Die Koalitionsfraktionen kamen zu der Überzeugung, dass es sich dabei nicht um eine unabhängige Kommission handelte, und wollten die aufgeworfenen Fragen durch eine über den Einzelfall hinausgehende Auslegung gemäß § 122 Geschäftsordnung durch den Justizausschuss fachlich klären lassen. Ich freue mich übrigens sehr, dass wir jetzt das Morlok-Gutachten haben – das muss ich an dieser Stelle einfach mal einwerfen –, was Rot-RotGrün in Auftrag gegeben hat, welches uns ermöglicht, jetzt hier im Prinzip alles aus dem Ausschuss sagen zu können. Das vereinfacht mir meine Rede hier ungemein.
Zum Antrag: Wir wollen Klarheit über die Reichweite und die Grenzen der Informations- und Akteneinsichtsrechte der Abgeordneten nach § 114 GO schaffen. Dafür wurde der Justizausschuss – wie gesagt – mit der über den Einzelfall hinausgehenden Auslegung nach § 122 Geschäftsordnung beauftragt. Es wurde eine schriftliche und ergänzend eine mündliche Anhörung von Expertinnen und Experten auf dem Gebiet des Parlamentsrechts durchgeführt. Auf den Ergebnissen der Anhörung und ihrer Bewertung beruht der vorliegende Antrag auf Beschlussempfehlung.
Gestatten Sie mir, Herr Scherer, dass ich Sie an dieser Stelle darauf verweise, dass, wo nichts ist, man auch nichts übernehmen kann.
Sie haben fürs Plenum heute hier nichts vorgelegt. Ich darf daran erinnern – das darf ich ja jetzt auch sagen –, dass Sie im Ausschuss eine Tischvorlage ausgereicht haben. Das ist richtig. Da gab es eine Lesepause. Und nach dieser Lesepause – und auch das alles darf ich jetzt erzählen – habe ich dann gefragt, ob nicht wenigstens mal jemand aus der CDU-Fraktion den Antrag der CDU-Fraktion vorstellen möge, damit man weiß, was Sie wollen oder was Sie dazu gebracht hat, diesen Antrag so einzureichen. Es war niemand von Ihnen dazu bereit, diesen Antrag auch nur vorzustellen. Ich will nur daran erinnern. Ich habe unseren Antrag für unsere Fraktion begründet – für unsere Koalitionsfraktionen sogar –, und das will ich auch jetzt noch einmal tun. Das sind die sieben Punkte, die Sie jetzt auch in der Beschlussempfehlung entsprechend wiederfinden.
1. Die Informations- und Akteneinsichtsrechte der Abgeordneten werden gestärkt und sie beziehen sich auf sämtliche im Verfügungsbereich des Landtags stehende Akten.
Da haben wir in der Tat einen Dissens, Herr Scherer, wir sind der Meinung, die Abgeordneten geht das in der Tat alles etwas an.
Ich möchte hier Frau Prof. Dr. von Achenbach zitieren, aus dem Protokoll der Anhörung, Seite 12: „§ 114 müsse verfassungskonform ausgelegt werden. Das verfassungsrechtliche Akteneinsichtsrecht umfasse alle Akten, die für die parlamentarische Arbeit erheblich seien. Dieses Akteneinsichtsrecht könne über eine restriktive Auslegung des § 114 GO, wonach die Akten zu Beratungsgegenständen des Plenums angelegt sein müssen, nicht beschränkt werden.“
Ich gestatte mir die Anmerkung, dass man bei der Auslegung auch nicht beim Wortlaut hängenbleiben darf, sondern sich aller Auslegungsmethoden bedienen muss, wie dies auch unsere Expertinnen und Experten getan haben.
2. „Akte“ wird weit definiert als jedwede Form von gespeicherter Information, auch im Entwurfsstadium, unabhängig vom Speichermedium.
3. Beschränkt werden die Informations- und Akteneinsichtsrechte der Abgeordneten zeitlich auf abgeschlossene Verwaltungsvorgänge bzw. auf abtrennbare Zwischenergebnisse.
