Protokoll der Sitzung vom 28.03.2019

geplant. Diese Zahlungen können nur durch eine entsprechende Entschädigung abgelöst werden. Die Frage ist, ob das zweckmäßig ist, denn die Ablösung müsste so ausfallen, dass die Kirchen die erwähnten Vermögenserträge daraus erzielen könnten. Formal müsste der Bund zunächst ein entsprechendes Grundsätzegesetz erlassen. Es wäre landesrechtlich dann ebenfalls zu konkretisieren.

Der Vorstoß von Ministerpräsident Ramelow ist hinsichtlich der Einführung einer Kultursteuer unserer Meinung nach völlig abwegig. Er ruiniert das bewährte Religionsverfassungsrecht, brummt allen Bürgern eine zusätzliche Steuer auf und gefährdet die geordnete Finanzierung der Kirchen durch ihre Mitglieder. Besonders befremdlich ist, dass damit ein Systemwechsel verbunden ist, weg von der Mitgliederfinanzierung der Kirchen hin zu einer Staatsfinanzierung von Religionsgemeinschaften. Das Ausgangsmotiv, auf diese Weise die Finanzierung von Moscheegemeinden zu erleichtern, treibt das Ganze noch auf die Spitze. Der begrenzte und anders zu erfüllende Zweck und das gewählte Mittel stehen in einem Missverhältnis. Eine Ablösung der Staatsleistung lehnen wir ab. Wir meinen, dass Thüringen mit einer Summe zwischen einer halben und einer Milliarde Euro wahrlich Besseres anfangen könnte, als Staatsleistungen abzulösen. Der Thüringer Landtag sollte an dieser Stelle klarstellen, dass er diese Irrfahrt nicht mitmachen wird, und unserem Antrag zustimmen.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion der SPD hat Abgeordnete Marx das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich fange mal mit dem allerletzten Absatz Ihres Antrags an. Da steht: „Insgesamt bedürfen die zahlreichen, durch den Ministerpräsidenten mit dem erwähnten Interview aufgeworfenen, Fragen einer dringenden Erörterung im Landtag.“ Das ist falsch, denn die Landesregierung beschäftigt sich mit dem Thema überhaupt nicht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich meine, er kann doch Ideen entwickeln, in die Zukunft gerichtete, aber natürlich nicht geltendes Recht außer Kraft setzen. Das hat er sozusagen gar nicht in der Hand. Das macht er nicht und es gibt keinerlei Initiativen und keinerlei Diskussionen

in der Landesregierung darüber und auch nicht von den die Landesregierung tragenden Parteien.

Herr Minister Hoff hat zu Recht vorhin darauf hingewiesen, dass – wir haben ja im vorherigen Tagesordnungspunkt oder zwei Tagesordnungspunkte vorher, also vorher die Frauen übernommen hatten – ihr letzter männlicher Ministerpräsident, Herr Althaus, ja auch so ein Steckenpferd hatte. Das war das bedingungslose Grundeinkommen. Aber was der Kollege Hoff nicht erwähnt hat …

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Das Bürgergeld, nicht das BGE!)

Das Bürgergeld – aber das ging scharf in die Richtung.

Aber was der Kollege Hoff nicht erwähnt hat, weil er das wahrscheinlich gar nicht weiß, weil er ja da noch nicht hier war, dass der Herr Althaus nicht nur dieses Steckenpferd hatte, sondern er hatte dazu eine Stabsstelle in der Staatskanzlei eingerichtet, sozusagen einen Beamten beschäftigt, eine Stelle geschaffen, ein Büro. Und trotzdem haben wir hier im Landtag darauf verzichtet, ihn ständig zur Rede zu stellen, was er mit seinem Steckenpferdchen macht. Wir haben allerdings in den Haushaltsberatungen immer gefragt, ob das denn so richtig sein kann, dass einer für eine private Idee Stellen schafft. Das hat unser Ministerpräsident aber bisher auch noch nicht gemacht. Und deswegen weiß ich nicht, was das Ganze hier soll. Wir hatten bereits eine Aktuelle Stunde und da haben alle die Koalition tragenden Parteien auch schon erzählt, dass wir hier weder die Absicht noch die Möglichkeit haben, an geltenden Staatsverträgen irgendwas zu ändern, und auch keine Lust dazu. Deswegen müssen wir vielleicht zu dieser späten Stunde nicht über in die Zukunft gerichtete Modelle zu einer möglichen Ablösung von alten Verpflichtungen reden oder zu behandelnden Ideen des Ministerpräsidenten uns hier lange irgendwie Erörterungen führen. Also ich habe auch noch mal geschaut in dem Protokoll der Aktuellen Stunde davon – es hat sich doch da nicht viel Neues dazu ergeben. Wie gesagt, also mit der Auskunft von Minister Hoff, dass es nicht Gegenstand irgendwelcher Handlungen der Landesregierung ist, erübrigt sich auch hier die Stellungnahme zu privaten Aktivitäten und Vorstellungen von in die Zukunft gerichteten Denkanregungen des Ministerpräsidenten. Das haben wir nie gemacht und damit brauchen wir auch nicht weiter anfangen. Wir haben hier genug Sacharbeit zu leisten zu Dingen, mit denen wir uns hier tatsächlich beschäftigen. Es stehen noch ein paar mehr auf der Tagesordnung. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen baldigen erholsamen Abend und dass wir

