Protokoll der Sitzung vom 14.12.2018

Denn wir haben ganz andere Möglichkeiten. Jeder, der sich eine Solaranlage im ländlichen Raum gebaut hat, weiß, dass er mit seiner eigenen Solaranlage ein Drittel seines Stroms für ein Drittel der Kosten erzeugen kann und nicht von Versorgungsunternehmen abhängig ist. Wer damit im ländlichen Raum sein Elektroauto betreibt, der weiß, dass er das für ein Drittel der Betriebskosten machen kann,

als wenn er von stark steigenden Dieselpreisen abhängig ist. Sie wollen sie in eine soziale Abhängigkeit von fossilen Energien führen, und das werden wir nicht mitmachen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und natürlich haben wir als Land dort eine große Verantwortung. Bevor man Gesetze erlässt, die Bürgerinnen und Bürger betreffen, bin ich ganz persönlich der Meinung, sollte man als Land mit einer guten Vorbildfunktion vorangehen. Wir haben uns dazu entschlossen, schon bevor das Klimagesetz in Kraft getreten ist oder heute in Kraft tritt, dass wir Verantwortung haben, zum Beispiel für unsere Landesimmobilien. Hier im Parlament haben wir ganz klar gesagt: Die Landesimmobilien werden Schritt für Schritt saniert, die Hälfte der Landesimmobilien bekommt eine Solaranlage und es gelten hohe Energiestandards, die zum einen den Landeshaushalt in den Folgekosten entlasten, aber zum anderen auch Technik vorantreiben und eine Vorbildwirkung haben. Das ist jetzt im Klimagesetz noch mal qualifiziert worden und es ist dann offiziell, dass als Ziel ausgegeben ist: Die Landesimmobilien werden bis 2030 klimaneutral. Und bei immerhin 1.000 Landesliegenschaften – große Landesliegenschaften, auch Universitäten zum Beispiel – ist es eine große Verantwortung und wird es neue Technologien und Arbeitsplätze in Thüringen schaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben aber auch eine Verantwortung für die Kommunen. Deswegen bin ich sehr froh, dass wir in dem Klimagesetz, aber auch schon bei anderen Maßnahmen dafür gesorgt haben, dass gerade dann, wenn Kommunen jetzt mit dem Klimagesetz Landesmittel als Fördermittel bekommen, sie auch eine Anregung bekommen, nachhaltig zu bauen. Was nützen uns die besten Energiesparmaßnahmen, wenn sie mit Erdölprodukten wie Styropur usw. ausgeführt werden? Deswegen sind erstmalig im Klimagesetz nachhaltiges Bauen und nachhaltige Investition auch verankert. Da bin ich sehr froh, dass wir die Kommunen dabei unterstützen. Die Kommunen haben natürlich die Möglichkeit, über ihre Klimaschutzpläne und Investitionen in die Quartiere vor Ort für die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Stadtwerken zusammen wichtige Investitionen anzuregen. Dabei wollen wir sie unterstützen. Das wird erneuerbare Energien voranbringen und Energie einsparen, und dafür werden wir sie als Land unterstützen.

Lassen Sie mich bitte noch einmal zu drei Spezialpunkten kommen, und zwar habe ich bereits gesagt, dass wir Möglichkeiten haben, Solarenergie zu nutzen. Ich habe mir das noch einmal genau angeschaut. Wir sind zurzeit in Deutschland das Bundesland, was die beste Solarenergieförderung hat. In keinem anderen Bundesland werden Photovol

taik und Speichertechnologien für eine größere Unabhängigkeit von Bürgerinnen und Bürgern mehr und besser gefördert als in Thüringen. Darauf können wir jetzt schon stolz sein. Aber ich denke, wir müssen einen Schritt weiter gehen, denn wir können uns auf den Weg machen zu preisgünstiger Solarenergie und zu einer solaren Gesellschaft. Wenn es die Stadt Graz schafft, die Hälfte ihrer Energie kostengünstig für ihre Bürgerinnen und Bürger mit der Kraft der Sonne zu erzielen, also nicht nur den Strom, sondern auch Wärme, dann werden wir es in Thüringen mit einem viel größeren Flächenpotenzial, was wir haben, auch schaffen. Und da müssen wir als Landesregierung und als Parlament die Grundlage legen.

