Protokoll der Sitzung vom 29.03.2019

Ich sage immer „sogenannt“. Wir haben das mal mit den Trägern diskutiert, weil es so ein bisschen komisch ist, wenn ein Gesetz „Gute-KiTa-Gesetz“ heißt und sich die Träger natürlich fragen, was sind denn unsere Kindergärten, unsere Kindergrippen dann jetzt. Da wird gute Arbeit geleistet. Sie soll noch besser werden – gar keine Frage –, und sie braucht Unterstützung. Aber der Name des Gesetzes ist ein bisschen komisch. Wir reden ja auch nicht vom Guten-Schul-Gesetz oder vom GutenRenten-Gesetz. Ich gehe immer davon aus, dass es darum geht, das möglichst gut zu machen. Aber gut, es heißt nun mal so.

Wir bekommen diese Mittel und davon profitiert auch Thüringen. Und ja, wir mussten überlegen, wie wir diese Mittel einsetzen. Wir waren uns schnell einig, dass es auf der einen Seite um die Verbesserung der Qualität in unseren Kindereinrichtungen gehen muss. Da geht es um Personal, da geht es um die Verbesserung der Betreuungsschlüssel, da geht es darum, dass wir das fortsetzen, was wir konsequent im Jahr 2017 begonnen

haben, nämlich die Betreuungsschlüssel zu verbessern. Zunächst waren es die Drei- bis Vierjährigen, die davon profitiert haben. Jetzt sollen es auch die Vier- bis Fünfjährigen sein, wo eine Erzieherin eben künftig nicht mehr 16 Kinder in einer Gruppe, sondern 14 Kinder betreut. Diesen Wunsch haben die Träger immer wieder an uns herangetragen. Das ist aber nicht alles. Es gibt sozusagen eine prozentuale Pauschale für Ausgleichszeiten für Vertretungen im Krankheits- oder im Urlaubsfall. Diese erhöhen wir um 3 Prozent, weil es nicht ausreicht, nur den Betreuungsschlüssel zu verbessern, sondern auch sicherzustellen, dass die Erzieherinnen mehr Zeit haben für Vor- und Nachbereitung, dass sie mehr Zeit haben für gegenseitige Vertretung. Auch dem kommen wir nach.

Außerdem – meine Kollegin Birgit Pelke hat es ausgeführt – starten wir mit einem Modellprojekt – ja, es ist ein Modellprojekt, angelegt auf drei Jahre, es soll auch evaluiert werden –, um Multiprofessionalität in die Einrichtungen zu bringen. Wenn wir – wir haben es ja eben im Tagesordnungspunkt vorher erlebt – über Inklusion reden, wenn wir über individuelle Förderung reden, dann brauchen wir für Kinder mit besonderen Bedarfen auch besondere Professionen, die auch in den Einrichtungen selbstverständlich zum Tragen kommen. Wir meinen, wir gehen da einen guten Schritt. Das kostet uns 7 Millionen Euro im Jahr. Aber das ist gut investiertes Geld, weil wir alle wissen, dass sich Inklusion eben nicht sozusagen zum Nulltarif umsetzen lässt. Dem tragen wir Rechnung. Unser Ziel ist es natürlich, das für alle Einrichtungen irgendwann auf diesen Weg zu bringen. Wir fangen an, 7 Millionen Euro sind es.

Wenn wir diese Zahl und die 100 Einrichtungen, mit denen wir beginnen, nehmen und den verbesserten Betreuungsschlüssel plus die verbesserten Prozente bei den Ausgleichszahlen, dann kommen wir auf 530 Erzieherinnen und Erzieher mehr, die ab 2020 in unsere Einrichtungen kommen. Ja, sie fallen nicht vom Himmel – das ist hier auch schon gesagt worden. Konsequent heißt es also jetzt, in die praxisintegrierte Ausbildung einzusteigen.

