Protokoll der Sitzung vom 23.02.2018

(Beifall AfD)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Helmerich, Fraktion der SPD, das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Kollegen, sehr verehrte Zuschauer! Ich erahne, wenn die AfD mal das Sagen hier haben sollte – was uns nicht passieren soll –, dass wir in ein reines Sanktionsstrafrecht zurückkehren. Wenn ich das so höre, geht es Ihnen gar nicht darum, hier zu evaluieren, wie es momentan aussieht, sondern Sie wollen das ausnutzen, um irgendwelche Mängel, die Sie dann zu erkennen meinen, zu einer Art Versagen des Staats zu stilisieren.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das Versa- gen Ihrer Politik!)

Mit dem vorliegenden Alternativantrag zum Antrag der CDU-Fraktion wollen wir umfangreiche Akzente in der Auswertung des Justizvollzugsgesetzes setzen. Der CDU-Antrag auf Evaluierung des Justizvollzugsgesetzes in Thüringen ist inhaltlich grundsätzlich richtig. Allerdings wird auf wichtige Aspekte nicht eingegangen. Besonders problematisch ist jedoch, dass der Antrag fordert, innerhalb von sechs Monaten eine Evaluierung vorzunehmen, abzuschließen und darauf aufbauend ein Maßnahmenkonzept zu erstellen.

Dass eine solche wichtige Aufgabe nicht zugunsten eines starren Zeitplans hintenanstehen dürfte, ist klar. Es sind umfängliche Einflüsse, die auf die Gefangenen und Teilnehmer der verschiedenen Programme einwirken, zu berücksichtigen. Jeder Mensch ist individuell und nur weil manche von ihnen hinter Gittern sind, stimmt dies nicht weniger. Diese individuellen Aspekte müssen herausgefiltert werden, damit die allgemeine Wirkung der Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden kann. Deshalb fordern wir bereits ab April dieses Jahres eine ständige und fortlaufende Berichterstattung durch die Landesregierung.

Die verschiedenen Maßnahmen sozial- und psychotherapeutischer Natur, die im Strafvollzug vom Gedanken der Resozialisierung getragen sind, müssen auf den Prüfstand gestellt werden. Aber wir

wollen eine saubere Evaluierung, die diesem auch Rechnung trägt.

Besondere Bedeutung trägt die Suchtberatung als eines der anzugehenden Probleme im und außerhalb des Strafvollzugs. Aber ebenso wichtig ist die Vorbereitung auf die Entlassung derjenigen, die ihre Strafe abgeleistet haben. Sie müssen begleitet und wieder in die Gesellschaft integriert werden. Nur so können wir sicherstellen, dass der einzelne Bürger unter Bürgern seinen Platz in der Gesellschaft findet. Dafür sorgt das Professionelle Übergangsmanagement – PÜMaS. Welche Mittel und Wege dazu gegangen werden müssen, soll durch unseren Alternativantrag umfänglicher als durch den Antrag der CDU eruiert werden. Daher werbe ich für Ihre Zustimmung. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Astrid Rothe-Beinlich, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben jetzt schon einiges gehört und auch ich möchte noch einmal an die Geschichte des Justizvollzugsgesetzbuchs erinnern – Herr Scherer hat dies auch schon getan.

Nachdem die Gesetzgebungskompetenz für den Justizvollzug vom Bund auf die Länder übergegangen war, beschloss der Thüringer Landtag am 27. Februar 2014, also vor fast genau vier Jahren, das Thüringer Justizvollzugsgesetzbuch. Und er tat das damals übrigens nicht nur mit den Stimmen der regierenden CDU und SPD, sondern auch mit den grünen Stimmen. Entscheidend hierfür war, wie es der grüne Abgeordnete Carsten Meyer damals ausdrückte – Zitat –: „Die zentrale Frage, die wir als Bündnis 90/Die Grünen bei der Diskussion dieses Gesetzeswerkes gestellt haben, ist die Frage, ob dieses Gesetz und die Umsetzungsfähigkeit im Vollzugsalltag funktioniert oder nicht.“ Genau zu dieser Einschätzung waren wir gekommen, dass das Gesetz tauglich für den Vollzugsalltag ist, übrigens sowohl für die Bediensteten als auch für die Gefangenen, genauso wie dies die damals noch regierende CDU auch gesehen hat, auch wenn ich mich durchaus an das erinnere, was Sie damals gesagt und heute auch noch einmal vorgetragen haben, Herr Scherer.

