Protokoll der Sitzung vom 20.03.2018

Meine Damen und Herren, ein Landtag darf auch nicht schweigen, wenn ein NATO-Partner eine Stadt, in der bereits Tausende Flüchtlinge leben, mit Tausenden Granaten beschießt und dabei auch das einzige Krankenhaus in dieser Region angreift und nach der Eroberung am Sonntag Symbole der kurdischen Geschichte, Mythologie und Kultur zerstört. Ein Landtag darf erst recht nicht schweigen, wenn ein EU-Beitrittskandidat sich bei seinem Feldzug der Unterstützung und Hilfe islamistischer, dschihadistischer Milizen bedient. Und ein Landtag darf nicht schweigen, wenn ein Land weitere 3 Milliarden Euro aus der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten für den schmutzigen Flüchtlingsdeal aus dem Jahr 2016 erhalten soll und sich bei seiner Invasion auf deutsche Waffen verlassen kann. Allein im Januar und Februar dieses Jahres, also während des völkerrechtswidrigen Angriffs auf Afrin, genehmigte die Bundesrepublik Waffenexporte im Wert von 4,4 Millionen Euro. Deswegen sage ich ganz deutlich: Wer von einem völkerrechtswidrigen Angriff redet, darf von deutschen Waffenexporten nicht schweigen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Mit der Aktuellen Stunde ergreifen wir auch das Wort, weil die Bundesrepublik an der Verfolgung der Kurden mitwirkt, insoweit, als dass das an sich widersinnige Verbot der PKK in der Bundesrepublik benutzt wird, jede Form der politischen Organisierung von Kurdinnen und Kurden als Nachfolge-, Tarn- oder Ersatzorganisation zu kriminalisieren. Und damit wird den Kurdinnen und Kurden in der

(Vizepräsidentin Jung)

Bundesrepublik jede Möglichkeit der politischen Organisierung genommen, mit der sie sich solidarisch mit ihren Menschen, Freunden und Verwandten in der Region verhalten können, die dort auch Widerstand gegen die islamistischen Milizen leisten. Und das, meine Damen und Herren, bezieht auch die YPG mit ein, die die Jesiden im Sindschar-Gebirge im Nordirak vor dem IS rettete, als andere in dieser Welt noch taten- und ideenlos zuschauten. Das bezieht die YPG mit ein, deren Einheiten als Bündnispartner der USA gegen den islamistischen Terror kämpfen. Und hier, in der Bundesrepublik, werden auch sie kriminalisiert, genauso wie die Solidaritätsbekundungen zur YPG, durch das Zeigen ihrer Symbole. Die Denklogik – das sage ich ganz bewusst – unterscheidet sich von der des türkischen Staates nicht.

Meine Damen und Herren, ich schäme mich dafür, dass in einem Bundesland, in dem ich politische Verantwortung trage, ein Staatsanwalt einen Durchsuchungsbeschluss erwirken kann, indem behauptet wird, dass – und das ist ein Zitat – „durch die Präsentation einer Fahne unter gleichzeitiger Bezugnahme auf den gewaltsamen Kampf kurdischer Milizverbände gegen den Islamischen Staat ein“ – angebliches – „Ziel der PKK, Teile der Republik Türkei gewaltsam abzuspalten und durch einen Kurdenstaat annektieren zu lassen, in ein positives Licht gerückt und so als billigend und erstrebenswert dargestellt wird.“

Meine Damen und Herren, eine solche Herleitung ist juristisch abenteuerlich, sie ist auch politisch skandalös, aber sie ist vor allem eines, eine solche Herleitung delegitimiert den Widerstand, den in Syrien lebende Menschen gegen den IS leisten. Den Betroffenen der Durchsuchungsmaßnahmen gilt deswegen ebenso unsere Solidarität. Ich gehe davon aus, dass in einem Verfahren nicht der Staatsanwalt, sondern das Recht obsiegen wird.

Herr Abgeordneter!

Meine Damen und Herren, da wir morgen Newroz begehen, sage ich am Ende vor allem in die Richtung der Öffentlichkeit: Azadî û a#tiyê ji bo Kurdan ji Kurdistanê, newroz pîroz be!

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die Fraktion der CDU hat Abgeordneter Herrgott das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kollege Dittes, sehr kreatives Auftreten hier vorn, nicht inhaltlich, sondern eher optisch, aber auch das sei Ihnen gestattet. Wir werden es nicht skandalisieren, es lohnt nicht.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Das sagen die, die ständig rot-weiße Krawatten tragen!)

