Protokoll der Sitzung vom 29.03.2019

Wir denken uns das doch nicht aus.

Ich bitte doch um Aufmerksamkeit!

Wir denken uns das doch nicht aus, also bitte. Von solchen Worten hier möchte ich Abstand nehmen. Wir sind diejenigen, die bei diesen Anhörungen genau hingehört haben und die diesen einen Aspekt herausgegriffen haben.

(Zwischenruf Abg. Leukefeld, DIE LINKE: Meinen Sie, wir haben geschlafen oder was?)

Sie müssen uns das doch zugestehen. An diesem gesamten Maßnahmenpaket ist ja im Großen und Ganzen wirklich nichts auszusetzen, es ist doch ein gutes Paket. Aber Sie mögen uns doch zugestehen, dass es einen Aspekt gibt, zu dem Leute auf uns zukommen und sagen: Liebe CDU, wir haben hier Sorge, könnt ihr diese Sorge bitte ins Parlament tragen. Dann können wir doch so einen Antrag formulieren. Das ist doch absolut unverfänglich. Meine Kollegin, Frau Meißner hat doch klargemacht, dass Ihnen doch kein Zacken aus der Krone fällt, wenn Sie dem zustimmen können. Wenn Sie keine Sorge haben, dass die Werkstätten geschlossen werden, dann stimmen Sie dem doch zu! Das ist doch überhaupt kein Problem für Sie. Wir haben nur die Sorge, dass es aber eben doch durch die Hintertür passiert. Und wenn ich mir manche Äußerungen anhöre, dann sind die so geschickt, dass man diese Sorge eben haben kann.

(Zwischenruf Abg. Skibbe, DIE LINKE: Politik durch die Hintertür machen Sie doch, nicht wir!)

Deswegen bitte einfach noch mal diese Klarstellung. Das ist nichts Bösartiges, das ist einfach nur eine Planungssicherheit für die Werkstätten draußen im Freistaat, die wissen wollen, wie es mit ihnen weitergeht.

(Zwischenruf Abg. Pfefferlein, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frechheit!)

Diese Unsicherheit ist da, nehmen Sie diese Unsicherheit einfach mal zur Kenntnis, ohne das hier mit so viel Aufregung zu leugnen.

(Zwischenruf Abg. Lukasch, DIE LINKE: Die Unsicherheit verbreiten Sie doch!)

Ihnen will keiner was Böses. Die Leute draußen haben Sorgen und Ängste. Wir haben das aufgegriffen. Wir wollen einfach von Ihnen, dass Sie das respektieren. Greifen Sie das einfach auch mal auf, denn auch Sie können dazulernen. Sie saßen hier wie wir auch in der Anhörung und dann hätten Sie eigentlich den gleichen Eindruck gewinnen müssen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Zippel. Frau Pfefferlein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort – 1 Minute 30, Frau Pfefferlein.

Sehr geehrter Herr Zippel, Sie wollen was zur Klarstellung, ich zitiere Punkt 14 aus dem Maßnahmenplan: „Begleitung der Thüringer Werkstattträger bei der Erarbeitung einer Strategie zur Erhöhung der Übergänge aus den Werkstätten für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Im Ergebnis wird eine Übergangsquote von mindestens einem Prozent angestrebt.“

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ist das Begründung genug für Sie?

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Nein, ist es nicht!)

An Ihrer Stelle würde ich den Antrag zurückziehen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Ziehen Sie doch die Endkonsequenzen!)

Vielen Dank. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen seitens der Abgeordneten. Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Werner das Wort.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Sie wollen nicht, dass die Behinderten sozialver- sicherungspflichtig beschäftigt werden!)

(Unruhe CDU)

Ich bitte um Aufmerksamkeit für die Frau Ministerin. Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten – bitte, Aufmerksamkeit und Ruhe!

