Protokoll der Sitzung vom 29.03.2019

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das hat mit guter parlamentarischer Praxis nichts, und zwar gar nichts zu tun, lieber Herr Geibert.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Das war doch weit weg von einem sachlichen Bei- trag!)

Für die Fraktion der AfD hat Abgeordneter Rudy das Wort.

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Das war doch nur subjektive Wertung!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Zuhörer! Bevor ich in die inhaltliche Diskussion einsteige, sei mir eine grundsätzliche Bemerkung erlaubt. Der hier diskutierte und untersuchte Fall ist in unseren Augen so eindeutig, dass es nicht eines Untersuchungsausschusses gebraucht hätte, um das Fehlverhalten eines Justizministers und einer Bildungsministerin offenzulegen.

(Beifall AfD)

Die dafür notwendigen 300.000 Euro an Steuergeldern hätten gut eingespart werden können.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Immer noch weniger als das, was Ihre Frak- tion kostet!)

Ja, unsere Fraktion ist ja auch zu etwas nützlich, aber dieser Ausschuss –.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Was jetzt ge- nau?)

Vor zehn Jahren hätte ein solches Verhalten dazu geführt, dass der Justizminister und die Bildungsministerin ihren Hut freiwillig genommen hätten, und das wäre so okay gewesen. Aber die Zeiten haben sich geändert, eine persönliche Größe, wie sie früher selbstverständlich war, ist es heute offenbar nicht mehr. Und um dem Ganzen jetzt noch die Krone aufzusetzen, versuchen die Koalitionsfraktio

(Abg. Rothe-Beinlich)

nen nun noch den Schwarzen Peter den Beamten und Angestellten des Ministeriums zuzuschieben.

(Beifall AfD)

Dieses Verhalten ist unredlich und zeigt einmal mehr, in welchem Stadium des persönlichen und politischen Zerfalls sich Rot-Rot-Grün befindet.

(Beifall AfD)

(Unruhe DIE LINKE)

Statt persönlich die Verantwortung zu übernehmen, zeigt man lieber mit dem Finger auf andere und sagt: „Die waren es, ich konnte ja nicht anders.“ Dabei hatte es die Hausleitung jederzeit in der Hand zu entscheiden, dass N. L. die BLF nachholen müsse bzw. bis zum Ableisten dieser nicht versetzt wird.

Aber fassen wir mal zusammen, welche Erkenntnisse wir in den letzten zwei Jahren in diesem UA gewonnen haben. Erstens wurde akribisch darauf geachtet, dass die Persönlichkeitsrechte von N. L., denn er wurde so immer im UA genannt, also ich sage den Namen nicht, gewahrt blieben. Das hätte auch funktioniert, hätte der Ministerpräsident in einem dilettantischen Tweet nicht den vollständigen Namen genannt. Insofern muss man sich bei N. L. für einen solchen Ministerpräsidenten schon entschuldigen.

Den Mitgliedern des UA wird auch sicher in Erinnerung bleiben, dass die meisten Zeugen, die man geladen hat, nichts aussagen konnten, da sie mit dem Vorgang überhaupt nicht belastet waren oder befasst waren. Ein Highlight dieses UA war die Situation, als die ehemalige Bildungsministerin Klaubert vernommen wurde und man ihr im Nachgang riet, einen Rechtsbeistand zu konsultieren.

Das Beste zuletzt waren immer wieder die Aussagen eines Schulamtsleiters, der manchmal nicht nur nicht wusste, wo er überhaupt ist, geschweige denn, dass das Bildungsministerium einen Aktenplan hat und er diesen auch führen muss. Dieses Paradebeispiel

(Beifall AfD)

an deutscher Gründlichkeit ist wohl der Hauptgrund, warum bestimmte Vermerke oder Akten zum Fall N. L. nie wieder auftauchen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das, was ich in den letzten zwei Jahren erleben musste, steht in keinem Verhältnis zu den Kosten, die dem Steuerzahler durch diesen Untersuchungsausschuss entstanden sind.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Was denken Sie, wie es mir seit 2014 geht?)

