Protokoll der Sitzung vom 20.06.2018

(Beifall AfD)

Wir setzen uns darüber hinaus nicht nur für ein Familiengeld hier in Thüringen ein, sondern auch bundesweit für ein Familiensplitting, damit die Leistungsträger in unserer Gesellschaft dauerhaft entlastet und gerecht behandelt werden. Das Familienprogramm der AfD heißt „Familien zuerst“ und dieses Programm werden wir umfassend umsetzen, sofern wir durch den Bürger die Gelegenheit dazu erhalten. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Abgeordneter Müller zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Damen und Herren, liebe Besucherinnen und Besucher, wenn in Deutschland Zahlen zu Kinderarmut präsentiert werden, so zum Beispiel im „Kinderreport 2018“, kennt die Empörung in der Regel kaum Grenzen. Derzeit gehen wir davon aus, dass zwischen 1,9 und 2,7 Millionen Kinder und Jugendliche in der Bundesrepublik mit einem Armutsrisiko leben. Fünf von Hundert Minderjährigen leiden unter erheblichen materiellen Entbehrungen, wie es das Bundessozialministerium ausdrückt. Für Kinder Alleinerziehender besteht ein extremes Armutsrisiko und damit verbunden das Risiko, abgehängt zu werden. Dieses Risiko ist dort mehr als doppelt so hoch als in Zwei-Eltern-Familien. Und, meine Damen und Herren, wer bei Eltern groß wird, die beide keine Arbeit finden, lebt in einer biografischen Hochrisikozone. So hat die Bertelsmann Stiftung die Folgen zusammengetragen: Diesen Kindern fehlt neben vielleicht dem Markenschuh und der Wertschätzung meistens auch das Selbstbewusstsein, Chancen überhaupt zu ergreifen. Sie erleben mehr Streit zu Hause als andere, neigen öfter zu Risikoverhalten und müssen häufiger darüber hinaus die Klassen wiederholen oder wechseln.

Meine Damen und Herren, die Tür zur Zukunft fällt da nicht ins Schloss. Für diese Kinder ist sie gar nicht erst aufgegangen und wird es voraussichtlich auch in der Zukunft nicht tun. Vor diesem Hintergrund verstehe ich die Aktuelle Stunde der Fraktion Die Linke. Auf den ersten Blick erscheint ein Absenken der Mehrwertsteuer auf alle Kinderprodukte von derzeit 19 auf den möglichen Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent charmant. Allerdings habe ich mich tatsächlich gefragt: Wo hören Kindererzeugnisse auf? Ist das das I-Pad, was von Kindern genutzt wird, die Playstation oder sind es nur die Windeln? Ist es die Müslimischung mit einem hohen Schokoladenanteil, was vielleicht von Eltern nicht gegessen wird, haben wir zwei Varianten? Sicherlich ist es kaum zu vermitteln, warum wir unterschiedliche Steuersätze auf einzelne Warengruppen haben. So wird zwar grundsätzlich unterschieden zwischen Waren der Grundversorgung und den übrigen, das haben wir jetzt auch schon, aber von den vielen Ausnahmeregelungen haben wir auch schon gehört. Doch ergeben sich groteske Situationen. Das Hundefutter ist angesprochen worden, ich hatte jetzt Hundekekse mit 7 Prozent rausgesucht und Kekse für Menschen sind mit 19 Prozent zu besteuern. Grundsätzlich sollte unser Interesse aber darin liegen, ein möglichst harmonisches Steuersystem zu erschaffen, das heißt, diese Aus

(Abg. Muhsal)

nahmenliste – ich glaube, es sind mittlerweile 54 Warengruppen, die diesen Ausnahmen unterliegen – wieder einzudampfen und nach Möglichkeit eine einheitliche Steuergröße zu erreichen. Wir glauben, dass dieser Weg zielführend ist und nicht, weitere Ausnahmen für einzelne Produkte zu kreieren.

