausgebildet wird an unseren Hochschulen und das in der Menge der auszubildenden Lehramtsanwärter und künftigen Lehrer, aber natürlich auch fachgerecht, so wie das die Thüringer Stundentafel und das Thüringer Schulgesetz erfordern. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Für die FDP-Fraktion hat Frau Abgeordnete Franka Hitzing das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir haben in der letzten Zeit oft über die Schulpolitik hier im Hause gesprochen und ich habe auch oft die bürgerliche Schulpolitik der letzten Jahre gelobt, nicht zuletzt beim Ländervergleich IQB der Thüringer Grundschulen. Das Ganze, auch die PISA-Studienergebnisse, sind natürlich ein Resultat einer langfristigen kontinuierlichen Bildungspolitik, denn Sie alle wissen, Bildung ist ein dicker Dampfer, der schwer zum Stehen zu bringen ist und auch schwer wieder in Fahrt zu bringen ist. Mit anderen Worten: Bildung bedarf einfach Kontinuität und viele Dinge, die entschieden werden, wirken zum Teil auch erst Jahre danach.

(Beifall FDP)

Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, dass in den letzten Jahren in der Vergangenheit tatsächlich zu wenig Neueinstellungen vorgenommen wurden; der Grund dafür, das wurde bereits ausgeführt, lag erstens darin, dass es einen deutlichen Lehrerüberhang in den letzten Jahren gab, den Thüringen vor sich hergeschoben hat, aber der Reformstau, den Herr Minister Matschie letzte Woche meinte aufgeweicht zu haben oder ihn nun endlich beendet zu haben, glaube ich, den hat er nicht aufweichen können, weil doch noch sehr viel im Argen liegt; gerade die Personalpolitik ist dafür ein gravierendes Beispiel. Wenn es darum geht, dass auf der einen Seite die Statistik sagt, wir haben zu viele Lehrer, wir haben Lehrerüberhang und auf der anderen Seite die Fraktion DIE LINKE heute dieses Thema zur Aktuellen Stunde macht, dann sage ich, das passt nicht zusammen.

(Beifall FDP)

Wir können nicht auf der einen Seite Lehrerüberhang haben und auf der anderen Seite gigantische Stundenausfallzahlen. Eine gute Bildungspolitik geht eben nur, wenn ich letztendlich auch genügend Lehrer in ausreichender Zahl zur Verfügung habe und im Übrigen auch in einem gesunden Altersdurchschnitt.

(Beifall FDP)

Es hat schon immer Unterrichtsausfall gegeben, das wird sich auch nicht ändern, weil es manchmal auch kurzfristige Krankheiten gibt etc. oder einfach dienstliche Gründe, aber in Thüringen sind sehr viele Lehrer nun auch zusätzlich in der Ruhephase der Altersteilzeit. Das ist auch ein Mitbringsel aus vergangenen Jahren und Entscheidungen der letzten Jahre. In diesem Jahr sind es 1.400 Lehrer, die das betrifft, die rechnerisch zu diesem Lehrerüberhang gehören, aber tatsächlich nicht in der Schule vorhanden sind - das ist das Problem. Dass wir uns mit dem Unterrichtsausfall befassen, liegt daran, dass vielerorts nicht genügend Lehrer vorhanden sind und den Schulen zur Verfügung stehen, eben wegen Krankheit, Abordnung etc. Der Altersdurchschnitt bei den Lehrern, Frau Hennig sagte es bereits, liegt bei ca. 52 Jahren in Thüringen. Also jeder Zweite ist über 50 Jahre. Auch ich habe eine Anfrage gestellt zu diesem Thema und hatte u.a. die Frage gestellt, ob es denn irgendwie einen Zusammenhang gibt zwischen dem Alter und der Anzahl der Krankheitsfälle.

