Protokoll der Sitzung vom 12.12.2018

(Abg. Bühl)

denn „wir müssen damit rechnen, dass der Bund eigene Programme vorschlägt, die die Länder mitfinanzieren müssen“. Frau Tillmann, CDU-Bundestagsabgeordnete, ist da eher kurzsichtig und sagt: Um den Digitalisierungspakt geht es doch gerade eigentlich gar nicht, sondern der Digitalisierungspakt ist doch ausfinanziert und was 2021 kommt, das interessiert uns eigentlich gar nicht. Aber genau darum geht es ja, dass dann die hälftige Finanzierung durch die Länder gesichert sein muss.

Digitalisierung ist in den Schulen mit dem demografischen Wandel in den Lehrerzimmern eine – nein, eigentlich mit die – Herausforderung der nächsten zehn Jahre. Schüler, Eltern, Lehrkräfte, aber auch Kommunen verlangen Lösungen und Antworten. Das, was jetzt den Bundesrat erreicht hat, ist auf jeden Fall keine entsprechende Antwort. Thüringen stellt sich dieser Aufgabe auf Grundlage der KMKStrategie „Bildung in der digitalen Welt“ von 2016. Diese hat fünf Handlungsfelder, die ich kurz benennen möchte.

1. Bildungspläne und Unterrichtsentwicklung, curriculare Entwicklungen,

2. Aus-, Fort- und Weiterbildung von Erziehenden und Lernenden,

3. Infrastruktur und Ausstattung,

4. Bildungsmedien,

5. E-Government und Schulverwaltungsprogramme, Bildungs- und Campusmanagementsysteme.

Was hat Thüringen gemacht? Jetzt komme ich dazu, Kollege Bühl.

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Ich bin ge- spannt!)

In Thüringen gibt es – ich will es hier wirklich nur benennen, weil ansonsten die Zeit hier weggeht – in den letzten Jahren 1. die „Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft“ von 2017 – können Sie gern nachlesen, vielleicht ist die an Ihnen vorbeigegangen –, 2. der Thüringen-Plan „Zukunft Schule“ von 2017 mit Benennung der Digitalstrategie, 3. der Entwurf zu einem Medienbildungskonzept des ThILLMs – ist im Netz zu finden, er wird noch abgestimmt bis nächstes Jahr –, dass die entsprechende Medienbildung auch gestärkt wird, und in Vorbereitung die „Digitalstrategie Schule“ für Thüringen.

Ich möchte kurz zitieren aus dem Thüringen-Plan „Zukunft Schule“: 302 Schulen von derzeit 993 Schulen, das sind 30,4 Prozent, verfügen über einen Breitbandzugang. Nur 44 Prozent der Räume in den Schulen sind tatsächlich digital vernetzt. Die digitale Ausstattung mit Whiteboards, Tablets oder anderen Lernmitteln ist mehr als ausbaufähig. Ziel muss es also sein, in den nächsten fünf Jahren alle Schulen ins 21. Jahrhundert zu führen, eben nicht mehr „Kreidezeit“, sondern die Digitalisierung weiter

voranzubringen, die Lehreraus- und -fortbildung weiter zu intensivieren Richtung Medienkompetenz und digitales Lernen, Lehrpläne hinsichtlich Erzielung digitaler Kompetenzen zu überarbeiten und die digitale Kommunikations- und Verwaltungsplattform für Schulen weiter auszubauen. Thüringen ist in allen Studien Spitzenreiter in der Bildung. Das ist im Übrigen kein Verdienst der CDU, sondern der Lehrkräfte und der Schulleiter an den Schulen und der Schulverwaltung.

(Beifall DIE LINKE)

Mit dieser Landesregierung, mit der rot-rot-grünen Landesregierung, und der Digitalstrategie bleiben wir auch Spitzenreiter in der Bildung. Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Prof. Dr. Hoff das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bühl, Sie haben ja gesagt, wenn die Regierung nicht liefert, wird die CDU es ab nächstem Herbst tun. Ich bin schon mal zufrieden, dass diese Gefahr abgewendet ist, weil Helmut Holter ja jeden Tag liefert.

(Beifall DIE LINKE)

(Heiterkeit und Unruhe CDU)

Je später der Abend, desto lauter die Zwischenrufe der CDU. Ich würde mir trotzdem wünschen, dass ich die Rede hier halten kann.

