Protokoll der Sitzung vom 27.05.2015

nicht zu vergessen der Rechtsanspruch auf den Kindergartenplatz. Auch die verschiedenen Förderprogramme im Baubereich und natürlich auch im Bereich Sprache und Integration möchte ich hier erwähnen. Es hat sich in diesen Bereichen eine Menge getan und das muss anerkannt werden. Das bestätigen auch die Zahlen. Zwischen dem ersten und dem dritten Lebensjahr gehen rund 50 Prozent der Kinder in den Kindergarten und im sechsten Lebensjahr sind es fast 100 Prozent.

Die Aktuelle Stunde steht unter dem Thema „Moderne Bildungspolitik jetzt: Frühkindliche Bildung für alle fördern!“. Da muss man aber auch sagen und die Hinweise annehmen, da gab es Kritik vom Kinderschutzbund in Thüringen. Danach wird das von Rot-Rot-Grün geplante gebührenfreie Kindergartenjahr armen Familien kaum etwas nützen. Diese seien von den Kosten ohnehin weitestgehend freigestellt und die Gebührenfreistellung käme vor allem besser verdienenden Familien zugute. So urteilt der Kinderschutzbund über Ihr Vorhaben.

Für die CDU-Fraktion hat die Qualitätssicherung in unseren Kindergärten Priorität. Dabei unterstützen wir durchaus die Aussagen des SPD-Landesvorstandsmitglieds Bettina Löbl. Die Kindergartenleiterin hatte vor einigen Tagen in der „Thüringischen Landeszeitung“ Zweifel an dem von Rot-Rot-Grün geforderten beitragsfreien Kindergartenjahr geäußert und stattdessen die Bedeutung der Qualitätssicherung herausgestellt. Sie sagte: „Was nützen uns beitragsfreie Kitas, wenn darin kein qualifiziertes Fachpersonal mehr arbeitet?“ Das zeigt auch deutlich: Selbst bei den Praktikern in der SPD bestehen erhebliche Zweifel an dem Vorhaben. Ein beitragsfreies Kindergartenjahr, wie es die rot-rot-grüne Landesregierung anstrebt, ist auch mit den derzeitigen finanziellen Mitteln einfach nicht zu stemmen, auch nicht mit dem Geld, was Rot-Rot-Grün mit dem Wegfall des Landeserziehungsgelds einzusparen versucht. Sie waren sich ja noch nicht einmal im Klaren, welches Kindergartenjahr beitragsfrei gestellt werden soll; im Koalitionsvertrag hieß es noch: das erste. Jetzt wird wieder zurückgerudert. Das ist auf jeden Fall wieder ein Kapitel von „versprochen und dann gebrochen“. Außerdem ist den Eltern mit stabilen und verlässlichen Kindergartenbeiträgen über die gesamte Kindergartenzeit mehr geholfen.

Für uns ist das der falsche Weg, den Eltern vorschreiben zu wollen, wie sie ihre Kinder zu erziehen

haben. Die CDU-Fraktion setzt sich für das Thüringer Erziehungsgeld ein, weil es für uns ein Stück konkreter Freiheit und Vielfalt verbürgt. Dabei wollen wir keine Eltern oder Lebenswege gegeneinander ausspielen. Die Linksfraktion grenzt diese Familien aus und die an anderer Stelle gepriesene Toleranz ist auf einmal wie weggeblasen. Wir haben auch in der vorigen Woche erst gesehen, dass Mütter aus verschiedenen Regionen Thüringens hier 3.000 Unterschriften in den Thüringer Landtag gebracht und dem Petitions- und dem Sozialausschuss vorgelegt haben. Auch sind viele Kommunen jetzt schon mit der Finanzierung der bestehenden Kindergärten an ihre Grenzen gestoßen. Die Landesregierung darf diesen Kommunen nicht noch mehr finanzielle Lasten auferlegen.

Die CDU-Fraktion setzt weiter auf familienfreundliche Elternbeiträge in den Thüringer Kommunen, sodass alle Familien die Chance auf Zugang zu frühkindlicher Bildung haben, sowie die Sicherung des Elternwahlrechts und eine transparente Gestaltung der Kindergartenfinanzierung.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit neigt sich dem Ende zu.