(Beifall FDP)

Da gab es in der Antwort keine Antwort, so war es einfach, weil keine statistischen Angaben dazu vorliegen würden. Aber ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen, und zwar haben wir unter anderem die Frage gestellt, wie viele Stunden denn ausfallen krankheitsbedingt im Allgemeinen. Von allen Ausfallstunden sind im allgemeinen 79 Prozent wegen

Krankheit ausgefallen. Das ist natürlich eine verheerende Zahl. Da muss man sich dann die Frage stellen, warum ist das so. Wir wissen alle, das ist in jeder Berufsgruppe so, dass man oftmals natürlich mit zunehmendem Alter auch etwas anfälliger wird und vielleicht nicht mehr so belastbar ist, wie man das ist, wenn man blutjung ist. Das muss man einfach mit in die Diskussion einbeziehen. Die Frage, die sich hier stellt, ist also: Warum haben wir auf der einen Seite angeblich Lehrerüberhang, tatsächlich in den Schulen zu wenig Lehrer und drittens dann den Stundenausfall? Oder, die Frage möchte ich gern beantwortet haben, können wir uns die Frage selbst beantworten, indem wir sagen, wir haben doch zu wenig Lehrer in den Schulen

(Beifall FDP)

und müssen ganz einfach neu einstellen und müssen auch akzeptieren, dass die Lehrer, die in den Schulen beschäftigt sind, zum Teil sich auch tatsächlich überfordert fühlen mit den zunehmenden Aufgaben, die man ihnen so peu a peu anträgt? Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Hans-Jürgen Döring.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, über Unterrichtsausfall zu sprechen ist gut und richtig. Der Titel für diese Aktuelle Stunde ist aber für meinen Geschmack etwas zu plakativ geraten, denn Unterrichtsausfall wird natürlich nie völlig zu stoppen sein. Es wird immer unvorhergesehene Erkrankungen und Abwesenheiten von Lehrern geben. Trotz aller Bemühungen von Politik, Schulbehörden und auch Lehrerkollegien vor Ort kann das natürlich personell nicht immer vollständig abgefangen werden.

Worum es uns aber gehen muss, ist, Unterrichtsausfall so weit wie irgend möglich zu minimieren. In diesem Ziel sind sich mit Sicherheit auch alle Fraktionen des Hauses mit dem Bildungsministerium einig. Dass gehandelt werden muss, ist meines Erachtens völlig unstrittig. Bei der im Frühjahr vom Bildungsministerium gezogenen Stichprobe - Frau Hennig hat das gerade vorhin noch mal betont - lag der durchschnittliche Unterrichtsausfall bei rund 4 Prozent und damit bewegen wir uns zwar im Bundesdurchschnitt, wenn man aber weiß, dass der Thüringer Durchschnittswert vor wenigen Jahren noch bei gerade einmal 1,7 bis 1,8 Prozent gelegen hat, wird deutlich, mit welcher Dynamik sich hier eine Entwicklung ins Negative vollzieht.

(Abg. Hitzing)

Die Ursachen für den zunehmenden Unterrichtsausfall liegen auf der Hand. Es sind vor allem die sehr ungünstige Altersstruktur der Thüringer Lehrerschaft und die Tatsache, dass Menschen mit zunehmendem Alter nun einmal öfter erkranken und dann auch länger krank sind als jüngere. Das gilt für Lehrer mit ihrem häufig sehr fordernden Berufsalltag umso mehr.

Meine Damen und Herren, wie man den Ausfallstatistiken des Bildungsministeriums entnehmen kann, ist dann auch der weit überwiegende Anteil der Unterrichtsausfälle in allen Schularten krankheitsbedingt. Die Thüringer Lehrerinnen und Lehrer können für diese unerfreuliche Situation nichts, das möchte ich hier ausdrücklich betonen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die ungünstige Altersstruktur der Thüringer Lehrerschaft kein Naturphänomen ist, sondern schlicht darauf basiert, dass die vorangegangenen Landesregierungen über einen viel zu langen Zeitraum eine falsche Personalpolitik im Schulbereich betrieben haben. Es hat nun einmal über Jahre hinweg keinen echten Einstellungskorridor für Nachwuchspädagogen gegeben und es sind nun einmal in den Jahren 2000 bis 2009 rund 9.000 Lehrerstellen ersatzlos und weitgehend undifferenziert gestrichen worden. Ich habe seinerzeit immer wieder ein regionalisiertes, nach Schularten und Unterrichtsfächern differenziertes Personalentwicklungskonzept sowie auch einen Einstellungskorridor, der diesen Namen auch wirklich verdient, eingefordert, allerdings vergeblich.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und, wo ist es?)