Betrachten wir die öffentliche Diskussion – und da würde ich jetzt mal einen Blick auf die Gesamtdiskussion, die wir derzeit um die Frage Digitalpakt und Grundgesetzänderung führen, werfen –, sind wir in einer wirklich höchst ambivalenten Situation. Wir haben einerseits einen Deutschen Bundestag, der hat mit Zustimmung der Großen Koalition und mit Unterstützung der Oppositionsfraktionen von Grünen, FDP und Linken beschlossen, dass das Kooperationsverbot in der Bildung gelockert wird. Das ist eine wirklich enorm wichtige Entscheidung, die man sich vor langer Zeit so hätte nicht vorstellen können. Ich will noch mal daran erinnern, dass der Ministerpräsident unseres Bundeslandes, Bodo Ramelow, in seiner letzten Rede als Bundestagsabgeordneter im Deutschen Bundestag an die Adresse der Großen Koalition damals gesagt hat, dass die Festlegung in der Föderalismuskommission II, ein solches Kooperationsverbot zu verankern, einer

(Abg. Wolf)

der größten Fehler ist, die in der jüngeren Bundesgeschichte gemacht worden sind.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und der Ministerpräsident in seiner damaligen Funktion als Bundestagsabgeordneter hat darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung zeitlich begrenzt sein wird. Er hat auch an dieser Stelle wieder recht behalten, denn das Kooperationsverbot ist gelockert worden und es wird auf absehbare Zeit fallen und es muss auch fallen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass in den vergangenen zwölf Jahren der Existenz dieses Kooperationsverbots Zeit vergeudet worden ist, in der Bund und Länder in den wichtigen Herausforderungen der Infrastrukturentwicklung unseres Landes, sei es im Bereich des Wohnungsbaus, sei es im Bereich der Bildung, nicht in der Form miteinander kooperieren konnten, wie es ohne dieses Kooperationsverbot nötig gewesen wäre. Insofern haben alle diejenigen, die jetzt darauf hinweisen, dass es für den Digitalpakt eine Grundgesetzänderung nicht gebraucht hätte, auf der einen Seite recht, das heißt aber nicht, dass auf der anderen Seite das Grundgesetz nicht trotzdem geändert werden muss, um dieses Kooperationsverbot endgültig fallen zu lassen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Andererseits – und das ist die Schwierigkeit, vor der wir jetzt stehen – hat der Bundestag mit der grundsätzlich richtigen Entscheidung für den Digitalpakt und die Grundgesetzänderung eine sogenannte Zusätzlichkeitsklausel mit hinzugenommen, in der er gesagt hat, die Länder müssen künftig jeder Maßnahme, die der Bund festlegt, in der gleichen Höhe kofinanzieren. Das heißt, dass der Bund die Länder am goldenen Zügel führt. Das ist mit unserem Verständnis der föderalen Ordnung unserer Bundesrepublik Deutschland nicht vereinbar und deshalb haben die 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten von der Linken bis zur CSU

(Beifall DIE LINKE)

einvernehmlich gesagt, diese Form der Grundgesetzänderung akzeptieren sie nicht. Deshalb wird das Gesetz zur Grundgesetzänderung Gegenstand im Vermittlungsausschuss sein. Das wird übermorgen im Bundesrat von den Ländern einmütig so beschlossen werden. Die Schwierigkeit, die ich sehe, besteht darin, dass infolge dieser Festlegung der Länder, die aus föderaler Perspektive völlig richtig ist, auf einmal, in Neudeutsch gesprochen, ein sogenannter Shitstorm über die Länder hereingebrochen ist, das heißt also, Angriffe auf die Länder gefahren wurden, die aus meiner Sicht inakzeptabel sind und die mir auch an der einen oder anderen Stelle die Sprache verschlagen haben. Da wurde

der Eindruck erweckt, dass die Länder Raubritter und Wegelagerer an den Finanzwegen des Bundes seien. Der stellvertretende Vorsitzende des DGB stellt sich hin und sagt, die Länder würden im Bildungsbereich überhaupt nichts auf die Beine stellen.

Ich glaube, dass man an dieser Stelle mal ein, zwei Dinge klarstellen muss – vielleicht auch mehr.

Erstens nehmen die Länder, und zwar unabhängig von der Farbe der jeweiligen Landesregierung, die Herausforderung in der Schul- und Bildungspolitik alle sehr ernst, und zwar von der Nordsee und der Ostsee über Harz und Rennsteig bis runter an die Alpen.

