Die Frage des PKK-Verbots ist hier auch schon angesprochen worden. Ich glaube, die Diskussion zum PKK-Verbot ist eine abendfüllende Veranstaltung, aber lassen Sie mich doch auf einige Absurditäten in den letzten Wochen hinweisen, was die Symbolik der YPG angeht, auch das hat der Kollege Dittes hier schon verbal und nonverbal angesprochen. Die Überinterpretation des Verbots, das
sich auf andere Symbole, Flaggen oder Banner von kurdischen Gruppierungen aus Syrien oder anderen Orten erstreckt, ist ein ernsthaftes Problem. Wie mehrere Berichte auch in den letzten Tagen gezeigt haben, werden auch Hausdurchsuchungen bei Personen durchgeführt, die unter anderem diverse Flaggen in sozialen Netzwerken, beispielsweise auf Facebook, geteilt haben. Die YPG spielt dort eine Rolle. Der Bayrische Rundfunk hat sich zum Beispiel dazu geäußert. Wie auch die Diskussion in den sozialen Medien unseres Ministerpräsidenten gezeigt hat, gibt es – aus unserer Sicht – hier eine wirklich verschobene Sicht und eine verschobene Ansage des Bundesinnenministeriums auf die Frage von Symbolen von Kurdinnen und Kurden. Aus unserer Sicht ist es auch eine Kriminalisierung der Kurdinnen und Kurden und auch eine Kriminalisierung des Newroz-Festes, weil hier durch das Bundesinnenministerium eine Verbindung hergestellt wird, indem gesagt wird, dass bei Newroz-Festen automatisch immer ein PKK-Bezug herzustellen ist und damit grundsätzlich NewrozFeste unter einem Generalverdacht stehen. Das widerspricht aus unserer Sicht demokratischen Grundsätzen und das widerspricht auch der Versammlungsfreiheit in Deutschland, meine sehr geehrten Damen und Herren. In diesem Sinne stellen wir uns solidarisch auf die Seite der Kurdinnen und Kurden in Thüringen und wünschen morgen ein schönes Newroz-Fest. Newroz pîroz be! Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben es in den Medien verfolgen können, dass in Afrin in diesen Tagen eine Hoffnung auf Demokratie und Vielfalt in der Region unterzugehen droht. Es gab dort gute Anfänge von Demokratie, Gleichberechtigung, Religionsfreiheit und die Hoffnung auf eine sozialere Entwicklung. Es sind grauenvolle Nachrichten, die uns aus der Region Afrin erreichen – es ist von Abgeordneten hier im Landtag bereits darüber gesprochen worden: Tote, Verletzte, Vertriebene, die Terrorisierung der Zivilbevölkerung durch dschihadistische Milizen, Menschenrechte, die mit Füßen getreten werden, und eine katastrophale humanitäre Situation. Es sind Menschen auf der Flucht, es ist die kurdische, die sunnitische, die arabische, die alevitische, die turkmenische, die jesidische, die christliche Bevölke
rung, die aus Afrin dieser Tage vertrieben wird und es ist unser deutscher Nato-Partner Türkei, der vor wenigen Wochen mit der sogenannten Operation Olivenzweig begonnen hat, das Gebiet rund um die kurdische Stadt Afrin im Norden Syriens militärisch zu besetzen und die dort bisher bestehende demokratische Selbstverwaltung, die sich über Jahre gegen den Terror des IS behaupten konnte, militärisch zu zerschlagen. Am vergangenen Wochenende haben türkische Truppen laut Berichten von Presse und Hilfsorganisationen im Verbund mit syrisch-dschihadistischen Alliierten die Kantonshauptstadt Afrin eingenommen. Es wurden die Zivilbevölkerung und ein Krankenhaus bombardiert, es gab Hunderte Tote und ungezählte Verletzte. Medienberichten zufolge sei es zu Plünderungen von Wohnhäusern und Geschäften durch die Eroberer gekommen, mindestens 150.000 Menschen sind auf der Flucht vor dem türkischen Militär und den von mir genannten dschihadistischen Milizen. Nach Angaben des Kurdischen Roten Halbmonds, die wir derzeit nicht nachprüfen können, sollen es bis zu 900.000 Menschen sein. Neben der kurdischen Bevölkerung leben im Kanton Afrin auch Angehörige der religiösen Minderheit der Jesiden. Sie haben an anderen Orten der Regionen bereits den islamistischen Wahnsinn mit tödlichen Konsequenzen erleiden müssen. Der Zentralrat der Jesiden in Deutschland äußerte die Befürchtung, dass die in Afrin ansässigen Jesiden von Gewalt und Vertreibung betroffen sein werden. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ war es, die am 19. März 2018 deutlich darauf hingewiesen hat, dass zu erwarten ist, dass sich die türkische Regierung mit der Besetzung Afrins nicht zufriedengeben wird, sondern es ein militärisches Interesse gibt, in weitere Regionen Kurdistans im Norden Syriens vorzudringen.