Jetzt muss ich die CDU leider an ihren hier schon mehrfach zitierten Antrag erinnern. Denn was stand denn da tatsächlich drin? Sie wollten damit eine Expertenkommission einsetzen und haben völlig ausgeblendet, dass es längst eine Arbeitsgruppe im Landesjugendhilfeausschuss gab, die genau zu diesem Thema gearbeitet hat. Wir haben Ihnen schon damals gesagt, wir warten das Ergebnis dieser Facharbeitsgruppe ab und steigen dann in die praxisintegrierte Ausbildung ein. Gesagt, getan! Das machen wir jetzt mit der praxisintegrierten Aus

bildung. Frau Pelke hat es gesagt, die Auszubildenden erhalten dann auch eine entsprechende Vergütung. Es kann schon eine Bindung an die jeweilige Einrichtung entstehen, wo diejenigen tätig sind, wo sie lernen. Wir glauben, dass wir so die Fachkräfte im Land halten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer dann aber hier – und da muss ich noch mal auf das eingehen, was ich eingangs sagte – von „Verstaatlichung der Kinder“ spricht, dem geht es wirklich nur um schäbige Ideologie – ich sage es so hart.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir wollen, dass tatsächlich alle Kinder die bestmögliche Bildung von Anfang an genießen können. Dafür sind natürlich die Eltern verantwortlich, aber eben auch unsere Kindereinrichtungen, für die es übrigens auch einen verbindlichen Bildungsplan gibt, der sich bis 18 Jahre durchzieht und der bundesweit Beachtung findet. Niemand muss sein Kind in einen Kindergarten oder eine Kindereinrichtung geben. Die Wahlfreiheit ist ganz zentral. Aber wir wissen alle, dass es für die Kinder gut ist, wenn sie diese Erfahrung gemacht haben, schon im Kindergarten gemeinsam in der Gruppe mit Gleichaltrigen gelernt zu haben. Wenn sich Eltern anders entscheiden, ist das ihr gutes Recht. Niemand wird dafür bestraft. Das stimmt schlichtweg nicht, Frau Muhsal, was Sie hier verbreiten, sondern das Gegenteil.

Wir haben mit der Beitragsfreiheit im Vorschuljahr und künftig in einem weiteren Jahr tatsächlich eine Entlastung der Familien im Blick, die sich sozusagen auch im Portemonnaie niederschlägt. Ja, ich sage auch, sie kommt leider nicht allen zugute. Denn die Eltern, die im Moment gar keine Beiträge bezahlen, weil sie zum Beispiel im Sozialleistungsbezug sind, bezahlen sie eben nicht. Das ist auch richtig so. Sie erfahren diese Entlastung in der Höhe nicht. Jetzt allerdings dagegenzusetzen, dass es viel besser und sozialer sei, den Kindern ein kostenloses Essen anzubieten, das hat leider so wahrlich mit der Realität nichts zu tun. Dazu hat Torsten Wolf schon umfangreich ausgeführt. Jedes Kind bekommt selbstverständlich etwas zu essen, kein Kind hungert in Thüringer Kindereinrichtungen. Wer hier solche Bilder an die Wand malt, dem geht es wirklich nur um Angstmache, und das einmal mehr.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will es noch mal sagen: Uns kostet die Qualität künftig ab dem nächsten Jahr in den Punkten, die ich hier gerade ausgeführt haben, 41 Millionen Euro. Dazu kom

men pro beitragsfreiem Jahr 30 Millionen Euro. Ja, das lässt sich auch nicht alles aus Bundesmitteln finanzieren. Ich sage es noch einmal – da macht Rot-Rot-Grün vielleicht auch den Unterschied –: Das sind uns die Kinder wert. Wir werden das im nächsten Haushalt selbstverständlich auch einstellen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie können dann ja beweisen, wie Sie sich dazu verhalten, wenn es um die Haushaltsverhandlungen geht.

Auch wir bitten um Überweisung unseres Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Tischner, Fraktion der CDU, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch ein paar kurze Worte im Rückblick auf die Debatte, die wir eben gehört haben. Ich glaube, was uns bei dieser Debatte eint, im Gegensatz zu dem Thema, wenn wir über Schule reden, ist, dass wir hier über den richtigen Weg streiten, wie wir die beste Qualität in die Kindergärten hinein bekommen. Das ist das, was wir bei dem Schulthema oftmals vermissen.