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion beobachtet mit Sorge die Entwicklung der Lage in Nordsyrien. Die aktuelle Lage vor Ort lässt sich aus unabhängigen Quellen jedoch nicht abschließend genau prüfen. Dennoch geben die zugänglichen Quellen großen Anlass zur Sorge. Aus unserer Sicht ist die Rückkehr zu einer gewaltfreien Konfliktlösung das oberste Ziel, was durch die Vermittlung und Beratung im UN-Sicherheitsrat und in der NATO hoffentlich zu erreichen ist.

Der Thüringer Landtag ist aber leider nicht der angemessene und auch nicht der zuständige Ort für die Debatte, denn Thüringen gestaltet keine eigene deutsche Außenpolitik, es sei denn, wir haben da irgendetwas verpasst, meine Damen und Herren. Die zuständige deutsche Bundesregierung hat das Thema bereits mehrfach im informellen NATO-Rat und auch in den Vereinten Nationen zur Sprache gebracht. Das ist der richtige Weg, meine Damen und Herren, weiter mit allen diplomatischen Mitteln auf eine Lösung vor Ort hinzuwirken.

(Beifall CDU)

Ich sage an dieser Stelle ganz klar, was auch die stringente Haltung der CDU-Bundestagsfraktion widerspiegelt, dass wir das grundsätzliche Selbstverteidigungsrecht unseres NATO-Partners Türkei achten. Das aktuelle Vorgehen – hören Sie mal in Ruhe zu – der Türkei halten wir aber nicht für angemessen und nicht für verhältnismäßig und nicht vom Selbstverteidigungsrecht gedeckt. Es ist demnach nicht völkerrechtskonform. Das entschuldigt oder relativiert aber in keinster Weise das Vorgehen von PKK-Terroristen und ihren Unterstützern und Verbündeten in Nordsyrien oder in der Türkei. Es ist daher gut, dass die Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD weiter alle Mittel der Diplomatie einsetzt, um in diesem Konflikt zu Lösungen zu kommen und zwar auf diplomatischem Wege und nicht nur durch Lippenbekenntnisse in einem nicht zuständigen Parlament. Vielen Dank.

Als nächster Redner hat Abgeordneter Helmerich, Fraktion der SPD, das Wort.

(Abg. Dittes)

Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Zuschauer! Newroz heißt übersetzt „der neue Tag“. Es ist eines der ältesten Feste der Welt, mit dem Kurdinnen und Kurden seit Jahrtausenden den Beginn des Frühlings feiern. Die Generalversammlung stellte in ihrer Erklärung fest, dass das Newroz-Fest ein Frühlingsfest ist, das von mehr als 300 Millionen Menschen seit mehr als 3.000 Jahren auf der Balkanhalbinsel, in der Schwarzmeer-Region, im Kaukasus, in Zentralasien und im Nahen Osten gefeiert wird. Am 30. September 2009 hatte die UNESCO den Newroz-Tag in die Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit aufgenommen. Sinnbildlich steht das Fest auch aufgrund seiner Entstehungsgeschichte als Symbol für Frieden, Freiheit und Demokratie. Schon vor diesem Hintergrund kann man die besondere Bedeutung dieses Fests für die Kurdinnen und Kurden verstehen, die in zahlreichen Ländern unterdrückt und verfolgt werden. Im Hinblick auf die aktuellen Ereignisse in Afrin wird diese politische Bedeutung des Newroz-Fests noch einmal deutlicher. Darum lautet das Motto des Fests in Deutschland, welches von über einer Million hier lebenden Kurdinnen und Kurden gefeiert wird: Nein zum Krieg! – Und ich füge hinzu: Nein zu Verfolgung und Unterdrückung!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, wir können uns dem nur anschließen. Deswegen sind wir als SPD-Fraktion der LinkeFraktion dankbar für diese Aktuelle Stunde. Feste aus anderen Kulturen sind eine Gelegenheit, Begegnungen zu schaffen, das Verständnis füreinander und den Austausch untereinander zu fördern. Zugleich wird unsere Aufmerksamkeit auch auf Themen und Probleme gerichtet, die sich unseres Blickes sonst entziehen, zum Beispiel die Situation von Kurdinnen und Kurden überall auf der Welt und ihre politischen Forderungen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, demokratische Gruppierungen benötigen überall unsere Unterstützung. Dazu gehört für uns auch die Betonung des Werts der Menschenrechte und der Rechte von politischen, religiösen und nationalen Minderheiten wie den Kurdinnen und Kurden. Was es hier braucht, sind Prozesse. Das Newroz-Fest ist ein Fest des Friedens und ein Zeichen der Völkerverständigung.