Für uns haben der Erhalt der Betreuungsqualität und die Ausfinanzierung dieser Standards Vorrang.

(Beifall CDU, AfD)

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Kowalleck. Nun hat das Wort Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich, Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch mein Dank gilt nicht zu allererst der Linken, die diese Aktuelle Stunde beantragt hat, sondern den Erzieherinnen und Erziehern, den Eltern, den Lehrerinnen und Lehrern, all denen, die sich tagtäglich um unsere Kinder kümmern und die tatsächlich gewährleisten wollen, dass alle Kinder den bestmöglichen Zugang auch zu frühkindlicher Bildung haben. Denn da, lieber Herr Kowalleck, grenzt überhaupt niemand irgendjemanden aus, zumindest nicht von den Koalitionsfraktionen, weil wir es ernst meinen mit Wahlfreiheit. Wir wollen, dass sich tatsächlich frei entschieden werden kann. Allerdings braucht es dann auch gleiche Chancen für alle Kinder und das hat nichts mit Gleichmacherei zu tun. Gleiche Chancen und gleiche Zugänge heißt, die Hürden möglichst nied

(Abg. Kowalleck)

rig zu halten, damit Kinder tatsächlich von Anfang an Teilhabe erfahren – und zwar egal, woher sie kommen, egal, in welchen Familienkonstellationen sie groß werden, und ganz egal, woran sie gegebenenfalls glauben.

Frau Muhsal, gestatten Sie mir nach Ihrer Rede einen Hinweis auf die UNESCO-Erklärung bereits von 1995, eine Erklärung gegen den Rassebegriff, die einstimmig verabschiedet wurde und die schon vor 20 Jahren damit geschlossen hat: Es gibt keinen wissenschaftlichen Grund, den Begriff „Rasse“ für Menschen zu verwenden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn das auch in Zukunft in diesem Hause so bleiben würde, und dafür gibt es eine sehr einschlägige Überschrift, die da lautet: „One race human race“. Ich glaube, die verbindet uns alle, auch in Thüringen und auch wenn sie auf Englisch daherkommt.

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Frau Rothe- Beinlich, das habe ich vorhin nicht gesagt!)

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht in dieser Aktuellen Stunde um frühkindliche Bildung und eine moderne Bildungspolitik. Diese braucht natürlich auch gute Rahmenbedingungen. Dafür ist Politik zuständig, dafür sehen wir uns auch in der Verantwortung. Da geht es um hohe pädagogische Standards. Wir haben einen Bildungsplan von 0 bis 18 Jahre, der sehr ambitioniert ist, der sich sehen lassen kann, der unheimlich viel beinhaltet – Umweltbildung, übrigens auch religiöse Bildung, vielfältige Bildung, Menschenrechtsbildung –, ganz umfassend. Das, wie gesagt, braucht selbstverständlich auch entsprechendes Fachpersonal. Ich erinnere mich noch sehr gut an das Vorhaben aus den Reihen der CDU in der letzten Legislaturperiode, ein Drittel der Erzieherinnen und Erzieher aus Kostengründen doch mal eben durch Sozialassistenten zu ersetzen. So etwas lehnen wir als Koalition jedenfalls ganz klar ab.

(Beifall DIE LINKE)

Gestatten Sie mir an dieser Stelle gewissermaßen eine Solidaritätsadresse an die streikenden Kita-Erzieherinnen. Auch wenn ich weiß, wie schwer das für die Eltern ist, diese Situation unter einen Hut zu bringen, ist uns bewusst, dass Erzieherinnen und Erzieher mitnichten das an Entlohnung bekommen, was sie eigentlich für diese wichtige, ganz zentrale Arbeit verdienen würden. Auch in Thüringen wird immer noch gestreikt. Wir alle wissen, dass sich morgen hoffentlich einer Einigung genähert wird, nämlich in Frankfurt, wo über das weitere Vorgehen beraten wird. Für unsere Erzieherinnen und Erzie