Auch aus unserer Sicht ist der Ansatz, Familien zu fördern und insbesondere Familien mit Kindern zu fördern, außerordentlich wichtig und diesen wollen wir auch nicht aufgeben. Allerdings glauben wir, dass es hierzu bessere, auch europarechtlich konforme Möglichkeiten gibt, dieses Unterstützungsziel tatsächlich zu erreichen. Eine weitergehende Alternative läge beispielsweise in einer Erhöhung des Kindergelds; die finden wir allerdings als Bündnis 90/Die Grünen als eher eingegrenzt passabel. Besser wäre tatsächlich, ein bedingungsloses Grundeinkommen für Kinder zu fordern und umzusetzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei favorisieren wir das Grundeinkommen, das allen Kindern zur Verfügung steht, und zwar unabhängig von ihrer Herkunft. Es wäre immerhin ein Versuch, das Gestrüpp staatlicher Familienleistungen zu lichten, und vor allem ein Versuch, es grundsätzlich gerechter zu machen. So, wie wir es derzeit in Deutschland haben, werden Besserverdienende eindeutig bevorzugt: Einmal über das Kindergeld oder dort, wo sie Kinderfreibeträge nutzen, sogar erheblich höher. Die steuerlichen Kinderfreibeträge wirken vor allem bei den Besserverdienenden, Haushalte mit geringen Einkommen profitieren davon überhaupt nicht. Das sind nur zwei Beispiele. Lassen Sie uns bitte gemeinsam an einer einheitlichen Lösung für ein gerechtes System zur Kinderarmutsbekämpfung arbeiten und dieses entwerfen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat sich Ministerpräsident Bodo Ramelow zu Wort gemeldet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit einer persönlichen Bemerkung beginnen. Als Kind bin ich unter Bedingungen von Armut im ganz konkreten Umstand groß geworden. Ich weiß, was es heißt, wenn der Vater aus dem Krieg heimkehrt und schwer krank ist. Ich weiß, was es heißt, wenn die Mutter keine Arbeit im Vollerwerb annehmen kann, weil die vier Kinder großzuziehen sind und keine Kindereinrichtungen da sind, auf die man zugreifen kann. Diese Armut hat aber im Kern keine Wirkung hinter

lassen, denn den Nachbarkindern ging es genauso, wie es uns ging. Das heißt, alle Kinder, die in der Zeit groß geworden sind, kannten das Problem. Das Austauschen von Kleidung und das gemeinsame Verbringen von Freizeit, auch von Ferien, auch in Ferieneinrichtungen waren ganz normal und wirkten niemals ausgrenzend. Wenigen Kindern war es vergönnt, unter besseren Verhältnissen groß zu werden. Aber alle gemeinsam hatten ein Ziel, nämlich eine Verbesserung von Lebensumständen zu erleben.