Es ist vom Abgeordneten Herrgott – und ich teile diese Auffassung – darauf hingewiesen worden, dass wir alle diplomatischen Bemühungen seitens der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch nehmen und auch aktiv unterstützen sollen, um diesem militärischen Konflikt ein schnelles Ende zu setzen. Es gibt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Diensts des Deutschen Bundestags, das dieser Tage – am 7. März 2018 – veröffentlicht worden ist, das zu dem Ergebnis kommt, dass die Türkei in ihrer Begründung für den Einmarsch – ich darf zitieren – „den konkreten Beweis für das Vorliegen eines als Selbstverteidigungsrecht auslösenden ‚bewaffneten Angriffs‘ schuldig“ bleibt. Die dargestellte Bedrohungssituation lasse sich, so der Wissenschaftliche Dienst, aufgrund der Faktenlage nicht erhärten. Die Türkei könne den überzeugenden Beweis dafür, dass sich die allgemeine Bedrohungssituation an der syrisch-türkischen Grenze zu einer konkreten Selbstverteidigungslage verdichtet hat, nicht antreten. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags bezweifelt deshalb die Verhältnismäßigkeit des türkischen Einmarschs in die
Region Afrin und er mahnte – ich zitiere erneut –: „Den NATO-Bündnispartnern würde es nun obliegen, das NATO-Mitglied Türkei zum Beispiel im Rahmen von NATO-Konsultationen nach Artikel 4 NATO-Vertrag aufzufordern, triftige Beweise für das Vorliegen einer Selbstverteidigungslage nach Artikel 51 VN-Charta beizubringen und von einer Weiterverfolgung der militärstrategischen Ziele in Nordsyrien Abstand zu nehmen. In diesem Zusammenhang könnte die Türkei an ihre Verpflichtungen aus Artikel 1 NATO-Vertrag erinnert werden, sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar sind.“ Diese Positionen teile ich vollumfänglich.
Gegen den Angriff auf Afrin haben die kurdischen Volksschutzeinheiten, wie sie sich nennen – abgekürzt YPG, so werden sie auch im öffentlichen Raum in der Regel bezeichnet –, die Bevölkerung verteidigt. Sie stehen in der Region für die Hoffnung auf eine friedliche Gesellschaft und auf Demokratie, auf Vielfalt und Gleichberechtigung und sie sind im Norden Syriens ein wichtiger Partner unseres NATO-Partners, den Vereinigten Staaten von Amerika, im Kampf gegen die Dschihadisten des islamistischen Staats.
