Na ja, Herr Ministerpräsident, das ist jetzt nicht die feine Art, zu so einem wichtigen Thema rauszugehen, wie ich es sagte. Ich weiß allerdings, dass der Herr Ministerpräsident ein Fan davon ist, in jeder Lebenslage nach „mehr Geld vom Bund“ zu schreien – falls er jetzt schreien sollte, bin ich froh, dass er es von draußen tut und nicht hier drinnen –, allerdings möchte ich Sie darauf hinweisen, dass es durchaus möglich wäre, den Ländern mehr Geld zur Verfügung zu stellen, und zwar ohne Grundgesetzänderung und ohne dass in die Kompetenzen der Länder hineinregiert wird. Der Bund könnte den Ländern über Artikel 106 Grundgesetz einen höheren Anteil am Aufkommen der Umsatzsteuer ge
ben, denn das ist zweifellos möglich. Ob es nötig ist, ist eine andere Frage. Ich vermute, der Ministerpräsident wird diese Frage mit Ja beantworten, aber vielleicht ist diese Frage ja auch uninteressant für ihn.
Zu guter Letzt möchte ich noch auf die Erwartungen eingehen, die Sie als Grüne hinsichtlich des Digitalpakts haben. Inhaltlich halte ich es für gut und richtig darüber zu diskutieren, ob und wie die digitale Infrastruktur an Thüringer Schulen ausgebaut werden kann. Leider leben wir in Zeiten, in denen die Bundesbildungsministerin meint, man bräuchte keine „5G an jeder Milchkanne“, und die Landesregierung seit Jahren beim Netzausbau im Schneckentempo vorankommt. Bislang sind also nicht mal mehr die Grundvoraussetzungen für eine gelingende Digitalisierung gewährleistet.
Zu den 5 Milliarden des Digitalpakts will ich ihnen wiederum mit den Worten Ihres Ministerpräsidenten Kretschmann antworten, der sagt – ich zitiere –: „Mit diesen fünf Milliarden können Sie umgerechnet auf alle Schulen mal gerade zwei Tablets je Klasse finanzieren. Wer glaubt, der Digitalpakt sei ein Riesending, irrt.“ In diesem Sinne hoffe ich, Ihnen in einigen Punkten die Augen geöffnet zu haben, und bedanke mich bei Ihnen herzlich.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, um es gleich noch mal klarzustellen: Die Regierungskoalition hier in Thüringen will den Digitalpakt. Wir begrüßen natürlich ausdrücklich die Absicht des Bundes, gemeinsam mit den Ländern in den kommenden Jahren 5 Milliarden Euro in die Digitalisierung der Schulen zu investieren. Diese Mittel benötigen unsere Schulen nicht nur in Thüringen dringend. Die rund 125 Millionen Euro, die der Freistaat aus dem Digitalpakt bekommen könnte, wären gut angelegte Investitionen in eine zukunftsfähige Ausstattung unserer Schulen.
Frau Kollegin Muhsal, es stimmt nicht, dass hier in Thüringen nichts vorangeht. Wir haben gestern im Kyffhäuserkreis den Startschuss zum flächendeckenden Breitbandausbau gegeben und ein selbstverständlicher Bestandteil dieses Konzeptes ist, dass alle 36 Schulen im Kyffhäuserkreis an das schnelle Internet angeschlossen werden.
Nein, ich bin ja mit meiner Rede noch nicht zu Ende. Sie haben aber vorhin gesagt, die Netzausstattung, die Netzauslegung wäre gar nicht so weit, dass man hier überhaupt etwas machen könnte.
Was die Regierungskoalition aber nicht will – das ist schon bei der ersten Aktuellen Stunde betont worden und da sind wir uns mit allen anderen Bundesländern einig –, ist die von den Finanzern der Berliner Koalitionsfraktion plötzlich nachträglich ins Spiel gebrachte Erweiterung der geplanten Grundgesetzänderung um eine ab 2020 geltende 50-50-Kostenaufteilung zwischen dem Bund und den Ländern bei allen künftigen Bund-Länder-Vorhaben pauschal und ohne Interpretationsmöglichkeit. Das hat erkennbar mit dem Digitalpakt überhaupt nichts zu tun, ist mit den Ländern zuvor auch nie so besprochen worden und greift grundsätzlich, langfristig und tiefgehend in die Bund-Länder-Finanzbeziehung, wenn nicht gar in die föderalen Strukturen der Bundesrepublik selbst ein – die Finanzministerin hat dankenswerterweise vorhin auch schon darauf hingewiesen.
