Protokoll der Sitzung vom 01.02.2019

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie polarisieren!)

gehe ich nicht davon aus, dass diese völlig gleichgeordnete, völlig gleichgestellte Berücksichtigung der Interessen aller Fraktionen dann beim neuen Präsidium Berücksichtigung findet. Insofern, denke ich, verbessert sich hierdurch nichts. Die eigenverantwortliche Leitungsbefugnis des Präsidenten wäre hier aus unserer Sicht der bessere Weg gewesen. Wir werden diesen Geschäftsordnungsänderungsantrag

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch auch gege- ben nach der Verfassung!)

daher auch nicht unterstützen.

(Beifall AfD)

Als weitere Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muss ganz offen und am Anfang sagen, dass ich dieses Mimimi der AfD langsam nicht mehr ertrage.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Möller, Sie sind der Vorsitzende des für die Geschäftsordnung zuständigen Ausschusses. Hier so zu tun, als ob es keinen Sinn hätte, dort etwas zu sagen oder zu tun oder zu lassen, ist ein Schlag ins Gesicht der Arbeit dieses Ausschusses, dem Sie vorsitzen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es sagt mehr über Sie und Ihr Rollenverständnis als alles andere, zumal Sie sich ja durchaus zu Punkten zu Wort melden, die Ihnen wichtig scheinen. Sie hätten sich also gern in die Debatte einbringen können. Außerdem scheint Ihnen die Situation und die Verfasstheit von Thüringen gerade mit Blick auf die Präsidentin nicht annähernd bewusst. Die Stellung der Präsidentin oder des Präsidenten – in dem Falle der Präsidentin – ist eine herausragende und sie ist in der Verfassung festgeschrieben. Dazu kann man stehen, wie man will, es bräuchte aber eine Zweidrittelmehrheit, um diese hohe Stellung der Präsidentin/des Präsidenten in der Verfassung zu hinterfragen oder aber auch nur aufzuweichen. Es gibt in Thüringen kein Kollegialorgan im Sinne eines Vorstands, in dem drei gleichberechtigte Mitglieder sind. Das ist schlichtweg nicht so. Das kann man wollen. Ich gebe zu, wir gehören zu denen, die eher anstreben würden, ein Kollegialorgan an dieser Stelle zu haben, aber die Mehrheiten sind andere, die Situation ist eine andere. Wenn Sie nicht mal das reflektieren, dass die Situation, die Ausgangsbasis eine ganz andere ist, sondern unterstellen, dass die Präsidentin quasi getrieben ist von zwei Vertreterinnen, nämlich ihren Vizes, die zufällig den Koalitionsfraktionen entstammen, dann hat das mit der Lebensrealität nichts, aber auch gar nichts zu tun.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ärgert mich wirklich, sich immer hier vorn hinzustellen und zu jammern, wir sind ja nicht vertre

(Abg. Möller)

ten und wir können ja gar nichts machen. Was soll ich denn da sagen? Ich entstamme der kleinsten Fraktion im Thüringer Landtag – noch. Auch wir sind nicht im Vorstand vertreten und trotzdem haben wir uns selbstverständlich in dieser Debatte zu Wort gemeldet und eingebracht. Wir haben, denke ich, schon entschieden auch und gerade an der Gestaltung der Geschäftsordnung mitgewirkt, so, wie das jede und jeder tun kann, der dies will und der oder die sich tatsächlich einbringt.

Ich möchte jetzt doch noch mal ein paar Sätze zu dem Antrag, der heute vorliegt, sagen. Dieser hat ja einen langen Gang genommen. Wir haben es intensiv diskutiert und wir haben tatsächlich quasi bis zuletzt, faktisch bis gestern Abend, noch gerungen, wie ein Text aussehen kann, der auch dem Rechnung trägt, was bislang immer gelebte Praxis im Landtag gewesen ist. Sie wissen alle, Rot-Rot-Grün hatte diesen Antrag eingebracht. Er war aus den sonstigen Debatten rund um die Geschäftsordnung herausgelöst, weil wir da zunächst keine Einigung mit der CDU-Fraktion erzielen konnten. Bislang war es aber immer so, dass das Ansinnen aller – so nenne ich es jetzt jedenfalls – demokratisch Gesinnten …

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Da fängt es doch schon wieder an!)

Hören Sie mal zu: Wenn Sie bellen oder einen Reflex haben, reagieren zu müssen, wo Sie noch gar nicht gehört haben, wo der Satz hinführt, dann sagt das vielleicht auch noch mal mehr über Sie.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Uns war es wichtig, dass eine Geschäftsordnung möglichst breit getragen wird und dass sie natürlich auch von der Hausspitze mitgetragen werden kann. Deswegen haben wir uns das Ganze nicht leicht gemacht und auch Ihre Änderungswünsche oder Vorschläge abgewogen und bis gestern Abend noch miteinander verhandelt und sind, denke ich, jetzt auch zu einem guten Kompromiss gekommen. Es ist ein Kompromiss von vier Fraktionen in diesem Haus mit der Landtagspräsidentin.

Ich will noch einmal die zwei Punkte benennen, um die es uns maßgeblich geht: zum einen um einen unabhängigen Wissenschaftlichen Dienst im Thüringer Landtag und zum anderen – das ist der zweite wichtige Punkt – darum, die Geschäftsordnung in geschlechtergerechte Sprache zu fassen. Ich will noch einmal betonen, warum ein unabhängiger Wissenschaftlicher Dienst auch die Effizienz parlamentarischer Tätigkeiten stärkt, indem er nämlich erstens die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Parlaments ermöglicht und verbessert, indem

er zweitens die Statusrechte – das sind Frage- und Informationsrechte der Abgeordneten – flankiert, indem er drittens die Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative stärkt und viertens auch eine effektive Opposition gewährleistet. Genau das tut ein unabhängiger Wissenschaftlicher Dienst. Wenn sich dann ausgerechnet die AfD hier vorn hinstellt und so tut, als ob sie benachteiligt wäre und vom Wissenschaftlichen Dienst nicht gleichermaßen bedacht würde, dann, finde ich, ist das auch eine Unterstellung, die man so gegenüber dem Wissenschaftlichen Dienst und denjenigen, die hier arbeiten, nicht im Raum stehen lassen kann.

