meiner Rede zum Landeserziehungsgeld bereits darauf hingewiesen hatte, dass es in der Lebenswelt der Altparteien keine Familienpolitik mehr gibt.
Das Wort „Familienpolitik“ existiert zwar noch und muss als Rechtfertigung für alles Mögliche herhalten, insbesondere für die arbeitsmarktpolitischen Wunschvorstellungen links-grüner Ideologen, doch Politik für Familien, Politik, bei der die Familie im Mittelpunkt steht und die von den Bedürfnissen der Familie aus gedacht wird, verschwindet mehr oder weniger heimlich von der Bildfläche.
Genauso wie die Familienpolitik noch auf dem Papier existiert, aber eigentlich für andere Zwecke herhalten muss, genauso werden andere positive Begriffe von Ihnen genommen und mit anderem Inhalt gefüllt. Wenn Sie beispielsweise das Wort „Toleranz“ nehmen, das von dem lateinischen „tolerare“, was so viel wie „dulden“ und „ertragen“ heißt, abstammt und unter dem man normalerweise versteht, dass man als Einzelner und als Gesellschaft die Meinung und die Lebensweise anderer Menschen, insbesondere wenn sie anders sind als die eigene, duldet, dann verändert sich das Wort „Toleranz“ in Ihrem Mund zum Kampfbegriff gegen Andersdenkende, denen man ihre Meinung verbieten will, weil sie in den eigenen Augen falsch ist.
Gleiches können Sie beispielsweise bei dem Begriff „Flüchtling“ sehen. Ein Flüchtling ist ein Ausländer, der nach dem Asylverfahrensgesetz als Flüchtling anerkannt wurde, weil er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet und den Schutz seines Herkunftslandes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Bei Ihnen, den Linken, ist ein Flüchtling jeder, der legal oder illegal nach Deutschland kommt und in einem Aufnahmelager aufgenommen werden will.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir reden gerade über frühkindliche Bildung, Frau Muhsal!)
Ähnliches tun Sie auch, wenn Sie den Begriff „frühkindliche Bildung“ nehmen und unter diesem Etikett
etwas ganz anderes verkaufen, als man eigentlich vermutet. Wenn Sie „frühkindliche Bildung“ sagen, meinen Sie eigentlich, dass alle Kinder möglichst früh eine Kindertageseinrichtung besuchen sollten.
Das hat für Sie zum einen den Vorteil, dass die Frauen als Arbeitskraft zur Verfügung stehen, und zum anderen, dass sie ihr Verhalten an das von Ihnen gewünschte Rollenmuster, nämlich das der Frau, die sich möglichst wenig von ihrem Mann bzw. dem Vater ihrer Kinder abhängig macht, anpasst. Denn für Sie bedeutet Wahlfreiheit nicht, dass man sich sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen gestaltet, sondern dass man die Entscheidung so trifft, wie Sie es für richtig halten.
Wenn Sie den Begriff „frühkindliche Bildung“ verwenden, geschieht das, weil Sie suggerieren wollen, dass die Familie eben keine natürliche Einheit ist, in der Eltern als Erziehungsberechtigte in aller Regel nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden, was sie für die Entwicklung ihres Kindes als das Beste empfinden. Sie wollen suggerieren, dass die sogenannte frühkindliche Bildung für alle Kinder in der Kindertagesstätte das Beste ist, unabhängig davon, was die Eltern meinen.
Was ist aber für Kinder zwischen null und drei Jahren wichtig? Für Kinder in diesem Alter ist es wichtig, feste Bezugspersonen zu haben, Menschen, die sie lieben und von denen sie geliebt werden, und Menschen, von denen sie aufgrund dieser Bindung lernen können. Nach Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie und anerkannter Fachmann im Bereich der Bindungsforschung, ist es das wachsende Gefühl von Selbstwirksamkeit, das es dem Kind ermöglicht, sich aus der ursprünglichen Abhängigkeit von seinen primären Bezugspersonen zu lösen.
Voraussetzung für diese Entwicklung sind sichere emotionale Beziehungen, die es dem Kind gestatten, sich immer weiter in selbst erkundete und selbst gestaltete Bereiche vorzuwagen.
Wenn dieser Punkt erreicht ist und in welchem Maße man eine Krippenbetreuung für sein Kind in Anspruch nehmen möchte, das ist nach Ansicht der AfD-Fraktion Sache der Eltern und nicht des Staates.