Es ist zutreffend – darauf möchte ich eindrücklich hinweisen –, dass es ein Interesse der in Deutschland verbotenen PKK gibt, sich die Symbolik der YPG und anderer Gruppierungen zunutze zu machen, um den Kampf gegen das Verbot der PKK mit einer positiven Symbolik der YPG zu verknüpfen. Man kann diese Instrumentalisierung aber nicht denjenigen auflasten, die sich in der von mir hier dargestellten militärischen Auseinandersetzung dafür einsetzen, dass es eine friedliche Entwicklung in dieser Region gibt. In diesem Sinne haben jüngst auch Gerichte in München, Magdeburg und Aachen bestätigt, dass hinsichtlich des Verbots entsprechend der Fahnen Zurückhaltung und genaues Hinschauen angezeigt sind. Ich möchte aus diesem Grund aus einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg zitieren – mit Erlaubnis der Präsidentin –: Die zur Verwendung bei der Versammlung vorgesehenen Symbole – hier Fahnen der YPG bzw. der YPJ – sind entgegen der Annahme keine generell verbotenen und von den Straftatbeständen des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Vereinsgesetz und des § 86 a Strafgesetzbuch erfassten Symbole oder Kennzeichen.
Das Bundesministerium des Innern hat im März 2017 klargestellt – und auch diese Klarstellung scheint mir hier in dieser Debatte im Hinblick auf das Newroz-Fest und den Umgang im öffentlichen Raum angezeigt –, dass die YPG und die YPJ nicht vom Vereinsverbot der PKK betroffen sind. Von einem Verbot der Symbole geht auch die Bundesregierung nicht aus, wie sie auch auf entsprechende Kleine Anfragen deutlich gemacht hat. Die Fahnen
der YPG und YPJ sind nicht schlechthin verboten, sondern nur insoweit, als sich die verbotene PKK derer ersatzweise bedient. Es wird im Weiteren ausgeführt, dass ein solcher Bezug zur PKK auch nicht aus einem Motto wie in einem Aufzug, beispielsweise „Solidarität für Afrin“, nachgewiesen werden kann, denn es ist darauf hinzuweisen, dass die YPG und YPJ wegen ihres Einsatzes im Kampf gegen den IS und für den Schutz der kurdischen Bevölkerung in Syrien geschätzt werden und diese Wertschätzung und Verbundenheit mit dem Tragen der Fahnen zum Ausdruck gebracht werden soll. Insofern ist hier tatsächlich genaues Hinschauen und Maß angesagt. Ich begrüße vor diesem Hintergrund auch, dass beispielsweise der Berliner Senat vor dem Newroz-Fest erklärt hat, dass er das Zeigen der Fahnen der YPG nicht verfolgen werde. Es ist von den Abgeordneten und insbesondere auch vom Abgeordneten Dittes – dessen Farbwahl ich begrüßenswert finde, wenn mir das vom Podium mal gestattet ist, weil ich ihn noch nie so leuchtend gesehen habe, was natürlich auch nur einen Teil der Qualität seines Redebeitrags ausmacht --- Viele Bürgerinnen und Bürger, die die aktuelle Entwicklung in der kurdischen Region Nordsyrien mit großer Sorge betrachten, möchten ihre Solidarität zum Ausdruck bringen – so wie ich es hier deutlich gemacht habe.
Es ist aber auch deutlich zu machen, dass das Newroz-Fest kein religiöses Fest, kein Fest nur eines Staates oder einer Ethnie ist. Das Newroz-Fest steht – wie hier schon von Abgeordneten unterschiedlicher Fraktionen dargestellt worden ist – für das Erblühen der Natur und hat seinen Ursprung als Fest zum Ende des Winters. Es wird in der gesamten Region gefeiert: von Menschen im Irak, im Iran, in Syrien, in der Türkei, in Kurdistan und über die Region hinaus. In diesem Jahr gibt es am Donnerstag auf dem Erfurter Domplatz eine NewrozKundgebung und am Mittwoch im Thüringer Landtag einen Newroz-Empfang, an dem der Thüringer Ministerpräsident für die Landesregierung teilnehmen wird. Im Jahre 2016 hat die Landesregierung in der Staatskanzlei selbst einen Empfang zum Newroz-Fest veranstaltet, im vergangenen Jahr hielt der Ministerpräsident aus diesem Anlass eine Rede im Festsaal des Hamburger Rathauses.