(Unruhe im Hause)

Bitte Aufmerksamkeit für Frau Ministerin! Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, werte Gäste, hier auch von meiner Seite natürlich noch mal der Dank an die Unterstützerinnen und Unterstützer, wenn es um die Besetzung geht, beispielsweise Schriftdolmetscherinnen aber auch Gebärdendolmetscher, die hier unterwegs sind. Schön wäre es natürlich, wenn das bei jedem Tagesordnungspunkt zukünftig so wäre.

(Beifall DIE LINKE)

Aber ich glaube, wir arbeiten auch gemeinsam daran, dass dies irgendwann auch umzusetzen ist.

Ich bin sehr froh, dass wir heute gemeinsam und wirklich auch leidenschaftlich den Maßnahmenplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hier diskutieren. Es wurde schon gesagt, dieser Maßnahmenplan wurde gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und den Ressorts der Landesregierung erarbeitet. Es gab intensive Abstimmungen in neun thematisch gegliederten Arbeitsgruppen. Am 24. September 2018 haben wir dann die Version 2.0 des Maßnahmenplans hier in den Landtag eingebracht.

Um kurz nur den Aufbau zu erklären: Es gibt eine kurze Analyse des aktuellen Sachstands, der den neun Handlungsfeldern vorangestellt ist. Dann enthält diese Version 2.0 insgesamt 130 sehr konkret formulierte Maßnahmen. Diese Maßnahmen sind fast nahezu gleichmäßig über alle Handlungsfelder verteilt. Eine Vielzahl der Einzelmaßnahmen wurde unmittelbar durch die Zivilgesellschaft eingebracht. An dieser Stelle zeigt sich, denke ich, noch mal sehr deutlich, dass ganz nach dem Motto „Nicht über uns ohne uns“ Menschen mit Behinderungen selbst und deren Selbstvertretungen am besten beurteilen können, welche Maßnahmen ihre Lebensund Teilhabesituation verbessern.

Es wurde jetzt hier viel über Inhalte gesprochen. Ich will aber noch mal auf die Methode eingehen, die diesem Maßnahmenplan vorangestellt war. Wir haben das nämlich weiterentwickelt. Auf der einen Seite ist es so, dass jetzt jährlich im Kabinett die Ressorts Bericht erstatten, wie sie den Maßnahmenplan umgesetzt haben. Dazu haben wir uns im Kabinett verpflichtet. Zum Zweiten gab es in den Arbeitsgruppen eben nicht nur die Leitung durch die Verwaltung, sondern es gab immer einen Co-Vor

(Abg. Zippel)

sitz aus der Zivilgesellschaft, um genau auch die Bedarfe und die Bedürfnisse und die Hinweise der Betroffenen besonders gut auch aufnehmen zu können. Wir haben transparent dargestellt, welche Maßnahmen aufgenommen wurden und bei welchen Maßnahmen wir auch noch Umsetzungsprobleme sehen. Das ist, denke ich, etwas ganz Neues und Wichtiges, hier auch tatsächlich transparent zu sein. Wir haben weiterhin beschlossen, dass sich die Arbeitsgruppen regelmäßig weiter treffen werden, also nicht erst in fünf Jahren dann schauen, was wurde jetzt umgesetzt oder was nicht, sondern die Arbeitsgruppen werden sich regelmäßig treffen, sie werden an den Maßnahmen arbeiten und werden die Maßnahmen auch weiterentwickeln.

Ich bin sehr froh, dass wir mit dieser Methode, denke ich, die Entwicklung, die es natürlich geben wird, gut begleiten können.