In dem Vermittlungsverfahren, das die Bundesländer nun zu Recht angestrengt haben, werden wir natürlich versuchen, das zu korrigieren. Wir können die Digitalisierung der schulischen Bildung natürlich nicht von der Verwirklichung unausgegorener Ideen abhängig machen, die sich einstige Haushaltspolitiker hier ausgedacht haben. Aber ein zweiter Aspekt ist uns allen hier in dieser Aktuellen Stunde besonders wichtig: Wenn Thüringen die Digitalpaktmittel bekommt, müssen sie auch vernünftig und mit nachhaltigem Nutzen für die Schulen, die Schülerinnen und Schüler, aber natürlich auch Lehrerinnen und Lehrer eingesetzt werden.
Die Gestaltung des digitalen Wandels an den Schulen ist nicht nur eine Frage der technischen Ausstattung, der technischen Anwendung. Der digitale Wandel bedeutet insbesondere auch eine pädagogische Herausforderung. Die digitale Bildung umfasst dabei nicht nur die klassische Medienkunde oder den Informatikunterricht in der Schule, wobei da auch allein schon genug zu tun wäre, wie das in der vergangenen Woche von einzelnen Medien behauptet worden ist, sondern wir brauchen eine auf allen Ebenen und in allen Bereichen des Thüringer Bildungssystems zu befördernde Befähigung zur digitalen Mündigkeit. Diese digitale Mündigkeit bezieht sich eigentlich nicht nur auf die Schulen, sondern künftig auf alle Einsatzbereiche hier in unserem Land.
Das betrifft zum einen die Schülerinnen und Schüler. Gerade bei der kostenintensiven Digitalisierung besteht auch die Gefahr, dass es zu neuen sozialen Hürden beim Zugang zu Bildung kommen könn
te. Fehlender Zugang zu digitalen Technologien im Familienumfeld oder fehlende Vertrautheit im Umgang mit diesen Technologien dürfen daher nicht zur Benachteiligung von betroffenen Schülerinnen oder Schülern führen.
Das betrifft zum anderen natürlich auch die Lehrerinnen und Lehrer. Die Organisation digitaler Lehrund Lernprozesse muss von qualifiziertem pädagogischem Personal geleistet werden. Dazu müssen entsprechende Aus- und Weiterbildungsangebote zur Professionalisierung geschaffen und ausgebaut werden. Wir brauchen auch eine Erforschung digitaler Bildungsprozesse und die Entwicklung innovativer Lehr- und Lernformate, denn – wie gesagt – Technik allein ist nicht ausreichend.
Für alle an Schule Beteiligten gilt, dass sie im Zuge der Digitalisierung von Bildung noch stärker für den Datenschutz sensibilisiert werden müssen. Bei der technisch unterstützten Individualisierung von Lehrund Lernprozessen ist eine größtmögliche Transparenz und Aufklärung über die Verwendung der Daten zu gewährleisten.
Die beim Einsatz digitaler Technologien erzeugten Daten sollen durch die Nutzung von Analysealgorithmen wichtige Hilfsmittel zur Verbesserung von Lehr- und Lernprozessen sein. Die Rückbeziehungsmöglichkeit aber auf die Nutzerinnen und Nutzer, also die Individualisierbarkeit einer solchen Nutzungsauswertung birgt große Gefahren. Die Potenziale dieser sogenannten Learning Analytics dürfen deshalb in keinem Fall Vorrang vor dem Schutz personalisierter Daten haben. Es kann auch nicht sein, dass eine digitalisierte Schule künftig praktisch einen gesamten individuellen Bildungslauf eines betroffenen Schülers oder einer betroffenen Schülerin oder auch die Leistung von Lehrerinnen und Lehrern an diesem Bildungsprozess speichert.