Ja, der Untersuchungsausschuss 6/1 ist genau das Gleiche.

Ich möchte es noch einmal wiederholen. Hätte der Justizminister die persönliche Größe gehabt, seinen Fehler einzugestehen und zurückzutreten, wäre uns all dies erspart geblieben.

(Beifall AfD)

Es kann natürlich auch sein, dass die Grünen diese Frage zur Koalitionsfrage gemacht haben, entweder der Justizminister bleibt im Amt oder Rot-RotGrün ist Geschichte. Wir wissen es nicht; wir denken es vielleicht – aber okay, ist in Ordnung. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Blödsinn!)

Für die Fraktion der SPD hat Abgeordneter Warnecke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste auf der Tribüne und am Livestream! Vorab möchte ich noch ein Wort zu Herrn Rudy sagen. Es ist immer das gute Recht der Opposition, einen Untersuchungsausschuss als parlamentarisches Mittel einzusetzen, und nie eine Geldverschwendung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor uns liegt der fast 500 Seiten umfassende Zwischenbericht des Untersuchungsausschusses 6/3. Dieser Ausschuss untersucht seit zweieinhalb Jahren ein mögliches Fehlverhalten der Thüringer Landesregierung in der sogenannten Lauinger-Affäre. Zum Ausschuss und der bisherigen Arbeit hat der Ausschussvorsitzende bereits umfangreich Stellung genommen. Es ist hier deutlich geworden, dass der Bescheid der Schule das entscheidende Dokument in der bisherigen Untersuchung ist. Grund für mich genug, auf dieses Dokument und auf den Umgang damit detaillierter einzugehen.

Bevor ich auf die inhaltlichen Punkte eingehe, möchte ich eine Tatsache betonen, die mir in den letzten Wochen bei der Berichterstattung über unsere Arbeit immer mal wieder zu kurz kam. Während wir den Zwischenbericht gefertigt haben, hat die Aufklärungsarbeit des Ausschusses parallel dazu stattgefunden. Wir haben seit der Beschlussfassung der Erstellung des Zwischenberichts im Au

(Abg. Rudy)

gust 2018 sieben weitere Sitzungen durchgeführt und weiter gearbeitet.

Nun zum Bescheid: Nachdem am 11. Dezember 2015 Frau Lauinger die Belehrung unter dem Bescheid der Schule unterschrieben hatte, war für sie klar, dass der Sohn der Familie ruhigen Gewissens eine Sprachreise antreten kann. Der Bescheid war das Ergebnis von Anträgen und Beratungen, Abwägungen und Entscheidungen, ein bürokratischer Prozess, den die meisten von uns aus eigener Erfahrung heraus kennen. Aufgrund eines konkreten Anliegens wendet man sich als Bürger an ein Amt oder eine Behörde, trägt dort sein Anliegen vor und nach einer Prüfung wird das Anliegen positiv oder negativ beschieden. Am Ende dieses Verfahrens haben Bürger eine Antwort schriftlich in der Hand, eine Antwort, nach der sie sich richten können oder müssen. Der Inhalt eines Bescheides ist entweder unerfreulich, etwa beim Bußgeldbescheid wegen zu schnellen Fahrens, oder er ist erfreulich, wenn zum Beispiel der Wunsch des Kindes realisiert werden kann, indem es – beruhend auf einer Entscheidung – ins Ausland fliegen kann und dort die Schule besuchen darf.

Der Bescheid, um den es hier im Speziellen geht, umfasst gerade mal eine DIN-A4-Seite. Er enthält, wie es sich für ein offizielles Dokument gehört, einen Briefkopf der Schule, einen klaren Inhalt, zu dem ich gleich noch was sagen werde, und die Unterschrift des Schulleiters. Außerdem beinhaltet dieser Bescheid eine Belehrung, die die Kenntnisnahme der Durchführungsbestimmung zur Thüringer Oberstufe – Artikel 13 Abs. 3 – bestätigen soll. In diesem Absatz 3 wird unter anderem darauf hingewiesen, dass ein Schüler, der aufgrund dieser Regelung in die 11. Klassenstufe versetzt wird, keinen dem Realschulabschluss vergleichbaren Abschluss erhält. Der Bescheid bestätigt der Familie, dass die Klassenkonferenz dem Auslandsaufenthalt einstimmig zugestimmt habe. Es erfolgt die Belehrung über den potenziell fehlenden Realschulabschluss nach der Klasse 10. Im Anschluss wird der entsprechende Absatz aus der Durchführungsbestimmung zitiert, mit der einen Anpassung, dass nicht wie im originalen Text von einem ganzjährigen Auslandsaufenthalt die Rede ist, sondern nur von einem längeren Auslandsaufenthalt.