Das ist für mich ein Thema, bei dem das heutige Differenzieren in der Gesellschaft in Verhältnissen unter Armut und Reichtum dazu führt, dass Kinder einen schlechteren Lebensweg haben, wenn sie nicht an dem teilhaben können, was für andere selbstverständlich ist. Wenn in Schulen auf einmal Markenklamotten zur Ausgrenzung werden, wenn eine Schulreise angekündigt wird, für die der Sozialkostenträger sicherlich noch die Zuschüsse zahlt, aber es am Winterpullover fehlt, der nicht zur Verfügung steht, sodass ein Kind nicht mithalten kann, dann wird es zu einem Problem für unsere Gesellschaft. Das ist nicht nur eine Stigmatisierung des einzelnen Kindes, sondern dann ist es ein Risiko für unsere Gesellschaft als Ganzes. Wenn unter solchen Bedingungen 3 Millionen Kinder unter Hartz-IV-Bedingungen groß werden und – eben ist es angesprochen worden – bei Alleinerziehenden das Risiko der Armutsverfestigung sogar schon implementiert ist, dann haben wir ein gesellschaftliches Problem.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann haben wir ein Problem, über das wir gemeinsam reden müssen. Herr Kowalleck, da bin ich ganz bei Ihnen: Das, was es jetzt an Mitteln und Unterstützung vom Bund gibt, sind alles zu begrüßende Maßnahmen. Alle Punkte, die Sie genannt haben, müssen wir einsetzen, um sie mit unseren Wirkmechanismen, die wir als Land zur Verfügung stellen, zu verbinden, damit eine höhere Wirkung erzielt werden kann. Das ist überhaupt kein Widerspruch. Da sage ich ausdrücklich auch der Großen Koalition in Berlin meinen Dank und Respekt. Wir müssen jetzt nur ganz konkret schauen, welches Paket für was eingesetzt wird und wann es wirksam wird, damit zum Beispiel die Digitalisierung der Schulen vorankommt. Auch das wäre ein wichtiger Punkt, der Armut nicht ausgrenzen lässt, weil die Maßnahmen in einer Schule für alle Kinder gleich sein müssen und nicht das Kind daran festgemacht wird, ob es diesen oder jenen Teil von den Eltern bezahlt bekommt oder ob die Eltern irgendwo einen Antrag stellen müssen, der wiederum geprüft wird, und zwar stärker geprüft wird als bei denen, die über ausreichend Vermögen verfügen, den Steuerberater haben und weniger Steuern abliefern müssen als eine Hartz-IV-Familie, die bis zum Essge

(Abg. Müller)

fach alles dokumentieren und staatlich vorlegen muss.

In einem Punkt widerspreche ich Ihnen – das will ich auch deutlich sagen –, das ist das Thema „Grunderwerbsteuer“. Wir diskutieren das gerade in der Koalition, denn ich verstehe den Ansatz, den Minister Tiefensee angekündigt hat, dass man auch Geld an die Bevölkerung zurückgeben will – und die Grunderwerbssteuer, das ist eben die einzige Steuer, die wir als Land haben. Ich widerspreche Ihnen deswegen, Herr Kowalleck. Wenn Sie einen Moment darüber nachdenken, könnten wir uns vielleicht einigen, dass da etwas verändert werden müsste. Wenn Sie heute das Handelsblatt nehmen, da steht drin, dass große Wohnungsbestände, die von Fonds gekauft werden, komplett grunderwerbsteuerfrei sind. Das heißt, die, die Milliarden haben, kriegen die Grunderwerbsteuer noch geschenkt. Ich halte das für einen Skandal,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos)

dass sich derjenige, der über genügend Vermögen verfügt, einfach aus der Affäre zieht, indem er 0,3 Prozent des Eigentums beim alten Eigentümer belässt – also einen formalen Fiskaltrick. Da würde ich mir wünschen, dass alle Finanzminister und der Bundesfinanzminister dafür sorgen, dass wir eine einheitliche Belastung von Grunderwerb haben. Dann könnten wir auch über den von Ihnen kritisierten Punkt reden. Aber ich bin nicht bereit, zuerst über den einen Punkt zu reden und dem großen Vermögen das Geld noch hinterherzuschmeißen.

Ein praktisches Beispiel, das kennen Sie wahrscheinlich hier aus unserer heimischen Region: Wenn sich zwei kleine Wohnungsbaugenossenschaften, deren Eigentümer die Menschen in der Gemeinde sind, zusammentun und fusionieren wollen, weil sie gemeinsam besser klarkommen, also 300 Wohnungen und 500 Wohnungen, die zusammengeschlossen werden, da wird die Grunderwerbsteuer komplett fällig, da gibt es keinen Freistellungstatbestand. Da sage ich, das kann doch nicht sein, dass die großen Aktienvermögen, die mittlerweile zu Tausenden Wohnungen aufgekauft haben, noch begünstigt werden und die anderen außen vor bleiben. Deswegen sage ich, wenn wir da ein Stück weit Steuergerechtigkeit schaffen würden, wäre auch der Kollege Pidde einverstanden, weil das Steuerschlupflöcher sind, die die Vermögenden immer nutzen. Wir haben gestern Abend die Diskussion mit Herrn Oettinger gehabt, da ging es um Vermögensverhältnisse in Europa und die Bedrohung von Vermögensverhältnissen. Da geht es darum, dass im Prinzip die Steuervermeidungsindustrie in Luxemburg unserer sozialen Marktwirtschaft einen schweren Schaden zugefügt hat, indem sie eben ganze Unternehmensgruppen komplett aus der Versteuerung rausgenommen hat. Insoweit ist die

