Protokoll der Sitzung vom 01.02.2019

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das ha- be ich alles gesagt!)

Herr Tischner, das ist sehr wohl eine generelle Aussage aus dieser Studie.

(Beifall AfD)

Auch diese Studie sollte uns also eine Motivation sein, den Schulbeginn in Thüringen nach hinten zu

verschieben. Für den Fall, dass der Blick über den Tellerrand, Frau Rothe-Beinlich, Sie jetzt noch nicht überzeugen konnte, möchte ich auch eine Thüringerin zu Wort kommen lassen, nämlich Frau Prof. Weichold, Psychologin an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Sie erklärt, dass die Tatsache, dass Jugendliche später müde werden und später in die Tiefschlafphase kommen, nichts ist, was gesteuert werden kann. Der Schlafrhythmus von Jugendlichen ist den körperlichen Umbauprozessen in der Pubertät geschuldet und kann eben nicht dadurch ausgehebelt werden, dass man eine Stunde früher ins Bett geht.

Auch in diesem Punkt ist sie sich übrigens mit den Forschern aus Seattle einig, die deutlich sagen, dass die Einschlafzeit von Jugendlichen biologisch bestimmt wird, die Weckzeit hingegen sozial.

(Beifall AfD)

Einwenden könnte man – und das haben Sie auch getan – gegen einen generell frühesten Schulbeginn um 8.30 Uhr, dass der Schulbeginn dann eben auch für alle Schulen gilt und die Schulen somit in der Tat nicht mehr vollkommen selbstständig in der Lage sind, zu entscheiden, wann sie beginnen wollen. Das ist also grundsätzlich nicht falsch. Aber es bleibt ja für die Schulen die Autonomie, die Schulzeiten nach 8.30 Uhr beispielsweise versetzt anfangen zu lassen, je nachdem wie das für ihre Schule richtig ist. Eine zentrale Mindestuhrzeitregelung beseitigt auch ein Problem, was andere Bundesländer haben: Wenn die Schulen nämlich nur die Möglichkeit haben, früher anzufangen – was zum Beispiel auch in Niedersachsen der Fall ist –, dann hat das in der Regel einen geringen Effekt, nicht etwa, weil die Schulen ihre Schulbeginnzeit gar nicht nach vorn legen wollen, sondern weil die Abstimmungsprozesse mit dem Stadt- oder Landkreis da sind, dass der öffentliche Nahverkehr angepasst werden muss und dass es dann zu einer anderen Zeit zu einem erhöhten Beförderungsaufkommen durch Schüler kommt. Da sollte der Staat auch zur Seite stehen und da sollten wir eingreifen.

Dann hat noch jemand eingewandt – ich glaube, Sie waren es, Herr Dr. Hartung –, dass die Umstellung gerade auch für Eltern schwierig ist. Das ist doch umso mehr ein Punkt zu sagen, diese schwierigen Umstellungsprozesse, wenn es Probleme gibt, dann greifen wir ein, machen es klar für alle und sorgen dafür, dass die Beförderung zur Schule auch ordentlich geregelt ist.

(Beifall AfD)

Ein weiterer Kritikpunkt könnte sein, dass manche Kinder von der Neuregelung nicht profitieren können, sondern stattdessen im Frühhort betreut wer

den müssten. Das ist natürlich ein Punkt, den wir diskutieren sollten. Für diese Kinder ist aber zumindest zum einen der Vorteil, dass sich die Betreuungszeit am Nachmittag in aller Regel reduzieren würde, weil sie ja den längeren Unterricht haben. Damit kommt es auch nicht zu Mehrkosten, denn es ist für die Kosten vollkommen unerheblich, ob die Kinder im Früh- oder Späthort betreut werden, es ändert sich nur. Aber wenn es um das Wohlergehen der Kinder geht, muss man natürlich sagen: Es wird Kinder geben, deren Eltern ihr Verhalten nicht anpassen können. Aber es ist natürlich auch dann eine Möglichkeit, den „frühen Vögeln“, die schon früher in der Schule sein müssen, dort die Möglichkeit zum selbstständigen Arbeiten zu geben, sodass sie auch gegenüber der jetzigen Nachregelung keine Nachteile hätten.