Ich gehe davon aus, dass Sie weiterhin unter dem Deckmantel der frühkindlichen Bildung den Thüringer Eltern ihre Lebensweise vorschreiben wollen. Alles andere ist nicht realistisch. Ansonsten würden Sie unseren Vorschlag, das Landeserziehungsgeld zu einem Familiengeld auszubauen und damit den Eltern die Entscheidung zu überlassen, wie ihre Kinder lernen sollen, unterstützen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, moderne Bildungspolitik und frühkindliche Bildung für alle sind die beiden Hauptattribute der heutigen Aktuellen Stunde. Die SPD fühlt sich beiden Zielsetzungen verpflichtet, denn sie gehört seit Jahren dem Thüringer Landtag an und diese Ziele sind uns sehr wichtig. Wir haben schon in unseren Oppositionsjahren das Konzept für die Thüringer Gemeinschaftsschule erarbeitet. Wir haben den ersten Gesetzentwurf zur Bildungsfreistellung in den Landtag eingebracht. Wir haben frühzeitig Alternativen zur sogenannten Familienoffensive der damaligen CDU-Regierung entwickelt und uns auch jahrelang für den Erhalt der Grundschulhorte eingesetzt.
Vieles von dem, was wir in den Vorjahren konzeptionell erarbeitet haben, konnten wir in der letzten Legislaturperiode in Regierungsverantwortung auch umsetzen. Ich nenne hier für den frühkindlichen Bereich nur die Kita-Reform, die das Bildungsministerium unter Christoph Matschie auf den Weg gebracht hat. Wir haben dabei nicht nur die Betreuung in den Kitas quantitativ und qualitativ deutlich verbessert, sondern auch den Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder ab dem ersten Geburtstag eingeführt und damit eine der modernsten Kita-Gesetzgebungen Deutschlands geschaffen. Diese Ergebnisse sozialdemokratischer Bildungspolitik können sich wahrlich sehen lassen. Dafür möchte ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich Christoph Matschie einmal herzlich danken.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern werden wir nun auf der Basis des bisher Erreichten aufbauen und weitere Weichenstellungen in der frühkindlichen Bildung vornehmen. Dazu zählen der schrittweise Ausbau der Kindertagesstätten zu Eltern-Kind-Zentren, die weitere Stär
kung der Aus- und Weiterbildung der Erzieherinnen und Erzieher, eine zielgenauere Justierung der Kita-Finanzierung des Landes sowie die Einführung eines beitragsfreien Kita-Jahres.
Und natürlich geht es für uns auch um gute Arbeitsbedingungen für die Erzieherinnen und Erzieher und um die Frage, wie das, was die Beschäftigten in den Kitas mit großem Engagement tagtäglich leisten, gesellschaftlich mehr Anerkennung erfährt als bislang. Daher kann ich mit Blick auf den aktuellen Kita-Streik nur Folgendes bekräftigen: Ich weiß natürlich um die finanzielle Situation der Kommunen gerade hier in Thüringen. Ebenso ist mir klar, dass Tarifauseinandersetzungen von beiden Seiten mitunter mit harten Bandagen ausgetragen werden und geraume Zeit andauern. Aus meiner Sicht kann es aber nicht sein, dass die kommunalen Arbeitgeber in mehreren Verhandlungsrunden bislang kein konkretes Angebot auf den Tisch gelegt haben. Das verstehe ich nicht unter Wertschätzung dieser Arbeit. Dieses Pokerspiel zulasten der Beschäftigten muss beendet werden. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich auch vonseiten der CDU-Fraktion an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Erzieherinnen und Erzieher im Freistaat Thüringen für ihre Arbeit, die sie mit unseren Jüngsten leisten. Es ist ganz wichtig, dass man das hier an dieser Stelle auch noch einmal darstellt.
Bei moderner Bildungspolitik dürfen wir natürlich auch nicht die Tradition und Geschichte vergessen. Vor 175 Jahren gründete Friedrich Fröbel den ersten Kindergarten – ein deutsches, ein Thüringer Erfolgsmodell. Da bin ich auch ganz bei dem Vorsitzenden des Fröbel-Kreises, dem Bad Blankenburger Bürgermeister Frank Persike, der eben auch sagt, dass Kindergarten auch wieder Kindergarten genannt werden muss, so wie es in der ganzen Welt auch bekannt ist von Japan bis Südkorea und vielen anderen Ländern.