her und auch für unsere Kinder ist es wirklich wünschenswert, dass diese Einigung gelingt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz entscheidend ist aber – und das ist natürlich völlig richtig –, dass Kinder von Anfang an auch den Raum haben, in dem sie Bildung erfahren können. Der kann sehr unterschiedlich gestaltet sein. Mich ärgert immer diese Unterscheidung in die Eltern, die ihre Kinder angeblich in eine Kita abgeben wollen – so heißt es immer so schön – und in die Eltern, die ihre Kinder liebevoll zu Hause erziehen. Unsere vier Töchter waren allesamt in einer Kita und ich behaupte, wir haben sie selbstverständlich trotzdem liebevoll zu Hause erzogen. Kinder existieren nämlich nicht nur in den Stunden, die sie eine Kita besuchen, sondern 24 Stunden am Tag. Ich verwahre mich dagegen, Eltern zu disqualifizieren, weil sie sich so entscheiden, wie sie sich entscheiden, weil sie Beruf und Familie unter einen Hut bringen und weil sie eben gute Qualität in Bildungsinstitutionen für ihre Kinder in Anspruch nehmen. Es war natürlich zu erwarten, dass das Landeserziehungsgeld in dieser Aktuellen Stunde von der CDU einmal mehr vorgetragen wird. Das ist ja auch ein Bollwerk, was sie gewissermaßen vor sich herschieben. Wir wissen jedoch alle, dass Geld leider nur einmal ausgegeben werden kann. Für uns hat da die Qualität guter Bildung Vorrang.

(Unruhe CDU)

Wir wissen alle, dass man vom Landeserziehungsgeld mitnichten leben kann. Das ist also keine Lohnersatzleistung oder Ähnliches, so wie Sie es hier suggerieren. Das ist es eben ganz genau nicht, sondern das war ein ganz klares Angebot an Eltern, die sich bewusst dagegen entscheiden, ihre Kinder in eine Kita zu geben. Das – meinen wir – war ein Fehlanreiz. Wo gibt es denn sonst eine Leistung für eine Nichtinanspruchnahme? Wir haben das hier häufig diskutiert, insofern noch mal unser Plädoyer tatsächlich für echte Wahlfreiheit, dafür, dass es gute und moderne Bildungsangebote für alle Kinder und frühkindliche Bildung für alle Kinder gibt, ganz egal, woher sie kommen. Denn wir wissen, was Hänschen oder aber auch Ayshe nicht lernen, lernen Hans und auch die große Ayshe nicht mehr. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war eine Punktlandung, Frau Abgeordnete, herzlichen Dank. Nun erteile ich das Wort Frau Ministerin Klaubert.

(Abg. Rothe-Beinlich)