4. Die Informations- und Akteneinsichtsrechte finden ihre Grenze in Grundrechten, beispielsweise dem Schutz der Persönlichkeitssphäre – diese sei natürlich zu gewährleisten, wie wir das aus der Praxis durch Schwärzung kennen – und den verfassungsrechtlich garantierten Rechtspositionen. Da geht es beispielsweise, weil das auch immer ein Bedenken war, um die Funktionsfähigkeit von Landtagsfraktionen durch den Schutz vor unzulässiger Ausforschung. Auch das haben wir also beachtet.
5. Der Kernbereichsschutz für den Bereich exekutiver Eigenverantwortung ist auf das Verhältnis zwischen Landtagsverwaltung und Abgeordneten nicht anwendbar. Beide gehören der gleichen Staatsgewalt an. Zudem kommt der Landtagsverwaltung eine dienstleistende Rolle gegenüber den Abgeordneten in einem selbst organisierten Parlament zu.
Entsprechend ist auch der Landtagspräsident für uns ein Abgeordneter unter Abgeordneten, der als einer unter Gleichen mit der Leitung der Landtagsverwaltung durch die übrigen Abgeordneten betraut worden ist.
Auch hier ein Zitat aus der Anhörung, Frau Prof. Achenbach, Protokoll Seite 18: „Das Kontrollinstrument gegenüber dem Landtagspräsidenten in sei
ner Amtsführung ergebe sich aus der Gleichheit der Abgeordneten. Die Gleichheit der Abgeordneten sei insbesondere dadurch zu gewährleisten, dass der Landtagspräsident in seiner Amtswahrnehmung der Kontrolle durch die Abgeordneten unterliege und dass seine Tätigkeit daraufhin nachvollziehbar sein müsse, dass er diese, wie verfassungsrechtlich geboten, unparteilich, ohne partei- und fraktionspolitischen Bezug wahrnehme.“
6. Wir stärken die Verfahrensrechte der Ausschüsse – auch darum geht es uns – in Organstreitverfahren und stellen klar, dass Ausschüsse eigene Rechte in eigenem Namen geltend machen und auch vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof verteidigen können. Statt durch den Landtagspräsidenten werden sie durch ihren Ausschussvorsitzenden vertreten oder sie lassen sich durch einen externen Prozessbevollmächtigten vertreten.
7. Wir stärken die Ausschüsse auch dadurch, dass in Zukunft die für die wirksame Prozessführung notwendigen Mittel aus dem parlamentarischen Haushalt zur Verfügung gestellt werden müssen. Ich erinnere hier an eine unrühmliche Auseinandersetzung rund um Kosten für einen Bevollmächtigten für den Untersuchungsausschuss 6/2.
An diesem Punkt möchte ich meine Ausführungen zunächst beenden und freue mich, wenn Sie mit breiter Zustimmung unserem gut diskutierten Beschlussvorschlag, der auch in die Beschlussempfehlung gemündet ist, zustimmen können. Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist schon eine Frage unserer eigenen Rechte und unseres eigenen gegenseitigen Verständnisses, was wir uns in der Landtagsverwaltung anschauen wollen, können und was nicht. Die Frage an die CDU: Wovor fürchten Sie sich eigentlich?
Wovor fürchten Sie sich, wenn dieser Antrag der Koalitionsfraktionen, nach einer ausführlichen Anhörung von mehreren Sachverständigen zustande gekommen, angenommen wird? Was ist daran so schlimm? Wo ist ein Bereich, wo der Präsident meint – und das verstehe ich nicht –, dass er in seinen Rechten so beschnitten wird, dass er dann eine Weigerung aussprechen müsste, und dann
Sie haben uns in den Ausschüssen immer gesagt – also in der letzten Sitzung gab es da anscheinend überhaupt keine Debatte mehr, da konnte ich leider nicht dabei sein, aber dann habe ich ja anscheinend auch nichts verpasst, wenn es gar keine inhaltliche Auseinandersetzung gab – bzw. es wurde immer gesagt: Es gibt eine starke verfassungsrechtliche Stellung des Landtagspräsidenten. Das ist richtig. Aber diese starke verfassungsrechtliche Stellung, Herr Präsident Carius, bezieht sich nicht als ein Abwehrrecht auf die Abgeordneten hier im Haus, sondern bezieht sich als ein Abwehrrecht auf die anderen staatlichen Gewalten, nämlich dass Sie als unser oberster Repräsentant natürlich eine besonders starke Stellung haben sollen, damit keine Eingriffe in den Parlamentarismus stattfinden können. Aber das ist nicht so gedacht, das ist nicht so angelegt, das Amt, dass Sie sich vor den eigenen Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen fürchten müssten. Und es ist zu den Detailregelungen sehr viel und sehr ausführlich diskutiert worden.