Ich möchte an der Stelle natürlich auch noch mal auf den Antrag der CDU-Fraktion eingehen und vor allem auf den Antrag von Frau Meißner. Auch ich muss sagen, Frau Meißner, ich finde es schade. Wir haben hier einen Maßnahmenplan mit 130 Maßnahmen. Allein zu dem Thema „Arbeit“ gibt es 22 Maßnahmen, die sich damit beschäftigen, wie die Teilhabe der Menschen am Arbeitsleben, am Erwerbsleben verbessert werden kann. Es wurde auch schon gesagt: Sie haben sich eine Überschrift herausgesucht, aber all die anderen Dinge, die hier in den Maßnahmen auch stehen, gerade wenn es um die Werkstätten geht, die haben Sie ignoriert – beispielsweise wenn es darum geht, das Budget für Arbeit weiterzuentwickeln und umzusetzen. Und hier an der Stelle möchte ich Frau Herold gern antworten: Wir haben eine Orientierungshilfe zum Thema „Budget für Arbeit“ erarbeitet. Diese Orientierungshilfe haben die Kommunen bekommen, um das Budget weiter auch umsetzen zu können. Es braucht hier Entwicklung, es braucht hier Begleitung. Wir sind jetzt gerade dabei, auch bei den Kommunen nachzufragen, wo es bei der Implementierung des Budgets für Arbeit vielleicht auch noch Probleme gegeben hat. Aber es gibt auch weitere Formen, die neu entstanden sind, beispielsweise die Form der anderen Leistungsanbieter. Das ist ein Wunsch der Betroffenen, gerade der Betroffenen mit psychischen Erkrankungen, die gesagt haben, sie fühlen sich in den Werkstätten nicht aufgehoben, sie brauchen andere Formen. Und diese Form der anderen Leistungsanbieter ist eine Form, die genau diesen Menschen, diesen Betroffenen dann auch gerecht werden soll. Insofern ist doch ganz klar, dass wir alle Formen, die es derzeit gibt, wenn es um die Möglichkeit des Arbeitslebens, des Erwerbslebens geht, dass sich alle Formen weiterentwickeln müssen und dass wir sie natürlich dabei

auch begleiten, aber es braucht eine Wahlfreiheit für die Betroffenen. Es braucht die Möglichkeit, sich hier auch entscheiden zu können.

Ganz zum Schluss noch mal: Ich verstehe sehr gut die Emotion, die jetzt hier auch noch mal vonseiten der Koalition zu Ihrem Antrag, denke ich, auch gut wahrgenommen wurde. Denn ich kann mir ganz gut vorstellen, wenn Ihr Antrag angenommen würde und dem zugestimmt würde, würde der erste Satz in der Presseerklärung der CDU heißen: „Die CDU hat es geschafft, dass die Werkstätten erhalten bleiben.“ Ich glaube, da sind die Abgeordneten auch gebrannte Kinder. Deswegen hier dieser leidenschaftliche Hinweis darauf, dass in dem Maßnahmenplan die Werkstätten nicht infrage gestellt werden, sondern es wird darüber gesprochen, wie die Werkstätten weiterentwickelt werden können.

Lassen Sie mich zur Versachlichung noch zwei Dinge sagen: Werkstätten für Menschen mit Behinderungen sind gemäß Bundesteilhabegesetz weiterhin Bestandteil der Eingliederungshilfe;

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Zum Glück!)

das wird unmissverständlich geregelt. Auch in den laufenden Landesrahmenvertragsverhandlungen zum BTHG werden die Werkstätten nicht infrage gestellt. Es wird eher darüber gesprochen und es ist implementiert, wie beispielsweise die Werkstätten-Mitwirkungsverordnung weiterentwickelt und verbessert werden kann. Da gibt es natürlich aus Sicht der Werkstatträte ganz viele Dinge, die hier besonders beachtet werden müssen, wenn es zum Beispiel insgesamt um den Bereich der Mitbestimmung geht, wenn es um die Arbeitszeit geht, um Entgelte, um technische Einrichtungen, um Weiterbildung, um soziale Aktivitäten der Werkstattbeschäftigten. Hier gibt es ganz viele Bedarfe, mit den Werkstätten und in den Werkstätten gemeinsam daran zu arbeiten. Es braucht also kein Bekenntnis dafür, sondern das ist gesetzlich geregelt.