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich habe den Thüringer Bildungsplan für Kinder bis zehn Jahre mitgebracht, die erfahrenen Parteien in diesem Hohen Haus werden ihn kennen. Ich würde ihn auch mal in diese Richtung zeigen, weil da auch einige Fragen der Familienpolitik in diesem Lande zur Sprache kommen – ich verweise insbesondere auf die Kapitel „Gestaltung von Übergängen“ oder „Kooperationen mit Eltern – Erziehungspartnerschaft“. Aber weiter will ich darauf erst einmal nicht eingehen, sondern vor dem Hintergrund des Themas der Aktuellen Stunde „Moderne Bildungspolitik jetzt: Frühkindliche Bildung für alle fördern!“ auf eine Studie eingehen, die vor wenigen Tagen, also im Monat Mai, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vorgestellt hat. Dort geht es insbesondere um das Thema „Familie“ und es ist folgendes Ergebnis zu verzeichnen, nämlich, dass jedes fünfte Kind in Deutschland als armutsgefährdet gilt. 2,1 Millionen Kinder unter 15 Jahren wachsen in Deutschland in Familien auf, deren Einkommen unter der Armutsgrenze liegt. Was bedeutet armutsgefährdet? Das ist eben auch die Frage, wie man an familienpolitische Leistungen und an die Gestaltung von Kinder-, Jugend- und Familienpolitik herangeht. Armutsgefährdet bedeutet, dass man zum Beispiel in engen wohnlichen Verhältnissen aufwächst oder dass es schwierig ist, seine Spielkameradinnen und Spielkameraden zum Essen oder zur Geburtstagsfeier einzuladen. Das bedeutet auch, dass vieles, was für andere Kinder normal ist, nämlich gemeinsamer Familienurlaub, ein Wochenendausflug oder ein Internetzugang, nicht selbstverständlich ist. Aufwachsen in Armut bedeutet auch die Einschränkung von Teilhabemöglichkeiten oder eben die Begrenzung der räumlichen oder der sozialen Mobilität. Das ist also – ich betone es noch einmal – ein Befund, der nicht aus irgendeinem Land dieser Welt herrührt, sondern aus einer Untersuchung in Deutschland.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Abgeordnete, ich finde, dass das ein sehr unerträglicher Zustand ist, den wir konstatieren, und dass wir vor diesem Hintergrund eine Herausforderung an die Politik haben, nämlich mit politischer Verantwortung alles zu tun, damit alle Kinder die gleichen Chancen haben, unabhängig von ihrer Herkunft und unabhängig vom sozialen oder materiellen Hintergrund ihrer Familien. Es ist auch festzustellen – und übrigens kann man da auch die Anleihe bei Fröbel nehmen –, gute Bildung ist der beste, der sicherste Weg aus der Armutsfalle. Wir sagen das schon lange, das ist auch in einigen Beiträgen bereits zum Ausdruck gebracht worden. Aber auch hier will ich eine Studie „Kinder. Armut. Familie.“ der Bertelsmann Stiftung zitieren, die in diesem Jahr auf den Markt gekommen ist. Dort heißt es: „Gerade Kinder

aus prekären Lebenslagen brauchen bessere und verlässlichere Zugänge zu guten Bildungsangeboten.“ Je früher wir also Kindern die Zugänge zu diesen Bildungsangeboten eröffnen, desto besser ist es. Denn Bildung fängt weit vor der Schule an, und da bin ich bei dem Titel der Aktuellen Stunde, bei der frühkindlichen Bildung. Dort gute Angebote zu gestalten, heißt, Chancen für die Zukunft zu eröffnen. In der Bertelsmann-Studie, die ich eben zitiert habe, heißt es wiederum: „Gute Kitas“ – es steht leider nicht Kindergärten drin, ich bin übrigens auch eine heftige Verfechterin dieses Begriffs, aber ich kann das ja nur aus dem Zitat herausnehmen – „und (Ganztags-)Schulen […] sind für faire Bildungs- und Teilhabechancen für alle Kinder und Jugendlichen unerlässlich.“ Und, meine Damen und Herren, Kindergärten oder Kindereinrichtungen sind Orte von Bildung und Lernen.

Es ist auch bereits gesagt worden: 2010 ist hier mit großer Einmütigkeit ein Kindertagesstättengesetz beschlossen worden, welches bundesweit tatsächlich eine Vorreiterrolle hat. Aber an dieser Stelle gestatte ich mir einfach noch einmal den Blick darauf, dass es ein breites Volksbegehren vor dieser Gesetzesinitiative gab und dieses sich natürlich auch auf die Ausgestaltung unserer Kindertagesstätten richtete, aber es hieß: „Für eine bessere Familienpolitik [...]“. Wir haben den Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr verankert, bevor es bundesweit Standard wurde, in dieser gesetzlichen Dimension frühkindliche Bildung zu organisieren. Mit dem Gesetz wurde seit 2010 die personelle Ausstattung verbessert. Wenn man zurückblickt, kann man feststellen, dass die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die pädagogische Arbeit in den Thüringer Kindestagesstätten seit 2009 um 40 Prozent gestiegen ist. Ich meine, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Wir haben heute bundesweit eine der besten Kindertagesstättenbesucherquoten. Ich verweise nur darauf, dass bis zum zweiten Lebensjahr rund 60 Prozent der Kinder eine Kindereinrichtung besuchen, 58,9 Prozent exakt, und bei den über Dreijährigen sind es annähernd 100 Prozent, also 97,9 Prozent in diesem Fall in der exakten Zahl. Das heißt also, dass die Eltern in Thüringen den Kindertagesstätten vertrauen, weil sie wissen, dass ihre Kinder hier gute pädagogische Angebote bekommen und dass ihre Kinder nicht nur betreut oder „aufbewahrt“ werden, sondern dass sie gefördert werden. Ich sage auch, ein Teil der Eltern entscheidet sich für die Erziehung ihrer Kinder zu Hause, und sie haben dafür sicherlich auch gute Gründe. In einer demokratischen pluralen Gesellschaft haben Eltern die Wahlfreiheit. Das ist selbstverständlich. Es gibt keine Kita-Pflicht wie die Schulpflicht. Doch es gibt die Pflicht für die Politik, die Kindereinrichtungen im vorschulischen Bereich auszugestalten, und zwar nach den besten Möglichkeiten, nach den besten Erziehungs- und Bil