Einen dritten und letzten möglichen Kritikpunkt möchte ich ansprechen, nämlich die Möglichkeit, dass ein späterer Unterrichtsbeginn nicht beispielsweise durch Kürzen der Mittagspause nach hinten raus auszugleichen ist, die Schüler also länger in der Schule bleiben müssen. Das kann natürlich ein Argument sein, aber man kann natürlich auch von vornherein versuchen, das vernünftig zu planen. Ich glaube nicht, dass das so schlimm ist, wie Sie versucht haben, das darzustellen. Letztlich wird es doch bei vielen Schulen um eine halbe oder Dreiviertelstunde gehen. Für manche Kinder wird sich dann die Hortbetreuung am Nachmittag verlängern, manche werden auch vielleicht tatsächlich etwas später aus der Schule kommen. Man kann zu Maßnahmen greifen, wie zu überlegen, kann ich im Schulalltag irgendetwas straffen, sei es mit der Mittagspause. Es spricht aber aus meiner Sicht auch nichts dagegen, wenn man sich den Tagesablauf ansieht, dass die Kinder einen gut strukturierten Schulablauf haben und dann trotzdem noch ganz normal ihre Freizeitaktivitäten am Nachmittag wahrnehmen können. Die normale Freizeitaktivität fängt frühestens um 16.00 Uhr an, da kann doch dann jedes Kind ganz normal teilnehmen. Und das ist doch auch wichtig.

(Beifall AfD)

Abschließend möchte ich doch auch an Sie als Demokraten appellieren: Machen Sie doch einen Schritt in die richtige Richtung, lassen Sie uns weiter darüber diskutieren – Kritik kann man ja aufnehmen – und überweisen Sie unseren Gesetzentwurf an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Herzlichen Dank.

(Beifall AfD)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Rothe-Beinlich das Wort, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler, es ist ja nun wirklich keine neue Debatte. Als Letzte in einer solchen Debatte ist es sicherlich auch nicht ganz einfach, noch mal ganz neue Dinge zu sagen, denn diese Debatte wird seit Jahrzehnten landauf, landab immer wieder geführt. Manche nennen sie auch die Sommerlochdebatte. Die AfD hat sie jetzt zu Jahresbeginn platziert. Es ist aber auch keine neue Erfindung von ihr. So etwas allerdings eine Schulgesetznovelle zu nennen, ist schon ein bisschen dreist, wenn ich das mal so formulieren darf,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil das Einzige – wie gesagt –, was in dem Gesetzesvorschlag steht, ist, dass die Schule frühestens um 8.30 Uhr beginnen soll.

Ich habe mich natürlich auch noch mal ein bisschen umgeschaut und auch versucht zu erinnern, wie das eigentlich bei mir selbst war und was es für Erfahrungen gibt, denn so einheitlich sind die Studien mitnichten, die es in dieser Frage gibt. Zu mir selbst kann ich sagen: Meine Schule hat um 7.00 Uhr begonnen – das war die EOS „Heinrich Mann“ – und wir haben sogar häufiger noch die nullte Stunde gehabt, die begann dann um 6.10 Uhr. Wir haben durchaus auch mal diskutiert, ob es nicht schöner wäre, etwas später zu beginnen. Es haben sich aber damals alle dagegen ausgesprochen – auch wenn das noch in der DDR gewesen ist –, weil wir gesagt haben, wir haben lieber eher Schluss als noch länger Schule. Genau so wird die Debatte, glaube ich, tatsächlich vielerorts geführt. Außerdem ist die Debatte aus meiner Sicht ein bisschen undifferenziert, wie sie bisher geführt wurde, weil wir schon zwischen jüngeren Schulkindern und älteren Schulkindern unterscheiden müssen, denn da sind die Bedarfe oder Bedürfnisse tatsächlich unterschiedlich. Wenn wir uns nämlich die Studien anschauen, sagen die uns, dass jüngere Schulkinder durchaus leistungsfähiger gerade am frühen Morgen schon sind, dass sich das aber mit zwölf, dreizehn Jahren durchaus verschieben kann und bei Jugendlichen bekanntermaßen – sie gehen einfach oft dann ein bisschen später ins Bett etc. – auch die Leistungskurve am Morgen vielleicht noch nicht so ausgeprägt ist. Doch gibt es auch da Unterschiede, denn ich gehöre zur seltenen Spezies – mein Mitar

(Abg. Muhsal)

beiter kann darüber ein Lied singen –, die sehr gern immer sehr früh beginnen. Das teilen meine Mitarbeiterinnen und Kollegen nicht alle durchweg. So ist es eben auch mit dem Schulbeginn. Es gibt Jugendliche, die das trotzdem gut finden, relativ früh mit der Schule zu beginnen, andere finden es nicht so gut. Was gibt es da Besseres, als zu sagen: Wir haben in Thüringen ein Regularium, was den Schulen selber die Entscheidungsfreiheit gibt, festzulegen, wann der Unterricht beginnt. Das ist eine gute Sache. Im Moment ist allerdings die Praxis so, dass die Lehrerkonferenz darüber entscheidet.