Armut, die wir gerade erleben, auch einhergehend mit einem Reichtum, der immer unverschämter wird, und dieser unverschämte Reichtum bedroht unser gesellschaftliches Zusammenleben.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Deswegen war der Vorschlag, über den wir jetzt gerade diskutieren, nur ein Teilvorschlag, nämlich Mehrwertsteuer. Und da, Kollege Müller, ist es in der Tat die Frage, muss es auf Süßzeug, muss es auf Gesundheitsschädliches eine Privilegierung geben? Das muss man dann genau diskutieren, aber es bleibt bei der klaren Erkenntnis. Wir haben einen Hund. Das Hundefutter ist mit 7 Prozent belegt. Ihr habt Kinder und die gehen in Kindereinrichtungen und zahlen für das Schulessen oder das Kindergartenessen 19 Prozent. Ich möchte nicht, dass mein Hund Schulessen kriegt, und ich möchte nicht, dass Kinder Hundefutter kriegen. Ich möchte auch nicht, dass die beim Mittagessen durch Popcorn substituiert werden. Ich möchte, dass sie gekochtes Schulessen und gekochtes Essen in der Kindereinrichtung kriegen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und ich möchte, dass dieses Essen auch in der Region gekocht wird und sie möglichst noch etwas davon mitkriegen, dass es mit natürlichen Stoffen hergestellt wird, nicht mit der Saatkartoffel, sondern mit einer vernünftigen Kartoffel, die aus der Region kommt. Das wäre dann ein echter Fortschritt.

Deswegen ist das Thema „Mehrwertsteuer“ nur ein Teilelement. Und nicht alle hier im Haus haben ja verstanden, wer offenkundig hier für Mehrwertsteuer zuständig ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich wusste bis eben nicht, dass die Landesregierung dafür zuständig ist. Aber bitte, wenn wir zuständig seien, dann könnten wir das jetzt per Mehrheitsbeschluss regeln. Die Erde ist eine Scheibe, wie ich gerade wieder gelernt habe.

Ich bleibe dabei: Wir müssen über das Thema „Armut und Reichtum und Kinderförderung“ reden, denn 3 Millionen Kinder, die unter Armutsbedingungen groß werden, sind 3 Millionen Chancen, die unserem Land, unserer Gesellschaft verloren gehen. Das ist 3 Millionen Mal eine Schande für unser Land, für eins der reichsten Länder der Erde und über diese Schande müssen wir reden, wenn wir am Ende kein gemeinsames Programm entwickeln, wie wir aus dieser Falle rauskommen.

Ein Problemfall, der jahrzehntelang in der Steuerpolitik betrieben worden ist, Kollege Pidde – und deswegen bin ich an der Stelle immer sehr vorsichtig –, sind Steuerfreibeträge für Eltern mit Kindern. Steuerfreibeträge nutzen nur denen, die hohe Steu

(Ministerpräsident Ramelow)

ern zahlen. Denen, die es dringend brauchen, nutzt es gar nichts. Das ist sozusagen eine Ungleichbehandlung, das heißt, derjenige, der schon viel hat, der kriegt vom Staat noch mal eine Subvention, indem er eine steuerliche Erleichterung bekommt. Unsere Überlegung ist ein Dreiklang und über diesen Dreiklang wollen wir reden, deswegen spreche ich auch nicht für die Landesregierung, sondern ich spreche auch als Ministerpräsident in einer politischen Diskussion, die wir gesellschaftlich führen müssen. Mehrwertsteuerreduzierung auf Kinderbetreuung und Dienstleistungen für Kinder, das heißt für sämtliche Tatbestände, die an Kindern und für Kinder ausgerichtet sind – das wäre ja eine durchschaubare und durchdeklinierbare Größe.