Die Ersteller des Bescheids – das waren der Schuldirektor und einer seiner Mitarbeiter – gaben im Untersuchungsausschuss dazu an, dass sie die Formulierung auf die ihnen tatsächlich vorliegende Situation angepasst hätten. Beide Zeugen schätzten dies im Nachhinein als unglücklich ein, betonen aber, dass der Sinn der Regelung dadurch nicht geändert wurde und die Antwort des Staatlichen

Schulamts so wiedergebe. Tatsächlich ist erkennbar, dass sich der Inhalt des Bescheids an der Antwort des Schulamts auf die Nachfrage der Schule orientierte.

Dabei teilt der Ausschuss die Auffassung, dass die Anfrage der Schule inhaltlich mangelhaft und nicht ausreichend bestimmt war und somit auch die Antwort des Schulamtes nicht als Anweisung, sondern eher als Empfehlung gewertet werden sollte. Entscheidend ist aber, dass es fortan ein Dokument gab, das sowohl für die Schule als auch für Familie zunächst Handlungssicherheit bedeutete.

Dieser Bescheid, fehlerhaft in seiner Entstehung, aber bestandskräftig in seiner Wirkung, beschäftigte uns eine ganze Zeit im Ausschuss. Dabei war es bereits schwierig, sich auf eine gemeinsame Bezeichnung zu einigen. Ist es nun ein Bescheid, ein bescheidähnliches Schreiben oder eine Mischform aus Bescheid und Zusicherung? Wir werten das Schreiben der Schule als Bescheid, da es in seiner Funktion und seiner Wirkung ein bestandskräftiger Verwaltungsakt ist. Allein die unterschiedlichen Bezeichnungen implizieren bereits, dass es verschiedene Auslegungen dieses Dokuments und daraus resultierend auch unterschiedliche rechtliche Einschätzungen geben könnte.

Um diesen wichtigen Punkt zu untersuchen, haben die Koalitionsfraktionen eigens einen Antrag in die Arbeit des Ausschusses eingebracht, der sich mit der Frage der Rechtsnatur des Bescheids befasste. Wir haben Juristen des Schulministeriums und des Staatlichen Schulamts dazu befragt, wie sie den Bescheid bewerten und welche Wirkung dieser entfalten könnte. Im Ergebnis folgte der Ausschuss den gehörten Juristen, dass der Bescheid als bestandskräftiger Verwaltungsakt seine Wirkung entfalte und dass die Bürger sich auf die Wirkung dieses Bescheids verlassen können müssten. Besonders die Juristen des Bildungsministeriums betonten das rechtswidrige Zustandekommen des Bescheids, da das Schulgesetz keine Ausnahme von der Teilnahme einer Besonderen Leistungsfeststellung vorsehe.

Eine erste Einschätzung der Rechtsnatur des Bescheids durch die Bediensteten des Bildungsministerium fand am 12. Mai 2016 statt. Aufgrund der Nachfrage durch das Ministerium äußerte sich der Schulträger zu dem Sachverhalt und sendete einen Teil der Unterlagen als Anhang mit: den Mail-Verkehr zwischen der Schule und dem Schulamt vom November 2015, den Antrag der Mutter und den Bescheid der Schule. Der Bescheid der Schule lag demnach seit dem 12. Mai 2016 den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der entsprechenden Abteilung im Ministerium vor. Am selben Tag wurde der Be

scheid per Mail an die verschiedenen Akteure der Abteilung, den Leiter und die betroffenen Referate gesandt.