Wir haben ja auch im Moment ein richtiges Schulgesetz in der Debatte. Zu diesem gibt es die große Anhörung am 7. Februar. Im Rahmen dieser Schulgesetzdebatte, finde ich, ist es durchaus eine Überlegung wert, doch darüber nachzudenken, ob wir Schule nicht noch demokratischer machen – über Demokratie an Schule reden wir ohnehin – und uns dafür entscheiden, in unserem Gesetz aufzunehmen, dass künftig die Schulkonferenz darüber entscheidet, das heißt, Schülerinnen, Lehrerinnen und Eltern gemeinsam, wann der richtige Schulbeginn für die einzelne Schule ist. Ich jedenfalls kann mit zentralistischen Vorgaben auch an dieser Stelle sehr wenig anfangen. Ich weiß auch nicht, was der Mehrwert von 8.30 Uhr für alle sein soll.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wie gesagt, gerade für Grundschulkinder ist das, glaube ich, ein relativ später Beginn. Das mag für Ältere besser sein. Aber lassen wir es doch einfach vor Ort entscheiden. Fragen wir doch die Schülerinnen, die Eltern, die Lehrer und geben wir ihnen die Möglichkeit. Das ist gesetzlich schon jetzt möglich. Und wenn die Schulkonferenz das Letztentscheidungsrecht darüber hat, sind alle beteiligt. Dann werden wir mal sehen, was passiert. Denn wenn wir uns anschauen, was passiert ist, wo Schulen bereits darüber abgestimmt haben, ist es überwiegend so, dass sich die Schulen für den Schulbeginn entschieden haben, der auch bis dahin der reguläre war. Der ist bekanntermaßen auch in Thüringen sehr unterschiedlich. Bei unseren Kindern hat die Schule zwischen 7.15 Uhr und 7.45 Uhr begonnen. Da wurde natürlich auch mal gemeckert, manchmal hat man es gut gefunden. Aber das war eben genauso unterschiedlich, wie Kinder unterschiedlich sind und wie auch die sonstigen Bedarfe unterschiedlich sind.

Ich habe trotzdem auch mal über den Tellerrand, sprich über die Landesgrenzen, geschaut. Wie ist es eigentlich in anderen Ländern? In Polen und der Schweiz zum Beispiel beginnt die Schule regulär um 7.30 Uhr, in Finnland und in Spanien hingegen

um 9.00 Uhr. Ich habe erst überlegt, ob es eher die südlichen Länder sind, aber Finnland liegt nun auch mal sehr weit im Norden. Es scheint jedenfalls nichts damit zu tun zu haben. Wenn man danach ginge, welche Länder besonders erfolgreich sind, finden wir auch Länder, die sehr erfolgreich sind in den Bildungsrankings, wo die Schule eher früher beginnt, genauso wie es Länder gibt, wo die Schule später beginnt. Torsten Wolf war ja auf die Studie aus Seattle durchaus eingegangen. Auch die liefert nämlich nicht so eindeutige Belege, sondern sagt ganz klar: Man kann eben nicht genau sagen, welche Faktoren ausschlaggebend für die Ergebnisse beispielsweise in den Verbesserungen im Biologieunterricht gewesen sind. Diese können auch ganz unterschiedliche Ursachen haben. Das allein nur der Uhrzeit zuzuschreiben, ist vielleicht doch ein bisschen verengte Sichtweise.

Im Moment läuft oder lief auch eine bundesweite Petition für einen Schulbeginn um 9.00 Uhr. Bundesweite Petitionen bekommen manchmal ganz viele Unterstützerinnen, zumal, wenn sie über öffentliche Portale beworben und besammelt werden. In dem Fall war es so, dass sich gerade mal 361 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner gefunden haben für diese Petition, die am 7. Januar in diesem Jahr im Petitionsausschuss im Bundestag eingereicht wurde. Dort wird gefordert, den Schulbeginn bundesweit auf 9.00 Uhr zu legen. 361 Leute – das finde ich relativ überschaubar. Ich bin gespannt, wie im Petitionsausschuss des Bundestags darüber diskutiert wird.