Herr Mohring wurde zitiert, das sei ein populistischer Vorschlag, deswegen könnte man den so nicht aufgreifen. Lieber Herr Mohring, 2010 war es Christine Lieberknechts Regierung, die genau diesen Vorschlag unterbreitet hat. Ich recycle nur etwas, was hier in dieser Landesregierung schon vorher, schon des Öfteren thematisiert und auch an den Bundesrat adressiert worden ist. 2010 hat die Thüringer Landesregierung einen Antrag im Bundesrat gestellt, da insbesondere Handlungsbedarf bei der Schulverpflegung festgemacht, und aufgefordert, im Bundesrat endlich die Sondertatbestände zu überprüfen. Leider hat sich Thüringen nicht durchgesetzt, denn Thüringen hatte eine Adressierung zugunsten von Kindern direkt im Antrag drin. Das finde ich zielführend und richtig. Durchgesetzt hat sich am Ende Nordrhein-Westfalen, die dann gesagt haben: Nein, wir wollen eine Sondertatbestandsprüfung für alle Tatbestände. Das hat zwei Jahre dann eine Prüfung ausgelöst und alle Lobbyisten, Herr Pidde hat darauf hingewiesen, der Welt kamen und das Ergebnis war, dass die Bundesregierung entschieden hat, man greift das Thema nicht mehr auf, man lässt es der Diskontinuität einfach mal zum Opfer fallen. Dann hat die Bundesregierung, die dann unter CDU, CSU und FDP gebildet worden ist – so weit, Herr Mohring, das Thema „Populismus“ –, erneut die Mehrwertsteuer auf die Tagesordnung gestellt und hat gesagt, sie will die Sondertatbestände prüfen, hat zwei Gutachten beauftragt, hat eine Sonderkommission eingesetzt – das Ergebnis war die Mövenpick-Steuer. Die FDP hatte sich durchgesetzt; es hat der FDP nichts genützt. Es hat das Thema leider völlig in die Grütze gefahren, weil keiner mehr darüber reden wollte.

Wir meinen einfach nach wie vor, meine sehr verehrten Damen und Herren, es wäre notwendig, über Mehrwertsteuersätze für Kinder und Dienstleistungen für Kinder zu reden, mit einer sauberen Abgrenzung, davon halte ich sehr viel. Aber es reicht nicht als Förderung alleine. Das wäre tatsächlich nur Populismus. Und die Frage, Herr Kowalleck, ob es eine Preisbindung oder eine Preisregulierung gibt – ich bin gelernter Kaufmann, ich

komme aus Westdeutschland, ich darf Ihnen versichern, die gab es bis in die 60er-Jahre in Westdeutschland auch und es war erst Karl-Heinz Kipp mit dem Massa-Markt, der die Preisbindung durchbrochen hat, und erst später wurden die Preisbindungen auf Markenprodukte aufgegeben. Es ist nicht nur eine DDR-Erfindung gewesen. Sie war bei uns in der freien Marktwirtschaft auch wohlbekannt und bei Markenartikeln hat man lange Wert darauf gelegt, dass die Preisbindung bleibt und sie ist heute immer noch da. Sie wissen es, bei Büchern und bei Apotheken ist die Preisbindung immer noch vorhanden, und wenn wir sie aufgeben würden, hätten wir keine Büchergeschäfte mehr in den Dörfern und im ländlichen Raum, und die Apotheken in der Nachbarschaft wären relativ schnell weg vom Markt, wenn wir an diesem Thema drehen würden. Insoweit rede ich nicht von Preisbindung – ich weiß auch, dass die marktwirtschaftliche Situation und die Marktpreise im Moment aggressiv sind –, aber wenn wir sagen, die Mehrwertsteuersenkung wird nicht an die Bürger weitergegeben, dann dürfen wir überhaupt keine Steuersenkung mehr machen, dann dürften wir aber auch bei der Grunderwerbsteuer nichts machen, denn die Ungleichbehandlung machen sich ja im Moment nur die Großen zunutze. Deswegen unser Vorschlag, erweitert auf das Thema Bildung und Betreuung: Wir sagen, Bildung und Betreuung sollte beitragsfrei sein, und wir sagen, es sollte bundesweit so sein. Wir möchten, dass in keinem Bundesland eine Situation entsteht, dass Kinder nicht betreut werden und für Kinder keine Betreuung vorhanden ist. Ich möchte auch nicht, dass Bertelsmann uns vorhält, dass wir eine schlechte Kinderbetreuung hätten, eine schlechtere als in Westdeutschland, aber weglässt, dass in Westdeutschland im Schnitt sechs Stunden Servicezeit und bei uns zehn Stunden Servicezeit da sind. Das sind solche Globalstudien aus Deutschland, mit denen man dann auch das Land Thüringen in eine Ecke stellt, die es nicht verdient hat, weil ich finde, dass das Kinderbetreuungsangebot in Thüringen vorbildlich ist, auch wenn es immer wieder verbessert werden kann. Aber es ist für alle Kinder zugänglich, deswegen: Bildung und Betreuung beitragsfrei!