Ein Punkt hat mich besonders beschäftigt. Wenn man sich die Emissionen anschaut, ist das, was die privaten Haushalte verursachen, nicht der Haupttreiber. Es ist aber zum Beispiel der Verkehrsbereich. Hier bin ich sehr froh, dass vor drei Wochen Bodo Ramelow in einem Interview mit der Aussage zitiert wurde, die Landesregierung und Bodo Ramelow sind für eine Mobilitätsgarantie mit öffentlichem Nahverkehr. Das unterstützen wir als Grüne ausdrücklich,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

aber wir sagen auch, wir können mit dieser Arbeit nicht erst in zwei, drei Jahren anfangen und jetzt Wahlkampf damit machen, sondern wir müssen im Haushalt 2020 schon die ersten Grundlagen legen. Und wenn ich dann sehe – das muss ich vielleicht auch mal selbstkritisch für die Landesregierung sagen –, dass wir Entflechtungsmittel für den öffentlichen Nahverkehr in Höhe von 100 Millionen Euro bekommen haben und dem Infrastrukturministerium jetzt nur noch 50 Millionen Euro für Investitionen in den ÖPNV über den Umsatzsteueranteil zur Verfügung stehen, dann müssen wir als Parlament das korrigieren. Wir wollen nicht weniger Mittel für den öffentlichen Nahverkehr an Investitionen, sondern wir wollen mehr. Wir als Grüne stehen dafür, dass wir eine Mobilitätsinitiative starten. Nicht erst in drei, vier Jahren, sondern jetzt werden die Entscheidungen getroffen, spätestens in unseren Haushaltsverhandlungen 2020.

Was wollen wir als Grüne dabei erreichen? Wir wollen, dass zum einen die Linien, ob Bus-, Straßenbahn- oder Zugverbindungen, die im Berufsverkehr stark belastet sind, stärker unterstützt werden. Dann können wir die konkreten, die normalen Verträge nehmen, können sie erweitern, können kurzfristig dort für Entlastung sorgen. Aber wir wollen gerade, dass Busverbindungen auch im ländlichen Raum gestärkt werden. Und wir wollen bei den Schwächsten anfangen, um auch andere Tarife einzuführen. Einen ersten Schritt haben wir mit dem Azubi-Ticket getan, aber für uns als Grüne ist es

nicht verständlich, dass wir Jugendliche, Schüler, Freiwilliges Ökologisches Jahr Leistende, Freiwilliges Soziales Jahr Leistende dabei ausschließen. Mir hat eine junge Frau geschrieben und hat gesagt, die Hälfte ihres Einkommens – 180 Euro im Monat – muss sie als Freiwilliges Soziales Jahr Leistende für Mobilität aufwenden.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Die andere Hälfte zahlt sie für den Strompreis!)

Das ist schon eine unsoziale Schieflage, finde ich. Wir werden uns schon im Haushalt 2020 dafür einsetzen, dass wir das Azubi-Ticket erst mal im Haushalt fortführen und dieses zu einem Jugendticket erweitern und den Preis senken, damit jeder Jugendliche und Schüler unter 18 Jahren, jeder Freiwilliges Ökologisches Jahr Leistende für einen Euro am Tag durch Thüringen fahren kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, viele von Ihnen – und jetzt müsste auch die CDU vielleicht ein bisschen hellhörig werden – sind Freunde des Waldes. Das ist auch gut so. Aber der Wald ist in Gefahr.

(Beifall DIE LINKE)

Erst vor zwei, drei Tagen hat Frau Keller den Waldzustandsbericht auf den Tisch gelegt und man kann sich gar nicht vorstellen, aber mittlerweile sind wir gerade bei 19 Prozent der Bäume in unserem Thüringen, in unserem schönen Thüringer Wald, die noch gesund sind – 19 Prozent, nur jeder fünfte Baum!

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Den Rest wol- len Sie abholzen!)

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Deswegen stellen Sie jetzt Windräder hin!)

Dass Sie als AfD das nicht mit dem Klimawandel verbinden, das ist uns ja klar. Aber jeder Mensch, der diesen Sommer erlebt hat,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Der Wald stirbt, das haben Sie schon in den 80er-Jah- ren gesagt!)

der weiß, dass sowohl die Waldschäden da sind, dass die Landwirtschaftspreise für Getreide steigen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das wird an der Dürre liegen, oder?)