Aber ich würde gern wieder nach Thüringen zurückkommen, denn viele Probleme wurden schon, beispielsweise von meinem Kollegen Torsten Wolf, benannt. Wir denken da auch an Angebote in der Freizeit. Wir haben eben nur sehr wenige gebundene Ganztagsschulen, wo ohnehin schon eine Rhythmisierung von Unterricht stattfindet. Aber wir haben ganz viele Kinder und gerade auch Jugendliche, die sich ehrenamtlich engagieren, die die Musikschulen, die Sportvereine, die Feuerwehren etc. gern in Anspruch nehmen. Für derartige Aktivitäten gibt es keinen generellen Beginn von 16.00 Uhr, wie Frau Muhsal meinte, sondern auch das ist sehr unterschiedlich, wie das Leben überall sehr unterschiedlich ist. Hier kann man nicht pauschal sagen, das beginnt jetzt immer 16.00 Uhr. Das ist eben auch nicht so. Lassen wir, wie gesagt, die Kinder, die Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern gemeinsam in den Schulkonferenzen vor Ort entscheiden und dann, glaube ich, kriegen wir einen vernünftigen Schulbeginn, der alle Interessen mit berücksichtigt und der eben nicht einseitig auf eine zentralistische Vorgabe von oben setzt. Dann werden sich natürlich auch die Schulträger danach richten müssen,

weil die ja wiederum für die Schülerverkehre etc. zuständig sind. Ein neues Gesetz – Sie haben es ja gleich Gesetz genannt – brauchen wir dafür ganz bestimmt nicht. Aber über mehr Demokratisierung an Schule werden wir im Rahmen der Schulgesetzgebung ohnehin diskutieren. In diesem Sinne abschließend – ja, das war eine Debatte, die – wie gesagt – aufgegriffen wurde. Die AfD wollte offenkundig auch mal ein anderes Thema setzen. Es ist okay, jetzt haben wir darüber geredet und dann, glaube ich, können die Schulen und die Menschen vor Ort am besten entscheiden, was am besten für die jeweilige Schule ist. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Hartung, Fraktion der SPD, das Wort.

Nur ganz kurz, Frau Muhsal, Sie haben gesagt, man hätte in Zählungen nachgewiesen, eine Stunde späterer Schulbeginn würde 34 Minuten mehr Schlaf bringen. Das nehme ich jetzt mal so zur Kenntnis. Aber Sie haben hier gleichzeitig gesagt, für die Thüringer Schulen reden wir da über vielleicht 15, 20 oder 30 Minuten Veränderung. Das heißt, wir reden über 8, 12 oder 15 Minuten mehr Schlaf. Dafür müssen wir dann im Prinzip, damit es wirklich greift, den ÖPNV völlig umtakten um 15 Minuten, um 20 Minuten – Allein der Aufwand! –, sonst würde es ja nicht greifen. Wenn der ÖPNV genauso fährt wie vorher, nützt der spätere Schulbeginn ja überhaupt nichts. Das heißt, wir müssen alles umstrukturieren, um Jugendlichen möglicherweise die 8 Minuten mehr Schlaf zu gönnen. Ich bin der Überzeugung, dass die Schulen das doch bitte dezentral regeln und wir es nicht zentralistisch vorgeben mit all dem Rattenschwanz hintendran. Ob der tatsächlich etwas bringt, einen Lernerfolg bringt, einen niedrigeren Genuss von Nikotin, koffeinhaltigen Getränken oder anderen psychoaktiven Substanzen: Das halte ich doch eher für ein Gerücht. Lassen Sie es bei den Schulen, lassen Sie es bei den Menschen dezentral. Die sollen ihren Tag doch so regeln können, wie sie es für das Beste und für richtig halten. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Herr Abgeordneter Höcke für die Fraktion der AfD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne, es treibt mich noch mal nach vorne, vor allen Dingen als Vater treibt es mich nach vorne. Erst mal herzlichen Dank für diese erfreulich unideologische Debatte. Es geht tatsächlich um die Gesundheit unserer Kinder, es geht um die Gesundheit der Schüler und da hat Ideologie keinen Platz. Das haben wir heute alle gemeinsam hier gezeigt. Deswegen einfach danke dafür.

(Beifall AfD)

Ich möchte, gerade weil wir heute in angenehm sachlicher Art und Weise argumentieren und uns austauschen, auch mal appellieren, dass dieser Gesetzesänderungsantrag dann vielleicht auch mal an den Ausschuss für Bildung überwiesen wird und wir dort im Sinne unserer Kinder, im Sinne der Gesundheitsförderung unserer Kinder und der Leistungsfähigkeit unserer Kinder weiter argumentieren und uns austauschen können. Das wäre auch, glaube ich, ein wichtiges parlamentarisches Zeichen.