In einer globalisierten Welt können wir nicht so tun, als hätten Konflikte in anderen Teilen der Welt nichts mit uns zu tun – oder Menschen, die seit Langem hier leben oder arbeiten oder die hierher geflohen sind, weil sie Schutz vor Verfolgung und Krieg suchen. Wir haben heute als Landesregierung die entwicklungspolitischen Leitlinien beschlossen, die sich genau dieser Vernetzung und auch den Verpflichtungen in einer globalisierten Welt widmen, die Thüringen an dieser Stelle hat – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der entwick
Sehr geehrte Damen und Herren, am 9. März dieses Jahres äußerte sich der Ministerpräsident kritisch zu Operationen des NATO-Partners Türkei auf das kurdische Afrin. Er äußerte sich in diesem Zusammenhang auch hinsichtlich der Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten und Fraktionsvorsitzenden der Linken in der Hamburger Bürgerschaft Cansu Özdemir, da gegen sie ermittelt wird, weil sie in den sozialen Netzwerken ein Foto geteilt habe, auf dem eine vermeintliche oder möglicherweise tatsächlich verbotene kurdische Symbolik zu sehen sein soll. In Reaktion auf diese Wortmeldungen wurden der Ministerpräsident und seine Frau von türkischen Nationalisten beschimpft, beleidigt und sie wurden beide mit dem Tode bedroht. Ich hoffe, in Übereinstimmung mit Ihnen allen die Beleidigungen und Drohungen gegen den Ministerpräsidenten auf das Schärfste zu verurteilen.
Wir dürfen diese Form der Auseinandersetzung nicht zulassen und wir müssen diese Drohungen und Beleidigungen juristisch ahnden.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich hoffe, dass wir trotz der erschütternden Nachrichten aus der Region Afrin auch 2018 hier in Thüringen gemeinsam ein friedliches Newroz-Fest begehen werden – auch wenn verständlicherweise vielen Kurdinnen und Kurden in Deutschland nicht zum Feiern zumute ist vor dem Hintergrund der Ereignisse, die ich eingangs dargestellt habe. Die Landesregierung steht stets an der Seite derjenigen, die für Frieden und Demokratie eintreten. In diesem Sinne schließe ich mich den Glückwünschen zum Newroz-Fest an. Vielen Dank.
c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Armut nicht bagatellisieren – Sorgen der Menschen in Thüringen und Ostdeutschland ernst nehmen“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/5437
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem Zitat „Hartz IV bedeutet nicht Armut“ meldete sich vor zehn Tagen der jetzige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, CDU, zu Wort und drei Tage später kommentierte der neue Ostbeauftragte Christian Hirte, CDU, diese Aussage und formulierte wie folgt, ich zitiere: „Und dazu gehört natürlich auch der Anreiz, dass sich Arbeit lohnen muss. Für diejenigen, die das aus unterschiedlichsten Gründen nicht schaffen, ist mit Hartz IV ein soziales Auffangnetz eingezogen.“
Dass Herr Spahn sich im Ton vergreift, ist nichts Neues. Aber dass der Ostbeauftragte der Bundesregierung sich gleich zu Beginn unsolidarisch gegenüber den Ärmsten unserer Gesellschaft äußert, ist absolut enttäuschend.
Von einem Ostbeauftragten, der lange für Thüringen Politik gemacht hat, erwarte ich einfach Engagement und auch ein Herz für den Osten, denn die Menschen hier sind besonders von Hartz IV betroffen. Ich habe ja Verständnis dafür, dass jemand, der neu im Amt ist, möglicherweise gleich in jedes Mikro beißen muss und sich äußert. Aber ich finde: Solche Äußerungen tragen zur Ausgrenzung von Menschen bei.