(Beifall CDU)

Da geht es immer nur um Zahlen und um Rechnereien, aber weniger um die Qualität. Es geht um die Frage, wie kriegen wir die beste Qualität in die Kindergärten. Alle unsere Kollegen und wahrscheinlich auch alle Abgeordneten hier im Hause sind regelmäßig mit Eltern, mit der Familie, im Bekanntenkreis im Gespräch und hören natürlich hin und fragen: Wie ist denn das, Beitragsfreiheit? Brauchen wir so was? Oder gibt es andere Dinge, die wir irgendwo machen müssen? Man hört immer wieder von den Eltern die Aussage: Ja, die Beitragsfreiheit ist schön, aber eigentlich bräuchten wir Erzieher, eigentlich bräuchten wir endlich mal genug Investitionen, wir bräuchten Spielzeuge, wir bräuchten Kindergartenspielgeräte – also alles Dinge, die dem Kind in der Einrichtung tatsächlich zugute kommen. Dann sagen die Eltern: Ja, wir sind auch gern bereit, einen Beitrag dafür zu bezahlen, wenn all das stimmt. Und da beginnt, glaube ich, das Denken, was uns hier in dem Hause unterscheidet. Nicht,

dass wir den Eltern die Beitragsfreiheit nicht gönnen, sondern dass wir auf die Eltern hören und sagen, wir sorgen erst dafür, dass die Kitas perfekt ausgestattet sind und dann gucken wir nach der Beitragsfreiheit.

Bei mir im Wahlkreis ist es so, zwei Kindergärten warten seit Jahren darauf, dass sie endlich ihre Gruppenräume erweitern können. Sie kriegen keine Zuweisungen vom Land, um in die Gruppen zu investieren, um zu vergrößern,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Die Gemeinden bekommen doch 1.000 Euro pro Neugeborenem im Jahr als Investitionspau- schale!)

weil angeblich kein Geld da ist. Und es gibt Kindergärten, erst heute Morgen wieder passiert, die schicken ihre Kinder nach Hause, weil kein Personal da ist. Da wird dann gesagt: Wir schaffen das heute nicht, wir schicken die Kinder nach Hause, das geht nicht. Ein anderes Beispiel ist, dass Kitas mittlerweile Kinder ablehnen, 14 Tage bevor das Kind letztendlich in den Kindergarten gehen dürfte.

Herr Abgeordneter Tischner, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Kuschel?

Herr Abgeordneter Kuschel.

Danke, Frau Präsidentin. Herr Tischner, ist Ihnen bekannt, dass die Gemeinden im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs jährlich 18 Millionen Euro Investitionspauschale für Kindertagesstätten nach dem Schlüssel 1.000 Euro pro Neugeborenem bekommen und ein Kita-Platz circa 20.000 Euro an Investitionen kostet, sodass er über die normative Nutzungsdauer vom Land ausfinanziert ist? Wie begründen Sie in diesem Zusammenhang Ihre Aussage, dass in dem von Ihnen beschriebenen Fall das Land angeblich keine Zuschüsse gewährt?

Herr Kuschel, Sie sind ja jemand von den Kollegen, die immer ganz fleißig Anfragen stellen. Vielleicht sollten Sie einfach mal eine Anfrage stellen an Ihr Ministerium, an das Bildungsministerium, und mal

(Abg. Rothe-Beinlich)

fragen, wie viel Bedarf denn angemeldet worden ist von den Kindergärten und dann gleichen Sie als Innenpolitiker es mal mit dem ab, was Sie über Ihren KFA angeblich den Kommunen zur Verfügung stellen. Das reicht bei Weitem nicht aus und deswegen ist die Betriebserlaubnis mindestens von zwei Kindergärten in meinem Wahlkreis in Gefahr.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Das war keine Antwort!)