Wir setzen uns auch weiterhin für Toleranz auf den Gebieten der Kultur und der Internationalen Gesinnung ein. Die Tatsache, dass das Fest in Düsseldorf vorgezogen wurde, um gemeinsam mit der Diakonie und dem Migrantenverein das Fest in Verbindung mit dem Internationalen Frauentag zu feiern, ist ein Beispiel dafür, wie das aussehen kann. In diesem Sinne wünsche ich allen einen schönen

Frühlingstag und -anfang, auch wenn das Wetter das heute anders vermuten lässt, und ich wünsche allen ein schönes Newroz-Fest am morgigen Tag. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Rudy das Wort.

Bis er hier das Rednerpult erreicht hat, möchte ich noch mal die Übersetzung von Herrn Dittes liefern, weil ich nachgefragt worden bin. Er sagte: Freiheit und Frieden für die Kurden aus Kurdistan, Glückwunsch zum Neujahrsfest. Dass das auch im Protokoll noch einmal vermerkt ist.

Herr Abgeordneter Rudy, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Parlamentspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Zuhörer, liebe Gäste! Die Aktuelle Stunde der Fraktion Die Linke befasst sich mit dem NewrozFest 2018 auch in Thüringen. Newroz ist das kurdische Neujahrsfest am 21. März, wie auch Herr Helmerich schon treffend erwähnt hatte. An diesem Tag feiern Kurden auf der ganzen Welt den Beginn eines neuen Jahres. Außerdem steht es für das Ende des Winters und begrüßt den Frühling. Dieses Fest ist eines der ältesten Feste der Menschheit. Laut UNO ist es ein Fest, das von mehreren Hundert Millionen Menschen seit Tausenden von Jahren in verschiedenen Regionen der Erde gefeiert wird. Sie sehen also, meine Damen und Herren, dass dieses Fest einen völlig unpolitischen Hintergrund hat.

In diesem Jahr ist das Fest durch die Einnahme des nordsyrischen Afrin durch die türkische Armee jedoch besonders brisant geworden. Dieser aggressive Akt Erdo#ans mit deutschen Waffen ist nur zu verurteilen.

(Beifall AfD)

Mit diesem Verhalten sollte sich ein EU-Beitritt der Türkei doch erledigt haben. In den letzten Tagen waren Zehntausende Kurden unter anderem in Berlin, Hannover und anderen Städten zu Demonstrationen gegen das türkische Vorgehen in den syrischen Kurdengebieten auf den Straßen Deutschlands, obwohl nach Artikel 8 des Grundgesetzes das Versammlungsrecht ein Bürgerrecht und kein Recht für jedermann ist. Die Kundgebungen in Hannover und anderen deutschen Städten standen unter dem Motto „Newroz heißt Widerstand – Widerstand heißt Afrin“. Damit sehen Sie selbst, meine Damen und Herren, dass dieses wunderschöne

und traditionsreiche Fest zur Bühne eines Stellvertreterkriegs zwischen kurdischen und türkischen Aktivisten gemacht werden soll. Das lehnen wir als AfD-Fraktion vehement ab.

(Beifall AfD)

Weiterhin missbrauchen auch kurdische Kämpfer in Zusammenarbeit mit Linken unser Land als Rückzugsraum und verüben gezielt Anschläge auf türkische Einrichtungen, um es hinterher ab und zu ominösen rechten Gruppierungen anzulasten. Dem muss Einhalt geboten werden und deren Netzwerke müssen genauso schonungslos aufgeklärt werden wie die in Saalfeld von linken Aktivisten eingerichtete Bombenwerkstatt.