Unser grüner Kollege Carsten Meyer betonte in seiner damaligen Rede die Wichtigkeit der im Gesetz festgeschriebenen Evaluation. Meine Kollegin von der Linken, Frau Müller, hat schon darauf hingewie

(Abg. Möller)

sen, dass sie im Gesetz quasi selbst beinhaltet ist, da diese aufgrund der Komplexität der Materie geboten und sinnvoll sei, weil sich die Praxis – das wissen wir alle – eben auch anders gestalten kann, als man es vielleicht vorher erwartet hat.

Nun kann man unter Evaluation, lieber Herr Scherer, einen einmaligen Vorgang verstehen, wie dies jedenfalls aus dem Antrag der CDU deutlich wird, dass der Justizminister nach sechs Monaten einen Bericht zu liefern hat. So zumindest lese ich das. Oder man versteht Evaluation als fortwährenden Prozess, wie dies die Koalitionsfraktionen in ihrem Alternativantrag zum Ausdruck bringen. Und entweder – das will ich auch ganz deutlich sagen – steht man zu einem Resozialisierungsvollzug und zum Justizvollzugsgesetzbuch, dem man selbst vor vier Jahren noch zugestimmt hat, oder man hält es wie die CDU, die in der Begründung ihres Antrags deutlich macht, dass sie die einst beschlossenen Standards – hört, hört! – für zu weitgehend erachtet und sich vom Resozialisierungsvollzug verabschieden will, statt die Frage aufzuwerfen, wie man den Resozialisierungsvollzug in Thüringen auf Basis einer fortlaufenden Evaluation im Sinne aller Beteiligten, also der Bediensteten und der Gefangenen gleichermaßen, fortentwickelt. Für uns von Rot-RotGrün ist jedenfalls klar, dass die Evaluierung des Thüringer Justizvollzugs stattfinden soll.

Es gibt aber auch – und das hat, glaube ich, Anja Müller in ihrer sehr umfangreichen Rede deutlich gemacht – ein klares Bekenntnis zum tragenden Gedanken der Resozialisierung im Vollzug. Wegsperren allein ist keine Lösung, ich will das einfach so deutlich formulieren. Wir müssen im Vollzug die Basis dafür schaffen, dass sich eben kein sogenannter Drehtüreffekt einstellt, Gefangene eben nicht wieder als Gefangene gesehen werden, sondern nach Verbüßen ihrer Haft Teil unserer Gesellschaft werden können, und darauf müssen sie vorbereitet werden. Dafür gibt es das Professionelle Übergangsmanagement, das haben wir jetzt auch mit dem Haushalt verstetigt. Das ist auch wichtig so – vom Modellprojekt weg –, das hatte der Minister auch in seinem Sofortbericht bereits ausgeführt.

Dafür muss man etwas tun und Rot-Rot-Grün hat auch im letzten Doppelhaushalt gezeigt – ich sagte es schon –, dass wir liefern. Wir haben das Professionelle Übergangsmanagement ausgedehnt und finanziell abgesichert. Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Damit endet die Resozialisierung nicht mehr an der Gefängnismauer, sondern bietet ehemaligen Strafgefangenen aktive Hilfe beim Wiedereintritt in das Alltagsleben nach dem Vollzug.