Wenn wir Zugang zum digitalen Wandel als Fortschritt eröffnen, brauchen wir auch Sicherheit durch Bewältigung von neuen Sicherheitsrisiken, etwa im Bereich kritischer Infrastrukturen und Informationssicherheit. Dass gilt auch im Bildungsbereich. Für den unverzichtbaren Dreiklang „Technik, Pädagogik und Sicherheit“ gibt es in Thüringen Know-how, das wir einbeziehen können. Ich verweise da auf die Landesmedienanstalt, aber auch auf die Arbeit des Thüringer Landesbeauftragten …
Okay, wenn ich jetzt fertig bin, dann freue ich mich aber auf das Konzept, das der Bildungsminister angekündigt hat und das schon in Arbeit ist und auf die Beteiligung des Parlaments an diesen wichtigen Vorgaben für die Zukunft unserer Bildung. Danke schön.
Sehr verehrte Kollegen, wir sind in der Zeit der weihnachtlichen Vorfreude. Von daher freuen wir uns auch schon länger darauf, was aus dem Ministerium in Sachen digitale Bildung kommt. Ich muss sagen, ich bin da ganz bei Frau Henfling in dem, was sie gesagt hat. Man muss hier nur noch einmal festhalten: Diese Koalition hat im Grunde in den letzten vier Jahren, was digitale Bildung betrifft, nichts gemacht. Aus dem Haus des Bildungsministeriums kam nichts zu diesem Thema. Von daher sollten Sie diese innerfraktionären Fragen vielleicht nicht in einer Aktuellen Stunde klären, sondern in tatsächlicher Politik, die Sie vor Ort auch tun sollten.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt jetzt nun ein- mal überhaupt nicht!)
Es klang in der Rede von Frau Henfling ganz so, als ob diese Frage der Digitalisierung jetzt hier vom Himmel gefallen wäre und jetzt müsste man tun. Das ist ja eine Frage, die schon eine ganze Zeit ansteht. Diese hätten Sie in den letzten vier Jahren wirklich gut bearbeiten können. In den Schulen ist nichts angekommen.
Man muss es einmal ganz klar sagen. In den Schulen ist es so – das hat Frau Henfling auch gesagt –, dass es von Schule zu Schule sehr unterschiedlich ist, wie digitale Bildung dort gelebt wird. Wenn man einen guten Lehrer hat, der sich vor Ort sehr stark in den Sachen engagiert, dann passiert etwas. Wenn man das nicht hat, passiert es nicht. Das kann kein Anspruch sein, den wir verfolgen wollen. Wir wollen für alle Schulen gute digitale Bildung, für alle Schüler eine gute digitale Bildung.
Deswegen ist es auch zu kurz gedacht, einfach nach dem Bund zu rufen und zu sagen, diese Digitalpaktmittel sind das Allheilmittel, mit dem wir alles tun wollen. Im Endeffekt bedeuten eigene Verantwortung, eigene Zuständigkeiten auch, dass man vor Ort etwas tut. Das hätten Sie in den letzten vier Jahren tun können. Es ist nichts passiert.