Meine Damen und Herren, auf einen Punkt möchte ich noch eingehen, weil das hier angesprochen wurde. Es wurde gesagt, das Gesetz ist für die nächsten zwei, drei Jahre ausfinanziert. In der Tat – und da ist auch der zweite große Kritikpunkt, den wir haben –, nach der Zeit, wo das Bundesgesetz nicht mehr greift, ist nicht klar, was mit der Beitragsfreiheit in Thüringen passiert.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das KitaG ist ein Landes- gesetz!)

Wir machen jetzt die Beitragsfreiheit in Thüringen, die Bundesmittel werden nachher wahrscheinlich nicht mehr so fließen, wenn man sich die Konjunktur anschaut. Und dann müssen wir nämlich ehrlich mit den Leuten umgehen und müssen sagen, was machen wir jetzt. Mal gucken, wie Sie sich nachher verhalten.

Ein letzter Punkt zur praxisintegrierten Ausbildung: Gut, dass man da auf dem Weg ist. Wir hätten das Ganze schon zwei Jahre eher haben können und nicht nur in zwei Schulen. Ich bin ja froh, dass das unter anderem in Greiz passiert. Das ist auch schön, aber wir bräuchten es eigentlich flächendeckend. Sie haben es selbst gesagt, 530 zusätzliche Stellen brauchen wir innerhalb von eineinhalb Jahren. Das müssen Sie erst mal hinkriegen. Wenn Sie mit den Schulleiterinnen reden, die die Erzieher ausbilden, sagen die Ihnen ganz deutlich, wie auch die Qualität der Erzieher derzeit deutlich nachlässt, weil eben so viel auch aus den Schulen tatsächlich gar nicht hervorgebracht wird. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Herr Abgeordneter Wolf, Fraktion Die Linke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Tischner, Sie haben

mich jetzt natürlich wieder mal ein Stück weit hier vor getrieben. Ich bin erstaunt. Wir hören einen Totalverriss von Frau Rosin, die eigentlich nichts gesagt hat zu dem, was wir vorhaben. Sie, Kollege Tischner, sind zumindest auf gewisse Bereiche eingegangen und haben auch eine sehr persönliche Stellungnahme hier abgeben. Das kann man auch erst einmal so würdigen.

(Zwischenruf Abg. Rosin, CDU: Sie bringen ja nicht mal Ihr Gesetz selbst ein!)

Ich habe Sie vorhin hier vom Pult aus gefragt: Was versteht die CDU unter Qualität? Was Ihr Fraktionsvorsitzender unter Qualität an den Kitas versteht und wie er die Mittel aus dem Gute-KiTa-Gesetz einsetzen will, überkompensieren will – das hat er uns mehrfach in öffentlichen Stellungnahmen gesagt.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Da stehen wir voll dahinter!)

Sie stehen voll dahinter, gut. Das halten wir fest, Kollege Tischner, die gesamte CDU-Fraktion steht hinter den etwas mehr als 30 Millionen Euro aus dem Gute-KiTa-Gesetz – im Übrigen ein Gesetz, das maßgeblich von unserem Koalitionspartner, der SPD, dann auch im Bund eingebracht worden ist. Kollegin Schwesig hatte große Probleme mit der CDU, das überhaupt durchzusetzen. Sie sagen, Sie stehen dahinter, fordern uns aber auf, wir sollen natürlich noch mehr in Personal, mehr in Kita-Invest und mehr in Ausbildung stecken. Da müssen Sie schon erklären, wie Sie das finanziell untersetzen wollen.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit...

Ja, vielen Dank für den Hinweis. – Die Forderung Ihres Fraktionsvorsitzenden ist schon deutlich überzeichnet mit mehr als 90 Millionen Euro. Jetzt kommen Sie und fordern noch mehr. Das ist keine verantwortungsvolle Politik für die Kleinsten in unserem Land, Kollege Tischner, das ist sie nicht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten. Frau Staatssekretärin Ohler, Sie haben das Wort für die Landesregierung.