Protokoll der Sitzung vom 30.01.2019

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Abgeordneter Müller das Wort.

(Abg. Rudy)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Herr Rudy, herzlichen Glückwunsch, die ersten drei Sätze Wikipedia im Original, da braucht man nicht viel hinzufügen, da ist das Stichwort „internationaler Landverkauf“ enthalten – angefangen in Kenia, fortgesetzt über Libyen, die Ukraine oder auch China, was im Kongo großflächig eingekauft hat. Lange haben wir angenommen, hier aus der Nordhemisphäre kommend: Ach, das ist ein Thema, das betrifft uns gar nicht, das betrifft in erster Linie Staaten in Afrika, vielleicht noch in Osteuropa, aber doch nicht hier in Mitteleuropa und schon gar nicht in der Bundesrepublik. Und jetzt müssen wir – zumindest seit 2017, seitdem das Thünen-Institut diese Studie vorgelegt hat – feststellen: Ja, es betrifft uns sogar vor Ort.

Aber, Herr Rudy, das ist nicht die kleinbäuerliche Landwirtschaft, die davon betroffen ist, sondern Finanzinvestoren haben ein Interesse daran, große Stücke en bloc zu kaufen und nicht hier mal 3 Hektar oder dort mal 5 Hektar

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe AfD)

oder vielleicht mal 1,5 Hektar hinterm Thüringer Wald. Es geht ausschließlich darum, große Einheiten über einen Share Deal zu kaufen, damit es die Öffentlichkeit nach Möglichkeit nicht mitbekommt, damit wir als Steuerzahler davon nichts mitbekommen, wie ein Steuersparmodell kreiert werden kann.

Dieses Problem verfolgen wir als Bündnis 90/Die Grünen schon seit längerer Zeit. Wir sind dabei, auch wissenschaftlich prüfen zu lassen, wo die Handlungsoptionen für das Land liegen. Wir wissen, dass wir bestimmte Teile wie beispielsweise Steuerrecht nicht auf Länderebene regeln können. Das heißt, die Grunderwerbsteuer, die uns bei den Share Deals verloren geht, werden wir hier nicht beeinflussen können. Aber wir können möglicherweise über ein Agrarstrukturreformgesetz eine Meldepflicht, eine Anzeigepflicht herbeiführen, damit wir überhaupt erst mal die Grundlage bekommen zu wissen: Wo passiert eigentlich was, wer will verkaufen, an wen und haben wir die Chance, auf Landesebene diese Ländereien auch bei den hiesigen Betrieben und bei den Menschen zu halten, die hier in diesen Betrieben arbeiten? Da sind wir dabei, das werden wir weiter verfolgen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Abgeordneter Primas das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! An den Kollegen von der AfD: Sie müssen schon früher ausschlafen, wenn Sie wichtige Themen besetzen wollen.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Antrag in TOP 20 kam ja im Dezember, aber auch das war schon zu spät. Sicherlich haben Sie Angst, dass TOP 20 dieses Mal wieder nicht drankommt, sodass wir jetzt die Aktuelle Stunde machen. Aber wie schon so oft werden die 5 Minuten für diese Problematik wirklich nicht reichen.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben aber auch insgesamt zu spät ausgeschlafen, denn über die Problematik reden wir nicht erst seit gestern. Der Faktor Boden ist für die Landwirtschaft von entscheidender Bedeutung und ein knapper Faktor. Seit 2005 gibt es erhebliche Steigerungen der Kauf- und Pachtpreise landwirtschaftlicher Flächen. Auch deshalb wird seit Langem diskutiert, das rechtliche Instrumentarium, mit dem der Staat eingreifen kann, an die aktuellen Erfordernisse anzupassen.

Meine Damen und Herren, deshalb finde ich es so lächerlich, wenn die AfD Herrn Rudy mit einer Pressemeldung sagen lässt: Die AfD geht voran, nimmt die wichtigen Themen unserer Zeit auf und präsentiert Lösungen und die Kartellparteien schreiben ab.

(Zwischenruf Abg. Kummer, DIE LINKE: Von den Lösungen haben wir nichts gehört!)

Meine Damen und Herren, das ist schon putzig. Aber, bitte schön, wo sind denn Ihre Lösungen, die Sie anbieten? Wo ist denn da eine Lösung?