Frau Rothe-Beinlich, ich war trotzdem etwas schockiert, wie herzlos Sie von hier vorne argumentiert haben. Die Empathiefähigkeit in Ihren Ausführungen hat mir deutlich gefehlt. Ich möchte das ganz kurz begründen. Es geht – und das ist auch in Ihre Richtung artikuliert, lieber Herr Dr. Hartung – nicht um ein paar Minuten, über die wir uns hier unterhalten. Es geht tatsächlich manchmal um ganze Stunden, die Kindern genommen werden. Ein konkreter Fall, der sich so ereignet hat und der sich so in Thüringen leider immer wieder ereignet:

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Wenn Sie am Nachmittag erst spät nach Hause kommen!)

Da ist ein kleines Mädchen von zehn Jahren und dieses kleine Mädchen wohnt in einem Dorf, in dem es keine Grundschule gibt, hat aber das Glück, dass im benachbarten Dorf eine Grundschule existiert, kann deswegen um 7.00 Uhr aufstehen, um den Bus um halb acht zu nehmen und dann pünktlich zum Unterrichtsbeginn um 8.00 Uhr im Nachbardorf einzutreffen. Eine Situation, wie sie in Thüringen noch real existiert, eine Situation, mit der man gut leben kann. Und dann kommen die Sommerferien. Nach diesen Sommerferien, sechs Wochen später, muss dieses Mädchen – gerade elf Jahre alt geworden – in eine neue Schule. Und diese neue Schule liegt eben nicht in einem Nachbardorf, sondern diese neue Schule liegt in der Kreisstadt. Es ist das Gymnasium, das sie dann be

(Abg. Rothe-Beinlich)

sucht. Auf einmal muss dieses junge Mädchen von elf Jahren nicht mehr um 7.00 Uhr aufstehen, sondern sie muss um 5.00 Uhr morgens aufstehen, um nämlich den Bus zu nehmen, der um kurz vor sechs abfährt, um mit diesem Bus zum nächsten Bahnhof zu gelangen und dort in den Zug zu steigen, um dann zur nullten Stunde um 7.15 Uhr im Gymnasium der Kreisstadt eintreffen zu können.

Das sind wirkliche Härten. Das zehrt an der Gesundheit unserer Kinder. Das sage ich nicht nur, weil dieses junge Mädchen zufälligerweise meine älteste Tochter ist.

(Beifall AfD)

Ich glaube, wie meiner ältesten Tochter geht es leider vielen Kindern in Thüringen. Ich habe die Befürchtung, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete: Wenn wir die Schulgesetznovelle bekommen, die Sie angedacht haben, und das Schulnetz perspektivisch weiter ausgedünnt wird, dann werden wir diese Situation – unsere Kinder werden zu Leidtragenden werden – leider in Thüringen noch viel häufiger erleben.

Das sei mir am Ende meiner Ausführungen noch gestattet: Beim ersten Elternabend in der neuen Schule thematisierten fast alle Eltern dieses Problem, weil alle Eltern aus dem ländlichen Einzugsbereich kamen. Die Schulleitung sagte den anwesenden Eltern – ich persönlich war nicht zugegen, aber meine Frau hat es mir berichtet –: Ja, wir kennen die Problematik und wir wissen von den Schwierigkeiten. Wir wissen, dass die Kinder morgens müde in die Schule kommen. Wir würden es gern ändern, aber der ÖPNV macht uns einen Strich durch die Rechnung. Die Schulleitung sagte uns Eltern auch, wenn es eine gesetzliche Regelung geben würde – ich bin kein Freund des Zentralismus, aber es gibt manchmal Notwendigkeiten, tatsächlich auch zentral zu steuern –, dann hätten wir eine Argumentationsgrundlage, die uns stark machen und uns die Verhandlungen mit dem ÖPNV auch erleichtern würde. Das ist der Ansatz des Änderungsantrags im Schulgesetz der AfD – ein Ansatz, der eine realistische Aufnahme der Wirklichkeit darstellt und diskussionswürdig ist.

Deswegen bitte ich Sie noch einmal: Überweisen Sie bitte unseren Änderungsantrag zum Schulgesetz an den für Bildung zuständigen Ausschuss. Ich bedanke mich ganz herzlich.

(Beifall AfD)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Herr Abgeordneter Wolf, Fraktion Die Linke.