Gestern jährte sich zum zehnten Mal der Tag, an dem in Hessen die Studiengebühren abgeschafft worden sind. Zehn Jahre einer Entwicklung, bei der Studierende keine Gebühren mehr zahlen müssen. Warum zahlen Kinder dann im Kindergarten Gebühren? Das ist für mich völlig unverständlich.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Deswegen muss es auf beiden Seiten so geschehen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Abg. Gentele, fraktionslos)

(Ministerpräsident Ramelow)

Der dritte Vorschlag bezieht sich auf das Volumen des Ehegattensplittings – auch ein Sondertatbestand, der ausschließlich nur an die formale Eheschließung und nicht an die Kinderförderung gekoppelt ist. Wenn das Volumen des Ehegattensplittings zu einer Direktzahlung als Kindergrundsicherung gewandelt werden würde, hätten wir verbunden mit dem Kindergeld eine erkleckliche Summe, die für jedes Kind in Deutschland zur Verfügung stände. Alle drei Tatbestände müssten aber im bundesweiten Rahmen miteinander verabredet sein, damit kein Land gegen ein anderes Bundesland ausgespielt wird. Und deswegen, meine Damen und Herren, freue ich mich über eine Diskussion, bei der Kinder im Vordergrund stehen – und zwar jedes Kind.

(Beifall DIE LINKE)

Das Vermögen des Kindes, das es im Kopf hat, muss gefördert werden. Jedes Kind muss seine Talente entwickeln können. Nicht das Vermögen der Eltern im Portemonnaie darf entscheidend sein, sondern jedes Kind muss seinen Weg in dieser Gesellschaft ohne Ausgrenzung, ohne Stigmatisierung gehen können. Nur dann ist der einzige Reichtum, den unser Land hat, nämlich das Wissen und die Bildung unserer Menschen, auch entwickelbar.

Deswegen sage ich, es wäre ein guter Tag, an dem wir es durchsetzen würden, dass jedes Kind in diesem Land gleich behandelt wird und nicht von dem Vermögen der Eltern abhängig ist. Und es wäre schön, wenn wir uns auch perspektivisch auf den Feiertag verständigen würden – einen freien Tag für Kinder in unserem Land. Das wäre doch ein guter Beitrag zur Förderung der Familie und der Kinder im gemeinsamen Spiel miteinander. Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es stehen jetzt für jede Fraktion noch zwei Minuten Redezeit zur Verfügung. Ich kann nicht erkennen, dass es Wortmeldungen gibt. Dann schließe ich den vierten Teil der Aktuellen Stunde und rufe den fünften Teil auf.

e) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Raus aus der Teilzeitfalle – Einführung der Brückenteilzeit als positive Weichenstellung für die Lebensrealität Thüringer Familien“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/5861