dungsangeboten für die Kleinsten dieser Gesellschaft. Der Auftrag an die Politik ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag. Aus genau diesem Grunde haben wir in Thüringen auch den vorhin von mir erwähnten Thüringer Bildungsplan erarbeitet. Auch das ist kein „Machwerk“ von irgendwelchen Einzelpersonen, die irgendetwas jenseits der Wirklichkeit durchsetzen wollten, sondern dieser Bildungsplan ist in einem langen Arbeitsprozess entstanden. Dazu gab es Fachbeiräte – die Kollegin Astrid RotheBeinlich ist eben darauf eingegangen –, welche die vielfältigen Erziehungsbereiche in diesem Bildungsplan bearbeiteten. Ich bin übrigens auch sehr froh, dass wir jetzt diesen Bildungsplan bis 18 erweitern können. Am Ende des Monats Juni läuft die Redaktionsfrist aus und wir werden dann als erstes Bundesland einen Bildungsplan 0 bis 18 haben, der tatsächlich die Bildungsgänge von 0 bis zum 18. Lebensjahr, also bis zum Erwachsenenalter, gestaltend vor dem Hintergrund eines sehr modernen Bildungsbegriffs in Thüringen verankern kann.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir haben uns auch entschieden, dass wir mit diesen modernen Erkenntnissen noch viel mehr in der Bundesrepublik Deutschland Werbung machen wollen, damit das, was aus dem „Fröbelland“ – und da bin ich durchaus wieder bei dem, was mehrere Rednerinnen und Redner vor mir gesagt haben –, aus dem Land, in dem der Kindergarten entstanden ist, und aus dem Land, in dem auch diese Gelingensbedingungen für kindliche Bildung und Erziehung entstanden sind, in andere Bundesländer übertragen werden kann.

Nun ist gesagt worden – ich dachte gar nicht, dass das so unmittelbar damit im Zusammenhang steht –, dass mit der Abschaffung des Landeserziehungsgeldes der gesamte Bildungsprozess in Thüringen mit Bezug auf die Wahlfreiheit infrage gestellt wird. Das kann ich nicht erkennen. Ich kann das einfach nicht erkennen, denn eines muss ich auch sagen: Das Landeserziehungsgeld stand von Anfang an in der Kritik. Auch in diesem Hohen Haus ist über das Landeserziehungsgeld lange gesprochen worden.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Und die Mehrheit der Thüringer unterstützt das Lan- deserziehungsgeld!)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wo- her entnehmen Sie denn diese Weisheit? Haben Sie Ihren Nachbarn gefragt?)