Ich will nicht sagen, dass gar nichts passiert ist. Das ThILLM hat sicher einige Ansätze, aber in den Schulen ist noch nicht viel angekommen. Wenn man sich das einmal mit Blick auf die komplette Landesregierung anschaut, muss ich sagen, ist Herr Holter ja nicht der Einzige, wo es stockt. Insgesamt ist die Frage der Digitalisierung eine Frage, die Sie nicht hinreichend beantwortet haben. Wenn ich mir den Breitbandausbau anschaue, dann 30 Mbit, die Sie in Ihren ersten Vorschlägen gebracht haben …
30 Mbit ist überhaupt nichts. Sie sind sogar hinter die vom Bund vorgeschlagenen 50 Mbit zurückgefallen. Das war überhaupt nichts. Das haben Sie jetzt auch erkannt, aber es sind verschenkte Jahre gewesen, in denen Sie nichts getan haben. Das Gleiche setzt sich fort bei der Frage, wie Schulen ans Netz angeschlossen sind. Auch da ist nichts passiert. Die Frage einer Digitalisierungsstrategie für das Land – jahrelang nichts passiert. Zur Digitalisierung in der Schule – das habe ich schon gesagt – ist nicht viel passiert. Deswegen ist es gut, dass dieses Bundesgeld jetzt kommt und dass jetzt auch endlich in den Schulen was passieren muss. Darauf will ich noch mal kurz eingehen, denn es ist eine gute Sache, wenn der Bund hilft. Aber ich bin mir sicher, dass wir hier im Raum eine einhellige Meinung haben, dass diese Bundesmittel natürlich nicht mit diesen Verpflichtungen einhergehen können, wie sie jetzt auf Bundesebene eingebracht worden sind. Wir sind auch dafür, dass der Bund hilft, aber wir sagen ganz klar: Dazu braucht es keine Grundgesetzänderung, das kann man auch über andere Fördermechanismen regeln, dass der Bund uns mit Geld unterstützt und dass man sich auch darauf einigt, wie dieses Geld eingesetzt wird. Eine Grundgesetzregelung ist dafür unserer Meinung nach nicht notwendig.
(Zwischenruf Holter, Minister für Bildung, Ju- gend und Sport: Das ist dann aber die Ver- einbarung!)
Wir sagen, die Länder tragen grundsätzliche Verantwortung für die Bildung und so soll es auch bleiben. Wir wollen, dass diese Verantwortung bei den Ländern bleibt, dass es auch Unterschiede zwischen den Ländern gibt, dass Länder ihre eigenen Profile entwickeln können und damit auch einen Wettbewerb in der Bildungslandwirtschaft anregen können. Das ist uns wichtig, das wollen wir auch
weiterhin für Thüringen so handhaben, denn schließlich wurde in den letzten Jahren in Thüringen eine gute Bildungspolitik gemacht. In den 20 Jahren haben wir uns einen guten Ruf aufgebaut, einen Ruf, der sich deutschlandweit sehen lassen kann, den wollen wir uns da auch nicht wegnehmen lassen.
In jedem Fall verlangen große Aufgaben auch eine ausreichende Finanzausstattung, deswegen begrüßen wir dieses Geld, was vom Bund kommen soll. Aber die Aufgaben sind hier in Thüringen zu tun und da verlangen wir, dass Sie als Landesregierung liefern. Wenn Sie nicht liefern, dann werden wir ab nächsten Herbst liefern. In diesem Sinne vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Bühl – wo ist er denn jetzt, da oben –, da haben Sie aber wirklich nicht allzu viel mitbekommen. Vielleicht waren Sie auch heute schon auf dem Weihnachtsmarkt und haben schon einen Glühwein getrunken und so einiges vergessen, ich weiß es auch nicht. Ich werde dann noch mal darauf eingehen und die Landesregierung dann sicherlich auch noch mal.
Fakt ist: 16 Bundesländer sagen Ja zum Digitalpakt, aber kein Bundesland sagt derzeit Ja zu dieser Grundgesetzänderung, die Ihre Kollegen im Bundestag verhandelt haben. 16 Bildungsminister und Kultusminister sagen in der KMK Ja zum Digitalpakt, aber kein einziges Bundesland, kein einziger Kultusminister sagt Ja zu dieser Grundgesetzänderung. Ganz im Gegenteil, hier mal ein Zitat aus der Erklärung der KMK: „Der vom Bundestag verabschiedete Vorschlag für eine Änderung des Grundgesetzes ist in seiner vorliegenden Form keine tragfähige Basis für eine weitere Zusammenarbeit von Bund und Ländern.“
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, 1,55 Millionen Euro gibt Thüringen jährlich für Bildung aus. Kollege Pidde hat heute schon ausgeführt, das sind allein unter Rot-Rot-Grün 20 Prozent mehr Geld. Noch nie gab es so viel Geld für Bildung. Und da ist noch nicht mal die Förderung von Schulen, also Schulbauinvest, Schulsanierung, mit dabei oder eben die Ausstattung mit Medien. Meine sehr geehrten Damen und Herren, da hat Minister Holter recht, wenn er sagt, das ist dann schon „frech“,