Zweitens sind die Finanzierungsmittel des Bundes für den Digitalpakt ohne Zweifel wichtige Komplementärmittel. Und 5 Milliarden des Bundes sind relevante Investitionen für die Digitalisierung in den Schulen. Wir wollen aber auch festhalten, dass allein der Freistaat Thüringen pro Jahr 1,5 Milliarden Euro für Schule und Bildung ausgibt und dass die Mittel, die der Freistaat Thüringen aus dem Digitalpakt bekommt, für fünf Jahre pro Jahr 26 Millionen sein werden – 26 Millionen, die wichtig sind –, aber zu 1,5 Milliarden, die der Freistaat Thüringen als eins von 16 Ländern allein in die Bildung investiert. Dieses Verhältnis haben offensichtlich viele nicht verstanden, die jetzt so tun, als ob der Bund den Ländern die Bildung finanziert. Er leistet Komplementärmittel, die sind wichtig, aber die Länder haben stabile eigene Finanzierungsbeiträge für die Bildungseinrichtungen. Das darf nicht vergessen werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es trifft völlig zu, dass der Bildungsföderalismus in Deutschland Schwächen hat. Die liegen aber nicht zwingend darin, dass es die föderale Struktur gibt, sondern wir haben eine völlige Überideologisierung von Schuldiskussionen. Das ist im Westen eine seit den 70er-Jahren laufende Kontroverse über die Frage Gymnasien versus Gesamtschulen. Was haben sich konservative Bildungspolitiker aufgeregt, als die Gesamtschule eingerichtet wurde und alles versucht zu verhindern, dass die Gesamtschule aus sozialdemokratisch regierten oder rot-grün-regierten Ländern in vormals CDU-regierte Länder übergreift. Da wurden die Grenzen hochgezogen und gesagt, diese konservativen Grenzen sollen die Länderschulsysteme vor sozialdemokratischen, rotgrünen Einflüssen festhalten. So oft wurde – das muss man auch der Ehrlichkeit halber sagen – das eine oder andere bildungspolitische Tier mit Ringelschwanz durch das Dorf getrieben, wo man hätte sagen können, man verzichtet auf die Beteiligung an dieser Mode und stellt damit mehr Kontinuität her. Das heißt, wir Länder haben selbst auch dazu beigetragen, dass viele Eltern, viele Beteiligte damit

(Minister Prof. Dr. Hoff)

unzufrieden sind, dass wir an der einen oder anderen Stelle 16 Eigenheiten haben, die eben bei denjenigen, die mobil sind, die Berufspendler sind etc., Schwierigkeiten hervorrufen. Ich sage Ihnen auch, das Hin und Her bei G8 und G9 hat dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt. Das sind die Punkte, bei denen sich der Normalbürger/die Normalbürgerin in unserem Land über Bildungsföderalismus beschwert. Das hat aber nichts mit dem, was der Bund in der Finanzierung macht, zu tun.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Sie ver- stärken es doch noch mit Ihrem Schulge- setz!)

Im Wissen darum hat die Landesregierung bereits im Jahr 2014 – und Herr Tischner, Sie sind der lebende Beweis für das, was ich jetzt sagen werde, insofern bin ich für Ihren Zwischenruf schon dankbar – nach ihrem Amtsantritt in der Regierungserklärung deutlich gemacht, wir werden...

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU)

Ach, kommen Sie, hören Sie auf. Ihre Zwischenrufe haben einen Grad, auf den kann ich mich nicht runterbewegen, wirklich, da tut mir der Rücken weh.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Landesregierung – und das ist das, was Sie nie anerkennen werden – praktiziert Kontinuität und nimmt gleichzeitig die Lösung der Herausforderungen an. Wir haben die CDU-Fraktion regelmäßig eingeladen, sich an diesem Schulfrieden zu beteiligen, und die ausgestreckte Hand hat die CDUFraktion seit Jahren kontinuierlich ausgeschlagen. Das Problem ist, dass die Herren Bühl, Tischner und wie sie alle heißen – es sind ja überwiegend Herren –, sich immer hier vorn hinstellen und in floskelartiger Form behaupten, wie die Schulprobleme gelöst werden könnten. Aber bei jeder Frage, bei der es darum geht, mit der Landesregierung gemeinsam die Herausforderung zu lösen, weil Sie ganz genau wissen, dass für den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie ab Herbst hier wieder regieren sollten, vor den gleichen Problemen stehen und die gleichen Lösungen anbieten werden, schlagen Sie die Hand aus, mit der man gemeinsam eine sinnvolle Lösung der bildungspolitischen Herausforderungen in diesem Land machen könnte. Das ist nicht, dass wir uns hinter Ihnen verstecken, sondern es ist die Einladung, gemeinsam Politik zu gestalten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wollen Sie nicht, das lehnen Sie ab. Insofern sind Sie die Bestätigung für die Kleingeistigkeit vieler bildungspolitischer Diskussionen, die den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land bis hier oben

steht. Das können Sie sich gern in Ihr Hausaufgabenheft schreiben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund ist es unserem Bildungsminister Helmut Holter zu verdanken, dass er nicht nur in unserem Freistaat Thüringen herausragende Bildungspolitik gestaltet, sondern dass er als Kultusministerkonferenzpräsident in diesem Jahr dafür gesorgt hat, dass diese Debatte auch anständig mit dem Bund geführt wurde und dem Bund auch gezeigt wurde, was die Länderinteressen beim Digitalpakt Bildung sind und gleichzeitig wo die Grenzen des Bundes sind, wo self-restraint des Bundes gefragt ist. Insofern ganz herzlichen Dank von dieser Stelle aus an Helmut Holter für die herausragende Arbeit, die er leistet.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Heiterkeit und Unruhe CDU)