Der Kollege Scherer hat gesagt, wir wollten uns in die Erarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes einmischen. Wir mischen uns überhaupt nicht ein, aber wenn ein Antrag
nein. Ja, das können Sie ja gern machen. Sie können sich auch als Abgeordneter zu Wort melden, als einer von uns allen. Es geht uns ja alle hier gegenseitig an. Es würde mich sogar freuen, wenn Sie hier in der Debatte das Wort ergreifen würden, wenn es andere für Sie im letzten Ausschuss auch nicht gemacht haben.
Ich will noch mal sagen: Mit der Transparenz, mit der Einsichtnahme in diese Akten des Wissenschaftlichen Dienstes sollte ja dem Vorwurf entgegengewirkt werden oder dem Anschein nachgegangen werden, es hätte eine parteiische Einflussnahme stattgefunden. Da ist es doch auch in Ihrem eigenen Interesse. Wenn man das Einsichtsrecht so interpretiert, wie es uns die Gutachter im Justizausschuss nahegelegt haben, dann ist es ja nicht so, dass das Einsichtsrecht von Abgeordneten zu einer Korrektur der Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes führen würde oder etwa zu einem eigenen Anweisungs- oder Kontrollrecht der wissenschaftlichen Arbeit, sondern es geht nur um die Einsicht und um das Nachvollziehen.
Ihnen wird jetzt ein Blatt zugereicht, das ist eine Vorlage, die nach der Beschlussfassung im Ausschuss an Mitglieder des Ausschusses verteilt worden ist.
Sie war nicht Gegenstand der Beratung im Ausschuss. Auch das kann man jetzt hier erzählen. Die Landtagsverwaltung war abwesend, als dieser Punkt zum Aufruf kam. Der Versammlungsleiter hat den Punkt aber trotzdem aufgerufen und abgeschlossen. Das hätte man auch anders machen können.
Wie gesagt, eine Einsicht in Arbeiten des Wissenschaftlichen Dienstes bedeutet keine Korrektur und keine Zensur. In diesem Papier, in dem Sie jetzt Dinge lesen, die nachträglich noch – für wen auch immer – nachgereicht worden sind, sind im Einzelnen keine Erkenntnisse enthalten, die dazu führen müssten, dass der Beschlussvorschlag der Koalitionsfraktionen abzuändern wäre. Denn wir haben uns wirklich sorgfältig sehr viele Gedanken gemacht. Wenn es zum Beispiel bei den Argumenten der CDU-Fraktion heißt, die – wie gesagt – bis jetzt keinen eigenen Antrag hier im Plenum vorgelegt hat, dass der strenge Wortlaut des § 114 GO nur parlamentarische Beratungsvorgänge betreffen könnte, also Dinge, die hier im Plenum behandelt werden, und alles andere sei sakrosankt, dann ist eine solche Auslegungsregel nicht das, was Juristen im Studium beigebracht bekommen. Es wäre auch merkwürdig, denn der § 114 nennt es dann auch in seinem letzten Abschnitt speziell „andere Akten“, wozu wir auch besondere Prüfvorbehalte vorgenommen haben.