Über solche Aussagen möchte ich jetzt nicht spekulieren, was die Mehrheit der Menschen im Lande denkt. Sie beziehen sich auf entsprechende Befragungen in der letzten Zeit. Ich würde Sie aber doch ganz gerne einmal darauf verweisen, dass in zahlreichen wissenschaftlichen Studien sowohl der fa

milienpolitische als auch der bildungspolitische Effekt dieses Landeserziehungsgeldes völlig infrage gestellt wurde. Falls Sie das nicht zur Kenntnis nehmen, verweise ich auf den Landesrechnungshof, der auch wiederum untersucht hat, wofür Steuergelder eingesetzt werden – in diesem Fall das Landeserziehungsgeld –, und zu der Schlussfolgerung kam, dass mit diesem Geld die tatsächlich gewollten und proklamierten Effekte einfach nicht erreicht werden. Das ist keine Einschätzung, die ich mir selbst aus den Fingern gesogen habe, sondern sie ist in wissenschaftlichen Studien nachzulesen und dies ist auch in der entsprechenden Stellungnahme des Landesrechnungshofs nachzulesen.

Vor diesem Hintergrund wiederum hat sich die Koalition übrigens schon während der Koalitionsvereinbarung entschieden, dass dieses Landeserziehungsgeld in Thüringen abgeschafft wird. Dazu haben die Fraktionen einen gemeinsamen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der ist jetzt im parlamentarischen Verfahren. Das ist eine Frage, die letztendlich entschieden wird und die aber auch abzusehen war. Denn das ist keine Heimlichtuerei, die da geschehen ist, sondern es ist eine Position, die wir im Koalitionsvertrag verankert haben und bei der ich insbesondere auch das Familienministerium würdigen kann, welches von Anfang an offen mit dieser Information umgegangen ist und gesagt hat, dass ab einem Zeitpunkt X dieses Geld für das Landeserziehungsgeld nicht mehr zur Verfügung steht. Dann bin ich wieder mit zahlreichen Vorrednern einig, dass wir dieses Geld in eine bessere frühkindliche Bildung stecken wollen. Nun ist wieder kritisiert worden, dass es dazu Überlegensprozesse gibt. Da kann ich wieder sagen: Ja, im Koalitionsvertrag haben wir uns entschieden, ein beitragsfreies Kindertagesstättenjahr zu verankern.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist auch nicht aus Jux und Tollerei entstanden, sondern vor dem Hintergrund, den Kindern unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern, vom Bildungsstand ihrer Eltern, von der Herkunft ihrer Eltern ein Bildungsangebot zu unterbreiten, welches dem Thüringer Bildungsplan folgt und welches in einer Kindereinrichtung ein Angebot unterbreitet, welches dann wieder heißt – um auf die Aktuelle Stunde zurückzukommen –, moderne Bildungspolitik in Thüringen jetzt zu gestalten und frühkindliche Bildung von Anfang an zu fördern. Wir haben immer gesagt: Auf den Anfang kommt es an. Die Möglichkeit des Ausbaus der frühkindlichen Bildung und die Einführung eines beitragsfreien Kindertagesstättenjahrs sind ein Schritt dazu. Ich bitte alle in diesem Haus, am Thema der besseren Ausgestaltung frühkindlicher Bildung mitzuwirken und nicht das eine gegen das andere auszuspielen oder gar von vermeintlichen Mehrheitsmeinungen seine eigene Entscheidung ständig abhängig zu machen. In diesem Sin

(Ministerin Dr. Klaubert)

ne: Auf den Anfang kommt es an! Lassen Sie es uns gemeinsam schaffen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Frau Ministerin. Durch den Redebeitrag der Landesregierung ergeben sich noch weitere Redezeiten für die Fraktionen. Ich sehe eine Wortmeldung von Frau Abgeordneter Muhsal, AfD-Fraktion. Sie haben insgesamt 2 Minuten und 10 Sekunden.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Nicht schon wieder die!)

Vielen Dank, Herr Präsident. Zwei Dinge habe ich. Frau Rothe-Beinlich, ich wollte auf Ihre Einlassung eingehen, die vielleicht zeigt, dass Sie gar nicht wissen, was ein Flüchtling ist. Ich habe aus dem Asylverfahrensgesetz zitiert. Ich lese Ihnen das noch mal vor. § 3 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz sagt: „Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge […], wenn er sich 1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität“ usw. –

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir reden über frühkindli- che Bildung, Frau Muhsal!)