(Abg. Kowalleck)

hier morgen frisch an unser eigentliches Tagwerk gehen können.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die Fraktion der AfD hat Abgeordnete Herold das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Besucher auf der Tribüne und im Internet! Als wir im Januar hier über die Einlassung des Ministerpräsidenten in Sachen Abschaffung der Kirchensteuer und Einführung einer von allen Steuerzahlern zu entrichtenden sogenannten Kultursteuer debattiert haben, da sprach die Kollegin Mitteldorf von Luftschlössern,

(Zwischenruf Abg. Mitteldorf, DIE LINKE: Ja, das ist es auch!)

die wir hier behandeln würden. Nun, der Ministerpräsident – leider ist er abwesend – findet offensichtlich einen gewissen Gefallen an Luftschlössern, denn er hatte den Vorschlag, man könne das System der Kirchensteuer durch eine allgemeine Kultursteuer ersetzen, jüngst in einem Interview wiederholt.

Es gibt nun bestimmt, wie wir alle wissen, keine konkreten Planungen der Landesregierung in diese Richtung. Ohnehin ist das Land Thüringen für die Kirchensteuer gar nicht zuständig, weil es sich um Bundesrecht handelt. Es gibt also keine konkreten Planungen, aber man sieht die Einlassungen des Herrn Ministerpräsidenten doch unschwer als einen Beitrag oder eine Methode aus dem Baukasten „steter Tropfen höhlt den Stein“. Es geht ihm darum, mittelfristig zu einem Steuersystem zu kommen, das der multikulturellen Gesellschaft entspricht, die sich Linke und Grüne herbeisehnen.

Es soll ein Steuersystem sein, das die spezifische historische Gestalt unseres verfassungsrechtlich fundierten Staatskirchenrechts und damit auch die Prägung unseres Gemeinwesens durch das Christentum hinter sich lässt. Verkauft wird das vom Ministerpräsidenten mit dem Hinweis, eine Kultursteuer bedeute eine Egalisierung, eine steuerpolitische Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften. Und das heißt, dass islamische Gemeinden den Kirchen gleichgestellt würden bzw. umgekehrt die traditionell in Deutschland verankerten evangelischen und katholischen Kirchen den islamischen Gemeinden. Darum geht es.

Bezeichnenderweise hat Minister Hoff in einem Artikel, den er zusammen mit einer Mitarbeiterin seines Ministeriums verfasst hat, gerade diesen Zusammenhang betont. Es gehe jetzt darum, Modelle zu entwerfen, um mit der – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin – „Notwendigkeit eines säkular eingebetteten muslimischen Glaubens umzugehen“. Notwendigkeit, das klingt doch irgendwie nach Marx und seinen historischen Notwendigkeiten. Und die Steigerungsform von notwendig ist alternativlos.

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, daher weht der Wind, das müssen wir uns mal vor Augen führen. Für die von unseren Regierungsrepräsentanten identifizierte Notwendigkeit eines säkular eingebetteten muslimischen Glaubens ist man selbstredend bereit, unsere Verfassungsordnung auf den Kopf zu stellen. Nicht bedacht haben die Akteure dieser Vorstöße dabei, ob die muslimischen Gemeinden überhaupt in unsere Gesellschaft eingebettet werden wollen. Nicht zufällig hat also der Ministerpräsident seine Ideen just zu dem Zeitpunkt in die Debatte gestreut, als das Thema „Moscheesteuer“ aufflackerte. Es geht dem Ministerpräsidenten um die staatliche Finanzierung von Moscheen.