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihrem Antrag, über den wir vielleicht noch irgendwann reden, jedenfalls keine Lösungen entnehmen, die sind da nicht drin. Aus Ihrem Antrag spricht lediglich, dass nun auch Sie das Problem erkannt und aufgeschrieben haben und dass die Landesregierung nunmehr etwas unternehmen soll. Okay, das ist auch richtig. Die Landesregierung soll da schon ein Stückchen vorangehen und etwas unternehmen, aber dabei helfen uns Sonntagsreden auch nicht.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Das ist schon ein kompliziertes Thema. Ich gebe zu, leider war ich nicht zur Grünen Woche, es hat

mich im Inneren geschmerzt, dass ich nicht dabei sein konnte. Aber ich habe mir berichten lassen, dass der Ministerpräsident das jetzt vielleicht zur Chefsache machen will. Jedenfalls hat er das öffentlich so artikuliert, wir nehmen das zur Kenntnis, meine Damen und Herren. Aber es muss jetzt wirklich was gemacht werden.

(Unruhe AfD)

Zur Sache: Wir sollten heute eine staatliche Regulierung des Bodenmarkts nicht infrage stellen, sondern es geht um deren zweckmäßige Ausgestaltung.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Was für Einsichten!)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Fast Sozialismus!)

Vor über zehn Jahren haben die Länder im Zuge der Föderalismusreform auch die Gesetzgebungskompetenz für den Bodenmarkt und dessen gesetzliche Regelung bekommen. Die Amtschefs der Agrarministerien der Länder und des Bundes hatten im Januar 2014 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bodenmarktpolitik eingerichtet. Aufgabe war, die Situation auf den Bodenmärkten zu analysieren und aktuelle bodenmarktpolitische Ziele zu definieren. Verschiedene Handlungsoptionen liegen nunmehr auf dem Tisch, meine Damen und Herren. Wenn wir auf dem Bodenmarkt agrarstrukturelle Ziele erreichen und Probleme bewältigen wollen, muss die Landesregierung jetzt etwas vorlegen. Dabei müssen wir natürlich sehr genau hinschauen, wie die konkrete Situation in Thüringen ist. Die ist halt nicht so wie schon dargestellt, die ist entspannter. Das berichtet uns auch der Bauernverband, die sehen das also nicht so dramatisch und kritisch, wie das jetzt heute dargestellt worden ist. Trotzdem müssen wir schauen, was wir machen. Da ist die Frage, dass die Großbetriebe in Gänze verkauft werden, eine ganz problematische, denn da wird nicht mehr über den Boden an sich geredet, sondern nur noch über den Betrieb, und das macht es relativ gefährlich. Der Ansatz mit der Steuer, Herr Müller, ist ein Ansatz, über den man ernsthaft reden muss. Das wären Sachen, die aber nicht wir hier beeinflussen können, sondern das muss dann schon über den Bund gehen, die müssen da mit ins Boot. Ich weiß auch, dass das im Bund, in der Bundesregierung ein Thema ist, dass man darüber reden will. Und das sollten wir machen.

Eines brauchen wir allerdings nicht und das ist heute schon klar: Populismus von der sogenannten Alternative. Danke.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat Abgeordneter Warnecke das Wort.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste und Zuhörer hier auf der Tribüne und am Livestream, das Thema der Aktuellen Stunde ist nicht wirklich aktuell. Vielleicht hat ja der Artikel in der „Thüringer Allgemeinen“ vom 22. November die Aufmerksamkeit für das Thema geweckt, vielleicht war es auch der Workshop des Landwirtschaftsministers vom November 2017 dazu. Wir wissen natürlich, dass das Thema sehr vielschichtig und umfassend ist und dass die rechtlichen Möglichkeiten der Regulierung auch begrenzt sind.

Sehr geehrte Damen und Herren, Bodenspekulanten, die mit Landwirtschaft nichts am Hut haben, kaufen zunehmend Agrarbetriebe oder Anteile von Agrarunternehmen auf. Sie umgehen damit die Regelungen des Grundstückverkehrsgesetzes, das den Handel mit Landwirtschaftsflächen stark reglementiert und das dafür sorgen soll, dass kein Agrarland an Nichtlandwirte verkauft wird. Mit den sogenannten Share Deals werden nicht nur die Regelungen des Grundstückverkehrsgesetzes umgangen, sondern auch die Zahlungen von Grunderwerbsteuer vermieden.

In Baden-Württemberg gibt es bereits seit 2010 ein Agrarstrukturverbesserungsgesetz, das unter anderem besagt, dass die dortige Landgesellschaft, die vorkaufsberechtigt ist, Flächen auch dann kaufen kann, wenn noch kein neuer Käufer da ist. Ich erkläre das auch gern in längerer Form später zu Tagesordnungspunkt 20. Hier sei nur gesagt, dass es eine deutliche Erweiterung der Aufgaben der Landgesellschaft geben sollte. Auch ein dauerhafter Verbleib der Flächen bei der Landgesellschaft wäre anzuregen.