Ihnen von der CDU war es wichtig, in Ihrem Gegenantrag, den Sie ohne eigene Diskussionsbeiträge in der letzten Sitzung des Rechtsausschusses dann wohl auch zur Abstimmung gestellt haben, dass Sie diesen sogenannten Arkanbereich dem Präsidenten zugestehen wollten. Da möchte ich gerade noch mal aus dem Gutachten des Herrn Prof. Dr. Schwarz zitieren, das war der Gutachter, den Ihre Fraktion selbst benannt hat, der auch noch mal gesagt hat: „Wenn und soweit das Bundesverfassungsgericht den Grundsatz der exekutivischen Eigenverantwortung in erster Linie aus dem Gewaltenteilungsprinzip ableitet, so kann sich der Landtagspräsident gerade nicht auf diesen Aspekt berufen, weil das Gewaltenteilungsprinzip im Verhältnis des Landtags zu seinem Präsidenten gerade nicht zur Anwendung kommt. Hier stehen sich gerade nicht Legislative und Exekutive gegenüber.“ Im Folgenden hat er dann schon gesagt, dass man natürlich auch Fallkonstellationen hat, wo eine Einschränkung in Betracht kommt, aber da hat er dann geschrieben – und das ist auch übereinstimmend
mit den anderen Gutachten –, es ist „eine einzelfallbezogene Darlegung [erforderlich], inwieweit eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Landtagspräsidenten [und seiner Arbeit] droht“, wenn einem Akteneinsichtsgesuch nicht stattgegeben werden soll, aber es kann keinen Pauschalausschluss geben. „Dementsprechend“, so heißt es in dem Gutachten von Herrn Prof. Dr. Kyrill-Alexander Schwarz, „muss der Landtagspräsident dann gegenüber de[n] Informationsinteress[en] des Landtags konkret darlegen, warum ein Informations- und Akteneinsichtsverlangen zu einem bestimmten Vorgang die Funktionsfähigkeit der Landtagsverwaltung zu beeinträchtigen droht.“ Aber einfach zu sagen: Es ist mein Schutzbereich und die Verfassung erlaubt mir, dass ich über den Abgeordneten stehe – also, ich bitte Sie einfach, noch mal selbst zu bedenken, ob das eine sehr kluge Haltung ist, wenn die von Ihrer Fraktion und auch von Ihnen vertreten wird. Das müssen wir uns doch hier gegenseitig eigentlich nicht antun.
Als nächster Redner hat Abgeordneter Carius, Fraktion der CDU, das Wort. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass unser § 78 Abs. 2 GO durch ein Gutachten natürlich nicht außer Kraft gesetzt ist und weiterhin Bestand hat.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, ich darf mich herzlich bedanken, dass ich mich an dieser Debatte unüblicherweise beteiligen muss. Ich darf mich auch dafür bedanken, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass die Geschäftsordnung gilt, auch wenn es jetzt ein Gutachten von Herrn Prof. Dr. Morlok gibt, was ja lediglich besagt, dass man selbstverständlich über den Gegenstand eines Untersuchungsausschusses auch außerhalb des Untersuchungsausschusses Stellung nehmen kann und dass insoweit auch das Vortragen von Herrn Abgeordneten Tischner im Sonderplenum absolut gerechtfertigt war, erstens, und zweitens auch von der Freiheit seines Mandats absolut gedeckt war. Aus meiner Sicht gilt deswegen aber trotzdem unsere Geschäftsordnung und deshalb geht der Einwand von Frau Marx und auch von Frau RotheBeinlich, jetzt restlos alles aus jeder Ausschusssitzung vortragen zu können, aus meiner Sicht völlig fehl und missinterpretiert dieses Gutachten offensichtlich.
Aber wenn ich dies sozusagen eingangs sagen darf, dann möchte ich zweitens eingangs auch darauf eingehen, warum wir heute hier überhaupt
über diese Frage diskutieren. Aus meiner Sicht offenbart sich hier, dass Teile von Rot-Rot-Grün – ich sage ganz bewusst „Teile“, nicht alle Kollegen von Rot-Rot-Grün – seit über einem Jahr nichts anderes versuchen, als das Vertrauen zwischen Parlamentsverwaltung und den Abgeordneten massiv zu beschädigen, indem man permanent behauptet, der Präsident und seine Verwaltung würden in irgendeiner Art und Weise versuchen, die Verwaltung parteiisch aufzustellen. Das hat am Anfang der Legislaturperiode angefangen, zog sich über die gesamte Debatte, wo man von eigenen Versäumnissen ablenken wollte wie beispielsweise, Herr Adams, Ihr Zwischenruf, der Weigerung von Rot-Rot-Grün, auf die Protokolle zu warten. Es war Ihre Weigerung, die dazu führte, dass wir am Ende vor dem Verfassungsgericht
das Gesetz auch formell scheitern sehen mussten. Es war nicht in irgendeiner Art und Weise vom Parlament oder von der Parlamentsverwaltung eine insinuierte Intrige, die dazu führte, dass dieses Gesetz formell verfassungswidrig wurde. Es war die bewusste Eile, die Rot-Rot-Grün in diesem Gesetz sah und weswegen Sie sich nicht im Stande sahen, sich Protokolle vorlegen zu lassen.