Schauen wir uns dieses Modell einer Kultursteuer einmal an. Zunächst einmal handelt es sich um eine allgemeine und zusätzliche Steuer. Während die Kirchensteuer nur von denjenigen bezahlt wird, die das wollen, weil sie freiwillig in einer Kirche Mitglied sind, wird die Kultursteuer von allen aufgebracht, auch von den Konfessionslosen. Die Einnahmen aus der Steuer sollen dann diversen kulturellen Institutionen zugutekommen. Dazu gehören nach der Vorstellung des Ministerpräsidenten durchaus auch die christlichen Kirchen, aber insbesondere auch Moscheeorganisationen. Im Endeffekt wäre eine solche Kultursteuer – wobei ich diesen Begriff für einen blanken Euphemismus halte – quasi ein Zwangsbeitrag oder eine Zwangsspende für religiöse oder kulturelle Institutionen.

Mit Blick auf die Finanzierung oder die angedachte Finanzierung der Moscheen wird auch behauptet, dass durch die Finanzierung der Moscheen aus der Hand des Staats auf dem Wege der Kultursteuer die bisher übliche Finanzierung durch ausländische Regierungen und die entsprechenden Abhängigkeiten ersetzt werden könnte. Dazu möchte ich sagen: Das ist reinstes Wunschdenken und der Bau von Luftschlössern.

(Beifall AfD)

Keine ausländische Regierung, keine ausländische Behörde wie die DITIB lässt sich ein solches

(Abg. Marx)

Machtmittel aus der Hand nehmen, um hier auf dem Wege über Geld an Einfluss und innenpolitische Macht zu kommen. Und die Moscheen, die solcher Art begünstigten, werden den doppelten Geldsegen natürlich gern mit Kusshand annehmen. Das Geld würde natürlich auch weiterhin aus den entsprechenden Ländern und aus den entsprechenden Einflusssphären den hier ansässigen interessengeleiteten Vereinen und Gemeinden zufließen.

Bei der Rede von der Kultursteuer verweist der Ministerpräsident vor allem auch auf Italien, wo es eine solche Kultursteuer in der Tat gibt. Begünstigte dieser Steuereinnahme sind in Italien diverse christliche Kirchen und Denominationen, außerdem auch etwa Hindus und Buddhisten. Aber muslimische Organisationen werden auffälligerweise gerade nicht aus dieser Steuer finanziert. Da kann sich der Herr Ministerpräsident mal fragen, warum das so ist.

Überhaupt – Italien: Herr Ramelow suggeriert, dass in Italien jeder Steuerzahler selbst bestimmen könne, wer die 0,8 Prozent seiner Kultursteuer bekommt. Diese Behauptung wird ja auch im CDUAntrag aufgegriffen, das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Der italienische Steuerzahler bestimmt eben nicht, wohin sein Geld geht. Das bestimmt natürlich, wie in jedem zivilisierten Land, auch in Italien der Staat. Erstens wird per Gesetz festgelegt, welche Institutionen überhaupt begünstigt werden können und zweitens können die Steuerzahler zwar angeben, wen sie begünstigen möchten, wohin ihr Geld aber tatsächlich fließt, wird aus einer Gesamtbetrachtung wiederum von den staatlichen Behörden ermittelt.

Verfolgt man das Kultursteuermodell näher, gelangt man schließlich zu dem Ergebnis, dass dieses Modell ganz und gar nicht in den Kontext der deutschen Staatsordnung passt. Die verfassungsrechtlichen und historischen Gegebenheiten in Deutschland sind derart, dass sich ein solches Modell allenfalls unter größten Umbauaktionen realisieren ließe. Nicht nur müsste das Religionsverfassungsrecht des Grundgesetzes auf den Kopf gestellt werden, sondern auch das Steuerrecht müsste neu geordnet werden. Das wären radikale Reformen, die auf ein anderes Gemeinwesen abzielen. So etwas mag zwar Ihrem linken Geschmack entsprechen, für uns alle anderen sind das aber allenfalls Luftschlösser.