Erst jetzt, und hören Sie gut zu, seit die SPD die Bildungspolitik verantwortet, wird hier umgesteuert. Seit 2010 ist der Einstellungskorridor Jahr für Jahr erweitert worden, das wissen Sie, und es gibt jetzt endlich auch ein vernünftiges Personalentwicklungskonzept. Somit steht den Schulen in den kommenden beiden Haushaltsjahren ein Einstellungskorridor von jeweils 400 Vollzeitstellen zur Verfügung und weitere Personalkapazitäten werden sich zudem durch das Auslaufen des Floatings ergeben.

Mit diesen beiden Maßnahmen, aber auch mit der bereits in diesem Schuljahr angelaufen Ausweitung des Programms „Geld statt Stellen“ wird es uns in den kommenden Jahren gelingen, den Unterrichtsausfall wirklich zu minimieren.

(Zwischenruf Abg. Skibbe, DIE LINKE: Zu welchem Preis?)

Eines ist aber auch klar: Ab 2015, wenn die Zahl altersbedingt ausscheidender Lehrerinnen und Lehrer Jahr für Jahr rasant ansteigen wird, werden wir unsere Anstrengungen zur Unterrichtsabdeckung deutlich weiter erhöhen müssen. Das bedeutet natürlich auch, dass wir dann das entsprechende Geld in die Hand nehmen müssen.

Meine Damen und Herren, kurz und gut: Das Problem des zunehmenden Unterrichtsausfalls ist von uns erkannt worden und das Bildungsministerium tut etwas dagegen, aber es ist aus meiner Sicht nicht besonders redlich, wenn immer wieder die Erwartung geäußert wird, das Bildungsministerium könne quasi im Handumdrehen Probleme lösen, welche durch mindestens ein Jahrzehnt verfehlter Personalpolitik geschaffen wurden.

Das Thema Unterrichtsabdeckung wird uns da ja auch in den kommenden Jahren, davon bin ich überzeugt, begleiten und eine grundsätzliche Entwarnung kann es einfach nicht geben.

Noch ein Satz zum Punkt Redlichkeit: Hier gibt es zurzeit einen Überbietungswettbewerb, zuerst hieß es, es fehlen 500 Vollzeitstellen,

Einen kurzen Satz noch.

dann 600, jetzt 800 - ich wünsche mir, dass man mit diesen Zahlen wirklich differenziert und verantwortungsvoll umgeht, denn

Ihre Redezeit ist schon lange zu Ende, Herr Abgeordneter.

Personen sind nicht Stellen, und das sollten wir wirklich beachten und wirklich ehrlich und ordentlich diskutieren. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

So sind die kurzen Sätze. Vielen Dank. Für die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN spricht die Frau Abgeordnete Astrid Rothe-Beinlich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber geschätzter Kollege Hans-Jürgen Döring, ich beginne einmal mit Johann Wolfgang Goethe: „Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.“ Nun haben Sie hier dargestellt, Sie würden jetzt endlich tun und sprachen soeben von einem vernünftigen Personalentwicklungskonzept. Ich glaube, alle hier im Hause wären Ihnen sehr verbunden, wenn wir dieses endlich zu sehen bekämen, denn genau das Nichtvor

(Abg. Döring)

handensein eines solchen ist ein Problem, auf das ich gleich noch kommen werde.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)