An dieser Stelle einmal ein ganz herzliches Dankeschön übrigens an die Damen, die derzeit diesen wichtigen Job ausüben und die Gefangenen entsprechend begleiten. Doch auch bei solch erfolgreichen Maßnahmen sind wir der Überzeugung, dass

sie regelmäßig auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und gegebenenfalls angepasst werden müssen. Sie sehen, wir haben einen Alternativantrag vorgelegt, der sehr differenziert aufzeigt, wie wir gedenken, in dieser Frage weiter vorzugehen – sachlich, auch tatsächlich fundiert begleitet.

Ich möchte mich auch noch einmal bei Minister Lauinger für seinen Sofortbericht zu Nummer I bedanken, den wir jedenfalls hiermit als erledigt betrachten. Wir freuen uns darauf, wenn Sie uns jetzt die Zustimmung zu den weiteren Punkten geben, und auf die weitere sachlich-fachliche Arbeit im Ausschuss. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen zu Nummer I des Alternativantrags in Drucksache 6/5341 erfüllt ist oder erhebt sich Widerspruch? Das kann ich nicht erkennen.

Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU in Drucksache 6/5311. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der CDU und der AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Das sind die Stimmen der Koalitionsfraktionen. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung zu den Nummern II und III des Alternativantrags der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 6/5341. Wer stimmt dem zu? Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? Das sind die Stimmen aus den Fraktionen der CDU und der AfD. Damit ist der Alternativantrag angenommen und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt. Herr Abgeordneter Möller?

Frau Präsidentin, beim vorangegangenen Tagesordnungspunkt habe ich mir schildern lassen, dass unser Fraktionsvorsitzender Björn Höcke durch den Ministerpräsidenten im Weggang vom Rednerpult ziemlich rüde beleidigt worden ist. Das ist von mehreren Abgeordneten und Mitarbeitern vernommen worden, nicht nur von unserer Fraktion. Angesichts der Bedeutung, die ein ordnungsgemäßer Sitzungsverlauf für das Parlament hat – auch für das Ansehen des Parlaments und darauf wird auch immer relativ viel Wert gelegt –, meine ich, dass so ein Vorgang, so ein Vorfall die sofortige Einberufung des Ältestenrats rechtfertigt. Das beantrage ich jetzt hiermit mit dem Ziel, diesen Vorgang zu besprechen und auch eine Überlegung anzustellen, wie mit dieser Sache weiter umgegangen wird. Danke.

(Abg. Rothe-Beinlich)

Sehr geehrter Herr Möller, nach § 12 Abs. 2 Geschäftsordnung muss der Ältestenrat unverzüglich einberufen werden, wenn mindestens drei Mitglieder des Ältestenrats dies beantragen. Sie sind nur eines. Deswegen kann ich Ihrem Antrag nicht stattgeben, wenn sich nicht andere Mitglieder des Ältestenrats dem anschließen. Das kann ich nicht erkennen. Herr Abgeordneter Primas?

Ich stimme dem Antrag zu.

Dann gehe ich davon aus, dass die CDU-Fraktion mit ihren Mitgliedern diesen Antrag verfolgt. Dann berufe ich jetzt den Ältestenrat ein, in 5 Minuten in dem anberaumten Raum. Für die anderen Mitglieder würde ich vorschlagen, dass wir jetzt in die Mittagspause gehen, mindestens bis 13.15 Uhr, aber die Beratung natürlich erst nach Beendigung der Sitzung des Ältestenrats fortsetzen können. Ich mache darauf aufmerksam, dass es mit der Wahl weitergeht.

Wir setzen unsere Sitzung fort, zunächst mit einer Erklärung über das Ergebnis der Sitzung des Ältestenrats.

Die auf Wunsch der Fraktion der AfD bei Unterstützung der CDU-Fraktion einberufene Sitzung des Ältestenrats kam zu dem Ergebnis, dass es zu dem Vorfall, der zum Anlass der Sitzung des Ältestenrats genommen wird, verschiedene Sachverhaltsdarstellungen und -interpretationen gibt, die sich jetzt in der Kürze der Zeit nicht endgültig aufklären ließen. Deswegen werden sich der Vorstand des Landtags und der nachfolgende Ältestenrat nochmals mit diesen Vorgängen beschäftigen. Das so weit dazu.