Ja, das liegt an den trockenen Wettern, die zunehmend stärker werden, und es kommt langsam in unser tägliches Leben.

Wir werden nicht hinnehmen, dass der Wald solche Schäden von sich trägt. Wir haben in einem Musterrevier am Ettersberg einen Vorschlag gemacht, einen ganz einfachen Vorschlag, und zwar werden zur Holzernte die sogenannten Rückegassen verbreitert, sodass diese nicht mehr alle zwanzig Me

ter eingesetzt werden, sondern nur noch alle vierzig Meter. Das klingt einfach und klingt so, als könnte man das einfach machen und als bringt das auch nicht viel. Aber wir haben ausgerechnet, das bringt so viel, dass wir mit dieser einfachen Maßnahme 200.000 Tonnen CO2 einsparen. Das entspricht ungefähr 200.000 Solaranlagen und der Wirkung, als wenn man ein Kohlekraftwerk stilllegt – mit einer einfachen waldpolitischen Maßnahme. Da wollen wir als Grüne investieren, denn wir sagen, nicht nur erneuerbare Energien, sondern auch der Wald als CO2-Speicher ist uns ein wichtiges Anliegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir als Bündnis 90/Die Grünen haben mit unseren Koalitionspartnern zusammen genau erkannt, dass mehr Klimaschutz eine Zukunftsinvestition in Thüringen und für ganz Deutschland ist. Wir freuen uns auf das Klimagesetz, das wir heute beschließen werden. Ich bitte um Zustimmung. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Es hat jetzt Frau Abgeordnete Becker von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, erst mal gute Genesungswünsche an Frau Mühlbauer zu senden. Die liegt leider zu Hause im Bett und hat keine Stimme mehr.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da darf ich sagen, dass dieses Gesetz auch wirklich eine Herzensangelegenheit von Frau Mühlbauer war, sie auch lange Diskussionen in der rot-rotgrünen Koalition geführt hat und es ihr jetzt unendlich leid tut, dass sie heute nicht dazu sprechen kann.

Ja, Gesetze sind auch immer Kompromisse, das ist nun mal so. Und sicherlich haben wir auch bei diesem Gesetz gemeinsam gerungen, um einen Weg zu finden, einerseits den Menschen in Thüringen zu helfen und andererseits aber auch das Klima zu schützen. Das ist nicht immer ganz einfach, aber ich glaube, mit diesem Klimagesetz wird ein guter Anfang gestartet und wir sind auf einem guten Weg. Wir geben damit ja auch nur einen Rahmen vor. Er muss ja noch untersetzt werden; auch diese Diskussion wird sicherlich spannend bleiben. Da gibt es die ganze Bandbreite, das ist nicht ganz einfach, das gebe ich gerne zu. Aber, Herr Gruhner, die beste Sozialpolitik in Thüringen ist, wenn wir die Menschen vor dem Klimawandel und vor den Treib

hausgasen schützen. Das ist die beste Sozialpolitik, das muss man einfach sagen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und da ist es mir auch ganz egal, …

(Zwischenruf Abg. Gruhner, CDU: Da klat- schen noch nicht mal die eigenen Leute!)

Das ist so. Und wenn Sie Sozialpolitik in den Mund nehmen, Herr Gruhner, dann zucke ich immer ein bisschen zusammen.

(Beifall DIE LINKE)

Keine Frage: Wir müssen die Menschen vor höheren Kosten schützen, gerade beim Energiepreis. Das ist auch ein Thema, wo viele Menschen am Rande ihrer Existenz sind, dass es nicht teurer werden kann. Aber was haben wir dann davon, wenn wir einseitig nur auf die Preise schauen und andererseits die Menschen dann nicht mehr sicher in Thüringen leben können, weil wir kein Wasser haben, weil es eine Erwärmung gibt. Sie können zehnmal sagen, es gibt keine menschengemachte Erwärmung. Dann schauen Sie in die anderen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, die es gibt. Oder wären Sie mal zur Verleihung des Deutschen Umweltpreises gekommen: Da gab es am Samstag eine wunderbare Podiumsdiskussion, die war so intensiv und gut. Herr Kießling, da habe ich Sie vermisst. Ich weiß nicht, vielleicht hatten Sie keine Einladung. Da hätten Sie was erleben können. Am Sonntag war dann die Preisverleihung in der Messehalle Erfurt. Das hat man auch nicht alle Tage: so viele Klimaschützer auf einem Haufen. Das war wirklich sehr angenehm und es war eine lebhafte Diskussion.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Da wäre es ja komisch gewe- sen, wenn jemand von der AfD da gewesen wäre!)