(Beifall AfD)

Und da halte ich an dieser Stelle fest, dass die Beseitigung unseres Kirchensteuersystems und unseres Religionsverfassungsrechts nicht auf der Tagesordnung steht und das auch in Zukunft nicht soll. Der Vorschlag einer Kultursteuer ist in den Augen

der AfD-Fraktion nicht hilfreich. Insofern können wir dem CDU-Antrag auch durchaus beipflichten.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Jung?

Kleinen Moment, am Ende, Frau Präsidentin.

Einen anderen Aspekt des CDU-Antrags sehen wir allerdings skeptischer. Über die Leistungen des Staats an die Kirchen, die sich aus historisch begründeten und rechtlich vereinbarten Verpflichtungen ergeben, sollte durchaus einmal diskutiert werden. Insoweit liegt der Ministerpräsident in seinem Interview gar nicht so sehr daneben. In der Sache geht es hier vor allem um Schadenersatz oder um Ausgleich entgangenen Gewinns infolge historischer Vorgänge, die zu einem großen Teil bereits 200 und mehr Jahre zurückliegen. Auch wir in der AfD-Fraktion halten es für fraglich, ob noch nach Jahrhunderten Ersatzleistungen für verlorenes Kircheneigentum oder geldwerte Rechte aus dem Staatshaushalt gezahlt werden müssen. Man kann durchaus hinterfragen, ob die Verluste

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Mitglieder der Kirche selbst!)

tatsächlich so hoch waren, dass solche Leistungen heute noch gerechtfertigt oder angemessen sind. Das muss man auch vor dem Hintergrund der sonst in Deutschland üblichen Praxis des Schadenersatzausgleichs sehen. Wir sind daher der Auffassung, dass diese Staatsleistungen an die Kirchen jenseits der Kirchensteuern einmal im Einzelnen geprüft werden sollten. Der diesbezügliche Tenor des CDUAntrags, dass diese Zahlungen für alle Zeiten zu leisten wären und dass die entsprechenden Regelungen in Stein gemeißelt seien, geht uns jedenfalls zu weit. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie wollten doch noch eine Frage beantworten!)

Sie wollten noch eine Frage beantworten, Frau Kollegin Herold.

Bitte sehr.

Frau Herold, Sie waren ja am Dienstag bei dem Gesprächsforum mit anwesend. Ich habe mich gemeldet bei Ihrem Satz, dass Sie überhaupt keinen Bedarf der Diskussion sehen. Stimmen Sie mir zu, dass dieses Gesprächsforum genau anders abgelaufen ist, dass gerade die Kirchenmitglieder, die Pfarrer durchaus signalisiert haben, dass es auch Zeit ist, in der Diskussion über Kirchensteuer über das System zu diskutieren? Es ging nicht um Abschaffen, es ging um die Diskussion. Stimmen Sie mir da zu, dass dieses Forum genau in diesem Kontext abgelaufen ist?

Wenn ich den Vortragenden, den Oberkirchenrat aus München, richtig verstanden habe, dann hat er dargelegt, dass dieses System bewährt ist und dass es auf verfassungsrechtlichen Säulen ruht, an denen wir möglichst nicht rütteln sollten, auch aus grundsätzlichen Erwägungen heraus. Was natürlich auch in dem Vortrag zur Sprache kam war, dass die Kirchen durchaus bereit wären, unter gewissen Voraussetzungen über die Folgen des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 zu sprechen – allerdings erst dann, wenn sich die Verhandlungspartner in das sogenannte freundliche Benehmen gesetzt hätten. Das ist eine Frage, die wir natürlich auch gern einmal aufgreifen werden, aber nur zusammen mit den Vertretern der großen Kirchen in Deutschland. Darüber besteht Gesprächsbedarf und ansonsten haben die Kirchen ein vitales Interesse daran, auch aus verfassungsrechtlichen Gründen, aber auch aus finanziellen Gründen, dass das alles, so wie es bisher gut geregelt und organisiert war, auch so bleibt.

(Beifall AfD)

Als nächster Rednerin erteile ich Frau Abgeordneter Rothe-Beinlich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich frage mich, ob es überhaupt noch irgendeinen Landtag in Deutschland gibt, der so intensiv über Tagebucheinträge eines durchaus prominenten Regierungsmitglieds diskutiert.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)