(Beifall AfD)

Thüringen und Deutschland dürfen kein Schlachtfeld für einen Stellvertreterkrieg zwischen Kurden und Türken werden. Hier muss die Landesregierung ihre Scheuklappen abnehmen und unnachgiebig und hart einschreiten. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Abgeordnete Henfling das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch in Deutschland, nicht nur in unterschiedlichen Weltregionen, wird das Newroz-Fest der hier lebenden Kurdinnen und Kurden, Iranerinnen und Iraner, Aserbaidschanerinnen und Aserbaidschaner gefeiert. Das machen sie gemeinsam mit circa 300 Millionen Menschen weltweit. Das tun sie auf Grundlage der kurdischen Mythologie, in der das NewrozFest auf die Sage von Kawa zurückgeht, wo der Tyrann Dehak getötet und damit das kurdische Volk befreit wird. Ich glaube, das steht schon ein bisschen symbolhaft für das Leid und den Widerstand vieler Kurdinnen und Kurden im Nahen Osten dieser Tage.

Eine Fraktion, die, glaube ich, zu dem Thema hier definitiv schweigen sollte, ist die AfD-Fraktion. Denn während in Ost-Ghouta und Afrin Menschen bei Bombenangriffen sterben, haben diese Fraktion und ihre Funktionäre nichts Besseres zu tun, als sich dort mit einem Großmufti zu treffen und das Leid der Syrerinnen und Syrer, der Kurdinnen und Kurden in Syrien zu verharmlosen

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und so zu tun, als gebe es dort überhaupt kein Problem. Herr Rudy, Sie gehören ja auch zu der Fraktion, die der Meinung ist, dass Syrien befriedet ist. Ich glaube, das widerspricht den in den letzten Ta

gen stattgefundenen Angriffen, insbesondere auf die Kurdinnen und Kurden dort vor Ort. Die Operation „Olivenzweig“, die die Türkei zurzeit gegen Afrin fährt, startete am 20. Januar, eine Offensive der türkischen Armee. Hunderte Zivilistinnen – circa 300 – sind überwiegend durch Luftangriffe zu Tode gekommen, über 600 Verletzte, und 150.000 Menschen sind in den letzten Tagen aus Afrin geflohen.

Es geht uns hier als Grüne-Fraktion nicht darum, Türkei-Bashing zu betreiben, aber es geht darum, klar aufzuzeigen, dass aus unserer Sicht hier völkerrechtswidrig gehandelt wird und dass die Türkei hier völkerrechtswidrig handelt, dass der Staat dort völkerrechtswidrig handelt. Dass die AfD natürlich gleich wieder ihre Islamophobie nach draußen holt und sagt, die Türkei darf jetzt auf gar keinen Fall mehr EU-Mitglied werden, hat ja nichts damit zu tun, dass sie völkerrechtswidrig handelt, sondern dass sie keinen Staat, der muslimisch geprägt ist, in der EU haben wollen. Das ist ja der entscheidende Punkt, da gibt es einen deutlichen Unterschied zu unseren Auffassungen an dieser Stelle.

Das Ziel der Kritik ist also nicht die Bevölkerung der Türkei, sondern natürlich die türkische Regierung und ihr militärisches Vorgehen, aber – und das hat der Kollege Dittes auch schon deutlich angesprochen – wir können nicht über Afrin und die Türkei sprechen, ohne auch über deutsche Waffenexporte zu sprechen. Um die Zahl noch mal zu vervollständigen: zwischen 2014 und 2017 lieferte die deutsche Rüstungsindustrie Waffen in einem Wert von 25,1 Milliarden Euro und damit lagen die Exporte um 21 Prozent höher als in den Jahren 2010 bis 2013. Unter den zehn größten Waffenkunden sind fünf weder Nato- noch EU-Mitglied und liegen in Spannungsgebieten. 60 Prozent der Genehmigungen für Rüstungsexporte gingen an diese Drittstaaten. Deutschland ist weltweit viertgrößter Rüstungsexporteur und die deutschen Rüstungsexporte gehen auch an Krisenstaaten, auch an Staaten, die in Kampfhandlungen in Syrien direkt oder indirekt involviert sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Bündnis 90/Die Grünen sind wir schon immer der Auffassung, dass mehr Waffen für die Welt nicht mehr Sicherheit bedeuten, dass mehr Waffen

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

im Nahen Osten nicht mehr Sicherheit bedeuten und vor allen Dingen nicht mehr Frieden.

Die Frage des PKK-Verbots ist hier auch schon angesprochen worden. Ich glaube, die Diskussion zum PKK-Verbot ist eine abendfüllende Veranstaltung, aber lassen Sie mich doch auf einige Absurditäten in den letzten Wochen hinweisen, was die Symbolik der YPG angeht, auch das hat der Kollege Dittes hier schon verbal und nonverbal angesprochen. Die Überinterpretation des Verbots, das