Wenn wir über Armut sprechen, dann heißt das, über Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu sprechen, denn es sind die Verhältnisse, die arm machen. Wir führen in diesem Haus die Debatte nicht zum ersten Mal. Auf Antrag der Koalition, „Armut bekämpfen – Armutsprävention stärken“, haben wir im Sozialausschuss dazu eine Anhörung von Expertinnen und Experten durchgeführt. Deshalb noch mal ganz kurz einige Fakten: Thüringen liegt mit einer Armutsquote von 18,9 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, der bei 15,7 Prozent liegt. Laut der Parität leben mehr als 350.000 Menschen in Thüringen an bzw. unterhalb der Armutsgrenze und 50.000 Kinder und Jugendliche leben hier in Thüringen in Bedarfsgemeinschaften des SGB II. Armutserfahrungen: Aktuelle Studien belegen, dass insbesondere Alleinerziehende und Familien mit mehreren Kindern davon betroffen sind und natürlich zunehmend auch die besonders belastete Gruppe der älteren Menschen aufgrund gebrochener Berufsbiografien, niedriger Löhne und des abgesenkten Rentenniveaus. Ich will an dieser Stelle deutlich machen: Hartz IV bedeutet für die Betroffenen eine Grundsicherung für das persönliche Existenzminimum und ist eine notwendige Leistung unseres Sozialstaats, ist aber als Grundsicherung weit davon entfernt, eine tatsächliche gesellschaftliche Teilhabe zu gewähren.
Bevor dann von der falschen Seite bei den Folgerednern wieder mit dem Finger auf mich und meine Partei gezeigt wird: Ja, die SPD wird immer verbunden sein mit der Agenda 2010 und der Einführung von Hartz IV, die die Grundsicherung auf ein Existenzminimum festgeschrieben hat. Dabei sind Fehler gemacht worden, die sich deutlich in den skizzierten Verhältnissen widerspiegeln. Das ist natürlich auch damals entschieden worden im Rahmen einer Arbeitslosenzahl von über 7 Prozent in der Bundesrepublik und hatte auch zur Folge, dass Rot-Grün seinerzeit auf Bundesebene nicht wiedergewählt worden ist.
Der Landesvorsitzende meiner Partei, Wolfgang Tiefensee, hat kürzlich dazu gesagt – ich zitiere –: „Wir Sozialdemokraten hätten einschreiten müssen bei den Fehlern dieser Reform. Wir sind lernfähig und das zeigen wir hier in unserer rot-rot-grünen Koalition.“ Ich will mich aber auch damit nicht abfinden und wir haben schon viele Änderungen in dem Bereich Hartz IV eingebracht, dass Menschen in Größenordnungen in unserem Land auf Almosen angewiesen sind. Ich sage das an dieser Stelle ganz deutlich. Ich sage, ich will nicht, dass Menschen angewiesen sind auf Tafeln und Sozialkaufhäuser. Das sind Helfer in der Not, aber, ich finde, sie sollen nicht zum Regelsystem der sozialen Sicherheit gehören.
Ich will da nicht falsch verstanden werden. Die Tafeln in Thüringen leisten Hervorragendes. Das konnten wir jetzt auch wieder in der Zeitung nachlesen, Beispiel Ilmenau. Aber, wir wissen alle, dass diese ehrenvolle Arbeit in einem Spannungsverhältnis steht, das den engagierten Helferinnen und Helfern all die Widersprüche der Gesellschaft jeden Tag vor Augen führt. Es ist bewundernswert, was sie tun. Aber es ist eigentlich nicht ihre Aufgabe und – verdammt noch mal – wir überfordern damit auch das Ehrenamt. Das hat Essen ganz deutlich gezeigt.
Es bleibt eine sozialpolitische Herausforderung, dass Menschen nicht auf Zubrot angewiesen sind. Wir wollen uns deshalb verstärkt auf Mütter und Väter konzentrieren bei der Integration in Berufstätigkeit, Unterstützung von Menschen, die von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind, Programme „TIZIAN“ und „Th.INKA“ seien genannt. Wir wollen den öffentlich geförderten Arbeitsmarkt ausweiten, speziell für Alleinerziehende und Mütter mit Kindern. Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf intensivieren, gerade mit unserem Landespro
gramm zur Familienpolitik, Solidarisches Zusammenleben der Generationen. Wir wollen uns auf Bundesebene dafür einsetzen, dass jedes Kind die gleichen Möglichkeiten zur Teilhabe hat, unabhängig, wo es geboren und aufgewachsen ist, die Anrechnung des Kindergelds beim ALG II abgeschafft wird und das Kindergeld zu einer eigenständigen Kindergrundsicherung ausgebaut wird.