Ja, gut, aber vielleicht hätten sie sich mal überzeugen lassen, Madeleine. Vielleicht kommt doch mal die Hoffnung, dass man zuhört und merkt, dass es nicht so weit hergekommen ist, dass wir eine Klimaveränderung haben.

Und, meine Damen und Herren, auch schon 2009 hat die Landesregierung unter CDU-Führung Daten erhoben, Herr Gruhner. Da können Sie mal in den Datensatz von 2009 gehen und mal schauen, wie viele Daten dort erhoben wurden; das waren nicht ganz wenige. Heute haben wir einen Datenschützer, der da auch sehr kompetent ist und darauf achtet, dass wir nicht zu viele erheben. Aber Daten gehören beim Klima und beim Klimaschutzgesetz einfach dazu. Das muss man sagen und das muss auch genau abgefedert werden. Aber das ist keine Sache, die Rot-Rot-Grün erfunden hat, die Datenerhebungen zum Klimawandel gibt es schon länger. –

(Abg. Kobelt)

Ja, schauen Sie 2009, da habe ich schon reichlich erfahren; es ist jetzt nicht so viel Neues.

Wir haben auch in Bezug auf die Gebäudesanierung Kompromisse gefunden. Das ist so, das liegt nun mal in der Natur der Sache, dass wir auch vielleicht hätten weitergehen können. Ich sage das auch politisch. Aber es geht nun mal nicht: Wir können den Eigentümern, den Hauseigentümern in dieser Zeit nicht zu viel zumuten, man muss alles mit Augenmaß machen. Aber ich glaube, dieses Klimaschutzgesetz hat Augenmaß, ist genau der richtige Weg, den wir da gehen, um die Menschen mitzunehmen und sie nicht in der Situation allein zu lassen. Ich glaube auch, dass wir eine Vorbildfunktion des Landes darstellen mit unserer klimaneutralen Weise bis 2030. Das ist ja auch ein Ansatz, das ist wichtig, dass die Menschen sehen, wir geben uns auch Ziele, die Landesregierung gibt sich Ziele und fordert nicht nur von den anderen irgendwas ab. Das halte ich für ganz, ganz wichtig.

Ich glaube, der Rahmen des Klimagesetzes ist gut. Jetzt müssen wir ihn noch mit Leben erfüllen, das ist noch ein Stück Arbeit, und wir müssen aufpassen, dass in der Gesellschaft alle mitgenommen werden. Die Kommunen sind da ganz wichtig, denn die Kommunen sind die Vorreiter und am nächsten am Menschen dran und können vor Ort entscheiden. Und sie erzielen mit diesen Entscheidungen meistens auch große Wirkung. Das sage ich immer. Aber man muss auch wirklich mit denen reden.

Meine Gemeinde Sollstedt wird fast ausschließlich mit Fernwärme versorgt, wir haben gleich nach der Wende ein Fernwärmekraftwerk errichtet. Das ist eine gute Sache. Die Wohnungen, die jetzt gebaut werden, müssen sich alle anschließen, dazu gibt es eine Satzung und das lehnt auch keiner ab. Alle sind froh, dass es das gibt und sie sich anschließen können und nicht selber eine Heizung errichten müssen.

Wie gesagt, wir sind da auf einem guten Weg. Ich bedanke mich für die gute Zusammenarbeit in den letzten Monaten. Es war kein kurzer Weg, wir haben uns auch genügend Zeit gelassen, um mit der Wirtschaft zu reden und alles abzuwägen, was in dem Sinne auf sie zukommt. Die Wirtschaft war auch an unserer Seite und es gab auch Aussagen, dass die – im Gegenteil – manchmal sogar noch mehr wollten.

(Beifall DIE LINKE)

Ich bin der Meinung, dieses Klimaschutzgesetz ist eine gute Sache. Wir verabschieden das heute und setzen das in Kraft. Ich freue mich auf die Ausgestaltung und die nächsten Wochen.