Wir kommen jetzt vereinbarungsgemäß zum Tagesordnungspunkt 12

Zustimmung des Landtags zur Ernennung eines weiteren Mitglieds des Landesrechnungshofs gemäß Artikel 103 Abs. 2 Satz 3 der Verfassung des Freistaats Thüringen Antrag der Landesregierung - Drucksache 6/5302

Wird dazu von der Landesregierung noch das Wort gewünscht? Das sehe ich nicht. Wird dazu eine Beratung gewünscht? Das sehe ich auch nicht. Wir können darüber in einer offenen Abstimmung ab

stimmen. Wer dafür ist, dass diesem Besetzungsvorschlag die Zustimmung erteilt wird, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? Gibt es Stimmenthaltungen? Das sehe ich nicht. Dann ist einstimmig die Zustimmung zur Ernennung des weiteren Mitglieds des Landesrechnungshofs erteilt. Frau Butzke, herzlichen Glückwunsch.

(Beifall im Hause)

Es ist ein einstimmiges Vertrauen des Hauses und ich darf Ihnen von dieser Stelle aus eine glückliche Hand und Erfolg bei Ihrer Tätigkeit wünschen.

Wir kommen dann zum Tagesordnungspunkt 14 – die Gratulationen sind allerdings noch nicht ganz beendet.

Wir setzen die Beratung fort. Herr Abgeordneter Walk, Sie sind jetzt gleich dran, und zwar geht es um den Antrag Ihrer Fraktion.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14

Thüringer Polizei zeitnah mit Bodycams ausstatten – Anwendung rechtssicher gewährleisten Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/5312

Die CDU-Fraktion hat das Wort zur Begründung durch ihren Kollegen Walk gewünscht. Bitte, Herr Walk, Sie haben das Wort.

Besten Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucher auf der Besuchertribüne, auf Initiative der CDU-Fraktion bereits vom 30. November 2016 in der Drucksache 6/3117 wurde bei der Thüringer Polizei im April 2017 an den Standorten Gotha, Erfurt-Nord und Sonneberg ein sechsmonatiges Pilotprojekt zur Erprobung von Körperkameras, sogenannten Bodycams, ins Leben gerufen. Hinsichtlich der Notwendigkeit der Einführung und Anwendung von Bodycams wird auf die umfangreiche Begründung des Antrags meiner Fraktion vom 30. November 2016 mit dem Titel „Respekt gegenüber Polizeibeamten erhöhen – Einführung von Body-Cams auf den Weg bringen“ in der Drucksache 6/3117 verwiesen.

Nochmals in kurzer Zusammenfassung, damit wir den aktuellen Stand haben: Dem Anstieg von Gewalt und der starken Zunahme von Angriffen auf Polizeivollzugsbeamte in den letzten Jahren sowie dem zunehmend respektlosen Verhalten von Bürgern gegenüber Einsatzkräften soll unter anderem dadurch begegnet werden, sogenannte Bodycams mit dem Ziel einzusetzen, erstens potenzielle Angreifer abzuschrecken und zweitens die Sicherheit

der Beamten im Einsatz zu erhöhen. Verschiedene Bundesländer haben bereits entsprechende Pilotprojekte auf den Weg gebracht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.

Uns geht es heute darum, die Thüringer Polizei endlich zeitnah mit Bodycams auszustatten und deren Anwendung – das ist uns wichtig – auch rechtssicher zu gewährleisten. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, AfD)

Ich eröffne die Beratung zu diesem Antrag und erteile als Erstem Kollegen Dittes von der Fraktion Die Linke das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Walk, ich möchte zum Antrag der CDU-Fraktion gern reden. Ich will vielleicht damit beginnen, und das wird Sie etwas überraschen: Ich habe sogar etwas Verständnis für den Antrag der CDU-Fraktion, Herr Walk.