Wenn die LIGA Selbstvertretung hier entsprechende Kritiken bei den Anhörungen eingebracht hat, dann ist das einfach die LIGA Selbstvertretung der Menschen mit Behinderungen. Denn wir müssen diese ernst nehmen. Und wir nehmen sie ernst, indem wir sagen, es gibt einen Mix. Dazu gehören natürlich auch die Werkstätten. Aber wir werden in Zukunft bei allen Planungen die Bedürfnisse, die Bedarfe und die Wünsche der Menschen in den Mittelpunkt stellen. Daran müssen sich dann alle anderen Einrichtungen weiterentwickeln. Vielleicht soweit zu dem Thema; ich glaube, es ist hier schon ausführlich besprochen worden.

(Ministerin Werner)

Ich möchte mich noch mal sehr herzlich bedanken, dass es möglich war, den Maßnahmenplan hier im Landtag zu behandeln und dass er hier auch beschlossen werden soll, auch untersetzt mit einem Entschließungsantrag, weil das natürlich dem Dokument ein viel größeres Gewicht verleiht. Er wird ein Handlungsleitfaden für die nächsten Jahre im Bereich der Politik für Menschen mit Behinderungen sein.

Ich bin sehr froh, dass im Sinne der bisherigen von Transparenz und Partizipation geprägten Verfahrensweise im Sozialausschuss ein Anhörungsverfahren mit vielen zivilgesellschaftlichen Akteuren aus dem Bereich der Politik für Menschen mit Behinderungen stattgefunden hat. Es sind uns hier viele Anregungen dargelegt worden, die dann selbstverständlich im Umsetzungsprozess Berücksichtigung finden werden.

Mit diesem Vorhaben greifen wir bereits den ersten Punkt des eingebrachten Entschließungsantrags auf. Die Leiterinnen und Leiter der neuen thematisch gegliederten Arbeitsgruppen werden die vorgebrachten Inhalte gemeinsam mit der Zivilgesellschaft besprechen und für die vorgesehene kontinuierliche Fortentwicklung des Maßnahmenplans prüfen.

Die Kritik von Frau Meißner, die sie angesprochen hat, die gerade die Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen benannt hat, dass es so schwer war, an den Arbeitsgruppensitzungen teilzuhaben, haben wir natürlich ernst genommen. Wir bieten jetzt schon in unseren Ministerien Fortbildungen in leichter Sprache an, damit genau hier dieser Prozess vereinfacht werden kann und die Menschen noch besser einbezogen werden können.

Ich möchte auf weitere Punkte des Entschließungsantrags eingehen, für den ich mich noch mal sehr herzlich bedanken möchte. Unter der Nutzung der Möglichkeit des Entschließungsantrags werden die Ergebnisse des Anhörungsverfahrens des Sozialausschusses umfassend gewürdigt und wichtige Inhalte für die Menschen mit Behinderungen im Freistaat Thüringen auf den Weg gebracht. Gemäß Punkt 2 des Entschließungsantrags wird am 8. Mai 2019 eine große Fachkonferenz stattfinden – darauf werde ich am Ende noch mal zurückkommen.

Zu Punkt 4 des Entschließungsantrags kann ich berichten, dass nach unserem Kenntnisstand entsprechende Schulungen in Thüringen derzeit durch den Landesverband der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung und durch das Südthüringer Bildungszentrum in Kloster Veßra angeboten werden. Die Teilnahme an den Schulungen ist durch die Werkstätten zu organisieren; wir werden für ei

ne umfassende Wahrnahme der Schulungsangebote werben.

Das Hinwirken auf eine barrierefreie Gestaltung von Frauenschutzwohnungen und Frauenhäusern nach Punkt 6 des Entschließungsantrags sollte in der Zuwendungsbearbeitung mittels Bescheidauflagen erfolgen können. Bereits derzeit werden Belange der Barrierefreiheit regelmäßig im Rahmen der Zuwendungsberatung oder auch im Rahmen von Gesprächen in der Landesarbeitsgemeinschaft der Thüringer Frauenhäuser erörtert.