Ich will aber auch noch eins sagen: Die Diskussion um die Frage einer geschlechtergerechten Sprache sagt ganz viel. Denn Sprache ist Macht und Sprache ist und schafft auch Bewusstsein. Deswegen bin ich froh, dass dies als zweiter wichtiger Punkt in der Änderung enthalten ist. Lassen Sie uns also gemeinsam ein politisches Statement für mehr Geschlechtergerechtigkeit setzen und die Rechte von uns Abgeordneten insgesamt stärken durch die Schaffung eines unabhängigen Wissenschaftlichen Dienstes und eine Geschäftsordnung, die genau das widerspiegelt. Deswegen hoffe ich auf breite Zustimmung. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Möller von der AfD-Fraktion hat sich nochmals zu Wort gemeldet.

Nur kurz als Reaktion auf die Ausführungen von Frau Rothe-Beinlich: Ja, Frau Rothe-Beinlich, Sie sagen zwar zu Recht, dass die Verfassung in dem Punkt, was die Leitungsspitze angeht, kein Kollektivorgan kennt, aber Sie versuchen, eins daraus zu machen. Da brauchen Sie sich nur mal die Beschlussempfehlung durchzulesen, über die jetzt abgestimmt wird.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es wird über den Ände- rungsantrag abgestimmt, darum geht es ja!)

„Die Mitglieder des Wissenschaftlichen Dienstes werden von der Präsidentin beziehungsweise von dem Präsidenten im Einvernehmen mit dem Vorstand bestimmt.“ Da fängt es doch schon an. Sie fangen dadurch eben im Grunde genommen an, den verfassungsrechtlichen Grundsatz, den die Verfassung vorgibt, aufzuweichen und sorgen dafür, dass eine entsprechende Mitbestimmung durch

(Abg. Rothe-Beinlich)

die beiden anderen Präsidiumsmitglieder sichergestellt wird.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Rothe-Beinlich?

Na, von mir aus.

Bitte, Frau Rothe-Beinlich.

Welch Vergnügen! Werter Herr Möller, ist Ihnen die Drucksache 6/6742 zu Drucksache 6/6546, zu Drucksache 6/6174 bekannt? Darin findet sich nämlich die Änderung der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags in der eben vorgetragenen Form und die hat nichts mit dem zu tun, was Sie hier gerade vorgetragen haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich lese gerade aus der Beschlussempfehlung des Ausschusses vor.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist die Änderung da- zu, Herr Möller!)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Als Ausschussvorsitzender ein- fach mal Dokumente lesen!)

Ich habe die gerade hier vorliegen.

Kommen wir noch zu den beiden anderen Punkten. Im Übrigen lerne ich hier nicht die Beschlussvorlagen auswendig. Ich habe die Nummern nicht im Kopf. Da müssen Sie schon konkreter werden.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Anschauen wäre ja schon mal ein erster Schritt!)

Ich habe sie hier vorliegen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, Sie haben die Be- schlussempfehlung dazu!)

Dann wollte ich noch auf zwei weitere Dinge eingehen, nämlich auf Ihre Art und Weise, wie Sie reagiert haben, dass wir hier immer mit Mimimi re

agieren würden und dergleichen. Wissen Sie, wenn wir unsere Erfahrungen mal Revue passieren lassen, die wir gemacht haben schon mit der ersten Geschäftsordnungsreform-Arbeitsgemeinschaft, wo wir durchaus eine Menge Änderungsanträge mit eingebracht haben, die dann, kurz bevor das Ganze ins Plenum eingebracht worden ist, noch mal von Ihnen geändert worden sind, wo Sie den Konsens hergestellt haben – und zwar mit der CDUFraktion –, die von uns eingebrachten Änderungsanträge aber herausgenommen haben, das zeigt doch Ihren Willen zur Ausgrenzung. Genau diese Art und Weise, so wie Sie damals schon umgegangen sind, genau das können wir in der Ausschussarbeit immer erwarten. Das zeigen Sie auch, indem Sie beispielsweise hier wieder Ihren ausgrenzenden Sprachgebrauch pflegen von den sogenannten demokratischen Fraktionen. Wir wissen alle genau, wie Sie das meinen.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich habe nicht von „demo- kratischen Fraktionen“ gesprochen, Herr Möl- ler!)

Sie haben von den „demokratischen Fraktionen“ gesprochen, selbstverständlich.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich habe nicht „Fraktionen“ gesagt, sondern von „demokratisch Gesinn- ten“ gesprochen!)

Dann sollten Sie noch mal im Protokoll nachlesen, was Sie getan haben. Sie selbst haben das beste Beispiel dafür abgegeben, dass Ihnen hier überhaupt nichts an neutraler Amtsführung liegt, sondern an Ausgrenzung. Vor diesem Geist, den Sie und Ihre Koalition immer wieder ausatmen, glauben wir nicht daran, dass die jetzige Geschäftsordnungsänderung in irgendeinem Punkt eine unparteiischere Praxis ermöglicht. Im Gegenteil, es wird wohl eher den Interessen Ihrer Koalition dienen. Deswegen müssen wir es ablehnen.

(Beifall AfD)