Die Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke ist bereits seit 1919 – dem Jahr des Inkrafttretens des Reichssiedlungsgesetzes – von der behördlichen Genehmigung abhängig. Damit sollten Flächenspekulationen und unerwünschte Entwicklungen in der Agrarstruktur vermieden werden. Das Grundstückverkehrsgesetz regelt heute den Besitz landwirtschaftlich genutzter Grundstücke. Es soll den Fortbestand land- und forstwirtschaftlicher Betriebe sichern, indem die Landwirtschaft vor dem Ausverkauf ihres Bodens geschützt wird. Besonders betont wird in diesem Gesetz auch der Schutz von Natur und Umwelt, indem die Agrarstruktur erhalten und verbessert wird. Ebenso ist die Sicherung der Ernährungsvorsorge der Bevölkerung zu betrachten.

Auf der anderen Seite haben wir eine ganz klare Gesetzgebung zum Thema „Eigentum und Eigen

(Abg. Primas)

tumsveräußerung“ und können niemandem verbieten, sein Land oder seine Anteile an Genossenschaften oder Gesellschaften zu verkaufen. Dass eine landwirtschaftliche Fläche verkauft wird, kann viele Gründe haben: wirtschaftliche Schieflage, fehlende Hofnachfolge, Erben wollen die Flächen veräußern usw.

Wir brauchen eine bessere Struktur, um sowohl die Interessen der Käufer oder Kapitalnehmer als auch die landwirtschaftlichen Interessen zu wahren. Dies wäre wiederum eine geeignete Aufgabe für die Thüringer Landgesellschaft. Bei ihr liegt das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht. Wenn also eine landwirtschaftliche Fläche verkauft wird, eine Prüfung des Grundstückverkehrsgesetzes erfolgt ist und die Fläche an einen Nichtlandwirt verkauft werden soll, hat die Landgesellschaft das Vorkaufsrecht für diese Flächen. Ich halte es daher für enorm wichtig, das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht auch bei Gesellschaften und damit auch die Landgesellschaft zu stärken.

Share Deals in der Landwirtschaft werden sich nicht vermeiden lassen. Aber wir müssen sie kritisch betrachten und genau schauen, aus welcher Branche der Investor kommt. Durch die Stärkung der Landgesellschaft und Unterstützung der Landwirte beugen wir dem Verkauf an artfremde Investoren vor. Es sollte also möglich sein, hier etwas zu tun. Wir müssen mit allen Beteiligten über ein neues Agrarstrukturverbesserungsgesetz diskutieren, indem wir unter anderem auch die Transparenz bei Anteilsverkäufen herstellen müssen. Sie sehen, es ist insgesamt ein Thema, das unsere weitere Aufmerksamkeit hat. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Es gibt eine erneute Wortmeldung von der AfD. Bitte schön, Herr Henke.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Werte Abgeordnete, werte Gäste, mich hat es noch mal nach vorne getrieben, ganz einfach, weil ich mit Landwirtschaft groß geworden bin, als kleiner Junge auf einem Hof. Ich weiß, was das bedeutet, was es für Thüringen bedeutet. Was mir aber ganz wichtig ist: Ich war mit Herrn Ministerpräsident Ramelow im SaaleHolzland-Kreis unterwegs und wir waren dort in dem Agrarunternehmen „Wöllmisse“ Schlöben eG. Dort wurde uns ganz drastisch gezeigt, was es bedeutet, Landwirtschaft in Thüringen zu machen. Und da ist es fünf nach zwölf, weil die Finanzfähigkeit der großen Agrarbetriebe auf der Kippe steht. Und das ist die Schuld der Reglementierung, die

von grüner Seite kommt. Das muss man noch mal ganz klar benennen.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Unsinn!)

Dort wurde uns ganz klar aufgezeigt, was es für sie bedeuten wird, wenn sie ihre Finanzen nicht regeln können, das heißt, ihre Kredite bedienen und vieles andere mehr.

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn wir so weit sind, dass diese Firmen kippen, dann reden wir nicht von 50 Hektar, dann reden wir von mehreren tausend Hektar, die von solchen Firmen übernommen werden, die damit spekulieren. Dagegen müssen wir uns wehren. Und wir müssen es sofort machen und nicht irgendwann. Es ist fünf nach zwölf. Vielen Dank.

(Beifall AfD)