Ich komme zum Schluss: Ich kann nur hoffen, dass eine solche Debatte dazu beiträgt, dass wir demnächst bei der Betrachtung der sozialen Lage in diesem Land denen gerecht werden, die ihr Leben und das ihrer Familien tagtäglich meistern und die dabei mehr Sicherheit verdient haben. Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, „Armut nicht bagatellisieren – Sorgen der Menschen in Thüringen und Ostdeutschland ernst nehmen“: Meine Damen und Herren der SPD, Sie möchten eine sachliche Debatte über die Situation der Leistungsempfänger nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Der Anstoß für diese Aktuelle Stunde ist – und da war unsere Vermutung richtig – in den Äußerungen des Bundesgesundheitsministers Spahn und des Beauftragten für die neuen Länder, Hirte, zu suchen. In den Äußerungen zu Hartz IV und anderen Leistungen zum Lebensunterhalt war die Wiedergabe durch die Medien nicht vollständig.
Sehr geehrte Kollegin Pelke, auch Sie haben nur einen Halbsatz aus diesem Zitat genommen. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, Herrn Spahn: „Die gesetzliche Grundsicherung wird mit großem Aufwand genau bemessen und regelmäßig angepasst. Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort unserer Solidargemeinschaft auf Armut. Diese Grundsicherung ist eine aktive Armutsbekämpfung. Damit hat jeder das, was er zum Leben braucht. Mehr wäre immer besser, aber wir dürfen nicht vergessen, dass andere über ihre Steuern diese Leistungen bezahlen.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, wir müssen dieses Zitat komplett betrachten und nicht nur über einen Satz oder einen Halbsatz. Aber eines steht doch fest: Die Bundesrepublik und deren politisch Verantwortliche setzen sich mit den Mitteln des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und den bestehenden Problemen immer wieder auseinander. Es ist unstrittig, dass jeder, der auf Hartz IV
und andere unterstützende Leistungen angewiesen ist, einer zu viel ist und unsere gemeinsamen Anstrengungen darin liegen müssen, dies zu ändern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird daher nicht verwundern, wenn ich auf den vor gut einer Woche unterzeichneten Koalitionsvertrag hinweise. Dort sind Dinge vereinbart – das wissen die Kollegen von der SPD und alle anderen auch –, die dem entgegenwirken sollen und das, meine Damen und Herren, auch unter dem Blickwinkel der Thüringerinnen und Thüringer sowie der Menschen von Ostdeutschland insgesamt.
Ich möchte hier nur einige wenige Dinge nennen, die dort vereinbart sind: Die Stärkung des ländlichen Raums als ein wichtiger Aspekt in den meist ländlichen Strukturen der neuen Länder – ein Schwerpunkt im Koalitionsvertrag. Weitere Zuschüsse für die Kinderbetreuung, angefangen von der Unterstützung beim Bau von neuen Kitas über die Ganztagsbetreuung der Grundschule, die Digitalisierung in den Schulen in der Fläche und die Unterstützung der Kommunen bei der Sanierung weiterer Gebäude und deren Erhalt. Aber auch die Weiterbildung und Qualifizierung von Arbeitsuchenden innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Arbeitslosigkeit ist ein wichtiger Schritt, um sie wieder in die Arbeit zu integrieren.
All das sind Schritte unter anderem für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, damit auch die Frauen und Väter und Mütter wieder in ihren Beruf zurückkehren können, denn nach wie vor ist gerecht und gut bezahlte Arbeit das Mittel gegen Armut.